Der Fuchs, der Stier und das Lamm
"Er schläft, weck' ihn nicht auf! Er schüttelt seine Mähne,
Weist seine mordgewohnten Zähne,
Tut einen Sprung, zerreißt in tausend Stücken
Euch beide, denn die Flucht möcht' euch nicht glücken!" —
Sprach schlau der Fuchs zu Stier und Lamm, die ihren Herrn,
den König
Der Tiere, schlafen sah. — Das schwache Lämmchen schlich
Bei Zeiten sich hinweg, und brachte sich
In Sicherheit! — Der Stier! ach! hätte der so wenig,
Gesäumet wie das Lamm, fürwahr! du lebtest noch! —
"Wer schwach ist," sprach der Fuchs, "ach der entfliehe
doch!"
Der Maler Rubens und sein Affe
Ein junger Pavian sah einst den Maler Rubens malen,
Nahm einen Pinsel und malt' auch
Die Grazien wie Kannibalen,
Mit platter Stirn und dickem Bauch.
Und Rubens lächelte dem Affen;
Das Äffchen nahm's für Beifall auf;
Stand, sein Geschöpfchen anzugaffen,
Warf einen Vaterblick der Affenliebe darauf;
Nahm dreister noch einmal den Pinsel, um zu malen
Die Grazien wie Kannibalen.
"Nein," sagte nun und macht' ein Zorngesicht
Herr Rubens, "nein, du Bösewicht,
Du sollst die Zeit dir nicht
Mit meiner edlen Kunst vertreiben."
Und riß den Pinsel ihm aus seiner Affenhand,
Warf zürnend ihn an eine Wand,
Und ließ den Affen Farben reiben.
O ließen's doch nur auch die Affen Wieland's bleiben!
Der Schmetterling
und die Biene
"Wär' heut' das Wetter schön,"
So sprach der Schmetterling, "ich wollte
Zu allen Rosen küssen gehn!"
"Und ich," antwortete die Biene,
Ging an mein Tagewerk in's Grüne,
Wär' heut' das Wetter schön!"
Der Adler und der
Taubenfalke
An unsere Dichter.
Ein Alpenadler flog in hoher Himmelsluft,
Ein Falke sieht ihn fliegen, ruft:
"Herr Vetter, wartet! – Hat's der Adler denn getan?
Der Adler, sagt man, säumte nicht
Auf seiner Sonnenbahn;
War aus dem spähenden Gesicht
Des Taubenfalken bald verschwunden;
Der Taubenfalke hat nicht seine Spur gefunden!
Der Taubenfalke? Der?
Nahm es nicht übel. Nein! —
"Der Adler Jupiters," sprach er,
"Muß es gewesen sein!"
Der Wiedehopf und die
Mücke
Ein Wiedehopf stand stolz und sprach zu einer Mücke:
"Du tanzest auch den ganzen Tag!"
"Herr Kronenträger!" sprach die Tänzerin, die Mücke:
"Wohl dem, der tanzen mag!"
Der Hund und der Wolf
Ein armer magrer Wolf, der wenig Lämmer stahl,
Begegnete, bergab in einem engen Tal,
Einst eines reichen Mannes Hund,
Mit Namen Sigismund.
Ei, denkt der Wolf, wäre ich entkräftet nicht,
An diesem Herrn wollt' ich mich rächen
Für manchen bösen Biß! O du, du Bösewicht!
Er denkt's, er wagt's nicht auszusprechen.
So freundlich, als wenn er
Sein Freund, sein treuer Bruder wär',
Spricht er: "Gott grüß' euch! sehr gesund
Seht ihr mir aus, ihr schöner, lieber Hund!
Was euch so schön macht und so rund,
Ach, das kommt nicht in armer Wölfe Mund!"
"Und wer ist Schuld daran," fragt Bruder Sigismund,
"Daß ihr so fett nicht seid, wie wir?
Warum behaltet ihr
Zu eurem Aufenthalt
Den öden Wald?
Ein besser Los erwählten wir,
Als wir den öden Wald verließen!
Der Mensch ist ein gesellig Tier;
Was er genießt, läßt er uns mit genießen!"
"Ei, Lieber sagt, ich bitte, mir,
Was tut ihr ihm dafür?"
