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Buch 4
 
Jupiter und der Affe
Die alte Schlange und ihre Jungen
Der Holzhacker und der Bär
Der neue Bediente des...
Das Schaf und der Hund über das...
Mignon und Favorite im Schloßgraben
Der Zwerg
Das Sperlingsweibchen und die...
Der Bauer und der Amtmann
Der Löwe und der Jäger
Der Guttäter der Hunde
Der Pfau und der Schwan
Das Eichhörnchen, der Fuchs und...
Des Teufels Dank
Der graue Kanarienvogel
Der Prinz und sein Pudel
Die kluge Maus
Die Herde Gänse und der Hahn
Der Mensch und der Löwe
Der Igel und die Katze
Der Schulmeister und die Schnecken
Der Meerotter
Phäethon
 
Der Mensch, sein Storch und..
Die Schlange und der Hund
Die zwei Hänflinge
Der Biber und der Fischotter
Der Jagdhund und das..
Der Hänfling und der Star
Die zwei Wachteln
Der Beurlaubte
Das Kind und der Hund
Der neue Statthalter
Die getigerte Katze und der..
 


Jupiter und der Affe

Ein Affe, der in der Nähe eines Tempels des Jupiters gehalten wurde, sah, daß die
Menschen, wenn sie vorübergingen, ein paar Körnchen Weihrauch auf den Altar warfen,
stahl einem Weihrauchhändler ein ganzes Kästchen dieser Ware, sprang hin, und leerte
es auf die glühenden Kohlen des Rauchaltars aus.
Zeus wollte den ungeschickten Einfall des Affen belachen; aber das ungeheure Opfer
erglimmte, und der in eine Wolke von Rauch gehüllte Jupiter nickte dem Affen seinen
gnädigen Beifall.
Die Menschen merkten sich's, vermehrten von der Zeit an den Wurf des Rauchopfers,
und die meisten Götter finden es angenehm: je stärker, je besser.

Die alte Schlange und ihre Jungen

Einst belauschte der Fabeldichter eine alte Schlange, wie sie ihre junge Brut
unterrichtete, den andern Tieren zu schaden.
"Aber Mutter," fragte eine der Jungen, "wie können wir dem größten,
dem Elephanten beikommen?"
"Durchs Ohr," war die Antwort der Alten.
"Daß dich Zeus vertilge!" fluchte zurückschaudernd Äsop. "Dieses stygische Kunststück
lehrte dich die Verleumdung!"

Der Holzhacker und der Bär

Ein Holzhacker, und ein Bär waren im Walde miteinander handgemein geworden,
und dieser drückte zuletzt jenen, mit beiden Pratzen ihn umarmend, an seine Brust,
bis ihm die Seele ausfuhr.
"Hilfe! Hilfe!" schrie der Holzhacker, so lange noch Atem in ihm war.
"Still, mein Freund!" brummte der Bär. "Ich erdrossle dich nach Hofmanier."

* * *

Die Bestie hatte, als Tanzbär eines Polaken, einst die Welt gesehen.

Der neue Bediente des Oberjägermeisters

In dem Hause des Oberjägermeisters wurde ein Bauernjunge zum Bedienten angenommen.
Er betrachtete mit Erstaunen die Menge und die Verschiedenheit der großen Hunde,
die in dem Palast herumliefen, und hütete sich sorgfältig, einen dieser Moloffen zu beleidigen.
Einst trat er dem Schoßhündchen der gnädigen Frau, das er gar nicht bemerkt hatte,
auf den Schwanz. Dieses biss ihn nicht nur in den Fuß, sondern erhob ein solches
Geschrei, daß alle Hunde im Haus über den Kerl herfielen, und er sich seines Lebens
wehren mußte.
"Diese kleine beißende Kröte," schrie der Bediente, als ihn seine Kameraden gerettet
hatten, "muß zum Schinder geschickt werden, wenn noch Gerechtigkeit in der Welt ist!"
"Still!" sagte der Kammerdiener. "Du bist unglücklich, wenn es die gnädige Frau erfährt.
Aber man sieht, daß du vom Dorf kommst, sonst müßtest du wissen, daß in allen
großen Häusern die kleinste Bestien die liebsten, und die gefährlichsten sind."

