Fab.1
Drei Taube
Es haben oft zugleich der Leser und der Dichter,
Und auch der Kritikus kein zuverlässig Ohr.
So lud vor einem tauben Richter
Ein Tauber einen Tauben vor.
Der Kläger sprach: "Auf meinem Felde
Hat er dem Wilde nachgehetzt."
Beklagter: "Nein! von seinem Gelde
War längst das Drittel abgesetzt."
Der Richter: "Hört, das Recht der Ehen
Ist heilig, alt und allgemein.
Es soll die Heirat vor sich gehen
Und ich will bei der Hochzeit sein."
Fab.2
Die Krähe und die Nachtigall
Der Krähe war einst eingefallen,
Gleich dichterischen Nachtigallen
Durch ihre Stimme zu gefallen.
Sie blähte sich, so oft sie, sonder Kunst und Müh',
In ewiger Monotonie
Ihr allbetäubend Lied aus heisrer Kehle schrie,
Und sammelte, so bald sie ausgesungen,
Des Beifalls Stimmen für sich ein.
Den Eulen hatt' ihr Lied ganz allerliebst geklungen:
Der Rabe schrie, nichts könnte besser sein;
Des Kranichs Urteil nach war gar das Stimmchen fein.
Auch hatte, durch ihr Lob zum Dank gezwungen,
Der Stieglitz selbst ihr Lied für nicht gemein erklärt.
Und kurz, sie hatte schon das Lob der Menge.
Das Lob der Nachtigall ward noch von ihr begehrt.
Sie fühlte zwar nicht ihrer Lieder Wert,
Allein, sie wünschte sich's, weil sie gehört,
Daß sie am allerschönsten sänge.
Der Mai erscheint. Es singt die Nachtigall;
Dem ganzen Walde sagt's der Widerhall,
Der ganze Wald horcht zu. Schnell setzet sich die Krähe
Auf einen Eichbaum in der Nähe.
Und nun bestürmt sie ihre Gunst
Mit Listen, welche sich bei Dichtern ohne Gaben,
Als wahren Erben ihrer Kunst,
Seitdem im Schwang' erhalten haben.
Bald billigt sie, indem sie mit dem Kopfe nickt,
Gewisse Stellen ihrer Lieder,
Als ob darin Ein Ton vor andern ihr geglückt;
Bald fährt sie plötzlich, als entzückt,
Halb flatternd in die Höh, und klatscht mit dem Gefieder.
Jetzt läuft sie ganz den Ast hinauf,
Und streckt den Kopf hervor, um alles wohl zu fassen,
Und keinen Ton vorbei zu lassen,
Und sperrt bewundernd Aug' und Schnabel auf;
Fliegt endlich bei des Liedes Schluß
Demütig zu ihr hin, erhebt, was sie gehöret;
Und einen jeden Ton beehret
Ein langer Panegyrikus (ein Lobredner).
Selbst da sie das, was rühmenswert ist, rühmet,
Zeigt sie, wie wenig ihr ein Urteilsspruch geziemet.
Ihr klang der eine Ton fast wie ein Wasserfall;
Ein andrer hatte was von dem Geräusch von Blättern.
Sie schloß, um sie mit Nachdruck zu vergöttern.
So göttlich sang noch keine Nachtigall.
Beherzt wagt nun die Kräh, die schon nach Lobe lechzet,
Ihr unharmonisch Lied, und, da sie ausgekrächzet,
Spricht sie: "Zwar deine Kunst läßt mich sehr weit zurücke,
Wenn meine Lieder nichts als nur Versuche sind,
Sind deine Lieder Meisterstücke.
Doch weiß ich, daß man durch dein Urteil viel gewinnt.
Schon lange sehn' ich mich nach diesem Glücke;
Gern nehm' ich solcher Kenner Tadel an.
Du glaubst mir leicht, daß ich noch besser singen kann,
Wenn ich mir Zeit zu meinen Liedern nehme;
Wie klang indes dir dieses Lied?"
Die Nachtigall, die erst die Antwort ganz vermied,
Spricht, da sie sie auf Lob so lange warten sieht:
So, daß ich deines Lobs mich schäme.
Der Undank schmerzt die Kräh'; sie widerruft ihr Lob.
Sie schreit: "Du Eitle, denkst, weil ich dich erst erhob,
Könnt' ich dir keine Fehler zeigen?
Vor dir versteck' ich mich noch nicht.
Du meinst, dir sei allein die Kunst zu singen eigen.
Doch weißt du, was der Kuckuck spricht?
Wenn du nicht besser sängst, so möchtest du nur schweigen.
Du wechselst bis zum Überdruß.
Dein Lied ist, weil ich's sagen muß,
Viel zu gekünstelt, viel zu zierlich;
Es ist nicht weniger, als natürlich."
Die Nachtigall hört alles an, und spricht:
"Wer uns nicht loben kann, der schimpft uns nicht."
Fab.3
Der Maulwurf
Ein Maulwurf, welcher gern ein Weiser heißen wollte,
Warf vor Betrachtungen, worin er sich verlor,
Fast keinen Haufen auf; er schloß auch noch zuvor
Die Augen zu, damit ihn nichts zerstreuen sollte.
Die Nachbarn nötigten einst diesen Sonderling,
Mit ihnen an die Luft zu fahren.
Er tat es. Als ihm hier die Augen offen waren,
Fand er ein Quittchen, das an seinem Zweige hing.
Er rief dem einen zu, der ihm erklären mußte,
Was für ein Ding dies sei. Er hörte den Bericht
Verächtlich an, und sprach: "Man wundre sich nur nicht,
Daß ich es nicht zu nennen wußte.
Ein weiser Denkender, der oft sich selbst vergißt,
Kann so gemeines Zeug nicht in dem Kopfe tragen.
Doch will ich euch dafür jetzt eine Wahrheit sagen,
Die jedem unter euch noch ein Geheimnis ist.
Was hilfst, daß ihr den Kot stets durcheinander werfet?
Glückselig ist, wer in der Ruh
Die Kräfte des Verstandes schärfet.
Allein genug hievon! Hört zu!
Der runde Kloß, den ihr mir eine Quitte nennet,
Hängt selber an des Zweiges Fuß;
Der Zweig hat einen Riß, den ihr hier sehen könnet,
Draus folgt, daß er woran gehangen sein muß.
Schwach ist der Zweig, das Ding hingegen,
Woran er hing, muß stärker sein,
Sonst hätt' es ihn nicht tragen mögen.
Dies stärkre hängt vielleicht an einem andern fest,
Das zweimal stärker ist, wie sich leicht schließen läßt.
Und dieses hängt vielleicht an einem dritten,
Das stärker ist, als beide, samt den Quitten.
Hieraus nun schließ ich dies: Es können Zweige sein,
Die dicker sind, als vier von unsrem Leibe."
"Halt, Nachbar, fiel man ihm mit Lachen ein,
Daß man die Schuppen dir vom Auge reibe!
Elender Wurm! machst du so großen Wind,
Und weist noch nicht, daß Bäume sind?
Dies ist ja weltbekannt."
Der junge Grübler trollte sich fort,
Fuhr wieder ein, und schwur dabei,
Daß er kein Wort mehr reden wollte,
Weil jetzt die Welt zu sinnlich sei.
