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Buch 5
 

Buch 4
 

Der Kettenhund und die Gans
Das Rhinozeros und die Gazelle
Die Zufriedene
Der Schmerz der Gans
Der Karpfen und die Wassermaus
Das Haselhuhn
Der bestrafte Vorwitz
Die Unzufriedenheit
Der Schafrüde und der Jagdhund
Der Geist
Die Truthenne mit den jungen Enten
Die Tageshitze und der Nachtfrost
Das Wiesel und der Löwe
Die Wachtel und die Lerche
Der Fleischerhund und der Förster
Die Jahreszeiten
Der Esel in der Wildschur
Der Zunftmeister der Vögel
Das Murmeltier und der Igel
Braun und braun
Der dienstfertige Pudel
Der Fuchs und die Wölfe
Der Tauber und der Sperling
Der Spitz in der Lehre
Der Zephyr und der Sturm
Der Sturm und der Zephyr
Die Stare und der Schwan
Die Augen
Der Kater und der Hund
Die Turbanten

Der Kettenhund und die Gans

Kohlschwarz über und über war Packan der Kettenhund, ein kluges, mutiges, treues und
doch gutartiges Tier. "Wir alle schätzen dich sehr;" sagte die schneeweiße Gans zu ihm,
"nur deine Höllenfarbe gefällt uns nicht."
"Ihr wollt also wohl lieber, daß ich weiß wäre?"
"Getroffen! Das wollten wir alle. Sieh einmal den Schnee; wie glänzend ist er, wie reinlich,
und — —" "Wie kalt und wie tot!"
"Gut! So wollen wir was warmes und lebendiges zum Beispiel nehmen. Sieh einmal
unsres Brotherrns Lieblingsschaf, wie schneeweiß das ist, wie angenehm und — —"
"Wie dumm! mußt du nicht vergessen. Du bist so bescheiden, daß du dich selbst nicht
nennst. Aber auf Schein und Farbe kommt es in der Welt nicht an: Da sind weiße Füchse,
weiße Wölfe; wir haben sogar weiße Bären."

Das Rhinozeros und die Gazelle

Das furchtbare Rhinozeros erlaubte manchmal einer lustigen Gazelle allerlei Scherz und
Schäkerei. Nur selten, wenn sie etwa zu grob neckte, fing es an zu murren, aber doch
murrte der Behemoth*.
Die Gazelle faßte daraus kein Arges, und fuhr täglich in ihrem Mutwillen fort. Da sprach
das klügere Känguruh: "Mich soll doch Wunder nehmen, ob unvorsichtiger Spaß nicht sehr
ernstlich enden wird?"
Der Erfolg bestätigte diesen Argwohn, denn wenige Tage darauf fand man die Gazelle durchbohrt.

 


Bild: William Blake 1757-1827

*
Behemoth ist der Name eines Ungeheuers der jüdisch-christlichen
Mythologie.
Beeinflußt wurde die Vorstellung eines flusspferdartigen Ungeheuers möglicherweise durch den altägyptischen Gott Seth,
als dessen Attribut das Nilpferd galt.


 

Die Zufriedene

"Du noch hier?" fragte der Grünspecht eine Drossel, die er noch im späten Dezember sah.
"Du hättest längst mit deinen Gespielen fortwandern sollen."
"Das würde ich getan haben," sagte diese, "allein ich ward krank."
"So bedaure ich dich sehr," versetzte der Specht; "ich fürchte, du wirst unseren rauen
Winter nicht aushalten, und dann, von was willst du leben?"
"Muß ist hart, aber leben doch auch die Meisen und die Zaunkönige. Habe ich nicht viel,
so habe ich wenig, es wird nicht immer Winter sein."
"Aber der Frühling ist noch fern, sage ich dir!"
"Doch kommt er gewiß, und Hoffnung läßt nicht zu Schanden werden."
"Ja, die Hoffnung! Die hält der Zukunft nicht allemal, was sie versprach."
"Nun so tröstet und versüßt sie doch wenigstens die Gegenwart."

