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L'Apologue est un don, qui vient des immortels
                                              La Fontaine
 
Buch 1
 
Der Milchtopf
Der Kanarienvogel
Die Hunde und die Katze
Der Elephant und der Biber
Der Ziegenbock und die Auster
Die beiden Affen
Der ungelehrige Star
Die Buße der Wölfe
Der Fürst
Das vierblättrige Kleeblatt...
Lama und Zenith
Die Affen und der Spiegel
Die Frösche
Der Bauer unter der Eiche
Der Geist und der Geizhals

 
Das Zauberschloß
Der Knabe
Der welsche Hahn und der Pfau
Der Schmetterling und die Puppe
Melamp und Lycisca
Der Hirsch
Der Papagei und der Adler

 

Der Milchtopf

Wohl aufgeschürzt, mit starken Schritten,
Den Milchtopf auf dem Kopf, ging Marthe nach der Stadt,
Um ihre Ware feilzubieten.
Weil doch nun beim Verkauf ein jeder Sorgen hat,
So überdachte sie, was, wenn's das Glück ihr gönnte,
Sie wohl damit verdienen könnte.
"Sechs Groschen," dachte sie, "gibt mir doch jedermann;
Denn in der Stadt ist alles teuer.
Die streich' ich also ein und lege sie mir an
Und kaufe mir, soweit sie reichen, Eier;
Die bring' ich wieder in die Stadt.
Das Glück hat oft sein Spiel. Für das, was ich gewänne,
Kauf' ich mir lauter Hühner ein.
Dann legt mir eine jede Henne;
Ich zieh' auch dreimal Brut. Wie wird sich Marthe freu'n,
Wenn so viel Hühner um sie flattern!
Die soll gewiß kein Fuchs ergattern.
Sind sie dann groß genug, so kauf' ich mir ein Schwein;
Die Kleie hab' ich schon dazu.
Das Schwein verkauf' ich auch und kauf' mir eine Kuh;
Die wirft ein Kalb, ein Kalb voll Mut und Feuer.
Ha! wie es springt!" - Hüpf, Anne Marthe, hüpf!
Hoch springt sie. - Gute Nacht, Kalb, Kuh, Schwein, Hühner, Eier!
Da lag der Topf!


Der Kanarienvogel

Ein Vogel aus Kanaria
Ließ einst in deutscher Luft sich nieder.
Gleich war ein Schwarm von Vögeln da,
Und musterte des Fremdlings Lieder.
Ich, sprach die Amsel, seh' es wohl,
Er singt nicht hohl genug; hübsch hohl!
Gleich, sprach die Wachtel, wollt' ich's sagen;
Du hörst doch unsereinen schlagen!
Schreien muß er, fiel ein Kiebitz ein;
Ach! liebe Wachtel, ja recht schrein.
Der Fink sprach: Er schmettert mir zu lange!
Der Zeisig: Trillre nicht so sehr!
Die Turteltaube: Gurre mehr!

Hier ward dem Virtuosen bange,
Bis eine Lerche noch, die das Revier verließ,
Ihm Philomelens Sitz, die dunkle Hecke, wies.
Da, sang sie, Vogel wohnt dein Richter!

Weg mit den Journalisten, Dichter!

Die Hunde und die Katze

Kätzchen Winz sah, wie zwei Hunde
Sich schon über eine Stunde
Um ein Bein herum gejagt,
Jetzt die Beute sich entrissen,
Jetzt sich bis aufs Blut gebissen.

Endlich maunzte sie, und sagt:
"Welche derbe, grobe Speise!
Und ihr zankt euch noch um sie?
Wären es noch etwa Mäuse,
So verlohnt' es doch der Müh!"

Der Elephant und der Biber

Ein weiser Elephant nahm seinen Aufenthalt
In einem abgelegnen Wald.
Ein andrer Eremit, der Biber, sprach zuweilen
Hier unserm stillen Weisen zu.
Einst redeten sie vom Hof. "Und warum gehst denn du,"
Sprach jener, nicht dahin? Sieh, wie die Tiere eilen:
Erst Würden sich erflehn, bald selber sie erteilen,
Und um den Herrn zu sein, ist eben keine Last."

