Fabelverzeichnis

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Abraham Emanuel Fröhlich

geb. am 1.Februar 1796 in Brugg
gestorben am 1. Dezember 1865 in Gebensdorf im Aargau.

Fröhlich versucht nicht, ältere, bekannte Fabeln neu zu interpretieren, sondern wendet sich neuen selbstgeschaffnen Stoffen zu, und das in so anziehender Art, dass sie auch dieser Gattung neue Reize abzugewinnen weiß und sich dem Lyrischen nähert, ihr dadurch rechte Frische und Kraft mitteilt.
Er gab 1825 "Hundert neue Fabeln" heraus.

Quelle:
Fabeln von Abraham Emanuel Fröhlich/zweite vermehrte Auflage/Aarau 1829/Bei Heinrich Remigius Sauerländer
 
Fabeln 1
 
Lebensworte
Wiederfinden
Neuer Tag
Ostern
Erste Gedanken
Kernsprüche
Die Nützlichen
Einträglichstes
Kunst und Gunst
Die Reisenden

Erziehung
Die Jünglinge
Langleben
Liebe
Zucht
Verflachung
Geprüfte
Die Geschliffnen
Ergebung und Kampf
Versorgung
Abrichtung und Natur

Hang und Zwang
Turnen
Brausköpfe
Gesetztheit
Die Deutschtümler
Die Unfruchtbaren
Treibhäusler
Auch ein Institut
Waldschulmeister
Der Erzieher
Nachbeter

 
Unerschöpfliche
Vettern
Ellengröße
Kehlen wie Seelen
Der Gartenaff
Die Leute
Stadtleben
Kleinstädter
Guter Ton
Der Weltmann

 

Lebensworte

Zu dem vollen Rosenbaume
sprach der nahe Leichenstein
"Ist es recht, in meinem Raume
groß zu tun, und zu verhüllen
meiner Sprüche goldnen Schein,
die allein mit Trost erfüllen?"

"Auch aus Grüften, sagt die Blüte,
ruft mich Gottes Macht und Güte,
heller noch denn tote Schriften
sein Gedächtnis hier zu stiften.
Und ich blühe tröstend fort,
ein lebendig Gotteswort!"

Wiederfinden

"O du lieblicher Geselle",
sprachen Blumen zu der Welle,
"eile doch nicht von der Stelle!"

Aber jene sagte dawider:
"Ich muß in die Lande nieder,
weithin auf des Stromes Pfaden,
mich im Meere jung zu baden.
Aber dann will ich vom Blauen
wieder auf euch niedertauen."

Neuer Tag

Die liebe Sonne bot
dem Wölklein rosenrot
zum Abschied noch die Hand.
Und von dem Bergesrand
schaut es erbleichend nach.
Sie tröstet es, und spricht:
"Mein Kind, verzage nicht!
Dich küß' ich wieder wach."

Und weinend klagt das Kind:
"Es wollen Nacht und Wind
verwehn mich alsobald
von diesem Fluß und Wald!"

"Und ob sie dich verwehn,
sagt ihm die Sonne drauf,
du sollst mich wiedersehn.
So weit du auch gereist,
ob jenseits du auch seist;
ich geh' dir dennoch auf."

Ostern

Stürm' erheben
sich in der Nacht;
Gräber erbeben,
Begrabnes erwacht.
Himmlische Boten,
Blumen in Düften,
rufen aus Grüften:
"Trauet der Macht,
welche die Toten
ans Licht gebracht!"

Erste Gedanken

Die Blumenstauden sagen:
"Du, Veilchen, bist verblüht,
wann Kränze hocherglüht
wir alle wieder tragen."

"Dennoch bin ich zufrieden,
spricht es, da mir beschieden,
zu künden euer Glück.
Man sucht mich in dem Moose,
als wär' ich selbst die Rose,
und denkt noch spät an mich zurück!"

Kernsprüche

Kürbisstauden eine
sagt zur hohen Eiche:
"Du Gepriesne, Reiche,
hast doch gar gemeine
Frücht' und winzig kleine.
Schau dagegen meine
Äpfel, wie sie quollen,
Wunder von Gewichte!"

"Aber schnell zu Nichte
sind die wasservollen,"
spricht die Eich'; "aus meinen
Kernen, den so kleinen,
wird in späten Zeiten
sich ein Wald verbreiten!"

Die Nützlichen

"Unkraut seid ihr," sprachen Ähren
Zu der Korn- und Feuerblume;
"Und ihr dürftet euch, vermessen
Selbst von unserm Boden nähren?"