Fab.4
Der Hirsch und der
Fuchs
"Hirsch! wahrlich, das begreif ich nicht,"
Sprach einst der Fuchs zum Hirsch, "wie du so zagen
Und zittern kannst, wie dir der Mut so sehr gebricht;
Der kleinste Windhund kann dich jagen.
Besieh dich doch, wie groß du bist,
Versuche doch die Stärke deiner Glieder.
Den größten Hund, so stark er ist,
Wirft ein beherzter Stoß des spitzen Horns danieder.
Uns muß man wohl die Feigheit übersehn;
Wir Füchse sind zu schwach zum Widerstehn.
Doch daß ein Hirsch nicht weichen muß,
Ist sonnenklar. Hör' einen Schluß;
Ist jemand stärker, als sein Feind,
So darf er sich vor ihm nicht scheu zurückziehen;
Du bist den Hunden nun weit überlegen, Freund
Drum schließ' einmal, darfst du wohl fliehen?"
"Gewiß, ich hab' es nie so reiflich überlegt,"
Versetzt der Hirsch; von nun an bleib' ich unbewegt,
Wenn mich die Jagdhund' überfallen;
Von nun an widersteh' ich allen."
Zum Unglück, daß der Jäger Schar
So nah mit ihren Hunden war.
Sie bellen, daß der weite Wald
Von dem Gebelle widerhallt.
Und schon ist Schwach und Stark, ist Fuchs und Hirsch
entflohn.
Fab.5
Die besondere
Kinderzucht
Der Vater und der Knabe
"Hab' ich dir's nicht schon hundertmal gesagt?
Wirst du es immer denn vergessen?
Brauch' nicht die linke Hand zum Essen,
Gottloser Bube! Ach, wie sehr ist man geplagt!"
'Ich folge schon, verzeihn Sie mir, Papa.' . . .
'Doch hören Sie, man klopft. — — — Ein blinder Mann ist da,
Der bittet sehr um eine Gabe.
Erlauben Sie mir wohl, das, was ich bei mir habe,
Dem blinden Mann zu geben?' —
"Ja doch, ja,
Daß uns doch immer Bettler vor den Türen liegen!" — —
'Ha! wie bedankte sich der alte Narr;
Er glaubte Wunder was zu kriegen,
Da es doch nur ein Rechenpfennig war.' —
Seht doch den kleinen Schalk! wie listig zum Betrügen!
Fab.6
Äsopos und der
Mutwillige
Äsop bewies zu seiner Zeit
Die schwerste Kunst in unsern Tagen,
Die Kunst, die Narren zu ertragen,
Die Zunft, die täglich sich erneuert,
Ein Bube, den nichts fröhlich machte,
Als was er für recht neckisch hielt,
Warf einen Stein nach ihm, und lachte,
Daß er so meisterlich gezielt.
Der Weise sprach: "Wer so viel kann,
Der muß auch baren Dank erlangen.
Von Reichen kannst du mehr empfangen,
Von mir nimm diesen Stater*an.
Dort seh' ich einen Kaufmann gehen,
Des reichen Dameratus Sohn,
An dem laß deine Künste sehen,
Von dem erwarte deinen Lohn."
Ihm folgt der Bub' aus Unverstand;
Er wirft, und trifft, und wird ergriffen,
Und, von dem Pöbel ausgepfiffen,
Dem Kerkermeister zugesandt.
Ob man ihn noch ans Kreuz geschlagen,
Wie Phaedrus schreibt, das weiß ich nicht.
Doch weiß ich, was die Weisen sagen:
Ein Tor nur ist ein Bösewicht.
*Eine
griech. Silbermünze von geringem Wert.
Fab.7
Faustin
Faustin, der bis ins zwölfte Jahr
Entfernt von Haus und Hof und Weib und Kindern war,
Ward, durch den Wucher reich gemacht,
Auf seinem Schiffe heimgebracht.
Gott! seufzt der reuige Faustin,
Als ihm die Vaterstadt in dunkler Fern' erschien,
Gott! strafe mich nicht meiner Sünden,
Und gib mir nicht verdienten Lohn;
Laß, weil du gnädig bist, mit Tochter, Weib und Sohn
Gesund und fröhlich wieder finden.
So seufzte Faustin: und Gott erhört den Sünder.
Er kam, und fand sein Haus in Überfluß und Ruh,
Er fand sein Weib und seine beiden Kinder,
Und — Segen Gottes! — zwei dazu.
Fab.8
Das treuherzige Zeugnis
Auf einem ausgedienten Pferde
Trat aus der Nachbarschaft ein Edelmann
Jüngst hin den Weg nach unserm Leipzig zu.
Friedfertig hing der träge Gaul den Kopf zur Erde,
Er war, wie aus der hungrigen Gebärde,
Dem stillen, dem gelassnen Schritt,
Und der Geduld, mit der sein Herr ihn ritt,
Ein jeder, der ihn sah, erkannte,
Ein Zelter, vom Geschlecht des steifen Rossinante.
Der Junker trabte zur Vorstadt kaum hinein,
So stolperte der Gaul an einem Pflasterstein,
So stark, daß sich sein Herr nicht mehr zu halten wußte,
Und wie der Blitz herab aufs harte Pflaster mußte.
Dies sieht ein artig Bürgermädchen an,
Und lacht dabei ganz ausgelassen.
Der Reiter, welcher nicht viel Scherz ertragen kann,
Spricht: "Kennt sie auch dies Pferd? Es stolpert nur
alsdann,
Wenn's eine Jungfrau sieht. die sich — erbitten lassen.
Nicht war? mein Pferd versteht sich drauf."
Sie hört die Schmeichelei, die eben nicht entzücket;
Doch da sie sich sogleich drein schicket,
So schreit sie ängstlich: "Herr, steigt ja nicht wieder auf,
Geht lieber in die Stadt, geht oder kehrt zurücke
Zu Pferde brecht Ihr Euch wahrhaftig das Genicke."
Fab.9
Myron und Lais
Der graue Myron hielt um eine Nacht voll Küsse
Bei der geliebten Lais an,
Und weil sein Seufzen nichts gewann,
Erriet er, daß sein Haar den Abscheu wirken müsse.
Er schwärzt sein bereiftes Haupt.
Der neue Myron, nach den Haaren,
Nicht nach der Stirn, sucht, was er schon gesucht.
Erfahren in der Gesichterkunde,
Glaubt die schlaue Lais den bejahrten Zügen
Mehr, als den Locken, und erlaubt
Ihm nichts. Sich schalkhaft zu vergnügen,
Spricht sie: "Mein junger Herr, es bleibt bei den Entschluß,
Dergleichen Bitten zu versagen;
Ich habe, was ich ihm jetzt verweigern muß,
Schon seinem Vater abgeschlagen."
Fab.10
Der unvermutete
Ehesegen
Wer frech dich suchet zu betrügen;
Dem gib für Lügen Gegenlügen.
Ein Kaufmann, der schon manches Jahr
In Indien gewesen war,
Kam endlich, reich durch Fleiß und Glück,
Ins Vaterland gesund zurück.