"Ei," sprach der Elephant, "mir ist der Hof verhasst.
So lang' ich auch des Löwen Sitten kannte,
Kam doch zu ihm kein einz'ger Elephante;
Denn alles galt der Affe und ein Bär:
Weil jener sklavisch alles lobte,
Der in die Untertanen tobte;
Und beides mag ich nicht, drum schlich ich mich hierher.

Wie mancher, der, entblößt von äußerlichen Ehren,
Sein stilles Landgut eggt,
War so der Orden wert, als grob sie zu entbehren,
Weil sie der Lasterhafte trägt.

Der Ziegenbock und die Auster

Ein Bock, der schon, so bald der Tag ihm lachte,
Schnellfüßig an zu wandern fing,
Von Fels zu Felsen sprang, und, bis der Mond erwachte,
Mit vieler Mühe müßig ging,
Sah einst im Klettern an der Küste
Die Auster unbeweglich ruhn.
Faulenzer! sprach der Moraliste,
Faulenzer! hast du nichts zu tun?
Bringt, weil wir, trotz empörten Wettern,
Wir fleiß'gen Böcke, mühsam klettern,
Ein solcher Tagedieb, wie du,
Die ganze Zeit vergebens zu?—

Hier meckerte der Bock sein Dixi.
Meiner Ehre Sie sind ein ganzer Moralist!
Ich seh', daß sie's verstehn: wenn das nicht deutlich ist,
So möcht' ich wissen, was es wäre!
Still — unsre Auster lacht: leicht, daß man hier was hört!
Bock, spricht sie, laß mich ungestört!
Die Perle, die in mir bei fleiß'ger Ruhe reifte,
Indem dein müß'ger Fuß durch Tal und Klippen streifte,
War mehr als hundert Böcke wert.
Nun dächt' ich, Bock, wir hätten genug gehört!

Die beiden Affen

Zwei muntre Affen scherzten beide
Am Bach, bis einer bei der Freude
Den andern in das Wasser scherzt.
Wie schrie der arme Tropf im nassen Elemente!
Doch sein Herr Bruder war beherzt.
Er sprang in den Bach, und zog kühn, ohne Komplimente,
Den lieben Morten bei dem Haar.
So arg er schrie, aus der Gefahr.

Nun, rief er aus, magst du mir danken!
Wir mußten beide, wenn wir sanken,
In diesem Bach des Todes sein.

Was? schrie der sträub'ge Taucher; danken?
Wer warf mich denn zuerst hinein?

Der ungelehrige Star

Einst nahm Hadrian, der Schneider,
Einen kunstgelernten Star,
Als er einer Dame Kleider
Anprobieren wollte, wahr.

Ganz entzückt läuft er zum Weibe:
"Frau! ein Wunder auf der Welt!
Geh! und kauf zum Zeitvertreibe
Einen Star. Hier hast du Geld."

Er kommt an. Mit einem Munde
Sagt ein ganzes Schneiderchor
Unablässig, jede Stunde:
"Meister Hadrian" ihm vor.

Alle Arbeit blieb jetzt liegen:
Vierzehn Tage gehn vorbei.
Aber welches Mißvergnügen!
Mätzchen quietscht sein Waldgeschrei.

Immer laßt die Frau ihn schelten!
Er bewundert jeden Sprung.
"Frühe Früchte reifen selten,"
Spricht er, "Mätzchen ist noch jung."

Alles wartet mit Verlangen:
Unser Mätzchen ist noch stumm.
Schon sechs Monden sind vergangen;
Er bleibt ein wie vormals dumm.

Sehn nicht oft mit innerem Neide
Väter andrer Kinder an,
Bis zu ihrer großen Freude
Ihr Sohn auch studieren kann!