"Wir sind freilich nicht zu essen,
Wenn das einzig hilft zu Ruhme,"
Sagten diese Wohlgemuten;
"Aber wir erblühn hienieden,
Euer Einerlei, ihr Guten,
Mannigfarbig zu beleben."

Einträglichstes

"Was trägt dein Singen ein?"
bemerkt die reiche Maus
vor ihrem vollen Haus
dem muntern Vögelein.

"Das," sagt's, "hab' ich davon:
was Blumen von dem Glanz,
was Well' und Wind vom Tanz:
die Freude ist mein Lohn
und Frohsinn, aller Güter Kron!"

Kunst und Gunst

Zur Ulme fleht die Rebe:
"Reich mir die Hand, und hebe
mich auf zu Luft und Licht.
Was ich empor auch strebe:
Gedörn, so mich umflicht,
läßt mich gedeihen nicht.
Du bist so groß und mächtig;
ich mache dich noch prächtig:
ich will dein Haus umschlingen
rundum mit einem Kranz,
hinein dir Düfte bringen
und goldner Früchte Glanz."

Die Ulme war gewogen,
hat sie empor gezogen,
und prangt vor andern weit.

Darnach als Sturm und Zeit
den Baum daniederbogen,
ward ihm die Reb' ein Stab,
der lang noch Haltung gab.

Die Reisenden

"Gradaus, gradaus immerfort!
ruft dem Fluß die Straße zu;
schnell geht's so durch tausend Ort'
und zum Ziel fast wie im Nu!"

"Langsam nur, und quer und rund,
wandl' ich, ist des Flusses Wort;
kurz ist meine Lebensstund,
und ich möcht' die Welt beschau'n.
Staub erjagst im Staub du dir;
mich begrüßen frisch die Au'n,
und der Himmel zieht mit mir.

Erziehung

Kirschen blühen wieder.
Dornen selbst daneben,
und auf nackte Reben
sehn sie höhnend nieder.

Nun die Armen weinen,
ruft die Sonn: "Ihr Kleinen,
sollt mir nicht verzagen!
Wer noch späten Tagen
Segen will erteilen,
darf nichts übereilen."

Die Jünglinge

"Laß uns, sagt ein Bach zum andern
lustig in die Täler wandern;
Blumenmatten, Wald und Lieder
rufen uns zu sich hernieder!"

"Warte doch! sprach der Geselle;
noch zu klein ist unsre Welle"
Du verlörest dich in Bälde
auf dem breiten Sonnenfelde.
Birg dich vor den gier'gen Strahlen,
stärke dich in Bergesgründen;
doppelt wirst du dann in Talen
Freuden finden und verkünden!"

Doch, umsonst zurückgerufen,
sprang von des Gebirges Stufen
jener mit Gejauchz hinab
in sein Jugendfreuden – Grab.

Und der andre suchte Nahrung
in des tiefen Schachts Verwahrung.
Und es sprudelt seine Welle
jetzo von des Berges Schwelle,
heilsam jedem, der begegnet,
alle segnend, allgesegnet.

Langleben

Vor dem Tagen lang
klang des Finken Sang;
und die Jungen riefen:
"Süßer wär's, wir schliefen!"

"Nein, sagt er, das Träumen
ist nur ein Versäumen;
heiß wird der Mittag,
lang des Winters Plag;
bald schon welkt's in Bäumen.
Macht die enge Zeit
euch durch Freuden weit!"

Liebe

Ein Pärchen lebt auf Höhn,
die Quelle und der Bach,
noch Kinder blumenschön.
Eins geht dem andern nach,
sie tanzen auf und nieder,
sie singen hübsche Lieder,
und sind sich nicht bewußt,
wie selig ihre Lust;
und sind sich nicht bewußt,
wie sie sich später meiden
und von einander scheiden.

Die Quelle wandelt mild
durch sanftes Blumgefild,
das lachet ihrem Tanze,
des Auges blauem Glanze,
der Ruh' auch, wann sie denkt
in Träume tief versenkt.

Der Bach ist ab der Halde
in Einem Satz gesprungen
und durch die Kluft gedrungen,
und jauchzet nun im Walde,
und übt die starken Glieder;
den Felsblock stößt er weit
und beugt die Bäume nieder
und springt schnell, hoch und breit.

Doch in dem Grund des Tals
verstummt er Eines Mals,
und sinnt der schönen Zeit,
der Kinder-Seligkeit,
und wendet seinen Lauf
und sucht die Quelle auf.