"Nichts, gar nichts!" sagt der Hund, "wir bellen nur ein
wenig,
Und haben unser Fest.
Wenn Bettler, Bauer oder König
Vor seiner Tür sich sehen läßt;
Kurz, armer Freund, wir sind des Menschen treue Diener,
Dagegen nehmen wir mit Knochen junger Hühner
Und zarter Tauben gern vorlieb." — — —
"Das tät' ich auch," versetzt der arme Lämmerdieb,
Und geht sogleich den Weg zum Herrn des Hundes mit.
Gesellig gehen sie, wie Brüder, einen Schritt.
Nicht lange; denn der Wolf, der so gesellig trabt,
Betrachtet seinen Freund, sieht seinen Hals geschabt,
Steht plötzlich still, und fragt: "Was, was ist denn das
Am Halse da?" — — "Nun, eine Kleinigkeit!
Mein altes Halsband war zu enge;
Mein neues, das ist weit!"
"Ein Halsband? Ist dein Herr so strenge?
Legt er dich an?" —
"Nicht allezeit;
Nur dann und wann, der Kinder wegen —
Daran ist nichts gelegen!"
"Nichts? Bruder, nichts? Die Sklaverei macht Räude!
Geh' du, bei deinem Herrn zu schmausen, ich beneide
Dich nicht um deines Schmauses Freude!
Die Freiheit ist ein viel zu edles Gut!
Ich tausche nicht, ein Lump ist, der es tut!
Freund, lebe wohl!"
"So warte doch!" —
"Nein!" sagt der Wolf, läuft fort, und läuft wohl noch.
Der gebärende Berg
Ein Berg, der seines Leibes Bürde
Gebären wollte, krachte;
Das Land umher erzitterte, man dachte,
Daß er ein Ungeheuer gebären würde.
Was war's? Was kam heraus?
O Wunder! — Eine Maus!
Die Fledermaus
Ein kleines Mäuschen kroch
Stets unzufrieden in sein Loch;
Stets wünscht' es: wär' ich doch
Der kleinste Vogel nur,
Und flög' in freier Luft!
Zeus sagte zum Merkur:
"Ich will der Närrin Wunsch gewähren.
Erscheine Maus!
Wohlan, sprach Zeus, zum Zeitvertreib,
Geb' ich dir Flügel an den Leib,
Nun flieg!"
Halb Vogel, und halb Maus,
Flog sie, und hieß die Fledermaus.
Merkur sah sie, und lachte;
Nun fliegt sie nur bei Nachte!
Der Greis und der Tod
Ein Greis von acht und achtzig Jahren,
Ein armer, abgelebter Greis,
Mit wenigen schneeweißen Haaren,
Kaum aus dem Winde, trug auf seinem krummen Rücken
Ein schweres Bündel Reis.
Ach Gott, der arme Greis!
Er mußte wohl sehr oft sich bücken,
Als er die Reiserchen im weiten Walde las?
Er hatte keinen Sohn, sonst hätte der es getan.
Und weil von Mattigkeit er nun nicht weiter kann,
So setzt' er's ab, und als er nun da saß,
Bei seinem Bündel, und bedachte,
Wie viel Beschwerde, Müh' und Not
Das Bündel Reis ihm machte,
Wie viel sein bißchen täglich Brot.
Da seufzt er lebenssatt, und weint, und ruft den Tod;
"Befreie," spricht er, "mich von aller meiner Not
Und bringe mich zur Ruh'!"
Der Tod kommt an, geht auf den Rufer zu
"Was willst du?" fragt er ihn, "du armer Alter du!
Daß du mich hergerufen hast?
Du trägst auch eine schwere Last."
"Ach, lieber Tod," versetzt darauf
Der arme Greis, — "hilf sie mir auf!"
Der Hirsch,
der sich im Wasser sieht
Ein Hirsch bewunderte sein prächtiges Geweih
Am Spiegel einer klaren Quelle.
Wie prächtig, auf derselben Stelle,
Wo Königskronen stehn! und wie so stolz, so frei!
Auch ist mein ganzer Leib vollkommen, nur allein
Die Beine nicht, die sollten stärker sein!