Viel Freude war da beim Empfange;
Er hielt sein junges Weibchen lange
Im Arm, es folgte Kuß auf Kuß;
Es folgte sogar ein Tränenfluß.
Im Feuer dieser Zärtlichkeit
Sah ungefähr der Mann beiseit,
Und fand erstaunt in einer Wiege
Ein kleines Knäbchen feiner Züge,
Von denen aber sicherlich
Den seinigen nicht einer glich.
Er stand betreten, voller Scham.
"In aller Welt!" sprach er, "Madam!"
Und runzelte die Stirn gar sehr,
"Wo schreibt sich denn dies Kindchen her?
Denn täuschet mich nicht die Gestalt,
So ist es kaum sechs Monat alt."
"Ach liebes Männchen," sprach die Frau,
"Du forschest wahrlich zu genau;
Doch will ich dir den Vorfall sagen.
In diesen letzten Wintertagen
Fühlt' ich einmal um Mitternacht
Der keuschen Liebe ganze Macht;
Voll von der heißesten Begier
Sehnt' ich, mein Engel, mich nach dir.
Ich konnte deiner nicht genießen,
Da lief ich, meine Lust zu büßen,
Hinunter, daß ich dir's gesteh,
Und machte mir ein Kind von Schnee;
Das aß ich auf. Mir ward im Leibe
Wie einem wirklich schwangern Weibe,
Und eh ich dessen mich versah,
War dieser kleine Junge da.
Was arges denke nicht von mir;
Nie brach ich meine Treue dir.
Der Junge sei uns doppelt wert,
Weil ihn der Himmel uns beschert."
Der Mann schwieg still. Ich will mich fassen,
Dacht' er, und sie bei Ehren lassen.
Der Knabe wuchs indes heran.
Nach sieben Jahren ging der Mann
Aufs neu zur See, und nahm den Knaben,
Um Zeitvertreib mit ihm zu haben,
Mit auf die Reise, gab ihn da
An jemand nach Amerika,
Und fuhr zurück. — "Wo bleibt mein Sohn?"
So ruft von fern die Mutter schon.
Der Mann sprach: "Zähme dein Verlangen!
Es ist mir toll mit ihm ergangen.
Das Schiff geriet in seinem Lauf
Bis an die Linie hinauf.
Du weißt, es ist da schrecklich warm,
Der Knabe lag mir in dem Arm;
Die Sonne stach uns auf den Kopf.
Schlimm war dies für den armen Tropf;
Denn weil du ihn aus Schnee gemacht,
Zerschmolz er mir, eh ich's gedacht."
Fab.11
Das Bekenntnis
Ein feuriger Galan, der schlechten Lohn erwarb,
Und nicht viel rühmlicher als Pherecydes*
starb,
Bekannte, was an ihm unheilbar schon geworden,
Dem Priester Francion vom Karmeliterorden.
"Wie straft mich," rief er aus, "des Lasters Schändlichkeit!
Ach, wüßte ich, so wie ihr, von keiner Lüsternheit,
So hätt' ich diesen Tod nicht Julien zu danken."
"Wie? Julien o schweigt! versetzt der Mönch dem Kranken,
Den Lügen bin ich gram, das ist des Ordens Pflicht,
Verleumdet Juliens gesunde Schönheit nicht.
Wär' ein so schnödes Gift bei Julchen eingerissen,
Der Pater Guardian und ich, wir müßtens wissen."
*Pherecydes
(Φερεκύδης) griech. Philosoph aus Syros im 6. Jahrh. v. Chr.
Lehrer des Pythagoras. der Sage nach Erfinder der Prosa.
(Plin. 7, 205)
Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau
1856
Fab.12
Die Nachtigall, der
Star und der Papagei
Pfui! rief einst eine Nachtigall
Aus ihrem Käfig, riecht's doch immer
In diesem schön geputzten Zimmer,
So garstig, als in einem Stall.
Das macht der Rauch, versetzt ein Star,
Von Kräutern, die man Knaster nennet,
Und unser Herr fast stündlich brennet;
Den Dampf davon verschluckt er gar.
Was? schrie der Sprosser, träumest du?
Er labt sich an verbranntem Kraute?
Wenn er noch Ameiseier kaute,
Und äße klein Gewürm dazu.
Vergebt mir, warf der Starmatz ein,
Er würde, wollt' er ja nichts sparen,
Mit altem Käse besser fahren;
Der pflegt von Maden voll zu sein.
Ihr ratet, rief ein Papagei:
Ein reicher Mann muß Zucker essen,
Hanfsamen doch nicht zu vergessen!
Nur trinken muß er nicht dabei.
* * *
Wer in der Wissenschaften Reich
Nach seinem Gaumen alles richtet,
Und das, was ihm nicht schmeckt, vernichtet,
Ist diesen Vogelköpfen gleich.
Fab.13
Der mäßige Eifer
Frontins
Frontin, der fast an Wuchs Äsopen glich,
Ging lustig an den Strand, entkleidete sich,
Sprang in den Strom, und schwamm recht meisterlich.
Indessen kommt ein Dieb, bestiehlt den sichern Schwimmer,
Der nach der Taucherkunst mit Flut und Wellen spielt.
Frontin vertieft, erhebt und wirbelt sich noch immer,
Und rudert sich zurück, gereinigt und gekühlt.
Bestürzt entdeckt er jetzt, daß ihm die Kleider fehlen.
Ein anderer hätte gleich den Dieb vermaledeitet,
Er aber sagte nur: Der Frevel geht doch weit,
Mir armen Buckligen mein einzig Kleid zu stehlen;
So wünsch' ich denn dem Schelm für seine Mauserei,
Daß ihm mein Kleid gerecht an Brust und Rücken sei!
Fab.14
Die junge Frau
im Beichtstuhle
Im Beichtstuhl sprach einst eine Frau:
"Herr Pater, soll ich ganz genau
Mein Tun und Lassen ihnen sagen,
So muß ich mich zuerst beklagen,
Daß oft mein Mann von mir verreist,
Und mich im Ehstand fasten heißt.
Wer ist gleich stark zu allen Stunden?
Mein Nachbar hat den Weg gefunden
Zu meiner schwachen Zärtlichkeit.
Die Freundschaft ging vielleicht zu weit. —
Soll ich noch weiter fort erzählen?
Mein Sohn, ich kann es nicht verhehlen,
Er hat mir selbst recht Leid getan,
Mein Sohn ist nicht von meinem Mann."
So sprach sie mit erzwungner Scham.
Der Pater sprach: Ei, ei, Madam!
Sie haben es gar arg gemacht.
Doch dessen sei nicht mehr gedacht,
Wofern Sie (um es abzubüßen)
Sich auf der Stelle hier entschließen.
Ihr allzusträfliches Vergehn
Dem Manne selber zu gestehn.
Dies schwören Sie mir hoch und teuer,
Sonst müssen Sie ins Fegefeuer."
Der Dame ging das sauer ein;
Doch einst im Feuerpfuhl zu schrein
War ihr noch weniger gelegen.
Nach einem kurzen Überlegen
Versprach sie es, denn sie besann
Sich auf ein Mittel, ihrem Mann
Die Sache selber zu gestehen,
Und doch sich nicht beschämt zu sehen.