Das Schaf und der Hund über das Krokodil

Ein Schaf weidete ruhig an den Ufern des Nils, als ein Hund, immer forttrabend,
seinen Durst aus diesem Fluß löschte.
"Fürchte dich nicht mehr," rief ihm das Schaf zu. "Unser Feind hat sich bekehrt. Ich habe
das Krokodil bitterlich weinen sehen."
"Traue wer da mag!" antwortete der Hund. "Das Untier weint jedes Mal, wenn es einen
von uns gefressen hat."

* * *

So beweint Tartüff alle Abend die Sünden, die er morgen wieder begehen will.

Mignon und Favorite im Schloßgraben

Ein junger Prinz hatte einen jungen Hund und ein Kätzchen zum spielen.

Als einst der Prinz über seinen Instruktor böse war, rächte er sich an den armen Tieren,
und warf eines nach dem andern zum Fenster hinaus in den trockenen Schloßgraben.
Favorite, so hieß das Kätzchen, hatte das Rückgrat gebrochen, und seufzte: "Nun, dies
hätte ich von meinem gnädigen Prinzen nicht gedacht, der mir den Konfekt aus seinem
Munde zu fressen gab; aber ich merkte gegen die Letzte wohl, daß Mignon
(der Name des Hundes) besser daran war. Diese schmeichelnde Bestie hat mich ins
Unglück gebracht."
Jetzt kroch sie noch einige Schritte, als sie neben sich jammern hörte.
"Wer bist denn du?" fragte Favorite. — "Ich bin Mignon," antwortete dieser, der alle
Rippen im Leib entzweigefallen hat."
"Ach!" fuhr Favorite fort, "du bist's also nicht, der mich stürzte?"
"Närrin!" versetzte Mignon, "als ob die Großen zu ihrer Gnade oder Ungnade immer
Gründe haben müßten. Seine schlimme Laune hat uns beiden den Hals gebrochen."

Der Zwerg

Nikolaus Ferri hieß der Zwerg des guten Stanislaus; dessen Tugenden man noch
bewundern wird, wenn die halbe Welt vergessen hat, daß er eine Krone trug.
Aber sein Zwerg war kein Philosoph, und unter seine Fehler zählte man einen unbändigen Zorn.
Einst hatte ihm eine Hofdame eine abschlägige Antwort erteilt. Ferri entrüstete sich,
zog seinen kleinen Degen und sprach: "Ha! so werde ich wohl Gewalt brauchen müssen!"
Die Dame schlug ihm mit ihrem Fächer das Degelchen aus der Hand. "du vergissest dich,
mein Freund!" sagte sie ihm kaltblütig. "Der Kleine jeder Art gewinnt nur durch
Gefälligkeiten, und verdirbt alles mit dem Degen."

Das Sperlingsweibchen und die Turteltaube

Eine Turteltaube und eine Sperlingin zankten sich miteinander, weil jene auf diese,
wegen ihrer freien Lebensart, geschimpft hatte.
Die Sache kam vor den Adler, als Richter, und die Taube sprach unter anderem in ihrer
Rede: "Welche von uns beiden würdest du, wenn du unseresgleichen wärest, dir zum
Weibe wählen?" Mich, welche schon seit Jahrhunderten Prediger und Dichter zum Sinnbild
der ehelichen Treue gebrauchen, oder jene Freche, meine Gegnerin?"
"Keine von beiden," versetzte der Adler. "Lieber die Schwalbe."
"Wie!" gurrte die Täubin verwundert. Die traurige Schwalbe? Von welcher man nichts
weiß, als daß sie ihr Nest bauen hilft, und Jungen heckt!"
"Eben deswegen," war des Adlers Antwort, "weil die Welt in dem Punkt, worüber ihr euch
zanktet, von ihr weder Gutes noch Böses spricht."