So viel er sich muß winden,
er will sie dennoch finden;
und als er sie erblickt,
ha, wie er froh erschrickt!
Die Quelle sieht hinan,
ihr Fliehen ist ein Nahn;
sie singen bald schon wieder
zusammen alte Lieder;
dann schließen Herz und Mund
den allerengsten Bund.

Zucht

"Nicht laß ich mich zäumen,
schäumt wütend das Pferd;
ich werde mich bäumen,
mich wälzen zur Erd;
und wenn sie mich schlagen,
zerreiß ich den Wagen,
und stürze feldein
durch Klüft' und Gestein;
denn besser zu sterben
als knechtisch verderben."

"Gern ließ ich mich zügeln
entgegnet der Springer,
und Schläge und Stich
verschoneten mich.
So ward ich ein Ringer
und lernte beflügeln
mich selber zum Ziel.
Viel besser gefiel
mir, Zucht zu erwerben,
denn zuchtlos verderben."

Verflachung

Kaum der Fluß beginnt den Lauf,
fängt die Wüstenei ihn auf,
doch er bleibt, gedenk der Flühn,
gletscherblau und alpengrün.
Und die Wüste, neidentbrannt
über solch ein frisch Erblühn,
hätt' ihn gern zum Sumpf gebannt,
wälzt ihm Sand und Felsgestein
hemmend in den Weg hinein.

Doch der Jüngling, wie er stritt,
und durchbrach die Felsenschwell,
geht noch stolzer seinen Schritt,
und sein Pfad ist wiesenhell.

Jetzt versucht die Wüstenei
ihn auf Weisen anderlei:
öffnet ihm bequeme Bahn,
lockt ihn schmeichlerisch heran;
und dem Jüngling scheint, betört,
besser was, so flach und grad,
nicht ermüdet und nicht stört.
Er verläßt den tiefen Pfad,
macht sich breit im ebnen Land,
wird getrübet und verschwand
bald im weiten, öden Sand.

Geprüfte

Reben von hohen Bäumen gehoben,
prächtig von Kränzen und Früchten umwoben,
wurden nicht müde, sich selber zu loben
vor den hart an die Erde gebannten,
kleinen, bescheidenen Anverwandten.

Diese dagegen haben gelächelt:
"Prangt nur dort oben von Kühlung umfächelt,
während wir in den langen Tagen
an dem Gesteine die Gluten ertragen.
Unsere Früchte sind drum die mildern,
schön zwar die euern, aber die wildern."

Die Geschliffnen

Ob der Fels nicht aufwärts schwamm,
doch dem Strom entgegenstemmte
er sich fest, ein hoher Damm.

Ob die Flut ihn überschwemmte,
stürmend ihn belagert hält,
grünt doch sicher auf den Warten
ihm ein eigner, lustger Garten.

Aber Kiesel ungezählt
hat der Strom mit sich getrieben;
und es rollt das ganze Heer,
all' sich gleich, und glatt gerieben,
unbekannt hinab ins Meer.

Ergebung und Kampf

Von dem Winter hart bekriegt
ist der See mit Heereswogen
rüstig ringshin ausgezogen
und er wurde nicht besiegt.

Aber als er begann zu zagen,
schwand alsbald ihm auch die Macht,
und in Fessellast geschlagen
ward er noch in selber Nacht.

Doch der Fluß stritt unverdrossen,
schwingend seine mächtgen Glieder,
und vom Feinde schon umschlossen
riß die Ketten er entzwei.
Er nun einzig schreitet frei
durch des Winters Reich hernieder.

Versorgung

Eingesperrt beim alten Pferd,
das im Radlauf wohlgelehrt,
stampft ein Kriegsroß vor Verlangen
in dem Siegeszug zu prangen.

"Sei nicht töricht!" sagt der Gaul,
hast's ja ruhig hier, und lug',
hängt das Heu dir nicht in's Maul?
gibt's nicht Hafer übergenug?
Einzig hier wohnt wahres Glück;
glaub es mir und meinen Jahren;
täglich hab ich das erfahren."

Und das Roß spricht stolz zurück:
"Was hast du denn für Erfahrung?
Nichts denn Kreislauf, Schlaf und Nahrung!"

Abrichtung und Natur

Der Obstbaum an der Gartenwand,
in Fesseln Haupt und Fuß und Hand,
in Formen wunderlich gebogen,
nach Launen krumm und grad gezogen,
sagt, breit sich machend: "Mir allein
gedeihen Früchte weich und fein."