Der Schmerz der Gans

"Treffliche Götter!" schrie die mißmutige Gans, der ein Adler eben die Tochter entführt
hatte. "Unvergleichliche Lieblinge der Bewohner des Olymp! Ist sie nicht weltkundig,
die Raubsucht des Adlers, die Diebereien des Rabens, der Hochmut des Pfaues, der
Menschenhaß der Eule, die Leichtfertigkeit des Sperlings? O ihr andern armen Tiere,
macht nun einmal den Schluß, was ihr von ihren Oberherrn selbst zu gewahrten habt!"
"Den machen wir wohl! antworteten der Schwan und die Taube, wir bedauern deinen
Verlust aufrichtig; aber dein Schmerz macht dich ungerecht: Denn diese Diener der
Götter sind ja nicht die Götter selbst."

Der Karpfen und die Wassermaus

Ein großem fetter Karpfen pflog manchmal zu besserer Verdauung, Unterredung mit
einer am Ufer des Teiches wohnenden Wassermaus Sie sprachen von ihren häuslichen
Umständen. Die Maus klagte sehr über ihre Verfolger, den Igel, das Iltis, und das Wiesel.
"Ich wollte manchmal," rief sie, "daß ich tief bei dir unten im sichern Wasser wäre!"
"Ach liebe Freundin!" jammerte da der Karpfen; "Es fehlt auch bei uns nicht an
Ungeheuern. Da ist der Stachelbarsch mit seinen gefährlichen Schwertern, der Hecht mit
seinem krokodillieschen Rachen, der Aal mit seiner Schlangengestalt, dann die Kriechente
der Kiebitz, die Rohrdommel." — —
"Aber, "versetzte die Maus, "die alle können dich doch nicht fressen?"
"Nein, Neptun sei Dank! das wohl nicht, allein bedenke nur, das beständige Schrecken,
die fortwährende Beunruhigung! Ich wundre mich recht, wie ich habe so fett werden können!"

Das Haselhuhn

Das Haselhuhn war ehedem ein sehr geselliges Tier; fast alle Bewohner des Waldes
erlangten seine Freundschaft. Aber sein Freund das Wiesel, soff ihm die Eier aus; sein
Freund der Habicht, fraß ihm die Jungen; sein Freund der Hamster, stahl ihm seinen Vorrat,
und sein Freund der Marder, hätte seine Freundin beinah auf dem eigenen Neste gewürgt.
Seitdem blieb das Haselhuhn schüchtern und einsam; so sehr es auch seine neuen
Nachbarn, ein paar freundliche Turteltauben, um Freundschaft baten. Es kroch in den
tiefsten Dickicht, und rief ihnen zu: "Ich habe nun Erfahrung genug gemacht, wie
unzuverlässig Freundschaften sind."
Wahrscheinlich doch gerade so, wie du dir deine Freunde gewählt hast? gurrten die
geselligen Tauben; suchten, und fanden bald einen besseren Umgang.

Der bestrafte Vorwitz

"Weißt du wohl," sprach ein junger Fischotter zu seinem Vater, "daß da drüben am
Korallenriff alles voll mächtig großer Austern ist?"
"Ich weiß das," sagte der Alte, "doch laß dich ja nicht gelüsten! Verschlossen taugen sie
zu nichts. Sie sind aber schwer zu belauschen, wenn sie ihren Harnisch eröffnen und
dann ist's auch nicht ohne Gefahr."
Vater will wahrscheinlich die schönen Austern alleine schmausen, dachte der junge
Fischer aber er soll schon sehn! — —"
Kaum hatten an einem warmen Sonnentage die Austern ihre Gehäuse geöffnet,
so schwamm er hinüber, langte schon dreist in die größte hinein, und — Schnapp! schloß
die Auster ihre Schalen so kräftig, daß er vor Schmerzen laut schrie, und sich nur mit
zerrissener Pfote retten konnte.