Der Bauer und der Amtmann

Wenn ich nur mit den Sperlingen einen Vergleich machen könnte, daß sie mir vom Acker
blieben! rief einst ein Bauer aus, als er sah, daß ihm diese Vögel großen Schaden taten.
Warum nicht auch mit den Ameisen? fragte spöttisch sein Amtmann, der vorüber ging.
Herr! antwortete der Bauer, mit den Ameisen wollte ich wohl gut auskommen.
Sie sammeln sich Vorrat, und ich schließe daraus, daß sie geizig sind. Einen Geizigen
aber kann man immer mit einer Kleinigkeit abfertigen, weil ihm kein Vorteil eine
Kleinigkeit ist. Mit Verschwendern hingegen, deren Faß keinen Boden, und ihr Hunger
kein Ende hat, muß man sich überhaupt abzufinden suchen.

Der Löwe und der Jäger

Ein Jäger hatte einen Löwen gefangen, und hoffte, ihn zahm zu machen.
Der Löwe trauerte in seinem Behälter, verachtete die Speise, die ihm der Jäger nach
einigen Tagen vorwarf, und schien endlich tot zu sein. Jetzt wagte es der Jäger, die Hand
durch die Palisaden zu strecken, und die Mähne des Löwen zu berühren. Da raffte sich
der Gefangene wütend auf, und biß ihm die Hand ab.
"Unglücklicher!" rief der verstümmelte Jäger. "Du reizest mich, und dein Leben steht in
meiner Gewalt!"
"Ich würde deiner geschont haben," brüllte trotzig der Löwe, "wenn du mir unbewaffnet
in der Wüste begegnet wärest; aber Hinterlist und Zwang spornen selbst Großmut zur Rache."

Der Guttäter der Hunde

Ein Mann konnte keinen Hund bellen hören. Er trug deswegen immer Brot bei sich,
um jedem, den er sah, ein Stückchen vorzuwerfen.
"Ach!" sagte ein armer Hund, welcher eben auf diese Weise gefüttert worden war,
"welch eine mitleidige Seele der Herr dort haben muß! Er hat mich kaum erblickt,
so kam er meiner Bitte zuvor, und warf mir Brot hin."
"Du betrügst dich," versetzte darauf ein anderer. "Eben dieser Mann ist Ursache,
daß dieser Sommer unser Geschlecht beinahe ausgerottet wurde, als er einen von uns
fälschlich für toll angab. Aber unser Gebell reizt seine Nerven zu einer schmerzhaften
Empfindung, und diese sucht er sich mit schwarzen Brocken zu ersparen, weil er uns
doch nicht vertilgen kann."

* * *

"Nehmt nur den Heller, und packt euch!" schreit Frau Beate. — Die reiche Frau kann
nicht weinen sehen.

Der Pfau und der Schwan

Ein Pfau ging an dem Ufer eines Kanals, auf welchem einige Schwäne daherschwammen.
Nachdem er ihnen lange zugesehen, schlug er sein Rad, und sprach also: "Gewiß meine
Freunde! ihr schwimmt sehr ungeschickt. Das Rudern eurer Füße geht zu langsam,
und eure Wendungen sind zu beschwerlich. Wolltet ihr euch links drehen, so müßt ihr nur
den rechten Flügel, gleichsam als Segel, aufspannen, und es wird wie der Blitz sein.
Zur Wendung auf die rechte Seite gebraucht euch des linken Flügels, und so weiter."
"Möchtest du dir nicht belieben lassen, ein wenig mit uns zu schwimmen?" versetzte
einer der Schwäne.
Stolz antwortete der Pfau: "Welche Zumutung! Bin ich denn zum Schwimmen gemacht?"
"So wisse," fuhr der Schwan fort, "daß man auf dem trockenen sehr viel erfinden und
beweisen kann, wovon die Ausübung auf dem Wasser schwer, oder vielleicht unmöglich
sein dürfte."