Einst trat der Mann im Reisehut
Zu ihr hinein, wollt' auf sein Gut;
Da fing sie an ihr Kind zu ritzen
Mit ihrer scharfen Nagel Spitzen,
So daß es weinte und schrie.
"O liebes Männchen," sagte sie,
"Erschreckt es ein wenig, daß es schweigt."
Ihr Mann war gleich dazu geneigt,
Hielt sich die Hände vors Gesicht,
Und brummte: Mum, Mum schweigst du nicht,
So nehm' ich dich mit weg, fürwahr!
Und fresse dich mit Haut und Haar.
Da fing die Mutter scheltend an:
"Fort, fort mit dir, du böser Mann!
Dies Kind gehört dir gar nicht zu;
Mein Schäfchen ist's; laß mir's in Ruh!
Du hast dir nichts dran anzumaßen,
Und sollst mir's ungefressen lassen."
So ward die schwere Buß' erfüllt,
Und ihr Geheimnis blieb verhüllt.
Fab.15
Der Kettenhund und
der Pfau
Herr Türk, ein Kettenhund, der äußerst wachsam war,
Und Haus und Hof behüten mußte,
Und wenn ein Nachtdieb kam, den Vogt von der Gefahr
Durchdringender zu warnen wußte
Als ein Nachtwächterhorn, sprach oft mit einem Hunde
Der aus der Nachbarschaft sehr fleißig zu ihm kam,
Besonders um die Mittagsstunde,
Wenn Türk die Mahlzeit zu sich nahm.
Einst, als die Tafel aufgehoben,
Fing jener an: "Fürwahr, du dienst dem besten Herrn;
Sein gutes mildes Herz ist nicht genug zu loben.
Das ist doch noch ein Mann, der seiner Diener Fleiß,
Wie sich's gebührt, zu schätzen weiß.
Ich gönne dir dein Glück zwar gern,
Und ohne daß ich es aus Mißgunst dir bebelle,
Doch wünscht' ich auf ein Jahr mich wohl an deine Stelle."
"Ach," sprach der Kettenherr, so gut es um mich steht,
Mein Freund, so kann ich mich doch nicht zufrieden geben.
Es ärgert mich der Pfau, der dort im Hofe geht,
Der Pfau verbittert mir das Leben,
Ihn lobet Herr und Knecht, und niemand lobet mich.
Er hat es in der Tat viel besser noch als ich;
Er gafft, er geht herum, er kann spazieren gehen,
Er darf den ganzen Tag nichts tun;
Ich muß den ganzen Tag hier angebunden stehen,
Und darf auch nicht bei Nachtzeit ruhn.
Kein Wunder, wenn ich mich einmal an ihm vergreife.
Sieh nur, die Blumen in dem Schweife,
Die wie die Feuerwürmer glühn,
Und aller Augen auf sich ziehn,
Sind giftig, und dies Gift muß ich stets in mich saugen."
Ihn hört der Pfau, und spricht: "Mein Freund,
So lange dir mein Glück beneidenswürdig scheint,
Wirst du dein eigenes zu schmecken niemals taugen.
Das Gift steckt nicht in mir, es steckt in deinen Augen."
Fab.16
Das Kruzifix
"Hans, sprach der Pater Lukas, du mußt laufen,
Uns in der nächsten Stadt ein Kruzifix zu kaufen.
Nimm Matzen mit, hier hast du Geld.
Du wirst wohl sehn, wie teuer man es hält."
Hans kommt mit Matzen nach der Stadt.
Der erste Künstler war der beste:
"Herr, wenn er Kruzifixe hat,
So laß er uns doch eins zum heiligen Osterfeste."
Der Künstler, der ein Mann
Von muntrer Laune war, und gern der Einfalt lachte,
Und gern die Dummen dümmer machte,
Fing scherzend sie zu fragen an:
"Was wollt ihr denn für eines?"
Je nun, spricht Matz, ein wacker feines.
Wir werden sehen was Ihr uns gebt."
"Das glaub' ich wohl, allein das frag' ich nicht:
Wollt ihr ein totes, oder eins das lebt?"
Hans guckte Matzen, und Matz Hansen ins Gesicht;
Sie öffneten das Maul, allein es redete nicht.
"Nun, gebt mir doch Bericht,
Habt ihr den Pater nicht gefragt?"
"Mein Blut!" spricht endlich Hans, der aus dem Traum
erwachte,
Mein Blut! er hat uns nichts gesagt.
Weist du es Matz?" – 'Ich dachte,
Wenn du's nicht weist, wie soll's ich wissen?'
"So werdet ihr den Weg noch einmal gehen müssen."
"Das wollen wir wohl bleiben lassen."
'Ja, wenn es nicht zur Frone wäre.'
Sie denken lange hin und her,
Und wissen keinen Rat zu fassen.
Doch endlich fällt es Matzen ein:
"Je, Hans, sollt's nicht am besten sein,
Wir kaufen eins, das lebt? denn sieh,
Ist's ihm nicht recht, so machts ja wenig Müh',
Wär's auch ein Ochs, es tot zu schlagen.
Nun ja, spricht Hans, das wollt' ich eben sagen,
So haben wir nicht viel zu wagen."
* * *
Das war ein Argument gewisser Theologen,
Das Hans und Matz ex tuto zogen.
Fab.17
Der Esel und der Hase
Nach Burkard Waldis
Es wollten vor uralten Zeiten
Die Tiere mit den Vögeln streiten.
Sie musterten ihr Kriegesheer.
Ein alter und erfahrner Bär
Ward zu dem Feldzug General.
Als dieser in der Krieger Zahl
Den Hasen und den Esel sah,
Sprach er zum Löwen: "Diese da
Sind nichts als Schurken, auf mein Wort!
Man jage sie vom Heere fort."
Der Tiere weiser König sprach:
"Mein lieber Feldherr, nur gemach,
Uns kommen beide sehr gelegen,
Ob sie dir gleich die Gall' erregen;
Wir brauchen zum Kurier den Hasen,
Der Esel soll zum Treffen blasen.
Den Feind mit seiner Stimm' erschrecken,
Und unsern Kriegern Mut erwecken."
Laßt den Geringen auch nicht müßig;
Im Staat ist keiner überflüssig,
So schlecht er sein mag von Natur,
Gebt ihm die rechte Stelle nur.
Fab.18
Der Affe und der
Geizige
Einst hielt ein Geiziger sich einen Affen.
Ein Geiziger zu sein, und den sich anzuschaffen,
Das scheint dir sonderbar; allein bedenke doch,
Gesellschaft kostet Geld, und Menschen können stehlen.
Auch hat ein Affe diese Tugend noch:
Sein Herr darf nichts vor ihm verhehlen;
Er darf vor seinen Augen rechnen, zahlen,
Geld kippen; er verschweigt's, und stört ihn nie darin.
Kurz, die Gesellschaft war nach unsers Harpax*
Sinn.
Der Glockenschlag rief einst den Mann zur Kirche hin;
Den durch sein Fasten, Beten, Singen
Dacht' er dem Himmel noch mehr Gaben abzuzwingen.
Da ließ er in der Eil' ein Schreibpult offen stehn,
Wo ihn sein Petz im Gold' oft hatte wühlen sehn.