Er betritt mit stolzem Degen
Ruhmvoll die Akademie;
Alles gibt ihm seinen Segen,
Aber niemand ihm Genie.

Die Buße der Wölfe

Zwei Wölfen kam bei sattem Magen
Einmal die liebe Buße ein.
"Zwei Wölfen?" wird mein Leser fragen.
Genug, die Fabel sagt's — soll denn bei sattem Magen
Nicht auch einmal ein Wolf die Missetat bereun;
Da mancher wohl, in unsern Tagen,
Der noch um eins Gesetz und Recht verdreht,
Um zwei Uhr in die Beichte geht?
Sie fingen also an ihr Leben zu beklagen.

Ach! heulte Isegrim, wir haben viel getan!
Viel! hob der andre Sünder an.
Ach! fuhr der erste fort, wie viel, das ich verschweige,
Sah dieser fürchterliche Zeuge,
Der Wald und unsre Höhle an!
Wie manche Mutter sucht noch jetzt ihr Kind mit Ängsten!
Wie manches Schaf beweint die Frucht!
Allein von nun an sei die Grausamkeit verflucht!

Denn ehrlich, Bruder, währt am längsten.
So heulten sie, und weinten bitterlich,
Aus inn'rer Reue, über sich.
Allein im allerbesten Beten
Zeigt sich ein Schaf. Ein jeder war betreten.
Die Buße — und ein fettes Schaf! —
Je! fing drauf einer an, weil uns das Glück so traf,
Wer weiß, wenn's wiederkommt! — Komm Bruder, friss das Schaf;
Wir können morgen weiter beten.

Wie schwer wird uns der Abfall von der Sünde!
Denn die Vernunft spricht gut, und die Natur geschwinde.

Der Fürst

Ein Fürst, von dem uns die Geschichten melden,
(Sein Name fällt mir nicht gleich bei)
Daß er der tapferste der Helden
Und gnädigste gewesen sei;
Kurz, der durch Schlachten und durch Sieg
Von einem Thron zum andern stieg.

Zu diesem glücklichen, doch gnadenvollen Prinzen
Drang sich ein Weib aus jüngst eroberten Provinzen.
Fürst! sprach sie, und zerfloß in Tränen, der Barbar,
Dem du bei uns das Regiment gegeben,
Riß meinen einz'gen Sohn zu deiner Krieger Schar,
Nahm meinem kranken Mann durch falsches Recht das Leben,
Und schwächte mich. Dann raubte seine Wut
Mir noch mein väterliches Gut.
Ich flieh' zu dir. Straf ihn, und rette meine Ehre!

Weib! sprach der Fürst, du dauerst mich:
Gleich räch' ich an dem Wüterich dich.
Er sterbe vor dem ganzen Heere!
Wie elend ist doch unser Stand!
Wie viel zu schwach ist unsre Hand,
In jedem Reich den Zepter selbst zu führen!

Fürst! fiel das Weib ihm ein, kannst du uns nicht regieren.
Warum besiegtest du das Land!

Das vierblättrige Kleeblatt,
Der weiße Sperling und die weiße Maus

Das vierblättrige Kleeblatt

"Ei, ei! ihr seid ja beide weiß!"
Grau, dacht' ich, wären eure Brüder?

Der weiße Sperling

Ei! allerdings bin ich jetzt durch mein weiß Gefieder
Von allen Sperlingen der Preis.

Die weiße Maus

Vielleicht wie ich von allen Mäusen,
Wer war so allerliebst, so schön!
Man gab mir von den besten Speisen:
Jetzt aber hat man sich schon ziemlich satt gesehn.

Das vierblättrige Kleeblatt

Mich hatten auch die güt'gen Götter
Zu einem Wunderklee gemacht.
Doch ein'ge wuchsen auf, und keimten in vier Blätter;
Und lange schon gibt niemand auf mich Acht.
Was ungewöhnlich ist, reizt ein'ge Zeit; indessen
Kommt einer, der uns ähnlich ist.
Auch, lieber Spatz, auch dich wird man vergessen,
So wie man mich vergaß, und schon die Maus vergißt.