Die Unzufriedenheit

Eine vollblühende Centifolie fand für gut sich über ihr Schicksal zu beklagen. Sie seufzte:
"Kaum hat mich der Morgentau erfrischt, so flattert schon der freche Schmetterling um
mich her, der ekle Käfer belästigt mich, die zudringliche Biene gräbt sich in mein Herz,
und Zephirs Mutwille wirft mich hin und wieder. Der Gärtner hätte wohl auch an mich,
wie statt seine Nelken, ein Obdach wagen können, daß mir Regen und Sonne nicht schade!
Aber am Ende — was ist's? Da kommt er, und pflückt mich grausam hinweg!"
Da riefen ihr der Levkoi und der Lack zu: "Du hast wohl gar den Dünkel, eine Himmelsblume zu
sein? Besinne dich! du bist auf der Welt und weiter nichts als — eine sterbliche Rose!"

Der Schafrüde und der Jagdhund

Der Jagdhund kam von der Parforschjagd* zurück, prahlte mit seinen grausamsten
Taten, und seinem wütenden Mute. "Seht!" sprach er stolz zu den versammelten
Hoftieren, "das alles hab ich getan; so trefflich hab ich mich gehalten!"
"Und seht!" erwiderte der schlichte Schafrüde, "so hat er sich an dem armen Wilde versündigt!"
"Du träumst!" versetzte jener mit Hohn, "versündigt? Gelobt und belohnt ward ich
vielmehr. Es ist noch keinem Jäger eingefallen mich jemals zu bestrafen!"
"Kann sein," sagte dieser; "aber glaubst du denn, daß alles recht sei, was du ungestraft
tun darfst?"

*
kommt aus dem pfälzischen und kann man übersetzen mit Marterjagd. Heute kennt man das Wort unter
"Parforcejagd" und bedeutet Hetzjagd.


Der Geist

Euklio — der plantinische Patriarch aller Geizhälse, — Euklio war gestorben, und mit
freudiger Hast durchsuchte nun sein Schwiegersohn und Erbe Lykonides, der inzwischen
zum förmlichen Pflastertreter und Schwelger geworden war, die hinterlassenen Säckchen
und Töpflein voll Goldes und Geschmeides.
Nun, das muß wahr sein; lachte der Erbnehmer laut, der brave, gute, fromme, göttliche
Euklio hat mir doch im eigentlichen Verstande seinen väterlichen Segen hinterlassen!"
"Gottloser!" brüllte des Schwiegervaters Geist der hinter dem Geldkasten emporquoll.
"Nicht Segen; Fluch hab ich dir hinterlassen, denn es ward unterm Fluche gesammelt,
und du hast weder Kraft noch Willen es zu heiligen!

Die Truthenne mit den jungen Enten

Ein Enterich, der seine mutterlosen Kleinen selber zu erziehen keine Zeit, oder keine Lust
hatte, übergab sie der Truthenne, mit dem Auftrage, sie zu ihrem künftigen Berufe
sorgfältig auszubilden. Die gute Hofmeisterin! Sie tat alles mögliche, um diesen Zweck zu
erlangen; aber nach ihrer Weise. Sie führte die jungen Zöglinge weit von dem nahen
Teiche hinweg, unterwies sie fleißigst im Scharren, zürnte, daß sie nimmermehr kaudern
lernten und strafte sie, wenn sie den Entengang sich nicht abgewöhnen wollten. Kurz,
sie würde nach Pflicht und Gewissen herzlich gerne junge Truthühner aus ihnen gemacht
haben wenn nicht die Natur den kleinen Enten zu Hilfe gekommen wäre, und sie bei
jeder Pfütze das Schwimmen gelehrt hätte.
So verbessert Naturhang manchmal noch, was Hofmeisterei verdarb.