Das Eichhörnchen, der Fuchs und der Löwe

Ein Eichhörnchen erblickte in weiter Entfernung von seinem Eichbaum einen Löwen,
und sprach zu einem Fuchs, der sich im Gebüsch verkroch: "Warum verbirgst du dich vor
unserm großen König, an dessen Anblick ich mich erlabe. Siehe, er ist ein Tier, wie unser
eines, spielt mit Strohhalmen dort im Schatten, und knackt Haselnüsse."
"Weiß es besser," erwiderte der Fuchs. "Es sind Knochen und Hirnschädel von ihm
zerissner Tiere. Hüte dich, ihm nahe zu kommen. Selbst wenn er dich freundlich lecken
wollte, würde deine Haut an seiner Zunge kleben bleiben."
Das Eichhörnchen lachte des Fuchses, hüpfte von Baum zu Baum näher, und sprang
endlich hernieder, Männchen vor seinem Monarchen zu machen.
Der Löwe legte gnädig seinen Fuß auf den Kopf des komischen Tierchens,
und zerschmetterte alle seine Gebeine.
"Weh mir!" seufzte das sterbende Eichhörnchen. "Welch ein Unterschied ist zwischen
großen Tieren in der Ferne und in der Nähe!"

Des Teufels Dank

Ein Bösewicht der ersten Ordnung war zur Hölle gefahren, und wurde vom Satan
gepeinigt. Habe ich dieses um dich verdient! winselte der Verdammte. Ich! der, seit ich
denken kann, alle deine Werke auf der Welt vollbrachte, tausend Seelen dir durch mein
Beispiel und meine Verführungen zuschickte, und gern das Reich dessen, der im Himmel
wohnt, vernichtet hätte, um das Deinige auf seinen Trümmern aufzuführen.

Dreimal verworfener! brüllte ihm Satan zurück, daß du so lang lebtest, ohne
wahrzunehmen, daß die Günstlinge der Tyrannen, für die Bubenstücke ihres
Diensteifers, von denjenigen selbst gezüchtigt werden, denen sie sich aufopferten.

Der graue Kanarienvogel

Es war im Dorf befohlen, Sperlinge zu schießen, als dem Amtmann sein grauer
Kanarienvogel aus dem Käfig entwischte.
Sein Herr sah den Flüchtling unter einer Schar dieser Verbannten auf dem Dache
gegenüber. In diesem Augenblick knallte die Flinte eines Bauernjungen, und der
Kanarienvogel fiel tot auf die Straße.
Wart, Bestie! rief der entrüstete Amtmann. Du sollst mir meinen Vogel bezahlen!
Will den Junker fragen, ob ich's schuldig bin, antwortete der Bauer. Warum trug sich euer
Vogel, wie ein Sperling, und hüpfte unter den Sperlingen! Wollte drauf wetten, wenn ich
ihn nicht geschossen hätte, daß er noch ein Sperling geworden wäre, trotz einem auf
unserer Markung.

* * *

Was kümmert mich der Schein! spricht oft die sorglose Unschuld; und doch hängt am
Schein — nicht die Tugend — aber der gute Name.

Der Prinz und sein Pudel

Ein junger Prinz verkürzte sich einst die Zeit damit, seinen Pudel über den Stock springen
zu lassen. Hierher Cartousch! Der Pudel brummte, und sprang hinüber. Daher! Der Hund
brummte wieder, und sprang zurück. Noch einmal! Wieder gebrummt und gesprungen.
Encore hoch! Abermals gebrummt, und abermals gesprungen.
Endlich erzürnte sich der Prinz. Ich will dir das Brummen vertreiben, sprach er, schlug
den Hund mit dem Stock über den Rücken, und der Pudel biß ihn dafür in die Waden.
Der Vater kam eben dazu und sprach: Über den Stock springen lassen, mag noch,
wenn's nicht zu oft, und nicht bloß zur Lust geschieht, hingehen. (der Vater war nämlich
regierender Herr) Aber das Murren zu verwehren, ist D e s p o t i s m u s.