Lama und Zenith

Wie weit strebt unser Stolz! Mensch, wünsche dir auf Erden
Nichts, als der Wünsche Mäßigung.
Wie bald kann nicht der Weise glücklich werden!
Wann aber hat ein Tor genug?

Durch lange Dürre ward Arabien verbrannt.
Die Fluren starben hin; den Bach fraß heißer Sand;
Die Brunnen kochten ein; auf den durchglühten Erden
Verschmachteten vor Durst die Hirten und die Herden.

Von Hitze, Gram und Durst und heißen Tränen matt,
Von Todesangst durchbebt, und doch nicht Lebensatt,
Stand Lama und Zenith an ihren nahen Hütten,
Und stammelten zum Gott der Rettung ihre Bitten!
Weit um sie zeichnete ihr Vieh mit Schaum, die Bahn,
Und brüllte fürchterlich den schwülen Himmel an.

Schnell drang ein heitrer Glanz durch die entlaubten Hecken,
Und wuchs zu einem Geist. Ehrfurcht und heiliger Schrecken
Warf Lama und Zenith zur Erde. Göttliches Licht!
Allmächt'ger! riefen sie, Erbarmer! töt' uns nicht!

Geschlecht des Staubs! sprach er, und warum sollt ihr sterben?
Steht auf! was zittert ihr? ich feßle das Verderben.
Der euch erschuf und nährt, erhörte euer Flehn.
Lebt! bittet was ihr wollt; ich kann — es soll geschehn!
Sprich, Lama, sprich getrost!

Furcht fesselte die Glieder.
Dreimal erhob er sich, und dreimal sank er nieder.
Geist! fing er bebend an, wenn deiner Majestät
Der Staub sich nahen darf, so hör', was Lama fleht!
Gewähr' mir einen Bach, der meinem Viehe genüget,
Mir nie im Winter schwillt, im Sommer nie versieget.

Es sei! sprach er Ein Blick von seiner Allmacht drang
In das zerlechzte Land Es riß — ein Bach entsprang.
Schnell grünte Gras und Laub; es trank die durst'ge Erde,
Und trank das durst'ge Vieh von unsers Lama Herde.

Und du, Zenith? sprach drauf der wundertät'ge Geist.
"Daß sich des Euphrats Strom dem alten Strand entreißt,
Die Tiere seines Reichs und seine stolzen Wellen
Durch meine Wiesen gehn, an meiner Hütte schwellen,
Und wo die Flut sich teilt — Verblendeter! halt ein;
Was willst du? rief der Geist. Der Herr des Euphrats sein!
So sei's, sprach er, so sei's! Schnell donnerten, die Wogen
Des Euphrats. Er dringt ein. In seine Flut gezogen ertrank Zenith.

Vergnügt genoß noch lange Zeit
Mein Lama seinen Bach, den Lohn der Mäßigkeit.

Die Affen und der Spiegel

Durchs liebe Ungefähr, das mancher Glücksstern ist,
Entdeckten auch an einem Hügel,
Wo ihn ein Wandrer eingebüßt,
Zwei Affen einen Taschenspiegel.
Hanns, der nicht wußte, was er war,
Besah den Schatz von allen Orten.
Ei! rief er endlich, da ist Morten!
Du bist getroffen — auf ein Haar! —
Sieh! rief er und wies sich im Glase,
Ach! sieh einmal die stumpfe Nase,
Den sträub'gen Kopf — wie ähnlich! — Ha!
Leibhaftig, Bruder, stehst du da.

Weis her, sprach Morten — Ei! Hanns, willst du mich betrügen
Rief er, als er in Spiegel sah.
Ist hier ein Zug von meinen Zügen?
Die Nase platt, die Augen klein
Dein ganz Gesicht trifft überein!