Und als er sie besieht, mit ernstlichem Gesicht,
Hört er im nahen Busch ein Jägerhorn erschallen,
Sieht eine Jagd von dem Gebirge fallen,
Erschrickt, und flieht! Nun aber hilft ihm nicht
Das prächtige Geweih dem nahen Tod entfliehn,
Nicht sein vollkommner Leib, die Beine retten ihn!
Die reißen wie ein Pfeil, die prächtige Gestalt
Mit sich durchs weite Feld, und fliehen in den Wald!
Hier aber halten ihn, im vogelschnellen Lauf,
An starken Zweigen oft die vierzehn Enden auf.
Er reißt sich los, und flucht darauf.
Lobt seine Beine nun, und lernet noch im Fliehn,
Das Nützliche dem Schönen vorzuziehn!
Der alte Löwe
Ein Löwe der ein Held in seiner Jugend war,
Lag einsam nun im höchsten Stufenjahr,
In seiner Höhle hinterwärts.
Zwar fühlt' er noch sein großes Herz
Und seinen Heldenmut;
Allein erloschen war der Augen Glut
Stumpf seine Klau', schwach sein Gehör
Und Zähne hatt' er gar nicht mehr.
"Ach," sprach er mit sich selbst, "ach, welch ein Held war
ich!
Welch einer bin ich nun!"
Er runzelt seine Stirn, kriecht langsam, jämmerlich
An einen nahen Bach den letzten Trunk zu tun!
Er löscht den Durst, nimmt seine Lagerstatt
Am Bach und seufzet: "Ach, wie matt!"
Und als der Untertanen Schar,
Die sonst voll Furcht bei seinem Anblick war,
Den mächtigen Monarchen da
Ohnmächtig liegen sah,
Da gingen ihrer Viel' und forderten ihn aus.
Ein Schimmel sagte: "Komm heraus!"
Ging rückwärts auf ihn los
Und schmiß ihn mit dem Huf;
Ein Stier versetzt' ihm einen Stoß;
Ein Wolf biß ihn:
"Herr König, dein Beruf
Ist Tapferkeit, auf! wehre dich!"
Er kann nicht, er bereitet sich
Zum nahen Tode. Traurig, stumm
Sieht er sich um;
Hat Abschied von der Welt genommen,
Schon stirbt er still.
Ach, aber ach, zu seiner Qual
Sieht er von weitem her den Esel kommen,
Der endlich auch an ihm zum Ritter werden will;
"Nun," seufzt er, "sterb' ich sieben Mal!"
Die Grille und die
Ameise
Eine faule Grille sang
Einen ganzen Sommer lang,
Und war immer ohne Sorgen
Für den andern Morgen. —
Weil der Sommer Nahrung hat,
Wurde sie auch täglich satt;
Aber als der Winter kam,
Und der Flur das Leben nahm,
Da trieb sie der Hunger hin
Zu der Ameise: — "Nachbarin,
Ich bin hungrig, gib mir doch
Ein klein wenig nur zu leben!
Deine Kammer hat ja noch
Großen Vorrat, und ich will
Alles gern dir wiedergeben
Mit den Zinsen im April."
"Schwesterchen, wie brachtest du
Deine Zeit im Sommer zu?"
"Nachbarin, du weißt's ja wohl!
Ich, die Freundin vom Apoll,
Sang beständig; hast du mich
Nicht vernommen? und konnt' ich,
Schwesterchen, was Bessers tun?"
"Grillchen, nein! Doch, tanze nun."
Das Pferd und der Esel
Einst trug auf seinem schmalen Rücken
Ein Esel eine schwere Last,
Die fähig war, ihn tot zu drücken.
Ein ledig Pferd ging neben ihm.
"Du hast
Auf deinem Rücken nichts," sprach das geplagte Tier,
Hilf liebes Pferdchen, ach, ich bitte dich, hilf mir!"
"Was helfen!" sagt der grobe Gaul;
"Du bist der rechte Gast, du bist ein wenig faul;
Trag' zu!" — —
"Ich sterbe, liebes Pferd —
Die Last erdrückt mich, rette mich!
Die Hälfte wär' ein Spiel für dich!"
"Ich kann nicht," sprach das Pferd.