Drauf spricht im nahen Wiesenraum
der waldig-hohe-breite Baum:
"Und meine Früchte, wenn auch derbe,
sind einzig deinen Freunden herbe;
und frohe Sänger mannigfach
in meiner Zweige Schattendach,
und freier Wuchs nach allen Seiten,
und freier Blick ins weite Land
und warmes Blut in Winterzeiten
und eignen Fußes fester Stand,
wann mit dem Sturm ich mich erschwinge:
das, Nachbar, sind auch gute Dinge!"

Hang und Zwang

In Nacht und Schacht beisammen lag
der Diamant und Kieselstein;
und auf des Bergmanns Hammerschlag
gab auch der Kiesel Funkenschein.
Da sprach er zu dem Diamant:
"Auch mir ist Farbenglanz und Tag;
ich bin dir gleich, nicht nur verwandt."

Der aber sagt: "Nur in der Not
wird dir ein Fünklein blasses Rot.
Stets brennt des Edelsteines Pracht
im Sonnenlicht und in der Nacht."

Turnen

"Schwing mir die Buben und schwing mir sie stark!
ruft dem Winde der Wald;
klagen sie gleich in müdem Gestöhn,
laß mir nicht ab sobald.
Also nur wurzelt ihr Fuß, und mit Mark
füllet sich Arm und Brust;
und sie wachsen zu stolzen Höhn,
mir eine Herzenslust.
Denn ich hasse die Zwergenart,
so die sumpfige Kluft
eingewindelt vor Wetter bewahrt
immer in Stubenluft.
Fahl und kahl in des Frühlings Saft
hat schon ein Lüftchen sie umgerafft."

Brausköpfe

Es tun die jungen Bäume bald
gar stürmisch, kommt der Wind in Wald:
sie schlagen Köpf an Köpfe hart,
auch Hand und Arm wird nicht gespart.
Wann tiefer ihre Wurzeln gehen,
der Kopf geworden ist ein Haupt,
hält derlei Keiner mehr erlaubt:
sie bieten, bricht der Sturm in's Land,
einander dann wohl Arm und Hand,
um sicher, edel dazustehen.

Gesetztheit

Als der junge, edle Renner
mit den Besten wettgesprungen
und des Streites Preis errungen,
lobten ihn bewährte Kenner,
und er freut sich ob dem Kampfe,
glüht er gleich in Schaum und Dampfe.

Doch aus ihrem Straßenstaube
kritisieren ihn die Fliegen,
necken ihn ob seinem Schweiße,
und wie schnell und tief er schnaube;
meinen auch ihm obzusiegen,
abzujagen ihm die Preise.

Und er will sie von sich wehren,
schüttelt Haupt und Mähne kräftig,
geißelt links und rechts sie heftig,
stampft und schlägt; doch diese kehren
noch so wild und bissig wieder,
daß er rennt die Straßen nieder.

Aber nun von jeder Seite
heben Scharen sich zum Streite;
denn dies Gassenvolk der Fliegen
hilft getreulich sich in Kriegen.
Und es jagen ihn die Dinger
heißer denn die größten Ringer.

Älter, wird er schweigend lachen,
wenn sich Leutchen an ihn machen.

Die Deutschtümler

Ein Sänger aus den Palmen-Hainen
kam in den deutschen Eichenwald,
und um den Fremden her vereinen
sich viele Vögel alsobald;
die einen über sein Gefieder,
die andern staunen seiner Lieder,
die leicht und glänzendhell und weich
und ton- und melodienreich.

Es lauschen ihm mit Wohlgefallen
und Lernbegier die Nachtigallen:
auch solchen Glanz noch zu erringen
in ihrem seelenvollen Singen.

Die Krähen aber und die Heher
und auch der Spatzen laute Schar
die schrei'n: "Der Fremde ist fürwahr ein
Schwätzer nur und Kunstverdreher;
's ist ehrlich-deutschen Waldesleuten
gemütlich nur Choral-Gesang,
der unser Wesen hält im Gang';
das Andre sind nur Eitelkeiten."

Dem schließen sie auch Ohr und Tor,
und johlen ihren alten Chor.

