Das deutsche Pferd und das Britische
Ein deutsches Pferd, ein Friese, stand
Nicht weit von einem Engelländer,
Verglich sich, fand
Den fremden Herrn behender.
"Willst du gestutzt sein?" fragt der Herr, dem er gehört.
"Ja, spricht der Friese," ja! ich werde
Dann laufen, wie der Vogel fliegt, die Erde
Fliegt unter mir!"
"Hast aber keinen Schweif, der dir
Die Fliegen wehrt!"
"Den Fliegen will ich wohl entlaufen!"
Sein Wunsch wird endlich ihm gewährt,
Er wird gestutzt, er dünkt sich, unter einem Haufen
Von Pferden, nun das schönste Pferd!
Den Engelländer her! ruft nun der Herr,
Er soll einmal die Probe laufen.
Er läuft, er stürzt, er kann nicht mehr;
Stechfliegen quälen ihn; der Herr will ihn verkaufen.
Man bietet nichts für ihn; der Abgestutzte kann
Der bösen Fliegen sich nicht wehren,
Nicht seinen Herrn ernähren,
Man sieht ihm seinen Kummer an.
"Ach," spricht das Pferd, das seine Torheit sieht:
"Ich Narr! es gibt der Narren in Friesland und in Sachsen!
Mein Schweif, der schöne Schweif! ich laß ihn wieder
wachsen.
Die garst'ge Fliege zieht
Mir alle Kraft noch aus den Knochen!"
"Hans!" ruft der Stallknecht, "dumm gesprochen!
Denn sieh, das Glied,
An dem er hing, ist dir gelähmt.
Am besten ist, daß man zur Arbeit sich bequemt,
Wenn man dazu durch starke Glieder
Berufen ist; der Schweif, der schöne Schweif, wächst dir
gewiß nicht wieder!
Und wächst er auch, du kannst ihn doch nicht brauchen.
Ha! du gehörest zu den Gauchen,
Die ihren Deutschen gern verstecken
In einen Kurzrock — o die Gecken!"
Der Sperber und die
Lerche
Die kleine Lerche sah den blauen Himmel an,
Und schwebte singend hin und wieder,
Und ließ auf ihre Flur sich langsam singend nieder.
Da schoß mit schlagendem Gefieder
Aus seinem Busch hervor ein Sperber, ein Tyrann;
Und grausam sie verzehrend, sprach er: "Hören
Konnte ich sie länger nicht, ich mußte sie verzehren,
Weil ich, wie sie, nicht singen kann!"
Der Bauer und der
Schäferhund
Ein Bauer saß in einer Schenke,
Nahm seinen schweren Krug, und trank sich mehr als satt.
Ei! dacht' ein Schäferhund, ei, was doch für Getränke
Der wohl in seinem Kruge hat?
Die Schäferhunde sind so klug, daß in der Stadt
Kein Schoßhund klüger ist. Der Bauer ging hinaus;
Und weil er seinen Krug stehen ohne Deckel ließ,
So schlich der Hund sich hin zum Kruge, trank daraus,
Und sagte: "das schmeckt süß!"
Der Bauer kam dazu. Der arme Hund! er kroch
Auf allen Vieren. Warte! sprach der Bauer,
Und drohte mit dem Stocke; doch
Er drohte nur!
"Herr Wirt, das Bier ist sauer!"
Rief er, und: "eine Kanne noch!"
Das Bier ist sauer! war ein Scherz,
Allein der Hund verstand ihn nicht,
Und wies die Zähne.
"Hast du Herz?"
Fragt da der Bauer ihn, und drohet ihn zu schlagen.
"Herz?" spricht der Hund: "mein Herr, man muß die Wahrheit
sagen,
Und lügen muß man nicht, auch nicht einmal im Scherz."
Der schlafende Löwe
Der König Löwe schlief. — Von weitem saß ein Luchs;
Und dieser hatte Lust, den Löwen aufzuwecken.
"Den Löwen, unsern Herrn? den Löwen, unser Schrecken,
O, laß ihn schlafen!" sprach ein Fuchs.
"Herr Schmeichler, gut! ich will den Löwen schlafen lassen,
Weil, wenn er schläft, er uns kein Todesurteil spricht!"
Antwortete der Luchs, mit spöttischem Gesicht.