Kurz, unter dem zu schweren Sack
Erlag der Esel. Sack und Pack
Warf man dem groben Rappen auf,
Des Esels Haut noch oben drauf.
Der Wolf und die Ziege
Auf eines Felsen steiler Höh',
Die weder Gras noch fetten Klee
Dem Hungrigen zur Speise gab,
Stand eine Ziege.
"Komm herab,
Du Kleine, Schmale, Liebliche!"
Rief Räuber Wolf zu ihr hinauf;
"Was stehst du doch da oben drauf?
Dort triffst du keinen guten Fraß;
Hier unten wächst so schönes Gras,
Auch stehn an kleinen Wasserfällen,
Viel junge Bäumchen abzuschälen,
Komm, Liebliche!" –
"Herr Wolf, sie sind
Fast allzu gütig! Geben Sie
Sich aber doch nur keine Müh'
Um meinen Magen! denn ich bin
In Wahrheit keine Schmauserin!
Ich halt' es mit gesunden Kräutern,
Und mag mit fettem Gras und Klee
Nicht eben meinen Leib erweitern!
Ich klettre gern! Herr Wolf, Adieu!"
Der Esel in der
Löwenhaut
In eines Löwen Haut verbarg ein Esel sich,
Ging auf den Mühlenhof, und wer ihn sah, entwich,
Und sagt' es in dem Dorf umher,
Daß auf dem Hof eine Löwe wär'!
Ein Löwe? – Ja! man sieht ihn, erschrickt,
Entflieht, so weit man kann! Bald aber, bald erblickt
Des Müllers großer Hund ein Zipfelchen vom Ohr;
"Ha!" ruft er, "großer Held, aus deiner Haut hervor!"
Springt mutig auf ihn zu, tränkt den Betrug ihm ein!
Der Esel schreit, und will keine Löwe wieder sein!
Der
Stierkampf und die Frösche
Zwei Stiere hatten Krieg, und wo der Kampf geschah,
War eine Froschprovinz. Ein Frosch, der weiter sah,
Als sein Brüder, sprach: "Ach, Himmel, sehet da,
Des großen Stiergeschlechts Erbitterung und Zank
Droht unserm Volke Tod, Vernichtung, Untergang!"
"Was sorgst du doch?" sagt einer, der es hört;
"Ich seh' das Unglück nicht, die deine Ruhe stört!
Sie streiten, wer von ihnen Beiden
Der Herde Mann sein soll, das wollen sie entscheiden!"
"Das wollen sie; allein, was ist davon die Frucht?
Der Überwundene muß fliehen, auf der Flucht
Verfolgt der Sieger ihn, und jener sucht im Rohr
Des Sumpfes Sicherheit, und unser Freudenchor
Wird jämmerlich zertreten, meinst du nicht?"
Indem das Brüderpaar noch mit einander spricht,
Verliert der eine Stier die Schlacht,
Entflieht, der Sieger folgt und der Besiegte macht
Das hohe Schilf im Sumpf zur Freistatt, und zertritt
Das arme Froschgeschlecht und beide Sprecher mit.
Der Rabe und die Pfauen
Auf eines Fürsten Hof ging eine Herde Pfauen;
Ein Aufzug, welchen anzuschauen
Kein Auge müde ward; denn, jeder trug sein Rad
Mit Farben, wie sie nur der Regenbogen hat.
Aus den empor getragnen Rädern
Entfielen wunderschöne Federn;
Ein Rabe las sie auf, und schmückte sich damit,
Und ging mit abgemessnem Schritt
In die Versammlung rechter Pfauen,
Und brüstete sich auch, und ließ sich auch beschauen.
Allein, man kannt' ihn alsobald;
Nahm ihm den fremden Zierrat ab,
Biß ihn gelinde, gab
Dem armen Schelm die vorige Gestalt.
So leicht gestraft ging er mit Freuden wieder
In die Gesellschaft seiner Brüder.
In dieser kam er noch übler an;
Denn sein Vergehen ward den Raben kund getan.
Sie stehn umher um ihn, sie lachen, spotteten, schrein:
"Herr Pfau! Herr Pfau! Herr Pfau! sie hauen auf ihn ein,
Und raufen ihm, einmütig mit Gewalt,
Die eignen und die fremden Federn aus.