Die kluge Maus

Eine Maus, unterrichtet in allen Gefahren, die ihrem Geschlechte drohen, vom Manntier
an, bis zum Wiesel, ging bei einer Falle vorüber, wo frisch gerösteter Speck aufgesteckt
war. Ich will ihn wohl unberührt lassen! sprach sie. Aber daran zu riechen, kann mir nicht
schaden. Sie näherte sich, roch, stieß mit der Nase an den Speck, die Falle fiel, und sie
war gefangen.

* * *

Nahe dich nicht zu verwegen der Grenzlinie zwischen Tugend und Laster, oder du bist
jenseits, wenn du noch wähnst, diesseits zu sein.

Die Herde Gänse und der Hahn

Die Herde Gänse wurde nach dem Dorfe getrieben, und ein mutwilliger Bauernjunge hüpfte,
um sich eine Lust zu machen, auf den Händen und Knien einer von ihnen entgegen,
worüber sie ein solches abscheuliches Geschrei erhoben, daß es weit und breit widerschallte.
Ein Huhn stand auf dem Weg, wo die Gänse vorbei sollten, stellte sich einem der
stärksten Schreier entgegen, und sprach: Sage mir doch mein Freund, was bewegt euch
zu diesem entsetzlichen Getümmel, welches das ganze Dorf beunruhigt?
Weiß nicht, antwortete die Gans, indem sie ihr Geschrei immer dazwischen fortsetzte.
Aber es ist ein Grundgesetz unserer Staatsverfassung, daß wir alle schreien müssen,
wenn eine von uns anfängt.

* * *

In der Gelehrtenrepublik nennt man es, d e n  T o n  a n g e b e n.

Der Mensch und der Löwe

"Ich las," sagte der Mensch zum Löwen, "die Geschichte des Androklus, dessen einer
deinesgleichen auf dem Kampfplatz verschonte — des Panthers, der einen Wanderer,
als sein Beschützer, durch die Wüsten begleitete — des Drachen, der seinen ehemaligen
Ernährer vor Mördern errettete. Sage mir, warum hört man nichts mehr von Taten unter euch?"
"Die Menschen," antwortete der Löwe, "sind zu stolz geworden, dem Leidenden den Dorn
aus dem Fuß zu ziehen, der winselnden Mutter ihre Jungen aus der Grube zu heben,
oder den Schmachtenden zu erquicken. Sie glauben alle Pflichten durch ein Stückchen
Metall zu erfüllen, das sie von sich werfen, und womit dem zehnten Unglücklichen,
so wenig als uns, weder gedient, noch geholfen ist. Tätiges Mitgefühl erwirbt Herzen;
durch die kalte Gabe, die ihr Almosen nennt, erkauft man, was sie wert ist, kalten Dank."

Der Igel und die Katze

Man hatte in einem Hause den Einfall, einen jungen Igel, und eine junge Katze
miteinander zu erziehen.
Der Igel wurde zahm, fraß mit der Katze von einem Teller, weil aber die Katze zu
geschwind fraß, so erzürnte sich der Igel, biß sie in den Schwanz, und erhob zugleich
seine Stacheln, daß ihm die Katze nichts anhaben konnte.
Die Zuschauer lachten über das Schauspiel, wenn die Katze mit aufgehobener Pfote und
jämmerlichem Geschrei, dem an ihrem Schwanze hängenden mutwilligen Igel zu
entfliehen trachtete.
"Scherz hört auf, Scherz zu sein, und wird Grausamkeit," schrie die Katze, "wenn ihn
derjenige treibt, gegen den man ihn nicht erwidern darf."

