Fabelverzeichnis

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Der Affe und der Zimmermann
Der Fuchs und die Pauke
Der Rabe und die Schlange
Der Fischreiher und der Krebs
Der Löwe und der Hase
Die drei Fische
Die Laus und der Floh
Die Ente, die das Fischfangen aufgab
Die Schildkröte und die zwei Enten
Die Affen und der Vogel
Der Kaufmann und sein schlechter Freund
Das zurechtgewiesene Weib
Quelle:/
Morgenländische Erzählungen/Calila und Dimna oder die Fabeln Bidpai's/verdeutscht von Phillipp WolffStuttgart 1839

Der Affe und der Zimmermann

Ein Affe, erzählt man, sah einen Zimmermann ein Stück Holz spalten vermittelst zweier
Keile, indem er auf dem Holz rittlings saß. Das setzte den Affen in Erstaunen. Kaum war
der Zimmermann nach einem andern Geschäft fortgegangen, so erhob sich der Affe,
und ergriff ein Geschäft, das nicht das seinige war. Er setzte sich nämlich rittlings auf
das Holz, lehnte sich mit dem Rücken an den hintern Keil, und richtete sein Gesicht auf
das Stück Holz. Da kamen seine Hoden in die Spalte zu hangen, und er zog den
vorderen Keil heraus und die Spalte klaffte zusammen. Da fiel er in Ohnmacht.
Nach einiger Zeit kam der Zimmermann, und wie er den Affen an seiner Stätte sah,
nahte er sich demselben und schlug ihn tüchtig durch.
Die Schläge aber, die er von dem Zimmermann erhielt, verursachten ihm noch ärgere
Schmerzen, als ihm das zusammenklaffende Stück Holz verursachte.

Der Fuchs und die Pauke

Ein Fuchs kam in den Wald, in welchem eine Pauke an einem Baum aufgehängt war.
So oft ein Wind wehte, schlugen die durch denselben bewegten Zweige die Pauke an,
und es erschallte ihr starker, bewunderungswürdiger Ton. Der Fuchs ging dem Ton,
den er vernommen nach, bis er zur Pauke kam. Er fand dieselbe sehr dickleibig und
glaubte deshalb sicherlich, daß sie viel Fett und Fleisch haben müsse.
Er machte sich dann an dieselbige, bis er sie entzwei brachte. Allein als er sah, daß sie
hohl war und nichts in ihr, sprach er: — Ich weiß nicht, wie das möglich ist, daß das
gehaltloseste Ding den lautesten Ton von sich gibt und den größten Körperumfang hat.

Der Rabe und die Schlange

Ein Rabe, erzahlt man, hatte sein Nest auf einem Baum im Gebirge. In seiner Nähe aber
hauste eine schwarze Schlange, welche, so oft der Rabe Junge ausgebrütet, dieselbe
holte und verschlang. Das schmerzte und betrübte den Raben so sehr, daß er sich
endlich gedrängt fühlte, seinen Jammer einem Schakal zu klagen, der ein Freund von ihm
war. Er wandte sich an denselben mit den Worten:
"Ich möchte gern deinen Rat hören über einen Entschluß, den ich gefaßt habe."
Der Schakal fragte: "Und welcher ist dieser?"
Der Rabe erwiderte: "Ich habe mich entschlossen zu der Schlange zu gehen, wenn sie
schläft, und ihr die Augen auszukratzen; vielleicht daß ich dann vor ihr Ruhe bekomme."
Der Schakal aber entgegnete ihm:" Das ist ein schlechtes Mittel, das du da ausgedacht
hast; du mußt auf ein solches sinnen, wodurch du deine Absicht mit der Schlange
erreichen kannst, ohne dich selbst den Verderben und der Gefahr auszusetzen.
Allein, ich will dir ein Mittel angeben, wodurch es dir gelingen soll, die Schlange aus dem
Leben zu schaffen ohne daß du dabei dein eigenes Leben auf das Spiel setzest,
und wobei dir keine Gefahr droht.
"Welches ist dieses?" fragte der Rabe. Der Schakal erwiderte: "Flieg umher und sieh dich
um, ob du nicht etwas von dem Schmuck eines Weibes bekommen kannst. Kannst du
das, so fliege damit fort, aber so, daß du den Leuten nicht aus dem Blicke kommst,
bis daß du an das Loch der Schlange gelangst.
Hier laß dann den Schmuck fallen. Wenn die Leute solches sehen, werden sie den
Schmuck nehmen, und dir vor der Schlange Ruhe verschaffen."