Der arme Schelm entflieht in eines Dichters Haus,
Und rettet sich, allein in kläglicher Gestalt.
Die Ameise und die
Fliege
Hitzig, aber nur mit Worten,
Stritt die Ameise und die Fliege
Miteinander.
"Schweig! ich siege,"
Sprach die Fliege; "an allen Orten
Bin ich, oder kann ich sein,
Kannst du das mit deinem Bein?
Kriechen kannst du; von der Erde
Kommst du nicht; mit viel Beschwerde,
Sorge, Kummer, Angst und Not
Suchst du dir dein schlechtes Brot!
Ich hingegen sorg' und faste
Nie; denn ich bin stets zu Gaste!
Seh' ich Widder, oder Stier,
Schön bekränzt, als Opfertier,
Dann erheb' ich mein Gefieder
In die Luft und senk' es nieder
Auf den priesterlichen Greis,
Der dabei steht, es betrachtet,
Und besprengt; und wenn ich weiß,
Daß er fertig ist, und Zeus
Vom Olympus niederfährt,
Es zu speisen; dann kost' ich
Es zuerst, und setze mich
Auf des Donnergottes Herd! —
Ist im hohen Göttersaal,
Offne Tafel, Freudenmahl,
Allsobald bin ich auch da,
Und mein Elefantenrüssel
Holt aus mancher goldnen Schüssel
Nektar und Ambrosia! —
Eins nur laß mich noch erwähnen!
Auf den Busen einer Schönen
Setz' ich mich gar oft auch hin,
Und verschönre ihn, und bin,
So wie du auf dürrem Grase,
Herr auf eines Kaisers Nase,
Wo ich, wenn er mir den Sitz
Streitig macht, zu Kriege blase;
Und geschwinder wie der Blitz,
Überwindet den ein Stich,
Den kein Säbel überwindet! —
Solche Heldin, sieh! bin ich!"
Still, von keinem Zorn entzündet,
Hört die fleißige, die weise
Philosophin, die Ameise,
Ruhig alles; endlich spricht
Sie mit lachendem Gesicht:
"Ei, du bist, wie ich im Grase,
Herr auf eines Kaisers Nase?
Mag's doch sein! Allein du bist
Öfter es ja doch auf Mist!
Und, mich dünkt, es ist bekannt,
Daß die Schönen in der Hand
Ungeheure Fächer tragen,
Grobe Fliegen zu verjagen.
Bei der Götter fetten Schmäusen
An der Tafel mit zu speisen,
Ist was Artig's, das ist wahr;
Aber angstvoll, mit Gefahr,
Tust du es! Die Fliegenklappe
Wartet, daß sie dich ertappe,
Wo du sitzest, und dein Tod
Steht bei jedem Bissen Brot!
Freundin, ach, an deiner Stelle
Sei mein Feind! — In meiner Zelle
Fürcht' ich nichts; ich lebe still;
Esse, trinke, wann ich will!
Mit Gefahr und Tod umgeben,
Lebst du kümmerlich dein Leben
Einen Sommer, und du stirbst
Halb vor Hunger, weil du dir
Auf den Winter nichts erwirbst,
Und dann bettelst du bei mir!"
"Betteln! ich?" sprach die stolze Fliege,
Warf den Rüssel, blies zum Kriege,
Ging mit zornerfülltem Blick
Auf die Feindin, sie zu fassen;
Aber diese ging gelassen
In ihr Magazin zurück!
Die Beratschlagung
der Pferde
"Ha!" sprach ein junger Hengst, "wir Sklaven sind es wert,
Daß wir im Joche sind! Wo lebt ein edles Pferd,
Das frei sein will? Ha! Wie glückselig war
Zu jener Zeit der Väter Schar! —
Der ungeheure weite Wald
War ihr geraumer Aufenthalt;
Auch scheuten sie kein offnes Feld;
Sie grasten in der ganzen Welt
Nach freiem Willen! Ach, und wir
Sind Sklaven, gehen im Joch, arbeiten wie der Stier!
Dem schwachen Menschen sind wir Starken untertan;
Dem Menschen! — — Brüder, seht es an,
Das unvollkommene Tier,
Was ist es? Was sind wir? —
Solch ein Geschöpf bestimmte die Natur
Uns prächtigen Geschöpfen nicht zum Herrn!