Das Bild ist also rechtlich dein.
Doch willst du mir's, zum Angedenken
Der alten Freundschaft, gütigst schenken,
So nehm' ich's dankbar an. Trennt dich der Tod von mir,
So hab' ich doch ein Bild von dir.


Was hilft's, die Toren zu bekriegen?
Der ärgste Narr sucht allemal,
Sorglos, zu seinen eignen Zügen
Ein brüderlich Original.

So oft ich aus dem Schauplatz wandte,
Hör' ich von keinem: "Das war ich!"
Ein Luchs ist jeder gegen andre,
Und doch ein Maulwurf gegen sich.

Die Frösche
Die ein Stiergefecht ansehen

Als kriegerische Tiere,
Durch Herrschsucht entzweit,
Gerieten zwei Stiere
Zusammen in Streit.

Nun lag an den Wiesen
Des Kampfs ein Morast,
Wo Frösche vor diesen
Ihr Lager gefaßt.

Die quakten voll Freuden
In schlammiger Ruh',
Und sahen hier beiden
Als Müßige zu.

Als nun alles Feuer
Dem einen verlosch,
Da fuhr aus dem Weiher
Ein eisgrauer Frosch.

Flieht! rief er, ihr Kinder!
Ihr seht ja die Not.
Die Schlacht dieser Binder
Bringt allen den Tod.

Wieso denn? rief mutig
Die lustige Schar.
Ihr seht ja wie blutig
Der eine schon war.

Verspielt er, so bleibet
Ihm bloß der Morast;
Dann, Kinder, vertreibet
Den stampfenden Gast!

Sogleich brüllt der Sieger
Den vollen Triumph;
Der andre der Krieger
Flieht wütend in den Sumpf.

Sieh hier ein Reich, zu schwach zum Widerstand,
Um dessen Grenzen sich zwei mächt'ge Feinde schlagen.
O unglücksel'ges Vaterland!
Mehr darf der Patriot nicht sagen.

Der Bauer unter der Eiche

Ein Bauer wanderte, sein Essen zu genießen,
Dem Schatten eines Eichbaums zu,
Und gähnte schon bei jedem Bissen
Recht herzlich nach der Mittagsruh'.
Gewohnt von Jugend auf zu zänkischen Gedanken,
Tat lang' ihm schon sein gnäd'ger Herr nicht recht
Oft predigte der Pfarr zu schlecht:
Jetzt aber kam ihm ein, einmal mit Gott zu zanken.
Gelegenheit war da. Er sah die Eicheln an.
Da steht nun, rief er aus, und überschlug die Armen,
Ist das nicht ewig zu erbarmen!
Da steht nun so ein Baum, der Kirchen tragen kann;
Und hier und da ein Nüßchen dran.
Allein, mein Blut, man darf nichts sagen;
Denn sagt man was, so geht's an ein Verklagen;
Da nimmt der Superdent gar artig uns herum,
Und schreibt wohl gar ins Consistorium.
Nun schrieb' ich's jedem ins Gewissen,
Ob sich ein Kürbis zum Stengel schickt.
Ich seh's bei mir: die meisten sind zerknickt;
Das hätt' mir anders werden müssen!
Gerade umgekehrt! — Hier sollten Kürbisse sein!
Er sprach's, und gähnt', und schlummert' ein.

Zum Unglück stieß ein Nordwind in die Eiche,
Und eine kleine Eichel traf
Derb unsern Bauer aus den Schlaf.
Hilf Himmel! fuhr er auf, und fühlte nach dem Streiche
Ist das ein Schmerz! — Was hab' ich Tor gedacht!
Wenn's nun ein Kürbis gewesen wäre.
Verzeih mir's Gott! und ewig sei ihm Ehre!
Denn er hat alles wohl gemacht.