Die Tageshitze und der Nachtfrost

Die glühenden Tage des viel zu frühzeitigen Sommers, überjagten alles Gewächs wie in
einem Treibhause. Schon im Mai fingen, zum Erstaunen aller Landwirte, die Saaten zu
rauchen an, die Küchenbeete Blumenstängel zu treiben.
Da kam der Nachtfrost, der sich sein Recht auf diesen Monat nicht wollte nehmen lassen.
An jedem Morgen waren die Beete gefroren, die Ähren wurden taub, und die geschoßten
Stengel hingen verwelkt.
"Grausamer!" rief ihm der Sommer zu, "warum vernichtest du meine Wohltaten, und tötest
meine so glücklich emporwachsende Pflanzenwelt?"
Aber der Nachtfrost meinte: "Das sei keine Wohltat, die wider den Lauf der Natur streite,
und das Glück hänge nicht von übertriebener Eile ab."

Das Wiesel und der Löwe

Der satte Bär lag vor seiner Höhle, und sah das Wiesel, wie es ein gehaschtes Mäuschen in
seinen Bau trug. "Kleiner," rief er im Spott, "du trägst dich ja halb lahm! Was hast du denn da?"
"Ich habe so viel wie der Löwe!" versetzte das Wiesel, den der unzeitige Spaß wurmte.
Die Antwort wurmte den kolerischen Bär ebenfalls. Er ging zum König des Tierreichs und
denunzierte das Wiesel, den Wicht, den Prahler, den Lästerer.
"Laß gut sein, Freund Braun!" sagte der Löwe. "Das Wiesel bat Recht. Er hat gerade so viel,
als er braucht, mithin nicht weniger als ich selbst."

Die Wachtel und die Lerche

Matt und müde kam die Lerche von ihrem ätherischen Konzertsaale zurück in ihr Nest.
"Ach!" seufzte sie, "dort war es so hübsch, und hier ist alles leer. Der Mangel verfolgt
mich doch immer!"
Das vernahm ihre Nachbarin, die wohlhabende Wachtel: "Warum auch schwebst du
immer in der Luft? Freilich wächst dort kein Weise. Befolge doch endlich meinen Rat:
Singe weniger, und sammle mehr!"
Liebe Dichter! Entweder folgt dem Rate der Wachtel; oder klagt ja nicht!

Der Fleischerhund und der Förster

Zum Förster kam ein entlaufener Fleischerhund, und bot sich ihm zur Wildeschweinjagd an.
"Du?" fragte der Waldregent, "bist du denn auf diese Jagd gelernt? Oder hast du schon als
Saufänger gedient?
"Das nicht, aber ich fürchte mich vor keinem Schweine. Sei es noch so groß; ich hab es
herzhaft angebellt, und tüchtig geneckt."
"Geh deine Wege," versetzte der Förster; "Denn zur wilden Sauhatz gehört mehr als bellen
und necken."

Die Jahreszeiten

"Wir wollen nicht richten!" sagten Frühling, Sommer und Herbst: "Aber fragen können wir
doch, warum uns das Schicksal an dem Winter einen so unähnlichen, beinah dürften wir
sagen, unwürdigen Bruder gab? Zu was taugt der garstige Träge wohl, als daß er alle Welt
in seinem Schneegewande gleich einem Gespenste scheucht?"
Das hörte der Winter, und rief ihnen zu: "Mein Schneegewand ihr lustigen Brüder, dient
auch dazu, daß es die Spuren eurer Torheiten verdeckt!"
Ein Trost für dich, liebes Alter, daß du ebenfalls manche Jugendsünden, wenn auch nicht
gutmachst, doch wenigstens dem Auge der Welt entrückst.

Der Esel in der Wildschur

Einst hatte das Müllertier den Wolfspelz seines Herrn umgenommen, und stolzierte damit
durch Wald und Trift. Da floh alles Wild und alles Herdenvieh: der Wolf selbst, als er ihm
begegnete, fing an zu stutzen. "Aha!" dachte der Esel, es heißt ja, gleiche Kappen,
gleiche Brüder! Muß doch mit Freund Isegrim meinen Spaß machen!" Sogleich tat er sein
Maul auf, und iahte: "Guten Tag, lieber Bruder!"
"Großen Dank," versetzte nun der Wolf: "Freue mich herzlich, solch einen wackeren Bruder
zu treffen! Wir Wölfe haben allesamt untereinander das Gastrecht also komm,
mein Teuerster, komm!" Sogleich ergriff er den Unbesonnenen und schleppte ihn ohne
Barmherzigkeit nach seiner Höhle.