Die Unfruchtbaren

Fernher aus dem Morgenlande
steht die Palm am Alpen-Rande,
wo die Gärten sicher sind
in der Bucht vor Winterwind;
und wie sie Bewundrung find't,
hebt sie stolzer auf das Haupt,
reich und immergrün umlaubt,
über alle Landeskinder,
die, an Wuchs und Kraft nicht minder,
mit der Früchte Purpurwangen,
mit der Blüte Kronen prangen.

"All das," sagt der Palmenbaum,
"ist vom Schönen nur ein Traum;
gute Bäume, ihr müßt ringen,
Palmen-Blust und -Frucht zu bringen,
wie sie unerreichbar schön
glühen auf des Südens Höhn.
Wenn mir gleich in dieser Zone
nur gedeiht die Laubeskrone,
einzig diese schon und meiner
schlanken Glieder Götter-Pracht
ist unendlich mehr und reiner,
denn was ihr hervorgebracht!"

Und noch glaubt der Palme Wort
manches Bäumchen hier und dort
und verkrüppelt und verdorrt.

Treibhäusler

Bald in Früchten standen
Reben, die sich wanden
in die Stubenluft.
Ihrer eine ruft
denen draußen zu:
"Ihr habt gute Ruh!
Wollt gewiß auch sparen
für des Alters Plagen!"

Und die Schwestern sagen:
"Ja ihr sollt's erfahren:
Daß wir dann noch tragen
Trauben, welche prangen
an der Sonn' erglüht.
Ihr seid schon verblüht!
Euer dumpfe Zwinger,
eure welken Dinger
wecken kein Verlangen."

Auch ein Institut

Hund und Aff' und Papagei,
wohldressiert im Allerlei
fremder Wörter, Tanz' und Sitten,
schlossen einen Lehrerbund.
Und es ward von ihnen kund:
"Daß sie bei so vielen Bitten
für die unerzogne Jugend
endlich sich entschlossen haben:
sowohl Töchter als auch Knaben
in Religion und Tugend
und im Tanz zu unterweisen
nach den angesetzten Preisen."

Eltern, aller Sorg entladen
eilen nun zum Ort der Gnaden.

Ausstaffiert mit Pfaugefieder
schnattert dort das Gänschen zierlich;
und das Bärchen tanzt manierlich
nach dem Takt verliebter Lieder.

O wie schnell lernt nun die Jugend
die Religion und Tugend!

Waldschulmeister

Der Zeisig hatte manchen Sohn
des Waldes auferzogen.
Die Eltern gaben keinen Lohn,
und selbst die Jungen sind mit Hohn
am Ende fortgeflogen.
Da sagt der Zeisig ungemut:
"Es ist drum eine Kuckucks-Brut!"

Der Erzieher

Der wilde Stamm verlangte
vom eingepfropften Zweige,
der schon mit Früchten prangte,
daß er ihm Dank erzeige.
"Denn, sagte er, jede Blüte
verlieh dir meine Güte."

"Nein," hat der Zweig entgegnet,
"ich habe dich gesegnet.
Du bist voll herber Säfte,
ich bin's, der sie kann mildern;
hätt' ich nicht eigne Kräfte,
bei dir müßt' ich verwildern."

Nachbeter

Der Fink zum Echo sprach:
"Du singst auch alles nach
und wiederholst mit Preisen
das Lied der Nachtigallen,
wie das Geschwätz des Wichts.
Hast du auch eigne Weisen,
kannst etwas oder nichts?"
"Nichts, Nichts," hört man erschallen.

Unerschöpfliche

"Nachtigallen, euch vergeht,"
sagt der Spatz, "alsbald der Reigen,
wann ein kaltes Lüftchen weht;
meinen Sang bringt früh und spät
Regen nicht noch Wind zum Schweigen."

"Ja du bist dir immer gleich,"
ließen drauf die andern hören.
"Nichts kann im Erfinden stören
den, der so gedankenreich!"

Vettern

Reseda sprach zu Reben:
Wir sind in Allem gleich:
des Blustes Farbenleben
ist beiden nicht gegeben,
die wir so düftereich."

"Doch wird man zwischen beiden,
erwiderten die Reben,
noch immer unterscheiden.
Bald sterben deine Düfte;
wir blühn erst recht im Wein
mit Gold - und Purpur-Schein,
und hauchen Rosenlüfte."

Ellengröße

Die Pappel spricht zum Bäumchen:
"Was machst du dich so breit
mit den geringen Pfläumchen?"

Es sagt: "Ich bin erfreut:
daß ich nicht bloß ein Holz,
nicht eine leere Stange!"

"Was!" ruft die Pappel stolz,
"ich bin zwar eine Stange,
doch eine lange, lange!"