Pfui, auf zwei Beinen nur!
Riecht er den Streit von fern?
Bebt unter ihm die Erde, wenn er stampft?
Sieht man, daß seine Nase dampft?
Hat er die Mähne, die uns ziert?
Und doch ist er, o Schmach, der Herr, der uns regiert!
Wir tragen ihn, wir fürchten seine Macht;
Wir führen seinen Krieg und liefern seine Schlacht;
Er siegt, man singt ihm Lobgesang;
Und doch die Schlacht, die er gewann,
War unser Werk, wir hatten es getan!
Was aber ist der Dank?
Wir dienen ihm zur Pracht vor seinem Siegeswagen!
Und ach! Nach wenig Tagen
Spannt er vor einen Pflug
Den Rappen, der ihn trug!
Entreißt, ihr Brüder, euch der niedern Sklaverei!
Entreißet euch dem Joch und werdet wieder frei!"
Er schwieg. Ein wieherndes Geschrei,
Ein wilder Lärm entstand, und jeder fiel ihm bei;
Ein einziger erfahrner Schimmel nur,
Ein zweiter Nestor, sprach:
"Wahr ist es, die Natur
Gab uns die prächtige Gestalt,
Die keiner hat, als wir, auch gab sie uns Gewalt
In unsern Huf; allein aus milderer Hand
Bekam der Mensch Verstand.
Wer baute diesen Stall, in dem wir sicher sind
Vor Tiger und vor Wolf, vor Regen, Frost und Wind?
Wer macht, daß wir auch dann dem Hunger widerstehn,
Wenn wir der Augen Grün im Winter sterben sehn?
Wenn Eis vom Himmel fällt, wenn Alles wüst' und tot
Auf allen Fluren ist? Wer wendet alle Not
Von unsern Krippen ab?
Der Mensch, der gute Mensch, den uns der Himmel gab!
Er streut den Hafer aus und erntet siebenfach;
Er trocknet süßes Gras und bringt es unter Dach!
Zwar helfen wir dabei, tun aber keinen Schritt
Und keinen Zug umsonst, er macht uns täglich satt;
Und wenn er Ruhetag nach seiner Arbeit hat,
So haben wir ihn mit!
Wir dienen ihm, er uns, wir leben mit einander;
Sind mit einander frei! Der Rappe Bucephal,
Der Grieche, welcher einst den großen Alexander
Auf seinem Rücken trug, war König in dem Stall,
Wie jener auf dem Thron, und kam er in ein Feld,
Wo Ruhm zu ernten war, so war auch er ein Held,
Und beide, Pferd und Mensch, eroberten die Welt,
Und teilten den Ruhm des Sieges! Würden wir
Vom Bucephal sonst Nachricht haben?
Er läge' in tiefer Nacht begraben,
Das edle Tier!"
Kein Brutus und kein Cicero
Besänftigte die Römer so,
Wie dieser Redner seine Brüder.
Denn er voran und hinter ihm die Schar
Der mutigen Rebellen alle,
Nebst diesem, der der Sprecher war,
Begaben alsbald sich wieder nach dem Stalle!
Der Wanderer
und die Turteltaube
Der Wanderer
"Was machst du da, du kleine Turteltaube?"
Die Taube
"Ich traure: Mein getreuer Mann
Ward einem Jäger hier zum Raube,
Dem er doch nichts getan!"
Der Wanderer
"So flieg' doch weg! Wie? wenn er wieder käme
Mit dem Geschütz, das ihm das Leben nahm,
Und dann auch dir das Leben nähme?"
Die Taube
"Tut er es nicht, so tut's ja doch der Gram!"
Der Ziegenbock und der
Wolf
Ein junger Ziegenbock mit ellenlangem Bart
Und spitzem, festem Horn, ein Held nach seiner Art,
Ein Eisenfresser, stand auf einem hohen Dache,
Sich umzusehn. Ein Wolf erschien.
Der Ziegenbock, der Held, sah ihn,
Ward mutig, schäumte Rache,
Und rief ihn an, und schalt auf ihn:
"Du Mörder du!
Du Dieb!
Komm' mir nur nicht herauf, ist dir dein Leben lieb!