Der Geist und der Geizhals

Zur Zeit, da doch noch dann und wann
Gespenster Staatsvisiten gaben,
Und mancher unerschrockne Mann
Auf einmal sich zum reichen Mann gegraben,
Ließ um die liebe Mitternacht
Sich auch ein Geist bei einem Geizhals sehen,
Und hieß ihn, weil er ihm was Ehrliches zugedacht,
Recht höflich mit sich gehen.
Der Mann ging mit dem Geiste fort,
Die Schäufelein der Hand, um seinen Schatz zu heben,
Und kam an einen wüsten Ort:
Denn dort soll's, wie man sagt, die meisten Schätze geben.

Da sprach der Geist, da nimm dir dort
Vom Haufen eine Schaufel Kohlen.
Der Geizhals schüttelte den Kopf, nahm seine Kohlen,
Und schlich verdrießlich wieder fort.

Du dummer Geist! was soll der Mann mit Kohlen?
Doch still — ein Wunder auf der Welt!
Das war am Tage lauter Geld.
Nun, das verlohnt sich schon zu holen.
Ich möchte bald mit ihm gewesen sein:
Ein solcher Gang bringt etwas ein!
Zwei Nächte ging der Mann, wie ihm der Geist befohlen.
Einst dacht' er: Ei, das Kinderspiel!
Was nützt mir eine solche Pfanne?
Wer schaufeln will, der schaufle viel!
Er nahm sich eine ganze Wanne.
"Unsel'ger," sprach der Geist; stillt deinen Geiz kein Glück,
So sätt'ge dich der Tod!" — Er brach ihm das Genick.

O! wollte jeder Geist den Geiz so schrecklich rächen,
Ach! wie viel Hälse müßt' er brechen!

Das Zauberschloß

Als noch die liebe fromme Welt
Viel von verwünschten Schlössern glaubte,
Und Ritter Siegfried noch als Held
Mit Geistern Lanzen brach, und ihre Rüstung raubte,
War auch ein altes Zauberschloß,
Das jeden, der dem Geist, der diesen Bau bewachte,
Ein treu gemeintes Opfer brachte,
Eh' oft ein Jahr ins Land verfloß,
Zum gründlichsten Gelehrten machte.

Wie mancher Kandidat, der sich in kurzer Frist,
Um sein Examen zu bestreiten,
Zum halben Hypochonder liest,
Beseufzt vielleicht mit mir, daß nicht zu unsern Zeiten,
Zu unsern aufgeklärten Zeiten,
Ein Zauberschloß gebräuchlich ist.

Kaum drang der Ruf davon durch die begier'gen Lande,
Als alt und jung, von hoch- und niedrem Stande,
Den Weg zum Zauberschlosse nahm,
Und, nach vollbrachter Pflicht, gelehrter wieder kam.

Einst ward der Geist des Zuspruchs satt,
Verschloß sein Tor, und ließ den Kandidaten wissen:
"Wer ferner Weisheit nötig hat,
Wird selbst mein Tor sich öffnen müssen."

So wie, wenn ein Entsatz der Festung näher rückt,
Die jauchzende Tranchée erschrickt,
Und der Belagerer vor dem Verluste bebet,
Bald aber auch, mit neuem Mut belebet,
Durch die verschwiegne Nacht die Pläne überdenkt,
Maschinen wirft, und Minen sprengt:
So zitterten erst alle Kandidaten;
Der klügste weiß sich nicht zu raten,
Bis ihr vereinter Arm das beste Mittel wählt,
Und Schlüssel feilt, und Bärte stählt.
Bald wird die Welt zu einer Schmiede.
Man maß, man hämmerte bis in die tiefste Nacht;
Wie manch Modell ward ausgedacht,
Versucht, und wiederum verlacht!
Doch unaufhörlich ward das Feuer angefacht,
Und niemand ward des Klepperns müde.