Auf manchen König mag die kleine Fabel passen,
Auf unsern König paßt sie nicht.
Der erwachte Löwe
Der König Löw' erwachte. Wolf und Bär,
Und Luchs und Fuchs erzitterten; denn er
War ein Tyrann, und schonte seiner Freunde,
Wenn er ergrimmte, nicht.
Erwacht, sah' er, mit zornigem Gesicht,
All seine mächtigen Vasallen. "Meine Feinde
Seid ihr!" sprach er; i"ch habe nicht geschlafen,
Darum, ihr Herrn! muß ich euch strafen!"
Und nach und nach fraß er
Den Luchs, den Fuchs, den Wolf, und auch den Bär,
Der sterbend, wie ein Held, noch Rache raucht.
Ihr Menschen, Gott sei Dank, daß seine Königsmacht
Kein Menschenkönig so gebraucht,
Und keiner so erwacht!
Die Taube der
Venus und die Eule
der Pallas beschließen ihr Gespräch
Die Taube
Die Weisheit aber soll die Menschen fröhlich machen!
Die Eule
Zwar fröhlich! — aber nicht bis zu dem lauten Lachen!
Die Nachtigall und der
Uhu
Die Nachtigall sang ihre schönsten Lieder
Auf einem hohen Berg, einmal;
Und süße Töne fielen nieder
In ein nicht fernes Tal.
Und in dem Tale quakten Frösche!
Da sprach ein Uhu: "Nachtigall, o du,
Mit deinem tönenden Gewäsche!
Dem Quaken hör' ich lieber zu!
Dem Denker gibst du nichts zu denken,
Dem Lacher nichts zu lachen, du!
Dir will ich deine Lieder schenken,
Dem Quaken hör' ich lieber zu!"
"Viel Köpfe haben viele Sinne,"
Sprach ein gelehrter Wiedehopf,
"Und Mark zum Denken hat der Spinne,
Des Raben, und des Esels Kopf."
"Deswegen mag ihr Urteil gelten,
Herr Uhu!" sprach der weise Zwerg;
"Die Nachtigall (Sie merken sich's, Herr Velten!)
Vernahm's und flog sogleich auf einen höhern Berg!"
Der Kater und die
kleinen Vögel
Ein Kater saß auf einem Baum,
Und hörte kleine Vögel singen.
"Ihr," sprach er, wär't für meinen Gaum!
Euch alle möcht ich gern verschlingen!"
Ein Stieglitz sagte: "Du Tyrann!
Sollst uns wohl nicht in deinen Schnabel kriegen;
Wir Vögel, wir sind gut daran,
Gelobt sei Gott! wir können fliegen!
Die Mäuschen aber dort in ihren alten Mauern,
Die jammern mich!" — — —
"O," sprach der Kater, "kann denn ich
Euch nicht belauern?" —
"Das Gott erbarm'!"
Schrie alsobald der kleinen Vögel Schwarm,
"Wenn Macht und List
Beisammen ist!"
Und flog, nicht einer blieb, sogleich von dannen,
Weit aus den Augen des Tyrannen.
Der Hamster und der
Dachs
Ein Hamster machte sich ein Loch.
"Ei," sprach ein Dachs, "was machst du doch?
Es ist ja viel zu klein!"
"Für dich, das könnte sein."
Antwortete der Hamster. — "Größer machen
Könnt' ich's ja leicht, allein,
Ihr Gäste würdet meiner lachen,
Der Fuchs und du, ihr kämt mir dann hinein!"
Die zwei Esel, der
Wiedehopf und die Gans
Zwei Esel schrien um die Wette;
Die Wette war ein Distelkopf.
"Wenn einer auch gewonnen hätte,
Was wär's denn?" sprach ein Wiedehopf;
"Wenn's um die Ehre
Der Schönheit wäre,
Dann ließ ich eine Wette gelten!" —
"Was da der schöne Dummkopf quakelt!"
Ruft eine Gans von fern, und wackelt
Vor Esel und vor Wiedehopf vorbei.
Die Esel wiederholten ihr Geschrei.
Die Gans kehrt um und schnattert: "O du wettest,
Du Wiedehopf, ja wohl mit mir?
Als wenn du dir
Die Schönheit selbst gegeben hättest!
Du kannst, dächt ich, die Mühe sparen;
Die Federn bleiben, wie sie waren,
Und unsre Stimme üben wir."