Der Rabe folgte dem Rat, ging fort und flog in der Luft umher, bis daß er auf einem
Dach ein Weib, die Tochter eines Vornehmen, erblickte, die sich badete und die ihre
Kleider und ihren Schmuck auf die Seite gelegt hatte.
Da flog er auf das Dach zu, nahm von dem Geschmeide einen Halsschmuck und flog
damit davon. Die Leute verfolgten ihn dann, während er so langsam weiter flog, daß sie
ihn immer im Auge behalten konnten, bis daß er an dem Loch der Schlange anlangte.
Hier warf er den Halsschmuck hin und die Leute bemerkten es.
Als sie dann herbeigekommen, nahmen sie den Halsschmuck und töteten die Schlange.

Der Fischreiher und der Krebs

Ein Fischreiher hatte sich in der Nähe eines Teiches eingenistet, in welchem viele Fische
waren. Seitdem er lebte, hatte er sich von diesen Fischen ernährt. Allein, als er alt
geworden, sah er sich nicht mehr im Stande, Fische zu fangen, weshalb er sehr Hunger
litt. Betrübten Sinnes setzte er sich nun hin und sann auf eine List. Da kam ein Krebs an
ihm vorbei, und als dieser bemerkte, in welchem Zustand von Traurigkeit und Betrübnis
der Fischreiher sich befand, näherte er sich demselben und redete ihn also an:
"Wie! ich sehe, o Vogel, daß du betrübt und traurig bist."
Der Fischreiher entgegnete:
"Und wie sollte ich nicht betrübt sein! Meine einzige Nahrung sind stets die Fische
gewesen, welche ich in diesem Teich fing. Nun sah ich heute zwei Fischer hier
vorübergehen, von denen der eine zu dem andern sagte:
>Ei, hier gibt es viele Fische, wollen wir diese nicht sogleich fangen?<
Der Andere hatte hierauf erwidert:
>Indem und dem Teich habe ich mehr Fische gesehen als in diesem da, darum wollen wir
uns zuerst an jenen machen und wenn wir ihn ausgefischt haben, wollen wir zu diesem
Teich gehen, um ihn auch auszuleeren.<
Nun weiß ich, daß diese beiden Fischer wenn sie erst dort fertig geworden sind,
an diesen Teich kommen und alle Fische fangen werden die sich darin befinden. Solches
wird mir aber den Untergang und meinem Leben ein Ende bringen."