Der Affe, der den Haufen Gold erblicket,
Und den die Langeweile drücket,
Sinnt sich gar bald ein Spielchen aus.
Er fängt ein Goldstück an hervorzulangen,
Und zielt, und wirft es durch die Fensterstangen.
Er wiederholt sein Spiel. Man sammelt sich ums Haus,
Man ruft: Mir auch ein Stück, mein Petzchen! haschet,
springet;
Und wem mit Hut und Hand ein Fang gelinget,
Dem jagt's ein andrer wieder ab.
Indem der Affe noch dies Schauspiel gab,
Kam unser Harpax an. Was ist den hier zu sehen?
Worüber lacht man denn? . . . O wehe mir!
Mein schönes Gold! — Verfluchter Räuber, dir
Will ich den Kopf vom Rumpfe drehen,
Das Eingeweide will ich dir
Aus deinem Leibe reißen. . . Mäßigt Eure Hitze!
Sprach hier ein Greis; das Geld ist Euch so wenig nütze,
Als ihm. Er wirft es weg, Ihr sperrt es ein.
Wer mag von euch der klügste sein?
*griech.
Geizhals
Fab.19
Die Brille
Dem alten Freiherrn von Chrysant
Wagt's Amor, einen Streich zu spielen.
Für einen Hagestolz bekannt,
Fing um die sechzig er sich wieder anzufühlen.
Es flatterte, von Alt und Jung begafft,
Mit Reizen ganz besondrer Kraft
Ein Bürgermädchen durch die Nachbarschaft.
Das Bürgermädchen hieß Finette.
Finette war des Freiherrn Siegerin;
Ihr Bild stand mit ihm auf, und ging mit ihm zu Bette.
Da dacht' in seinem Sinn
Der Freiherr: Und warum denn nur ihr Bild?
Ihr Bild, das zwar den Kopf, doch nicht die Arme füllt?
Sie selbst steh' auf mit mir und geh' mit mir zu Bette!
Sie werde meine Frau! Es schelte, wer da schilt.
Ja, gnädige Muhme und Nichte und Schwägerin,
Finett' ist meine Frau, und — Ihre Dienerin.
Schon so gewiß? Man wird es hören.
Der Freiherr kommt, sich zu erklären;
Ergreift das Mädchen bei der Hand,
Tut, wie ein Freiherr, ganz bekannt,
Und spricht: "Ich, Freiherr von Chrysant,
Ich habe Sie, mein Kind, zu meiner Frau ersehn',
Sie wird sich hoffentlich nicht selbst im Wege stehn.
Ich habe Gutes die Hüll' und Fülle."
Und hierauf las er ihr durch eine große Brille
Von einem großen Zettel ab,
Wie viel im Gott an Gütern gab,
Wie reich er sie beschenken wolle,
Welch großen Witwenschatz sie künftig haben solle;
Dies alles las der reiche Mann
Ihr von dem Zettel ab, und guckte durch die Brille
Bei jedem Punkte sie begierig an.—
"Nun Kind, was ist Ihr Wille?"
Mit diesen Worten schwieg der Freiherr stille,
Und nahm mit diesen Worten seine Brille,
(Denn, dacht' er, wird das Mädchen nun
So wie ein kluges Mädchen tun;
Wird mich ihr schnelles Ja beglücken,
Wird' ich den ersten Kuß auf ihre Lippen drücken,
So könnt' ich im Entzücken
Die teure Brille leicht zerknicken.)
Die teure Brille wohlbedächtig ab.
Finette, der dies Zeit sich zu bedenken gab,
Bedachte sich, und sprach, nach reiflichem Bedenken:
"Sie sprechen, gnädiger Herr, von Freien und von Schenken.
Ach, gnädiger Herr, das wäre wohl recht schön;
Ich würd' in Samt und Seide gehn, . .
Was gehn? ich würde nicht mehr gehn,
Ich würde stolz mit sechzehn fahren;
Mir würden ganze Scharen
Von Dienern zu Gebote stehn.
Ach, wie gesagt, das wäre wohl recht schön,
Wenn ich . . wenn ich . ."
"Ein Wenn? Ich will doch sehn,
(Hier fing der alte Herr sich an zu blähn)
Was für ein Wenn mir könnt' im Wege stehn."
'Wenn ich nur nicht verschworen hätte,' . . .
"Verschworen, was Finette?"
'Verschworen nicht zu frein?'
"O Grille", rief der Freiherr, "Grille!"
Und griff nach seiner Brille,
Und nahm das Mädchen durch die Brille
Nochmals in Augenschein,
Und rief beständig: Grille! Grille!
Verschworen nicht zu frein? —
"Behüte, sprach Finette,
Verschworen nur, mir keinen Mann zu frein,
Der so, wie Eure Gnaden pflegt,
Die Augen in der Tasche trägt."
Fab.20
Der Pfau und das
welsche Huhn
Vom Edelhof, der ihn erzogen,
War einst ein Pfau hinweg geflogen
In eine kleine Meierei.
Schnell läuft hier Jung und Alt herbei,
Und greift mit übergroßer Freude,
Den fremden Herrn im schönen Kleide.
Man streut ihm reichlich Futter hin.
Die andern Hühner sehen ihn
Mit heimlicher Bewunderung an,
Mit offenbarem Neid der Hahn.
Dem Pfau gefiel es hier so ziemlich;
Nur schien es seinem Stolz nicht rühmlich,
Daß er, stets artig und galant,
Hier nichts für sich zu lieben fand.
Was kann nicht Langeweile tun?
Ein niedlich junges Welsches Huhn
Schien unserm Stutzer noch allein
Der Mühe wert, verehrt zu sein.
Zwar eine Mutter war noch da,
Die scharf auf ihre Tochter sah;
Allein der Pfau verstand sehr schön,
Die Mutter selbst zu hintergehn;
Und sah noch überdies gar bald,
Daß in des Töchterleins Gestalt
Der Mutter ganz vergaffet war.
Sogleich nimmt er des Vorteils wahr,
Macht an die Tochter sich beherzt,
Liebäugelt, lobet, lachet, scherzt.
Sie war verliebtes Temperamentes.
Der schlaue junge Herr erkennt es
Ganz zuverlässig aus der Art,
Mit welcher ihm begegnet ward.
Die Mutter merkt zuletzt den Handel,
Und spricht: "Mein Herr, der Tugendwandel
Von meiner Tochter ist bekannt;
Sie schickt sich nicht für ihren Stand;
Sie ist nicht aus dem Pfaugeschlecht;
Wir sind nur Hühner schlecht und recht." —
"Madam," sprach hier der Pfau verstellt,
Ich bitte Sie, wer in der Welt
Verdiente wohl mehr, als sie beide,
Vom Pfaugeschlecht zu sein?" — "O Freude,
Ich kann ein würdig Kind erhöhn,
Und es mir gleich und glücklich sehn."-
"Madam betrachten selber nur
Die kleine süße Kreatur:
Gleicht sie nicht völlig einem Pfau?
Und trägt sie sich nicht ganz genau
So, wie sich unsre Schönen tragen?
Der Augenschein wird's Ihnen sagen."
Die Mutter höret ihn entzückt,
Die Tochter preiset sich beglückt.