Der Zunftmeister der Vögel

Die kleineren Vögel sollten einen Zunftmeister wählen: das Gesetz besagte, daß es der
Kleinste von allen sein müsse.
Nachdem es verlesen war, hüpften stillschweigend die Meisen davon und die Zeislein,
die Bachstelzen und die Fliegenschnäpper, das Goldhähnchen und die Grasmücke,
denn sie waren, leider! alle zu groß für dieses Amt.
Zuletzt blieb der Zaunkönig, allein übrig, und piepte laut: "Gut zu wissen sei, daß ich zum
Zunftmeister gewählt bin, das Kraft des allgemeinen Schweigens!"

Das Murmeltier und der Igel

Der Igel bot sich beim Murmeltiere zu Gast, "denn, sprach er, "du bist ein musterhafter,
guter Wirt aber ich, wie man ist, wenn man jung ist; habe meinen Wintervorrat zu
sammeln vergessen, und da mangelt es mir nun an allen Ecken. Freilich können wir mit
nicht alle so groß in der Ökonomie sein wie du!"
Solch ein Lob gefiel dem Murmeltiere gut. Nicht nur wurde dem Igel reichlich aufgetischt,
was es an Weizen und Nüssen vermochte; sondern es führte nach der Mahlzeit auch den
bewundernden Gast in allen seinen Magazinen herum, wo Trüffeln, Ähren und Kastanien für
zwei Winter aufgeschichtet lagen.
Da der Igel das sah; so war er kein Narr, wohl aber Schurke genug. Oft zwar erinnerte
das Murmeltier ihn an das Heimgehen: aber umsonst! "Ein so großer Ökonom braucht
einen Kornschreiber, sprach er, und ich diene dir ums Brot." Das Murmeltier wollte den
Igel hinauswerfen, aber er rollte sich zusammen, und blieb so lange noch ein Korn, noch
eine Kastanie zu verzehren war.
Das Murmeltier hockte nun betrübt in einem Winkel, und knurrte vor sich: Das ist der
Lohn meiner unvorsichtigen Prahlerei

Braun und braun

In einer vornehmen Küche mußte ein Pavian wider Willen den Bratspieß drehn, bis spät über
Mittag hinaus. "Halt da!" rief endlich der Koch, "der Braten hat nun genug, denn er ist braun."
"Du bist ein unredlicher Mann!" schrie der erboste Affe. "Ich war von Jugend an so braun
wie dein Braten; und hatte dieser Arbeit genug, eh sie noch anfing. Aber half mir das wohl?"
"Es ist nur in allem ein Unterschied!" sagte der Koch, und lachte den Affen aus.

Der dienstfertige Pudel

Wer ungerufen zu einer Arbeit kommt, der geht unbedankt davon.

Der Pudel eines Haltermeisters sah eines Morgens früh, eh sein bequemer Herr noch
aufgestanden war, daß sich eine Menge Käufer eingefunden hatten, die nach Karauschen,
Hechte und Aale verlangten. Da kann ich ja meinen Herrn überheben, dachte Taps, sprang
in den Halter, holte einen Fisch nach dem andern heraus, und brachte sie Reihe herum den
jauchzenden Expektanten.
Von ihrem Gelächter erwachte nun der Haltermeister; sah den neuen ungedungenen
Hahmenknecht, sprang mit der Peitsche herzu, und belohnte den dienstfertigen Taps so
reichlich, daß er ein paar Tage nicht aus der Hütte kriechen konnte.