Du bist's, Tyrann, — die Mutter weinet noch —
Du bist's, o Freveltat,
Der mir mein Lamm geraubt und aufgefressen hat!"
"Herr Bock, bemühen sie sich doch
Zu mir herunter," sprach der Wolf.
"Zwar haben sie erhabenen Geist,
Und Herz im Leibe, das beweist
Ihr langer Bart, und ihres Horns Gestalt
Ist fürchterlich, und ich bin alt;
Doch solchen Schimpf zu rächen, wird man munter,
Und scheut nicht Bart, nicht Horn, sie kommen nur herunter!"
Was tat der Bock, der Held? Er schnob gerechten Zorn,
Und schüttelte den Bart; sein Horn
Gebraucht er aber nicht, genug, er ließ es sehn,
Und sagte: "Räuber" willst du gehn!"
Und was der Wolf? "Herr Bock," sprach er,
"Ich rächte mich, und wären sie ein Bär!
Was aber hindert meine Rache?
Sie nicht; das Dach! — Herunter von dem
Dache!"
Das Pferd und der Hund
An – –
Hör' an, o Freund, ich sage nach,
Was jüngst dein Hengst, der Engeländer, sprach,
Er rühmte seine Brust, und Kopf und seinen Schweif,
Und sein Geschick, durch einen Reif
Mit hurtiger Gelenkigkeit zu springen.
"Wem kann," sprach er, "ein Satz, wie mir gelingen?
Zum Ritt geh' ich, wie ein Polak zum Tanz,
Mit Majestät! vom Kopf bis an den Schwanz
Bin ich gemacht, dem Reiter zu gefallen,
Und auch mir selbst! Ich weiß es auch bei allen,
Die mich besehn! Das edle Tier, heiß' ich,
Wie ungeschickt sind and're gegen mich!
Das schönste, ja! da schönste Tier bin ich!"
Darauf wedelte dein kleiner Mops daher!
"O, "sprach der Hengst, "wie klein ist der!
Hör' an, du kleiner Hund,
Du bist zu klein, zu dick, zu rund!
Betrachte mich! an mir ist nichts zu wenig,
Und nichts zu viel; ich bin der Tiere König!
Betrachte mich! Wie prächtig ist mein Gang!
Wie rasch mein Sprung! mein Körper wie schlank!"
"Sei, was du willst," antwortet Möpschen, "sei
Schlank und rasch: Ich bin getreu,
Sonst nichts!"
O Freund, o wie gefiel mir das
Was Möpschen sprach! "Hengst, sagt' ich," meinen Haß
Hat jeder, welcher sich erhebt, wie du."
Er wieherte; ich warf die Stalltür zu!
Der Fuchs und der Rabe
"Vogel!" sprach ein Fuchs zu einem Raben,
Der auf einem hohen Baume saß,
Und in seinem Schnabel einen schönen Fraß,
Einen Käs' hielt; welche Stimme mußt du haben!
Ei! du bist ja schön!
Solchen Vogel hab' ich nie gesehn!
Fremdling, ohne Zweifel, hoch in Ehren,
Deine Stimme möcht' ich hören!"
"Rap", und "Rap," und "Rap," erschallt
Augenblicklich durch den Wald.
Und es fällt der Käse nieder vor dem Fuchs,
Und der Schmeichler nimmt ihn flugs!
Der Fischreiher
Am Ufer eines Bachs ging
Ein Reiher auf und ab, auf langen dürren Beinen,
Mit langem Hals, woran ein langer Schnabel hing;
Des Baches Wasser floß auf harten Kieselsteinen,
Bergab mit angenehmen Schall,
Durchsichtig wie Kristall
Die Fische waren guter Dinge,
Vollbrachten tausend frohe Sprünge,
Und sonnten sich am warmen Sonnenstrahl!
Herr Reiher wie so faul? Schnappest du denn nicht einmal
Mit deinem langen Schnabel zu,
Und holst dir einen Hecht? Du Fauler, wartest du
Auf einen Karpfen? Ei, wie wird es dir gereu'n,
Wenn du wirst schnappen woll'n, dann wird kein Hecht mehr
sein!
Wie ernsthaft stehet er da, wie still!
Wie drehet er den Hals, den er nicht brauchen will!