Der Schulmeister und die Schnecken

Ein Schulmeister zeigte seinen Schülern das Schefferische Experiment, einer Schnecke
den Kopf ohne Schaden abzuschneiden.
Nun schnitten die Jungen ins Kreuz und in die Quere, daß den Schnecken die Köpfe
nicht wieder wuchsen, und eine von den Gemetzelten winselte: "Fluch dem Mann,
der unsern Mördern das Messer in die Hand gab, ohne ihnen den guten Willen, und die
Einsichten geben zu können, es unschädlich zu führen!"

* * *

So ersann Herr Plus einen Vorschlag, die herrschaftlichen Einkünfte Aggravio der
Untertanen zu vermehren. Her Plusplus sein Nachfolger, aber führte es aus, daß die
Hälfte der Landeseinwohner den Bettelstab ergreifen, und auswandern mußte.

Der Meerotter

Ein Meerotter ging an den Ufern von Kamtschatka auf und nieder, als ihn ein
heißhungriger Wolf erblickte, und hinterrücks anfiel.
Ich bin Fisch! schrie der Otter ängstlich, und stürzte sich in das Wasser, mußte aber
seinen Schwanz in dem Rachen des Wolfes zurücklassen.
Seine Schmerzen waren noch nicht gestillt, als er einen Seelöwen gerade auf sich
zuschwimmen sah.
Herr! Ich bin Fisch! rief er seinem neuen Feind entgegen. Aber der war taub, und biß ihm
den Kopf ab.

Phäethon

Phäethon sprach einst zu seinem Vater: "Wie unschicklich der alte Zeus deine Reise
geordnet hat! Die Bewohner Saturns genießen kaum von ferne deines belebenden
Daseins, indem die Bürger Merkurs unter deinen Strahlen verschmachten. Laß mich
deinen Wagen besteigen, und die Schöpfung wird mir zujauchzen, wenn ich Hitze und
Kälte mit gleichen Maß spende.
Phöbus gewährte seine Bitte. Stolz fuhr der Jüngling davon. Wo er hinkam,
gerieten dämmernde Welten in Flammen, und wo ein ewiger Frühling geherrscht hatte,
gefroren Planeten zu Eis.
Zeus steuerte durch einen wohltätigen Blitz der Vernichtung des Ganzen. "Alt war ich,
verwegener Jüngling!" rief er dem vom Wagen Geschleuderten zu, "aber nicht kindisch,
als ich deinem Vater seine Bahn vorschrieb: und Ordnung ist oft, wo das Aug des
Unkundigen sie nicht sieht."

Der Mensch, sein Storch und die Frösche

In einem Geflügelhof lief unter anderem auch ein gefangener Storch, welcher aus der
Küche, und oft aus des Hausherrn eigenen Händen gefüttert wurde.
Einst, als der Herr in den Garten ging, folgte ihm der Storch. "Ach! der arme Storch hat
Hunger!" sprach der Hausherr gerührt. "Man muß ihm Frösche fangen."
Flugs liefen die Bedienten, und brachten einige Frösche, denen der Storch ein Bein nach
dem andern zerknirschte, und sie endlich verschlang. "Grausamer Guttäter!" schrie von
den Geräderten einer. "Wohl wird der Storch deine Großmut loben. Aber was taten wir,
daß er auf Kosten unsers Lebens gefüttert werden muß?"

* * *

Die Entscheidung der Frage, ob der gnädigste Herr wirklich der gnädigste Herr sei,
muß ein Fremder auf dem Lande, nicht bei Hof, einholen.

Die Schlange und der Hund

Die nämliche Schlange, so den Bauer, der sie wieder zum Leben erwärmt hatte,
zu tot biß, sah auf ihrer Flucht einen Hund, welcher dem Jäger, der ihn fütterte, die Hand
leckte. "Beiß, beiß, alberne Bestie!" zischte sie ihm zu. "Das Brot, so dir dein Herr
darreicht, gab ihm Zeus. Ihm bist du Dank schuldig, nicht dem Manntier!"