Der Fuchs und die Wölfe

Lange Zeit schon in seiner Handwerksnahrung zurück gesetzt, ließ sich endlich ein Fuchs
von den benachbarten Wölfen bereden, und ging mit ihnen auf den Raub aus. Unterwegs
schon prahlten die Wichte laut von ihrer Kraft, wie von ihrem Hunger, und schwuren dem
Hirten samt der Herde den Tod.
"Liebe Vettern," flüsterte Reineke, "gemach! nicht so laut! Man hört uns vielleicht und
dann ist alles verloren."
"Feigherz!" fiel die Antwort, "was wirst du erst sagen, wenn wir unser Kriegsgeschrei erheben?"
Sogleich fingen sie zu heulen an, daß sich der Fuchs hundert Meilen davon wünschte.
"Und warum machst du dein Kriegsgeschrei nicht so gut wie wir?" fragte der Bandenführer
mit Ingrimm.
"Frei gesprochen, es ist wider meine Art."
"Ei was!" schrien die Wütenden. "Das ist Verachtung! wer unter den Wölfen ist, der muß auch
mitheulen!" Sogleich war der Fuchs zerrissen.

Der Tauber und der Sperling

"Wenn ich doch erraten könnte," spöttelte der Spatz gegen den Tauber, "warum du dich immer
und ewig mit deiner alten Taube herumschleppst! Da sitzt ihr den ganzen Tag ehrbar und
langweilig beisammen, als ob ihr schlieft. Wie mag das kommen? Was ist Absicht und Ursache?"
"Es ist," sagte der Tauber, "wenn du es nun durchaus wissen willst, die Treue."
"Die Treue?" Wieder ein Rätsel! Was für ein Ding ist denn diese Treue?"
"Sie ist ein Ding," erwiderte der Tauber, von dem du zeitlebens keinen Begriff kriegen wirst.
Nur wir Tauben verstehen, genießen und schätzen sie."

Der Spitz in der Lehre

Ein Mann, der junge Tiere zu allerlei Künsten abrichtete, bekam unter andern auch einen
Spitzhund, der viel zu lebhaften Temperamentes war, als daß er alles gelehrig und
geduldig genug begriffen hätte. Deswegen erhielt er täglich und im eigentlichen
Verstande, mehr Prügel als Fressen.
Das klagte der Spitz eines Tages seinem Kameraden, dem Zeisig am Kettchen: "Ich bin
doch das unglücklichste Tier von der Welt! Ich wollte, daß mich mein erster Herr, gleich
meinen Zwillingsbrüdern, in der Abzucht ersäuft hätte! Denke nur: wenn ich nicht über
den verdammten Stock springen will, vor dem ich mich fürchte, so setzt es Schläge;
wenn ich dann in meiner Lustigkeit über Stuhl und Tisch springe, so setzt es wieder Schläge.
Prügel kriege ich, sobald ich das Stück Braten, daß unser Kunstmeister von sich wegwirft,
nicht holen und fressen will; Prügel kriege ich auch, wenn ich aus Hunger nur einen Bissen
Brot entwende. Das mag wer anderer erraten, wie ich es recht machen soll, ich nicht!"
"Freund," versetzte der Umerzieher, "du darfst es gerade nur so machen, wie er es will,
das ist's ganz!"
"Also geradezu kein Spitz mehr sein?"
"Ja und wenn du das bleiben willst so helfe dir dein Anubis!"

Der Zephyr und der Sturm

"Wie kannst du es nur über dein Herz bringen, Engel des Sturms, daß du den armen Menschen
ihre Hütten umwirfst und ihre Baumgärten verwüstest?" so fragte der sanftflüsternde Zephyr.
Der Sturm gab zur Antwort: "Dafür vertrieb ich auch jenes Gewitter, das ihnen vielleicht
gar hätte gefährlich werden können, und ich reinigte die brütende Luft die wahrscheinlich
manche Krankheit erzeugt haben würde, folglich erwies ich den Menschen eine Wohltat!"
"Wahrscheinlich also, und vielleicht nur," erwiderte der Westwind, aber nicht folglich:
Denn das Böse, das du ihnen tatest, ist gewiß und unersetzlich."