Nach Anhörung solcher Worte begab sich der Krebs auf der Stelle zu den Fischen und
erzählte ihnen, was er vernommen. Diese näherten sich sodann dem Fischreiher, indem
sie zu ihm sagten: "Wir sind zu dir gekommen, um uns einen Rat auszubitten, denn der
Kluge verschmähet selbst nicht den Rat seines Feindes."
Der Fischreiher entgegnete ihnen:
"Da ich gegen die Macht der Fischer nichts vermag, so weiß ich kein anderes Mittel, um
der mir drohenden Gefahr zu entgehen, als nach dem in der Nähe liegenden Teich
auszuwandern, wo es der Fische und des Wassers und des Schilfrohrs genug gibt.
Wenn ihr nun auch vermöchtet dahin zu gelangen, so würdet ihr dort sicher und bequem
leben können."
Die Fische erwiderten:
"Niemand kann uns dazu verhelfen als du. Da fing der Fischreiher an täglich ein Paar
Fische fortzutragen, trug sie aber, statt in den versprochenen Teich, auf einen Hügel,
wo er sie verzehrte.
Eines Tags, als er wieder seine Paar Fische holen wollte, näherte sich ihm der Krebs und
redete ihn also an: "Auch ich fürchte mich an diesem Ort zu bleiben und bin in Unruhe,
so lang ich da bin, drum schaffe auch mich fort nach jenem Teich.
Da nahm ihn der Fischreiher und flog mit ihm davon. Als sie aber in die Nähe des Hügels
kamen, wo der Fischreiher die Fische zu verzehren pflegte, sah der Krebs auf und
erblickte da eine Menge von Fischgräten. Da merkte er, daß der Fischreiher die Fische,
welche er fortgetragen, aufgefressen hatte und daß er mit ihm wohl auch nichts anders
vorhabe, als ihn zu verzehren. Und er sagte in seinem Herzen:
>Wenn einer in die Hände seines Feindes gerät, so soll er sich, wenn er gleich weiß,
daß er umkommen wird, er möge sich nun wehren oder nicht, doch wehren,
um wenigstens ehrenvoll zu sterben.<
Hierauf packte er mit seinen Scheren den Hals des Reihers und würgte ihn so, daß er
starb. So rettete sich der Krebs und begab sich sodann zu den Fischen zurück und
erzählte ihnen das Vorgefallene.

Der Löwe und der Hase

Es lebte einmal ein Löwe in einer wasserreichen und fruchtbaren Gegend. Ebendaselbst
lebten viele andere Tiere, denen nichts fehlte, da sie Wasser genug hatten und die Weide
gut war, nur daß die Furcht vor dem Löwen ihnen keinen ruhigen Genuß gestattete.
Um diesen zu erlangen, gingen sie daher insgesamt zu dem Löwen und sprachen zu ihm:
"Du erjagst jedes einzelne von uns immer nur mit Mühe und Anstrengung. Wir haben dir
daher einen Vorschlag zu machen, um dich solcher Mühe zu entheben, und um uns Ruhe
zu verschaffen. Wenn du uns nämlich Sicherheit und Ruhe versprächest, so wollten wir
dir alle Tage eines von uns zuschicken, zur Zeit des Frühstückes."
Der Löwe gab seine Zufriedenheit mit diesem Vorschlag zu erkennen, und der Vertrag
wurde abgeschlossen und längere Zeit auch von Seiten der Tiere richtig gehalten.
Eines Tags nun traf das Los, ein Frühstück des Löwen zu werden, einen Hasen.
Da sprach er zu den übrigen Tieren:
"Wenn ihr mich unterstützet in etwas, was euch nicht Schaden bringen wird, so hoffe ich
euch vor dem Löwen Ruhe verschaffen zu können."
Die Tiere fragten: "Und was verlangst du denn von uns?"
Der Hase erwiderte: "Befehlet dem, welcher mich dem Löwen ausliefern soll, daß er
mich nicht treibe, wenn ich unterwegs einige Zeit mich aufhalten will."
Die Tiere erwiderten: "Das soll dir verliehen sein."
Da machte sich der Hase auf den Weg, hielt sich aber unterwegs so lange auf, bis die
Zeit vorüber war, wo der Löwe sein Frühstück zu nehmen gewohnt war. Nach und nach
endlich gelangte er zu dem Löwen, aber allein. Dieser, hungrig und aufgebracht, erhob
sich von seinem Platz und wandte sich zu dem Hasen mit den Worten:
"Woher kommst du so spät?"
Der Hase erwiderte: "Ich wurde abgeschickt von den Tieren, dir einen Hasen
auszuliefern; allein unterwegs überfiel mich ein Löwe und nahm mir denselben, indem er
sagte: >Mir gehört diese Gegend an, sowie alle Tiere, die sich darin befinden.< Ich sagte
zwar: Das ist das Frühstück des Königs welches die Tiere ihm durch mich überschicken,
drum nimm es mir nicht weg. Allein er verhöhnte und verschmähte dich, und ich eilte zu
dir, um dir das Vorgefallene zu erzählen."
Da sprach der Löwe: "Komm mit mir und zeige mir den Ort, wo sich jener Löwe aufhält."
Der Hase führte ihn aber zu einem Brunnen, worin vieles und helles Wasser war, sah in
denselben hinein und sagte: "Dies hier ist der Ort, wo sich der Löwe aufhält."
Der Löwe sah auch hinein, erblickte in dem Wasserspiegel sein Bild und das Bild des
Hasen, zweifelte nun nicht mehr an der Wahrheit der Aussage des Hasen, stürzte auf den
vermeintlichen Löwen los, um ihn zu bekämpfen, und ertrank in dem Brunnen.
Darauf kehrte der Hase zu den Tieren zurück und erzählte ihnen, was er dem Löwen angetan.