Nach mancher Zeit, die im Versuch verfloß,
Kam doch ein Schlüssel an, der schloß.
Nun magst du, armer Geist! dein offnes Schloß bewachen!
Den Augenblick wird man Modelle machen,
Und allen wird der Eingang offen sein.
Allein — nur wen'ge gehn hinein.
Die meisten künsteln sich an Schlüsseln fast zu Tode,
Polieren, hämmern, schmelzen ein;
Und endlich wird's zu einer Mode:
Fast niemand gibt aufs Schloß mehr Acht,
Indem man ewig Schlüssel macht.

Fast niemand gibt auf dich, o Cicero! mehr Acht,
Indem man nichts als Wörterbücher macht.

Der Knabe

Ein Knabe, der sich zum Vergnügen
Im Felde Schmetterlinge fing,
Sah einen Trauermantel fliegen.
"Ach allerliebster Schmetterling!
Ach!" rief er keuchend, "laß dich fangen!
Du sollst in meinem Schränkchen prangen!
Ach allerliebster Schmetterling!"

So rief er, sprang und schlug durch Wiesen, Tal und Hügel
Dem Vogel nach; der bald sich niederließ,
Sich sonnte — und sogleich auf dem verfolgten Flügel
Dem drohenden Hute sich entriß,
Den Knaben jetzt auf Seitenwege brachte,
Schnell rückwärts flog, schnell links, schnell rechter Hand
Und wenn er ihn nun fest zu haben dachte,
Nachdem er ihn gelockt, verschwand.

Wird nicht der Knabe müde werden?
Wer das hofft, kennt die Menschen nicht.
Wer fragt nach Schweiß, wer nach Beschwerden,
Wenn unsre Neigung für sie spricht?

Mein Knabe ließ sich immer äffen.
Der Vogel fliegt zum Bach; er nach,
Und schmeißt noch endlich, ihn zu treffen,
Darüber seinen Hut in den Bach.
Doch selber der Verlust vom Hute
Bewaffnet ihn mit neuem Mute:
Er jagt, und schlägt, und — seht! er fing,
Gleich da die Sonne unterging,
Zwar freilich mit verlornem Hute,
Zwar Hand und Kleid voll Staub, voll Blute,
Zwar zitternd vor des Vaters Rute
Ei, was tut das! — genug, er fing
Den allerliebsten Schmetterling.

Die ihr die Forderung der stürmischen Begierden,
Auf Kosten eurer Ruh', erfüllt;
Als Stolze, eure Sucht nach Zierden,
Nach eitlen Zierden, ängstlich stillt;
Als Geizige, mit nichtigen Schätzen
Des Herzens ew'gen Schatz vertauscht;
Als Wollüstige, vom Ergötzen
Schnell wieder zu Ergötzen rauscht:
Sagt, was erringt' ihr unter Kummer,
Verbißnen Gram, verwachtem Schlummer?
Gold, Schmäuse, Orden — und was fing;
Mein Knabe? — Einen Schmetterling.

Der welsche Hahn und der Pfau

Erbittert sah ein welscher Hahn
Die augenvollen Federn
Des nachbarlichen Pfaues an,
Und sträubte sich zu Rädern.

Die roten Lefzen dehnten sich;
Die steifen Federn wallten
Empor, und spreizten fürchterlich
Den Schwanz aus allen Falten.

Der ausgespannte Flügel glitt
Taktmäßig auf den Steinen,
Und bahnte schlurfend jeden Schritt
Den unsichtbaren Beinen.

Und so ließ der verrenkte Hahn
Sein polternd Gaudern schallen,
Sah sich noch einmal liebreich an,
Und ließ die Federn fallen.

Drauf warf der majestätische Pfau
Sein farbiges Gefieder,
Von Sonnengold durchblitzt, zur Schau,
Und ganz gelassen nieder.

Der Herr des Hofs sah beiden zu:
Ei! fing er an zu lachen,
Du armer guter Truthahn, du!
Lern's künftig besser machen.

Herr! rief der Hahn, so seht erst ein,
Was wir für Stellen hatten!
Der Pfau da stand im Sonnenschein,
Und ich war bloß im Schatten.