Der Elephant und die
Maus
Ein Elephant und eine Maus
Besprachen sich von ihrer Größe.
"Ha!" sprach der Elephant, "ich messe
Dich ja so leicht mit meinem Rüssel aus!"
"Und ich," antwortete die Maus,
"Hab' einen kleinen Zahn, und fresse
Mich ja so leicht in eines Königs Haus:
Die Größe macht es oft nicht aus!"
Der Stieglitz und
die Lerche
Der Stieglitz
Sing' einen Wettgesang mit mir;
Ich nehm es auf mit dir!
Die Lerche
Gut! wenn du willst, ich geh' es ein;
Die Nachtigall soll Richter sein.
Der Stieglitz
Die Nachtigall? Ich dächte: nein!
Der singen wir zu fein.
Die Lerche
So willst du der Zikade Lob?
Der Stieglitz
Der singen wir zu grob.
Die Lerche
Ei! welch ein Richter ist dir recht?
Der Stieglitz
Ich möchte Sperber oder Specht.
Die Lerche
Specht oder Sperber? Schönen Dank!
Ich singe keinen Wettgesang.
Der Sperling und
die Nachtigall
Ein Sperling sprach zu einer Nachtigall:
"Der Storch ist doch ein großer Reiser!
Er reist in alle Welt, ist, sagt er, überall
Umher gewesen; ob er weiser
Geworden ist? Ich zweifle dran."
Die Nachtigall hört alles an,
Sagt nichts; allein man las in ihrem Blick,
Daß sie nicht eben viel vom Afterreden halte. —
Sie flog in ihren Wald zurück,
Und sang, daß Berg und Tal erschallte!
Das Gemälde und der
Käufer
"Der große Mengs hat mich gemalt!"
Sprach ein Gemälde zu dem Käufer.
Der Käufer, der geriet in Eifer;
"Gemälde," sprach er, "nicht geprahlt!
Du warst so schmutzig, daß ja keiner
Dich kaufen wollte; reiner
Nur etwas bist du jetzt; ganz rein,
Wirst du nicht mehr ein Prahler sein!"
Der Maulwurf und der
Hamster
In die gefüllte Speisekammer
Des Hamsters grub sich einst ein Maulwurf ein.
"Hier," sprach er klagend, "hier wird meines Hungers Jammer
Einmal am Ende sein!
Acht Tage schon hab' ich gegraben,
Und nichts gefunden, mich zu laben;
Gottlob! —
Indem er's sagt, entsteht
Ein großer Lärm, der Hamster kommt gesprungen.
"Dieb! Räuber! Mörder!" — Gnade fleht
Der arme Hungrige. Gekämpft und gerungen
Auf Leben und auf Tod wie in Amerika,
Wird in der allzu engen Kammer. —
Der arme Maulwurf stirbt, und endigt seinen Jammer.
So wären, wenn's geschah,
Die Tiere ja
So grausam wie die Menschen? Nein!
Es kann wohl nicht geschehen sein.
Der Esel und der Löwe
Ein Löwe ging mit raschem Schritt,
Auf einen Esel zu!
Der Esel, angst und bange, zittert. — "Du,"
Spricht König Löwe, "komm! komm mit!
Wir wollen jagen; du sollst machen,
Daß alles Wild im Wald' erschrickt."
"Herr Löw', ich fürchte mich vor zähnevollen Rachen!"
Sagt da der Esel, tief gebückt.
"Schrei! Esel, schrei!" — "Um Gotteswillen,
Herr Löwe, sie geruhen doch zu brüllen,
Das Wild erschrickt ja desto mehr!"
"Schrei, Esel, schrei! Wir wollen's, du sollst schrein!
Denn laß dir sagen, das Gehör
Des Wildes in dem Wald ist fein;
Der Esel treibt's heraus, der Löwe jagt's hinein!"
Das Veilchen und der
Grashalm
Ein Veilchen stand im kühlen Schatten;
Grashalme schatteten umher.
"Sieh, Veilchen!" sprach ein Grashalm, "wer
Dich schützt vor dem ermatten!"
"Du," sprach das Veilchen, "du! Auf ein Verdienst, so klein,
Muß man so stolz nicht sein!
Du tust es ja nicht allein!"