Dem jungen Herrn wird viel erlaubt,
Der manche Gunstbezeugung raubt,
So daß fast jeder denkt, der Pfau
Und dieses Huhn sei Mann und Frau.
Bei diesem angenehmen Wahn
Kam plötzlich eine Pfauin an.
Sie setztet stolz sich auf das Dach,
Und schreiet alles um sich wach.
Der Pfau vernimmt kaum, daß sie ruft,
So schwinget er sich in die Luft,
Eilt mit dem neuen Schatz davon,
Und läßt dem Hühnchen Schmach und Lohn.
* * *
So machen es in unsern Tagen
Noch viele Herrn, die Federn tragen.
Fab.21
Die
Beratschlagung der Pferde
Nach dem englischen des Gay
"Ha!" sprach ein junger Hengst, "wir Sklaven sind es wert,
Daß wir im Joche sind. Wo lebt ein edles Pferd,
Das frei sein will? Wie glücklich war
In jener goldnen Zeit der Väter Schar!
Die waren Helden; edel, frei
Und tapfer. In die Sklaverei
Bog keiner seinen Nacken,
Engländer nicht, auch nicht Polaken.
Der weite Wald
War ihr geraumer Aufenthalt.
Auch scheuten sie kein offnes Feld.
Sie grasten in der ganzen Welt
Nach freiem Willen. Ach! und wir
Sind Sklaven, gehen am Joch, arbeiten, wie der Stier.
Dem schwachen Menschen sind wir Starken untertan;
Dem Menschen! — Brüder, seht es an
Das unvollkommne Tier!
Was ist es? Was sind wir?
Solch ein Geschöpf bestimmte die Natur
Uns prächtigen Geschöpfen nicht zum Herrn.
Pfui! auf zwei Beinen nur!
Riecht er den Streit von fern?
Sieht man, daß seine Nase dampft?
Bebt unter ihm die Erde, wenn er stampft?
Ist er großmütiger als wir?
Ist er ein schöner Tier?
Hat er die Mähne, die uns ziert?
Und doch ist er, o Schmach! der Herr! der uns regiert;
Wir tragen ihn, wir fürchten seine Macht,
Wir führen seinen Krieg, wir liefern seine Schlacht.
Er siegt, und höret Lobgesang;
Die Schlacht indes, die er gewann,
War unser Werk, wir hatten es getan.
Was aber ist der Dank?
Wir dienen ihm zur Pracht vor seinem Siegerwagen;
Und ach! vielleicht nach drei vier Tagen
Spannt er den Rappen, der ihn trug,
Vor einen Pflug.
Entreißet euch der niedern Sklaverei!
Entreißet euch dem Joch, ihr Brüder, werdet frei!
Leicht ist die Sache, halten wir
Nur fein zusammen. Sagt, was meint ihr?"
Er schwieg. Ein wieherndes Geschrei,
Ein wilder Lärm entstand, und jeder fiel ihm bei.
Ein witziger erfahrner Schimmel nur,
Ein zweiter Nestor sprach: "Wahr ist es, die Natur
Gab uns die prächtige Gestalt,
Die keiner hat, als wir; auch gab sie uns Gewalt
In unsern Huf. Jedoch aus mildrer Hand
Bekam der Mensch weit mehr Verstand.
Wer bauete den Stall, worin wir sicher sind
Vor Bär und Wolf, vor Regen, Frost und Wind?
Wer macht, daß wir auch dann des Hungers noch entgehen,
Wenn wir das Grün der Auen schwinden sehen?
Wenn Eis vom Himmel fällt, und alles wüst und tot
Auf allen Fluren ist? Wer wendet alle Not
Alsdann von unsern Krippen ab?
Der Mensch, der gute Mensch, den uns der Himmel gab.
Er streuet Haber aus und erntet siebenfach;
Er trocknet süßes Gras und bringt es unter Dach.
Zwar helfen wir dabei, doch tun wir keinen Schritt
Und keinen Zug umsonst. Er macht uns täglich satt
Mit Speis und Trank; und wenn er Sonntag hat,
So haben wir ihn mit.
Wir dienen ihm, er uns; wir leben miteinander,
Sind miteinander frei. Der Rappe Bucephal,
Ein Grieche, welcher einst den Mensch Alexander
Auf seinem Rücken trug, war König in dem Stall,
Wie jener auf dem Thron; und, kam er in ein Feld,
Wo Ruhm zu ernten war, so war er auch ein Held.
Und beide, Pferd und Mensch, eroberten die Welt,
Und teilten den Ruhm des Sieges. Würden wir
Von Bucephal sonst Nachricht haben?
Und läge nicht das edle Tier
Schon längst in tiefer Nacht begraben?"
Menenius Agrippa mag so gut
Die Römer kaum besänftigt haben,
Da sie voll Übermut
Sich aus der Vaterstadt begaben,
Als dieser Nestor seiner Brüder Wut.
Denn er voran, und nach ihm alle
Die mutigen Rebellen, Paar bei Paar,
Nebst dem, der ihr Worthalter war,
Begaben alsbald sich wieder nach dem Stalle.
Fab.22
Das ausgerechnete Glück*
Ein jeder glaubet, was er hofft.
Der Wunsch nach Glück, den wir doch oft
Auf dem Betrug ertappet haben,
Betrügt das Kind, betrügt den Knaben,
Betrügt den Mann, betrügt den Greis.
Ein Taglöhner sei jetzt mein Beweis,
Der einer Nachtigall die Freiheit raubte,
Und schon in seiner Hand sein Glück zu halten glaubte.
Er dachte: Ja, gewiß, den Vogel seh' ich an,
Daß er vortrefflich schlagen kann;
Er ist ja gar zu schön! und für ein solches Tier
Hat unser Herr wohl eh zwölf Taler hingegeben. —
Recht! Peter kriegte sie. Warum sollt' es denn eben
Nur Petern glücken, und nicht mir?-
Nun, die zwölf Taler hätt' ich dann,
Nur fragt sich's, wie sind die gut anzulegen?
Zu Pferden? — — Nein! das geht nicht an;
Sie fressen manchem sein Vermögen.
Wozu denn? — — — Könnte mir's nicht der Verwalter sagen,
Der jetzt so reich wird? darin ist er klug.
Doch bin ich nicht ein Narr? was soll ich andre fragen?
Hab' ich nicht selbst Verstand genug? —
Ich pachte . . .Nein, ich kaufe . . . ich kaufe . . .
Ha, nun wird's kommen!
Ja, ja, das wird am besten sein:
Zwei Kühe kauf' ich mir! — Die wären also mein.
Nun weiter! — Wenn ich erst die Nutzung mitgenommen,
So kalbt auch jede Kuh. Aus Kälbern werden Kühe;
Und Kühe werden's doch wohl sein;
So wären denn, mit leichter Mühe,
(Denn zwei und zwei macht vier,) vier fette Kühe mein.
Indes das nun die Alten wieder kalben,
So kalbt das Jahr darauf auch jede junge Kuh,
So, daß das nächste Jahr acht Kühe wieder kalben;
Ist eine gleich dabei, die nicht kalbt, meinethalben.
Was schadet das? Zudem wird das auch nicht geschehn.
