An den Leser
Am Pindus, wo, zu künft'gen Lohn,
Den Dichtern Lorbeern keimen,
Da Leser, glaub' es, hascht' ich schon
Als Kind nach lust'gen Reimen.
Dort war es, wo die Muse mich
Zum Feind der Toren weihte:
"Sei ihnen," sprach sie, "fürchterlich!
Wo nicht: sei ihre Beute!"
Und da erwählt' ich mir das Feld
Der sichersten Satire,
Und nahm mir aus Äsopens Welt
Zu meiner Handlung Tiere.
Denn der ließ, weil der Mensch nicht denkt,
Zuerst die Tiere denken:
Dann lachte er, völlig unumschränkt,
Der Toren niedern Ränken.
Ihm folgte Rom und Frankreich nach,
Bis auch die Deutschen stiegen,
Da meines Gellerts Muse sprach,
Und Stoppens Possen schwiegen.
Und Hagedorn und Lichtwer schwur
Der Fabel, Deutschlands Ehre,
Der holde Schüler der Natur,
Gleim, sang in ihre Chöre.
Und dessen Blut die Oder trank,
Sang ohne Reim; noch freier
Zerbrach, der Erbfeind von dem Zwang,
Lessing, der Fabel Leier.
Allein, so grausam bin ich nicht!
Nein, meine Tiere reimen:
Denn, wer bei uns nur einmal spricht,
Lernt auch gewißlich reimen.
Wohlan denn Leser! sieh mich hier
In meiner künft'gen Sphäre.
Ein jeder merke sich sein Tier,
Und, wenn er will, die Lehre.
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