Die drei Fische

Es waren einmal in einem Teich drei Fische, ein listiger, ein noch listigerer und ein
schwachsinniger. Dieser Teich war in bergiger Gegend gelegen, wohin kaum ein Mensch
hinkommen konnte, und in seiner Nähe war ein Fluß. Es traf sich nun einmal, daß zwei
Fischer an diesem Fluß vorbeikamen, wo sie dann auch jenen Teich gewahr wurden. Sie
kamen dann mit einander überein, ihre Netze in demselben auszuspannen, um die Fische
zu fangen, die darin waren. Diese Rede hörten die Fische mit an. Der Listigste von ihnen,
da er das Schlimmste befürchtete, war nun sogleich darauf bedacht, durch den Kanal,
der den Teich mit dem Flusse verband, in den Fluß zu entkommen. Der zweite weniger
listige blieb an seinem Platz, bis daß die beiden Fischer näher herankamen. Als er aber
ihre Absicht erkannte, wollte er auch durch den Kanal entrinnen, allein die Fischer hatten
ihn verstopft. Da sprach der Fisch bei sich selbst:
>Ich habe mich nachlässig gezeigt und nun sehe ich mich bestraft für meine
Nachlässigkeit. Was kann mir nun alle List helfen in solchem Zustand, da es selten ist,
daß eine in großer Eile und nicht gehörig ausgedachte List gelingt? Doch der Kluge
verzweifelt nicht, wenn er in Lebensgefahr ist, an dem Nutzen der Einsicht und gibt nicht
sogleich alle Hoffnung auf, sondern wendet seine Einsicht an und gibt sich Mühe, daß er
der Gefahr entkomme.<
Hierauf stellte er sich tot, indem er auf der Oberfläche des Wassers, bald auf den Rücken,
bald auf den Bauch sich legend, hinschwamm. Die Fischer nahmen ihn dann und warfen
ihn auf das Land zwischen dem Fluß und dem Teich. Bald enthüpfte er in den Fluß und
ward gerettet. Der schwache Fisch endlich hörte nicht auf vorwärts und rückwärts sich zu
bewegen, bis daß er gefangen ward.

Die Laus und der Floh

Eine Laus, erzählt man, hatte sich in dem Teppich eines reichen Mannes angesiedelt seit
geraumer Zeit. Sie lebte von seinem Blut, das sie ihm aussog, wann er schlief, so daß er
es nicht merkte, indem sie bedächtig und sanft einherschritt. So lebte sie seit einiger
Zeit. In einer Nacht einmal aber stellte sich ein Floh als Gast bei ihr ein. Die Laus sagte
zu dem Floh: "Bringe diese Nacht bei uns zu bei gutem Blut und auf einer weichen
Decke." Der Floh nahm diese Einladung an. Wie sich aber der Mann auf seine Decke
hingelegt hatte und eingeschlafen war, hüpfte der Floh auf ihn und stach ihn so, daß er
aufwachte und nicht wieder einschlafen konnte. Da erhob er sich von seinem Lager und
ließ die Decke untersuchen. Man fand aber nichts als die Laus, die dann ergriffen und
zerdrückt wurde; denn der Floh war entflohen.