Der Sturm und der Zephyr

"Schau hin, Kleiner!" rief der Sturmwind dem Zephyr zu: "Dort am Ufer treibt das gescheiterte
Schiff des furchtbaren Korsarens. Sieh wie die schiffbrüchigen Wichte sich zerarbeiten!
Höre, welch ein Angstgeschrei sie erheben! Aber ich habe die Ehre des Meeres gerächt,
und alle Tränen ausgesöhnt, die sie dem Schiffer und dem Kaufmanne abpressten.
Nun, hab ichs doch recht gemacht? Diesmal hab ich doch den Menschen eine Wohltat erwiesen?"
"Daß du doch immer nur Unheil nennen kannst, wenn du einmal gütig gewesen sein willst!"
erwiderte der Zephyr mit Verachtung: "Wahre Wohltaten brauchen nicht erst von Tränen
aufgefordert zu werden, und erwecken auch keine; es sei denn, es wären die des Dankes
und der Freude."

Die Stare und der Schwan

In hellen Haufen, mit großem Geschrei, fiel ein Volk Stare dort auf einen Baum am
spiegelhellen Weiher, wo der Liebling Apolls, ein majestätisch schöner Schwan, seine
Lustfahrt hielt. "Ach der arme Vogel! O das bedauernswürdige Geschöpf!" schrieen die
Wichtlein, und flatterten possierlich durcheinander. "Er ist auf ewig zum Wasser verdammt
wie der stumme Fisch! Fliegen wie wir kann er auf keinen Fall!"
Da hob sich der Schwan auf mächtigen Fittig hoch in die Luft, und verschwand vor dem
staunenden Schwarme seiner verstummten Phropheten.
"Hast du gesehn?" zwitscherten jetzt ein paar junge Mätzchen: "Fliegen kann er nun zwar
ganz erträglich, aber, singen wie wir, das muß er doch bleiben lassen!"

Die Augen

"Ich weiß auch gar nicht was die Sonne tagtäglich hin im Lande zu schaffen hat?"
wimmerte das Käuzlein aus seiner Felsenspalte: "Schon ihr Widerschein brennt mir fast
die Augen aus dem Kopfe!"
"Wohl wahr!" fiel ihr die Katze bei, gepriesen sei der Mondschein, oder das sanfte
Sternenlicht, da kann man seine Augen viel besser schonen."
"Weit besser noch — gar keine!" rief der Maulwurf, und fuhr stracks wieder in seinen Schacht.

Der Kater und der Hund

Ein alter Kater hatte die Zähne verloren, und seine Klauen waren stumpf geworden. Er genoß
nur noch ein spärliches Gnadenbrot in dem Hause, wo er sonst so furchtbar gewesen war.
"Undankbares Menschengeschlecht!" fing er endlich voll Unmut zu murren an: "Da kriege
ich nun für so vieljährigen Dienst kaum zum Sattwerden. Doch kein Wunder! Sie schelten
ja mich samt meinen Brüdern und Schwestern, falsch und grausam; da wir sie doch von
den Feinden ihres Überflusses und ihrer Ruhe, den Ratten und Mäusen befreiten.
Wenn das nicht undankbar, wenn das nicht höchst ungerecht ist!"
Das hörte der alte treue Hauswächter, der Pudel, und rief ihm zu: "Noch weit ungerechter
deine Beschwerden! Wahrlich, den alten Hinz noch zu füttern der ihren Stubenvögeln
nachtrachtete, der die Küche bestahl und den Hausherrn unter falschen Liebkosungen wund
kratzte; das darfst du doch keineswegs undankbar nennen! Wer mehr verlangt, der prüfe
sich vorher, in wie weit er es verdient!"

DieTurbanten

Ein russischer Offizier brachte seine beiden Kutschpferde mit sich nach Kamtschatka, die sahn
mit Erstaunen, daß dort die Hunde den Schlitten zogen. "Ihr Turbanten!" riefen ihnen die
Gäule zu: "In polizierten Staaten dürfte so was euch wohl schwerlich ungestraft hingehn.
Bei uns darf niemand Schlitten oder Karossen ziehn als wir, und das ist Recht und Ordnung!"
"Ach liebe Herren," versetzten die Hunde, "kommt doch recht zahlreich hierher und
behauptet eure Gerechtsame! wir wollen euch von Herzen gern nicht im geringsten
turbieren."