Das wären also. . (Laßt doch sehn — —
Acht Kühe zweimal acht macht . . macht sechzehn) sechzehn
Kühe.
Ha! sechzehn Kühe schon, und mit so wenig Mühe!
Die sechzehn Kühe nehme ich dann,
Und schlage sie recht teuer an.
Dafür kauf' ich ein Feld; und das wird Gott schon segnen.
Was andern schon begegnet ist,
Das kann ja mir wohl auch begegnen;
Ich bin ja, denk' ich, auch ein Christ:
Denn sann' ich mich auch tot, so wüsst' ich in der Tat
Den Sonntag nicht, da ich den Gottesdienst versäumet.
Wenn mir vom Diebstahl auch manch Mal geträumet hat,
So hat mir doch davon nur bloß geträumet.
Ich halte dann mein Korn zurück,
Und schütte es auf; darauf steht keine Strafe.
Dann wird ein teures Jahr; denn meistens kommt das Glück
Dem, dem es Gott geben will, im Schlafe.
Wird es, so schlag' ich los; das bringt nicht wenig ein.
Dann kauf' ich mir bei Leipzig eine Schenke;
Weil ich, wie unser Wirt, da gut zu schneiden denke.
Kein Mensch kann immer ehrlich sein.
Ein Wirt hat überdies noch Mittel, außerm Schneiden.
Geht's nicht am frömmsten zu, was geht denn mich das an?
Wenn es der Junker leiden kann,
So kann es ja der Wirt wohl leiden.
Nach drei, vier Jahren darauf verkauf' ich Schenk' und Feld,
Zieh' in die Stadt, und leih' den Armen
Um zwölf Prozent, doch nur auf Pfandes, Geld.
Man muß sich fremder Not erbarmen,
Das bringt uns Segen in das Haus.
Man macht zwar sehr viel Wesens draus,
Weil auch wohl ohne Pfand die Christen leihen sollen;
Doch wann leiht unser Pfarrer wohl ohne Pfand was aus?
Der wird's doch auch verstehen, und selig werden wollen.
Stets hat er zwölf Prozent genommen,
Und keinem was daran geschenkt.
Wo der einst hinzukommen denkt,
Da denke ich auch einst hinzukommen.
Und nun hat Michel Geld, und fährt fort zu denken:
Dann soll mein Staat die Ratsherrn alle kränken.
Dann werde ich für mein Geld wohl gar ein Edelmann.
Der Herr von Michel! Ei, wie prächtig wird das klingen!
Wie schön, wenn ich einst sagen kann:
Kerl! hört Ihr nicht? das Kleid sollt Ihr mir bringen.
Wie schön, wenn dann ein jeder spricht:
Kennt ihr den gnäd'gen Herrn, den Herrn von Michel nicht?
Der Mann von Michel wird kein Narr sein, und noch gehen;
Er wird sich auch in seiner Kutsche blähen.
Sodann erfährt der Hof, das alles von mir spricht,
Dann will ich mich erst recht gebärden;
Denn ich kann noch weis was werden.
Ein Dummkopf bin ich doch auch für den Teufel nicht.
Doch soll der Hof mich erst recht bitten müssen;
Die er mir schickt, will ich kaum grüßen,
Und jeder soll den Rock mir küssen.
So bald man mich genug gebeten hat,
So will ich mich nach Hofe fahren lassen.
Um mich zu sehn, läuft alles auf die Gassen.
Da werde ich — ein Geheimer Rat! denkt an!
Wär' ich das, wenn nicht mein Verstand getan?
Kommt denn einmal mein Junker nur,
Mir untertänig aufzuwarten,
Meiner Seel' das ist ein hoher Schwur,
Denn laß ich ganze Stunden warten.
Ich krieg' ihn, daß er jüngst mich einen Bengel hieß,
Und gar ins Loch mich stecken ließ
Hört, sprech ich gleich, Ihr Bengel! könnt Ihr warten?
Gräfinnen werden sich bemühen
Mich listig in ihr Garn zu ziehen;
Sie werden mir die Hand zerküssen,
Das ich sie nehmen soll. Ja, laßt sie schön grüßen!
Der Herr Geheime Rat ist dazu all zu schlau;
Und eine Gräfin wird gewiß nicht seine Frau.
Kommt eine Herzogin, so kann das eh geschehen.
Frau Herzogin, wir wollen sehen.
Kommt Zeit, kommt Rat. Bargeld macht guten Kauf.
Hat sie ein Herzogtum, und keine Schulden drauf,
So will ich ihr mein Jawort geben.
Wie lustig wird dann nicht Herr Herzog Michel leben!
Dann drück ich die, die mich vordem gedrückt.
Und wer sich nicht vor mir bis auf die Erde bückt,
Denn laß ich auf der Stelle hängen.
Mit Arbeit will ich mich nicht sehr vermengen,
Die großen Herren mögen meinen Dienst versehn,
Die dann bei mir im Solde stehn.
Dann will ich meiner Not vergessen,
Und täglich Schweinebraten essen,
Und täglich in die Schenke gehen.
Doch pfui! ich weis nicht was ich denke;
Wie komme ich wieder auf die Schenke?
Das würde fein für einen Herzog stehen!
Nein, meine Frau soll mir den Wurzner holen.
Ich spreche: Hole Bier! Nun Frau? was heißt den das?
Du gehst noch nicht, du stolze Närrin? was?
Du willst nicht tun, was dir dein Herr befohlen?
Was? eingebildetes Mensch! du weigerst dich noch? du?
Geh diesen Augenblick, sonst schlag ich zu.
Hier kann der Herzog sich nicht fassen:
Er öffnet seine Hand, von Wut ganz ausgelassen,
Um die Frau Herzogin zu schlagen, dass sie es fühlt.
Der arme Schelm hatte außer Acht gelassen,
Dass er in dieser Hand sein Herzogtum noch hielt.
O, das war ein betrübter Fall!
Wie war nun Micheln nun zu raten?
Denn ihm entflog die Nachtigall,
Und mit ihr das Herzogtum, und Wurzner Bier und Braten.
*Diese
Erzählung hat den Stoff zu dem ehemals berühmten Nachspiele
Herzog Michel gegeben.
Sie ist aber schon sehr alt. Sie findet sich schon in der
indischen
Fabelsammlung des Pantschatantra.
Fab.23
Fritzchen und Hans
Geh, Junge! sagte Fritz zu seinem Knecht und Hüter:
(Der Mensch, der dieser Junge war,
Trug seine Livree bei grauem Haar,
Und sein gefährlicher Gebieter
Erlebte, wohl gezählt, sein sechstes Jahr!)
Geh, Junge, lauf! ich will den Kreisel haben.
Der Kreisel kam. — Den Ball! kannst du mich nicht verstehn?
Er kam. — Was soll der Ball? Den Vogel! . . Ha! nicht den!
Du Rindvieh! wirst du mir bald aus den Augen gehen?
Er ging. — Bleib hier! — und Hans gehorchte dem Knaben,
Stumm, als ein Fisch, und muckste nie.
Des Kindes Vormund sprach: Herr Vetter, lassen Sie
Sich im Vertrauen ein Wörtchen sagen:
Sie machen ohne Not den Leuten viele Müh.
Getreue Diener muß man so nicht plagen.