Bald aber hungert ihn, und nun sieht er sich um
Nach Karpfen oder Hecht.
Allein verschwunden ist das ganze Fischgeschlecht:
Nur Schleie schwimmen noch, allein er ist nicht dumm,
Er hat Geschmack! Schlei' ist zu schlechte Speise
Für einen Reiher! Alle läßt er ziehn!
Und immer mehr noch hungert ihn.
Er geht vom Ufer ab, und watet in den Bach;
Gründlinge trifft er an, fragt aber nichts darnach;
Er läßtt sie all' in Frieden schwimmen, spricht:
"Gründlinge fressen Reiher nicht;
Nach ihnen nur einmal den Schnabel aufzutun,
Das wäre großer Schimpf für einen Leckermund!"
Er sag's, indessen geht was Fisch ist, auf den Grund;
Nicht Einer läßt sich sehn! Ei, Leckermund, wie nun?
Nachdem er lang umsonst gesuchet und geschnappt,
Wird, mit genauer Not, ein Frosch von ihm ertappt.
Die Sperlinge
Man flickte — war's zu Straßburg oder Rom?
Ich weiß es nicht — an einem Dom,
Und jagte Mutter, Brüder, Schwestern
Des Sperlingsvolks aus ihren Nestern;
Und als die Flickerei zu Ende war,
Da kam, bei Tausenden, die Schar
Der Flüchtigen zurück geflogen;
Und freudig hätte jedes Paar
Sein Nestchen wieder gern bezogen.;
Allein, man sah betrübt, daß keins gelassen war.
Und: "Gott, was hat sie doch bewogen,"
Erseufzte da, mit tiefem Ach,
Ein alter Sperling auf dem Dach:
"Uns unsre Wohnungen so grausam zu zerstören!
Was Böseres konnten sie nicht tun;
Als wenn die hohen Mauern nun
Zu etwas nütze wären!"
Die Donau und der
Leytabach
Die stolze Donau ging mit ihrem stolzen Gange,
Das stolzen Wien vorbei.
Der kleine Leytabach
Ging ihrem stolzen Gange nach.
Die stolze Donau sprach:
"Ist dein Geschick, du kleiner Schäker, nicht
Ein herrliches Geschick?
In der Gesellschaft meiner, welch ein Glück!"
Die kleine Leyta spricht:
"Durch das Gefilde, welches mich
Den kleinen Silberbach einst nannte,
Floß ich so glücklich zwischen Blumen ich,
Eh' ich dich kannte!
Kaum aber kenn' ich dich, so werd' ich fortgerissen,
Und muß, was alle Sklaven müssen,
In deinem Strudel fort, nicht meiner mächtig, ach!"
Man läuft den großen Herren an ihre Höfe nach,
Und seufzt dann oft, wie du, o kleiner Leytabach!
Der Grübler und Apoll
Der Grübler Narados, von Vorurteilen frei,
Behauptete, der Gott zu Delphi sei
Betrug, Erfindung, Pfafferei!
Und seinem Griechenland die Fabel zu beweisen,
Beschloß er, von Athen nach Delphi selbst zu reisen.
Noch grübelnd kam er an mit einem Sperling; stand,
In zugeschloss'ner Hand
Den Sperling haltend, vor dem Gotte.
Die stolze Seele voll von überklugem Spotte,
Dacht er: den Stümper will ich wohl
In meine Schlinge kriegen!
Ja wahrlich! spricht Apoll:
Tot ist der Sperling! dann lass' ich den Sperling fliegen;
Spricht er: Du Tor, er ist lebendig! dann
Zeig' ich ihn tot! ihr Herren! so bring' ich eure Lügen,
Geglaubt von keinem klugen Mann,
Ans helle Tageslicht; und die Vernunft wird siegen!
"Was ist der Sperling hier in meiner Hand? Gott!
Ist er lebendig, oder tot?" —
"Tot, oder was du willst," antwortete dem Frager
Apoll der Wahrheitssager;
Bestraft' ihn aber nicht; ließ ihn
Nach dem erleuchteten Athen
In Frieden seine Straße ziehn.
Wär's heut zu Tage so geschehn,
In Rom? in Lissabon? in Hamburg? oder Wien?
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