Äsop und der Abderit
"Sprich doch einmal mit deinen Tieren!"
Sprach zum Äsop ein Abderit;
"Sie stehn um dich herum, auf Zweien und auf Vieren,
Und wer sie sieht,
Sieht wohl, daß sie nicht sprechen können,
Hört von dem Fuchse keine List!"
"Du wollest," sprach Äsop, "weil du gesprächig bist,
Doch ihnen ihre Stummheit gönnen!"
Der Hahn und die
Hausmagd
Ein Hahn stand auf dem Mist, und scharrte tief, und fand,
Statt eines Gerstenkorns, den schönsten Diamant!
"Ei! wärst du," sprach der Hahn, "ein Gerstenkorn gewesen!"
Und wetzte seinen Rittersporn,
Und warf den schönen Stein weit von sich weg, im Zorn!
Die Hausmagd, fegend mit dem Besen,
Sah um sich, sah den Wurf, hob auf den schönen Stein,
Und: "schönen Dank, Herr Hahn!" sprach sie, "sie sollen
leben!
Dafür, daß sie den Stein mir zum Geschenk gegeben,
Will ich, Herr Hahn! einmal zu ihren Diensten sein!
Die Köchin, die das Messer schleifen
Und, eine Mörderin, an ihnen sich vergreifen
Mit ihrem Messer will, die hats mit mir zu tun!
Sie, mein Herr Hahn, sie selbst, und auch ihr liebstes Huhn,
Sie beide sollen nicht grausamen Todes sterben!
Und sterb' einst ich, dann sollen sie
(Sie sind ein gutes Vieh!)
Von mir ein schön Gefäß, gefüllt mit Gersten, erben!"
Der Hahn hört alles, steht auf seinem Misthof, denkt:
Das Ding hat sich gelenkt!
Der Stein enthielt den Grund von meinem längern Leben,
Und ich, ich warf ihn weg! ich Dummkopf! hätt ich ihn
Der Landesmutter zu Berlin,
An ihre Krone, hingegeben:
Wer weiß, was dann aus mir geworden wär! Allein,
Wer glücklich ist, soll, glücklicher zu sein,
Nicht wünschen; soll nichts mehr vom Schicksal sich
erbitten!
Der Esel und der Müller
Ein Eselchen, ein gutes Vieh,
Brach aus in bittre Klagen:
"Der dumme Knappe da, was braucht er mich zu schlagen?
Weit mehr, als er, hab' ich Genie,
Den schweren Sack zu tragen!
Was braucht er mich zu schlagen?"
Der Meister Müller hört's
Und spricht zum Eselchen: "Jawohl! Erfahrung lehrt's,
Du hast Genie, den Sack zu tragen
Und still zu stehen.
Allein Genie den Sack zu tragen und zu gehen,
Das hast du nicht! Dazu muß dich der Knappe schlagen!"
Der Schmetterling
und die Biene
Ein Schmetterling und eine Biene flogen
Zugleich auf eine Blum' und sogen,
Die Biene Honig. Was der Schmetterling?
"Was saugst denn du, du buntes Ding?"
Wollt' ich den kleinen Flattrer fragen,
Allein er flog davon; die Biene blieb und sog.
"Kannst du, du Fleißige," fragt' ich die Biene, "sagen,
Ob dieser Schmetterling, der eben weiter flog,
Auch Honig aus der Blume sog?"
"Ja, Honig, aber nur für seinen lieben Magen."
Das Hühnchen und der
Hahn
Ein Hühnchen saß auf einem Ei,
Und brütete mit großem Fleiße.
Der Hahn des Hühnchens geht vorbei,
Sagt: "Hühnchen, kleine liebe Weiße
Du leidest Durst und Hunger hier
Auf deinem Nest. So lang' auch brüten
Auf einem Ei. Hm, wären es vier,
So ließ' ich's gelten, und so wollt' ich dir
Die Kinderchen vor Katz' und Sperber hüten.
Eins lohnt sich nicht der Müh."
"Nicht?" fragt das Hühnchen, "nicht?"
Unwillen im Gesicht!
"Und wenn das Eine mir die Pflicht zur Freude macht
Wie andern Viere?" — — — "Nun!"
"Nur nicht so patzig, liebes Huhn."
Sagt da der Hahn, und wünscht dem Hühnchen gute Nacht,
Und läßt sein Kikeriki erschallen.