Die Ente, die das Fischfangen aufgab

Eine Ente nämlich erblickte einmal bei Nacht in dem Wasser den Schein eines Sternes.
Sie hielt denselben für einen Fisch und wollte ihn fangen. Nachdem sie solches
mehrere Mal vergeblich versucht hatte, überzeugte sie sich, daß das was sie sah etwas
sein müsse, das nicht gefangen werden könne und ließ es daher gehen. Wie es Tag
wurde, erblickte sie wirklich einen Fisch, hielt diesen dann aber auch für so ein Ding,
wie sie verflossene Nacht gesehen, und das sie nicht fangen konnte, und ließ das
Fischfangen.

Die Schildkröte und die zwei Enten

Es war ein Teich und daneben eine grüne Wiese. Auf derselben waren zwei Enten, und in
dem Teich eine Schildkröte, die miteinander in Liebe und Freundschaft verbunden waren.
Es traf sich nun, daß das Wasser des Teiches austrocknete. Da gingen die Enten zu der
Schildkröte, um von ihr Abschied zu nehmen und ihr ein Lebewohl zu sagen, indem sie
sprachen: "Wir müssen diesen Platz verlassen, weil kein Wasser mehr da ist."
Die Schildkröte entgegnete:
"Das Verschwinden des Wassers trifft meinesgleichen noch viel empfindlicher, da ich wie
ein Schiff, immer im Wasser sein muß, um leben zu können, währenddem ihr euer Leben
fristen könnt, wo ihr auch seid. Darum nehmt mich mit euch!"
Die Enten erwiderten: "Nun gut!"
"Aber wie könnt ihr mich weiterschaffen?" fragte die Schildkröte.
Die Enten versetzten: "Wir nehmen einen Stock an seine beiden Enden, du hängst dich
mitten daran mit dem Maule fest, und so fliegen wir mit dir durch die Luft. Aber hüte dich
ja, wenn du die Leute unter uns sprechen hörst, ihnen Antwort zu geben!"
Darauf nahmen sie die Schildkröte und flogen mit ihr durch die Luft. Die Leute aber,
die dies sahen, riefen: "Welch Wunder! Eine Schildkröte in der Mitte von zwei Enten,
die sie tragen. Da sagte die Schildkröte, als sie solches hörte:
"Gott möge euch verblenden, ihr Menschen."
Allein alsbald, nachdem sie ihren Mund zum Sprechen geöffnet, fiel sie auf die Erde herab
und gab ihr Leben auf.

Die Affen und der Vogel

Ein Haufen von Affen wohnte auf einem Berge. In einer kalten, stürmischen und
regnerischen Nacht hätten sie gern Feuer gehabt, um sich wärmen zu können, konnten
aber keines bekommen. Endlich erblickten sie einen Glühwurm, der einem Feuerfunken
glich, hielten denselben wirklich für Feuer, schleppten dann viel Holz herbei, welches sie
auf den vermeintlichen Funken legten, und bliesen aus vollen Kräften, um ein Feuer zu
Stand zu bringen, an dem sie sich wärmen könnten. In der Nähe von ihnen saß aber ein
Vogel auf einem Baum, welchen sie im Gesicht hatten, wie auch er sie. Als derselbe sah,
was die Affen taten, redete er sie an und sagte zu ihnen:
"Mühet euch nicht so ab, denn was ihr da gesehen habt, war kein Feuerfunke!"
Vergeblich wiederholte er öfters diese Worte. Endlich sah er sich bewogen, sich selbst
den Affen zu nähern, um sie von ihrem nutzlosen Bemühen abzuhalten. Da kam ein Mann
an ihm vorüber, der sobald er seine Absicht erkannte, zu ihm sagte:
"Suche nicht zu verbessern was sich nicht verbessern läßt, denn an einem harten Stein,
der sich nicht durchhauen läßt, darf sich kein Schwert versuchen, und aus einem Holze,
das sich nicht biegen läßt, wird man nie einen Bogen machen können."
Der Vogel hörte aber nicht auf die Stimme des Mannes, sondern trat den Affen nahe,
um sie zu belehren, daß der Glühwurm kein Feuerfunke sei. Da packte ihn ein Affe und
schlug ihn auf die Erde, daß er starb.