"Eben deswegen," sprach der Hund, "küsse ich die Hände, durch welche der mich nährt,
den ich nicht sehe."

Die zwei Hänflinge

Ein Hänfling, der im Käfig nicht nur seinen Herrn entzückt, sondern öfters die auf der
Straße Vorübergehenden, still zu stehen bewogen hatte, war entflogen, und genoß seine
Freiheit mit anderen Vögeln des Waldes.
Jetzt fing er an zu singen, aber kein Vogel ließ sich durch ihn in seinem Gesang oder in
seinem Flug stören. Er war der Bewunderung gewöhnt, und trauerte.

Ein anderer Hänfling bemerkte seinen Gram und sprach: "Die Stadt hat dich verdorben
Bruder! wo du der einzige deiner Art warst. Hier bist du in einer anderen Welt. Mit der
Aufmerksamkeit der Nachtigallen wirst du dir selbst nicht schmeicheln. Uns Hänflingen
wirst du erlauben, wenn wir uns einbilden, eben so gut zu singen wie du, dem Kuckuck,
dem Raben und andern unharmonischen Vögeln aber ist dein Gesang gar ein Greuel.
Auf Bewunderung also mußt du nur bei denjenigen warten, welche zwar Ohr, aber weder
Lust noch Geschick haben, mit dir zu wetteifern."

Der Biber und der Fischotter

Ein Biber gestattete einst dem Fischotter seinen künstlichen Bau zu betrachten.
"Erlaube mir mein Freund," fing der Fischotter an, "dich zu fragen, warum du so viel
vergebliche Kunst und Arbeit an die Außenwerke verwendet hast, da dich die letzte
Kammer allein für allen Anfällen deiner Feinde in die vollkommenste Sicherheit setzt?"

"Meine Wachsamkeit möchte mich verlassen, antwortete der Biber, und in diesem Fall
dürfte mir keine Zeit übrig bleiben, mich in das Innerste meines Baues zurück zu ziehen."

* * *

Wer ein Geheimnis zu bewahren hat, tut wohl daran, es mit einem unbedeutenden Zaun
zu umgeben, den er im Notfall dem fremden Fürwitz, und der eigenen Menschlichkeit
preisgeben kann.

Der Jagdhund und das Mastschwein

"Das arme Tier!" grunzte das Mastschwein eines Jägers, als es sah, wie kärglich ein
Jagdhund gefüttert wurde. "Und für diese kahle Suppe muß es noch täglich auf die Jagd
gehen, wenn ich hier, ohne den geringsten Dienst zu tun, im Vollen lebe!"
Bald nachher hörte der Hund das Schwein ganz entsetzlich schreien. "Was fehlt dir?"
fragte jener. "Ach!" schrie dieses. "Siehst du dort nicht die fürchterliche Anstalten des
siedenden Kessels, und des scharf geschliffenen Messers. Sie wollen mich schlachten,
die Grausamen!"
"Fahr nur hin," sprach der Hund. "Hättest wohl denken können, daß man dich ohne
eigennützige Absichten nicht so fett machte. Deswegen prangen unsere Herrn mit dem
Titel  d e n k e n d e r  Tiere."

Der Hänfling und der Star

In einem Gartensaal, wo allerhand Arten von Singvögeln, teils in Käfigen, teils frei
herumflogen und hüpften, fragte der Hänfling einst den Star: "Sage mir doch, wie
kommst du zu der Ehre, ein Lieblingsvogel unseres Herrn zu sein, da du doch im Grunde
nichts als ein Schreier, ein Plauderer, und, wenn man einigen deiner Beobachter glauben
soll, gar ein Galgenvogel bist."
"Ich pfeife," war des Stares Antwort, "wie mir mein Herr vorpfeift."