Der Hahn, gefällt er euch? mir will er nicht gefallen;
Das Hühnchen aber wird, das will ich prophezeihn,
Die zärtlichste der Mütter sein!
Die
Rosenknospe und die Lindenblüte
Eine Rosenknospe rühmte Lindenblüten
Ihre Schönheit! — — "Balsamduft
Hauchen wir in dünne Luft!"
Sagten all' auf einmal, und gerieten
Fast in Zorn! die Knospe schwieg;
Zanken, denkt sie, will mir nicht geziemen!
Gegen Abend aber stieg
Ihr Geruch empor! — — Sie spricht:
"Seine Schönheit darf man rühmen,
Seine Tugend nicht!"
Der Dichter und ein
Fuchs
"Herr Dichter," sprach ein Fuchs, der an der Kette lag,
"Ich bitte, laßt mich los! ich will ein Stückchen machen,
Ihr sollt darüber lachen;
Nur heut' auf einen Tag!"
"Auf einen Augenblick
Dürft es nur sein, du Schalk! so lachtest du der Kette.
Ja! wer von dir nicht schon so manches Schelmenstück
Gehöret und gelesen hätte!
Du bist so schlau, so schlau! so listig, daß man dich
Fest hält, wenn man dich hat; die Kunst ist, dich zu
kriegen!
Darum, du Vogel, du! wer klug ist, tröstet sich
An seiner Kette selbst, und bleibt geduldig liegen."
Tamerlan und seine
Tochter
Die liebste Tochter Tamerlans,
Des Helden, welcher Furcht und Schrecken
Um sich verbreitete, hieb eines schönen Hahns
Geliebter Henne, — die zu wecken,
Der Hahn sein häßliches Kikeriki
Hoch stehend jeden Morgen schrie, —
Nicht dieses harten Schicksals wert,
Den Kopf ab mit des Vaters Schwert.
Der Vater sah es. "Unschuldigen Geschöpfen
Haut man den Kopf nicht ab", sprach er;
"Wer, Henker! lehrte dich des Hahns Gemahlin köpfen?
Unmenschliche Tyrannin! Wer?"
"Herr Vater, Sie" — "Tyrannin, knie nieder!
Gerechtigkeit muß sein, du bist mir nicht zu lieb."
Der Tochter zitterten, hinkniend, alle Glieder!
Der Vater nahm das Schwert und hieb
Den schönsten Mädchenkopf
Der liebsten Tochter ab,
Faßt ihn beim Schopf,
Und legt ihn sanft ins Grab.
Obwohl mit ihrem Blut der große Tamerlan,
Der böse Taten hat getan,
Die Götter zu versöhnen meinte
Mit seinen Kriegen und mit sich?
"Gerechtigkeit muß sein!" sprach der Barbar, und weinte
Zwei Tränen bitterlich.
Der Esel und sein Reiter
"Was kann denn ich davor,
Daß du mit langem Ohr
Geboren bist, Herr Esel? — Langohr nennen
Wir alle dich mit Recht!
Denn sieh! vom ganzen Tiergeschlecht
Hast du das längste, du! das mußt du doch bekennen!"
"Ja! das bekenn' ich," sprach der Esel zu dem Mann,
Der auf ihm saß, und seine Klagen:
Daß er die schwerste Last getragen;
Daß er, was er gekonnt, getan;
Daß unbarmherzig doch der Treiber ihn geschlagen, —
Anhört, und Spott, für Trost, ihm mochte sagen;
"Allein, mein edler Herr, das werden Sie bekennen,
Daß einen schlechten Mann,
Der spotten nur und schlagen kann,
Ein armer Schelm nicht darf beim rechten Namen nennen!"
Die Schöpfung der Vögel
"Seid," sagte Zeus, "ihr Vögel!" und es war
Die ganze Vögelschar,
Auf Feldern, und in Büschen!
Der Kuckuck rufte stundenlang,
Die Wachtel schlug, die Lerche sang,
Der Sperling zwitscherte dazwischen.
Doch alle schwiegen auf einmal;
Und plötzlich ließ aus einem Tal
Die Nachtigall ihr Lied erschallen,
Dem Vater Zeus zum Wohlgefallen!
"Sing," sagte Vater Zeus, "du Kleine! noch einmal!"
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