Kehlen wie Seelen

Als die Nachtigall den Jungen
ihre Lieder vorgesungen,
hat ein Esel, wohlgeöhrt,
dies Geheimnis abgehört:
"Mangelt euch nicht das Empfinden,
werdet ihr die Weise finden,
welche jedes Herz entzückt."

Und der Esel ist beglückt;
denn in diesen Frühlingstagen
fühlt auch er sein Herze schlagen,
und in distelreichen Gründen
hebt er an, das zu verkünden.
Aber alle Tier' entflohn
diesem ungeheuren Ton.

Als er solches Elend klagte,
lachte Nachtigall, und sagte:
"Freilich passet deine Kehle
ganz genau zu deiner Seele;
denn du denkst nur Eseleien
und verkündest sie durch Schreien."

Der Gartenaff

In der Baumschul ward mit dem Affen
ein vollständiger Kursus gemacht,
und er lernte gar meisterlich schaffen,
was das Handwerk nur mit sich bracht;
graben und pflanzen nach Schnur und Maß,
Käfer lesen und jäten das Gras,
wässern und düngen ohn' Unterlaß.
Was er aber vorzüglich gerne
immer studierte, das waren die Kerne;
manchen Apfel opfert er drum
diesem eindringenden Studium.

Darnach meint er können zu warten
in der Nähe den Blumengarten,
doch er entfliehet beinahe vor Graus,
wie er hier alles so bunt und kraus,
ohne Richtung und Schnur gewahrt,
abgesondert nicht Eine Art,
und zum Essen so wenig Sachen.

Bald will er solches drum besser machen,
schaufelt auch alles dies Unkraut um,
nicht verschonend die köstlichste Blum.
Nur die Rosenbäum läßt er leben:
"Weil sie Hagebutten noch geben."

Die Leute

Zu dem Winde sprach die Welle:
"Unbeständiger Geselle,
alle Stunden hat dein Sinn
sich gewendet andershin."

Und der Wind sagt ihr dawider:
"Dich hingegen muß man loben,
Sinnbild der Beständigkeit,
will ich abwärts, gehst du nieder,
kehr ich um in kurzer Zeit,
ziehst du wieder mit nach oben.
Bin ich zornig, zankst du weiter;
schweig ich, wirst du still und heiter."

Stadtleben

"Lerche, komm' in unsre Gassen"
sagt das Spätzchen; vor den Toren
"geht ja dein Gesang verloren,
hier in den belebten Straßen
hören dich die feinsten Ohren;" —

"kritteln mich die schärfsten Zungen,
hat die Lerch ihm zugesungen.
"Und ich fand, im Stadtgewimmel
keine Saaten, keinen Himmel."

Kleinstädter

Unter die Ameisen fallen Beerchen
aus des Vögleins Krallen.
Plötzlich fängt es an zu wallen,
zu erzählen und zu fragen,
zu verschimpfen und zu klagen

"Ei welch ungeheurer Streit
über eine Kleinigkeit!"
ruft der Vogel. Jene schreit:
"Solln wir nicht vermaledein
dich und deine Freveltat,
zu verschütten unsre Stadt!"

Guter Ton

"Mops," sprach der Schäferhund,
"ich kann mir gar nicht deuten:
aus was für einem Grund
du wedelst allen Leuten.
Ich bin nur wen'gen treu;
und wer es immer sei,
ja selber große Herrn
halt ich der Hürde fern."

"Du bist drum ab dem Lande,"
erwiderte der Kleine;
"wir aber sind von Stande
und haben äußerst feine
und angenehme Sitten.
So ist man wohlgelitten
und selber unter Feinden
wie bei den besten Freunden."

"Und wird auch eins gebissen,
ihr Möpschen seid beflissen,
mit Tänzeln und mit Schwänzeln
es zart zu verscharwenzeln!"

Der Weltmann

"Wenn du fliehst vor dem Feinde,"
spricht der Hund zu seinem Freunde;
ich doch will bei meiner Ehr
leisten tapfer Gegenwehr:
ich will schreien, ich will beißen,
ihn erwürgen und zerreißen."

herzhaft schlug er auch zur Stell
an ein kühnes Kriegsgebell.
Doch der Feind empfing's mit Nicken,
mit ausnehmend güt'gen Blicken;
und der Hund, des Hofs bekannt,
hat zusammen sich genommen
und, zwar heimlich zornentbrannt,
wedelt er ihm ein Willkommen.