Die zwei Wachteln

Eine freche Wachtel sah eine Andere unter dem Fenster eines Gartenhauses in ihrem
Käfig, flog zu derselben auf das Brett, und sagte höhnisch: "Pfui Schwester! wie du so
gebückt einherwandelst. Kaum hab ich dich für meinesgleichen gehalten.
Hüpfen, hüpfen, hüpfen muß eine Wachtel!"
"Glaube mir," antwortete die Andere, "daß ich deinesgleichen bin, und so gut hüpfen
könnte wie du. Aber ich habe mir den Kopf erbärmlich darüber gestoßen, und daraus den
Schluß gezogen, daß ich ein Tor gewesen wäre, wenn ich mich freiwillig in diesen Käfig,
so schön er bemalt ist, begeben hätte; daß ich aber diesen Namen dreifach verdiente,
wenn ich jetzt den hölzernen Himmel vergäße, der über mir liegt.

Der Beurlaubte

Görgel lief dem Vater davon, und ward Soldat.
Ein Jahr darauf kam er mit Erlaubnis in sein Dorf zurück, sprach viel vom gnädigsten
Herrn, von seiner Exzellenz, dem Herrn General, und von ihro Gnaden, dem Herrn
Fändrich; aber seine vormaligen Kameraden lachten gegeneinander, und ließen ihn stehen.
So gehts nicht gut, dachte Görgel. Muß mich gemeiner mit ihnen machen. Er mischte
sich also in ihre Spiele. Allein sie hörten auf zu spielen, und gingen davon.
"Ist's auch Manier, rief ihnen Görgel nach, einen alten guten Freund so kalt zu
behandeln?" — "Manier hin, Manier her!" antwortete einer von ihnen. "Packe dich zu
deinem Regiment. Du bist zu k l e i n, als daß wir dich ehren, und tust zu g r o ß, als wir
dich lieben könnten."

Das Kind und der Hund

Ein Kind, welches ein Stück Brot in der Hand hatte, fiel auf dem Eise. Flugs sprang ein
Hund herbei, nahm das Brot, und lief davon.
"Schändlicher Räuber!" rief Phädrus entrüstet aus, "den Gefallenen zu bestehlen!
"Doch," fuhr er nach einer Erholungspause fort — "es ist ja Menschensitte."

Der neue Statthalter

Eine türkische Provinz hatte ihren Bassen verloren, und der Sultan besetzte die Stelle
durch einen griechischen Renegaten.
Um den Antritt seiner Regierung feierlich zu machen, hielt derselbe folgende Rede:

Ihr wißt, meine Freunde! durch welche traurige Szenen sich die vorigen Zeiten
ausgezeichnet haben. Noch raucht das Blut eurer unschuldig erschlagenen Mitbrüder,
welches unter dem Säbel des grausamen Ibrahims geflossen! Noch jammern trostlose Eltern
über die aus ihren Armen in den Harem des wollüstigen Mustapha gerissene
Töchter! Noch schmachtet der Landmann im Elend, und seufzt über die Erpressungen des
räuberischen Mahomeds! Sehet! Dieses waren die Tyrannen, welche vor mir meine Würden trugen. — —
"Laß den Schwätzer!" sprach zürnend einer von den Zuhörern zu seinem Nachbar.
"Wenn er besser wäre, so würde er uns nicht durch den Tadel seiner Vorgänger zu
bestechen suchen!"

Die getigerte Katze und der Affe

Ein Affe sah eine getigerte Katze auf der Straße, und rief ihr nach: "Seht doch, wie die
Törin daher schwänzt! Sie spielt den Tiger leibhaftig, und ist doch nichts mehr, und nichts
weniger, als eine Hauskatze."
"Viel Ehre für mich," erwiderte Murner, "daß du mich mit dem großen Stiefbruder
vergleichst, den ich nicht kenne. Den Bau meines Körpers, meinen Balg und meinen
Gang schenkte mir Mutter Natur. Aber dir kann ich's verzeihen, daß du es für Nachahmung ausgibst."