Der Kaufmann und sein schlechter Freund

Es lebte einmal ein Kaufmann in dem und dem Lande. Als er auf Reisen gehen wollte, um
sich Erwerb zu suchen, legte er hundert Pfund Eisen, das er hatte, bei einem seiner
Freunde nieder, und trat dann seine Reise an. Nach Verfluß von einiger Zeit kehrte er
heim, und verlangte von seinem Freund das Eisen zurück. Dieser aber entgegnete ihm:
"Die Mäuse haben es gefressen."
Der Kaufmann versetzte: "Ja, ich habe auch schon gehört, daß die Zähne der Mäuse
vorzüglich geeignet sind das Eisen zu zernagen!"
Da freute sich der Mann, daß sein Freund seiner Aussage gleich Glauben geschenkt
hatte. Der Kaufmann verließ dann seinen Freund. Als ihm aber der Sohn seines Freundes
begegnete, nahm er ihn mit sich nach seiner Wohnung.
Den andern Morgen kam dieser zu ihm und fragte ihn: "Weißt du nichts von meinem
Sohn, denn ich vermisse ihn?"
Der Kaufmann erwiderte: "Wie ich gestern von dir wegging, erblickte ich einen Falken,
der einen Knaben geraubt; vielleicht war der dein Sohn."
Sein Freund schlug sich auf diese Worte hin vor den Kopf und sagte: "Hat du auch schon
von jemand gehört oder gesehen, daß Falken Kinder rauben?"
Der Kaufmann erwiderte: "Jawohl! und in einem Lande, wo Mäuse hundert Pfund Eisen
fressen, dürfte man sich nicht wundern, wenn Falken Elephanten raubten!"
Da entgegnete der Mann: "Ich habe dein Eisen mir zu Nutzen gemacht, hier hast du das
Geld dafür, aber gib mir nun auch meinen Sohn wieder!"

Das zurechtgewiesene Weib

Es war eine Stadt, über die fiel der Feind her. Nachdem er einen Teil ihrer Einwohner
gemordet, einen andern zu Gefangenen gemacht und die Stadt ausgeplündert hatte,
wandte er sich wieder dahin, woher er gekommen. Einem der Krieger war als Beute ein
Bauersmann samt dessen zwei Weibern zugefallen. Sie wurden insgesamt von dem
Krieger in Rücksicht auf Speise und Kleidung gar schlecht behandelt. Eines Tags ging der
Bauersmann mit seinen Weibern aus, um für den Krieger Holz zu sammeln. Sie waren
aber sämtlich nackt. Da fand eine der Weiber auf dem Weg einen alten Lappen, womit sie
ihre Blöße bedeckte.
Darauf sagte dieselbe, auf das andere Weib hindeutend, zu ihrem Mann: "Sieh doch,
wie diese nicht so viel Scham hat, daß sie ihre Blöße verbirgt!"
Da erwiderte derselben ihr Mann: "Sähest du doch zuerst auf dich selbst, denn dein
ganzer Körper ist ja nackt! Wie kannst du deiner Freundin das zum Vorwurf machen,
was sich eigentlich bei dir auch findet!