Der Schmetterling und die Puppe

Ein Schmetterling, bunter
Als Phrynens Galan,
Sah spöttisch herunter
Den Embryo an.

Was? lachte der wieder,
Verspottest du mich?
So schön am Gefieder
Bin morgen auch ich.

Melamp und Lycisca

Prüf' deinen Freund! wie selten wird er dich
Der kleinsten Mühe gern entladen!
Er steht für seinen eignen Schaden;
Wer aber steht für mich?

Melampus war Lyciscens Freund,
Und, wie mir aus der Nachricht scheint,
Ward unter allen Schäferhunden
Kein so getreues Paar gefunden.
Kam Isegrim Lyciscen nah',
So war auch mein Melampus da,
Und rettete des Freundes Hürden,
Und wagte oft ans Freundschaftspflicht,
Was unter Menschen Brüder nicht
Für ihre Brüder wagen würden.

Einst aber ward Melampus krank;
Wovon? Das weiß ich nicht zu sagen:
Die Nächte waren kalt und lang;
Vielleicht verdarb er sich den Magen;
Kurz er ward krank, und bat betrübt,
Den Freund, den er so treu geliebt,
Die Nacht die Hürde zu bewachen,
Doch unbeschadet seiner Sachen.
Gern, sprach Lycisca, will ich's tun;
meiner wachen meine Brüder.

Melamp ging fort, um auszuruhn,
Und kam vor Sonnenaufgang wieder,
Und fand, was wohl kein Wolf gedacht,
Den Freund bei seinen eignen Schafen,
In unbesorgter Ruhe schlafen,
Die seinen aber unbewacht.

Der Hirsch
Der sich über sein Schicksal beklaget

"So sollst du armes Tier allein
Verfolgt und ewig flüchtig sein,
Und durch dein kummervolles Leben
Vor täglichen Gefahren beben?
O! warum schuf der Schöpfer dich!"
So sprach betrübt ein Hirsch zu sich.

Ein Häschen lief bei ihm vorbei.
"Du, kleines Tier, lebst sorgenfrei.
Wie leicht, wenn Jäger uns entdecken,
Kann so ein Würmchen sich verstecken."
"Wo kam denn jüngst mein Weibchen hin,"
Sprach Hänschen, wenn ich sicher bin?"

Indessen kam ein großer Bär
Tiefsinnig seinen Holzweg her.
"Wär' ich so stark, rief er von neuen,
Wie sollten sich die Jäger scheuen!
Du bist es, den das Glück erkor."
"Ja," sprach der Bär, "das weiß mein Ohr."

Ein Rebhuhnflug schoß schwirrend auf.
"Was hilft mir, sprach der Hirsch, mein Lauf?
Könnt' ich, als wie ein Rebhuhn, fliegen!"
"Tor, siehst du nicht den Spürhund liegen?"
Sprach eins im Fliehen. Auf! sonst muß
Dein Leben — gleich geschah ein Schuss.

Der Hirsch riß aus, und sprach im Fliehn:
"Kann nichts sich der Gefahr entziehn,
Was will ich mir durch ewig's Grämen
Noch vor der Zeit mein Leben nehmen?
Es geht mir, wie's das Schicksal fügt!
Von nun an leb' auch ich vergnügt!"

Der Papagei und der Adler

Ein aufgeweckter Papagei,
Gefiel durch sein Geschwätz den Menschen und den Tieren.
Hierdurch (wozu läßt nicht ein Schwätzer sich verführen?)
Ward er so stolz, so unverschämt, so frei,
Daß er behauptete, daß alle Lehren
Von Göttern und der Welt Erschaffung Träume wären.
Der Adler Jupiters, bewaffnet mit dem Blitz
Des Donnrers, sah ihn einst von seinem heil'gen Sitz;
Ergrimmt rief er: Verwegner Spotter!
Sieh hier den Gott der Menschen und der Götter,
Der deiner lacht, und spricht: Ein Narr, der mich entehrt,
Ist eines Donnerschlags nicht wert!