Ich bitte sehr, befehlen Sie
Mit einem Wort von ihm, was er machen soll, zu machen. —
Herr Oheim, sind dies Ihre Sachen?
Rief Fritz. Ich sehe gern, daß niemand sich vergißt.
Genug, das dieser Kerl mein eigner Diener ist.
War dies ein Abbild eines jungen Prinzen?
Ich weiß es nicht. Doch wehe den Provinzen,
Wo solch ein Kind der König ist!
Fab.24
Des Vulkanus drei Ehen
Vulkanus traf den Mars da wieder an,
Wo er ihn ehemals in einem Netze haschte,
Als er verbotne Früchte naschte,
Und nie hat ihm die Stirn so weh getan.
Beim Styx! so brach er los, ich will das Ding nicht leiden.
Man stellt ihm die Geduld so manches Gottes vor:
Umsonst, der Grimm verschloß sein Ohr,
Er ließ sich von der Venus scheiden.
Ein Gott der Schmiede kann nicht lange Witwer sein.
Die Göttin Eris tritt an Venus Stelle.
Vulkan vertauscht, zu größrer Pein,
Das Fegefeuer mit der Hölle.
Der Eris Antwort fing sich stets von Aber an,
Nein war das Schlußwort ihrer Rede.
Aus ihrem Munde wuchs der Zwiespalt und die Fehde;
Nichts war ihr möglich zu bejahn.
Er hatte kaum geredet, so strafte sie ihn Lügen;
Er schwur, daß er's gesehen; sie sprach: Die Sinne trügen;
Er rief: Das schadet! Sie rief: Immerhin!
Das war ein rechter Eigensinn!
Auch ward Vulkan zuletzt des Dinges müde,
Und als sein Buhlschatz ihm das Widerspiel
Einst allzu heftig hielt, nahm er den Hammerstiel
Und jagte seinen Eheschatz aus der Schmiede.
Gewohnheit wird Natur. Vulkan hat keine Ruh,
Bis er zur dritten Frau die Echo sich erlesen,
Die ihrer Jungfernschaft schon lange gram gewesen.
Nun war Vulkan vergnügt, und seine Frau dazu.
Was er für gut befand, das lobte sie zur Stunde.
Kein Aber kam aus ihrem Munde.
Noch mehr, sie wiederholte jedes Mal,
Was ihr der liebe Mann befahl.
Sie pfiff, so bald er Pfiff, sie fluchte, wenn er fluchte.
Ich dächte, sprach der Mann, ich dachte, rief sie nach;
Er ja, sie ja; kurz, was er auch versuchte,
Sprach doch die Liebste nichts, als was der Liebste sprach.
Kind rief er endlich, sagst du denn zu jeder Sache
Nichts mehr, als Ja? — Ja! fiel die Antwort aus.
Hilf! Himmel! seufzt er: Ist das saubre Haus
So schlecht verwahret unterm Dache?
Frau Eris quälte mich mit Nein,
Und diese macht mit Ja den Ehestand zuwider.
Fort, Affe! fort! laß mich allein, und komm nicht wieder.
Fort, Affe! fort! sprach sie, und ließ den Mann allein.
* * *
Wie viele Männer trifft ein gleicher Fall;
Der zeugt mit seiner Frau nicht Kinder seines Leibes,
Der freit ein böses Weib, und mancher statt des Weibes,
Nur einen schönen Widerhall.
Fab.25
Die beiden Bonzen
Zwei Mönche von dem Indusstrand
Durchzogen einst nach alter Sitte
Mit Salz und Bettelsack das Land,
Und sahen ein Weib vor einer Hütte,
Die lockte ein junges Entenpaar
Und reicht ihm frisches Futter dar.
Sie nahen sich ihr mit schnellem Schritte,
Und stürzten auf das Antlitz hin.
Was soll's mit diesen Komplimenten,
Ihr Herren? rief die Bäuerin.
Ach, gutes Weib, in diesen Enten
Wohnt unsrer lieben Vater Geist.
Vielleicht (o, könnten wir es doch wehren!)
Das bald ihr Fleisch ein Bluthund speist;
So riefen sie mit bittern Zähren.
Dem Weiblein ward im Herzen warm;
Ich wollte sie euch gern verehren,
Doch, liebe Herren, ich bin arm;
Aus Mangel muß ich in drei Tagen
Sie nach der Stadt zum Markte tragen.
Nun ging das Jammern wieder an:
Q weh den armen guten Greisen!
Ach, ist dein Herz von Stein und Eisen?
Mit Zittern gab die Meierin
Die Väter jetzt den Söhnen hin;
Die trugen sie vergnügt nach Hause,
Und fraßen sie zum Abendschmause.
Fab.26
Der Kobold
Als noch der böse Nix die Wöchnerinnen schreckte,
Der Kobold hübsche Mägde neckte,
Die weise Frau dem Knecht das Deckbett nahm,
Und der verwünschte Mönch bei Nacht zur Köchin kam,
Ließ auch auf einer Burg ein Poltergeist sich sehen,
An Stirn und Bart ein Greis, an Wuchs ein Kind,
Gekleidet und gegürtet, wie die Pilger sind,
Mit Reisekappe und Stab versehen.
War je ein Kobold lobenswert.
So war es dieser hier; er stand vor Stall und Herd;
Doch durfte man durch Spott es nicht mit ihm verderben,
Sonst folgten Schläge, Beulen, Scherben.
Dabei besaß er auch die Kunst zu prophezeien.
Kein Sterbetag fiel unverkündigt ein;
Stets hatte man, noch eh der Fall geschehen,
Den Zwerg in Boy verhüllt gesehen.
So unterschied er sich durch Dienst und guten Rat
Von Geistern, die die Menschen quälen.
Ich will nur eine Tat erzählen,
Die klügste, die vielleicht ein Kobold tat.
Es sah das Schloß, nicht ohne Schauer,
In plötzlich in der tiefsten Trauer.
Ein abgekrempter Hut, der fast den Mann verbarg,
Ein ungeheurer Flur, der sich nicht enden wollte,
Dies zeigte klar, daß bald ein Großer sterben sollte.
Die meisten deuteten es auf des Burgherrn Sarg,
Noch andere rieten auf den Sohn und Erben;
Ja mancher sah sie beide sterben.
Man riet sich müd', und jedes blieb gesund.
Doch endlich starb des Burgherrn Hund.
Was? willst du einen Hund zu meiner Freundschaft zählen?
So hörte man den Herrn auf seinen Kobold schmähen.
Nur nicht zu hitzig! rief der Geist;
Wer ward von dir geküßt? aus deiner Hand gespeist?
Wer lag an deiner Brust? wer schlief in deinen Armen?
Wer fand in Schwachheit oder Not Erbarmen?
Wer anderes als dein Hund? es fiel mir also ein,
Er müßte wohl dein Bruder sein.
Hier schämte sich der Herr.
Du, merke dir die Lehre,
Die dir das kleine Männchen gibt,
Dass der zu Menschen nicht gehöre,
Wer Tiere mehr als Menschen liebt.
Fab.27
Der Spieler und der
Greis
Ein Spieler, der zehn tausend Gulden
Mit Parolieren*
durchgebracht,
Und auf sein Ehrenwort noch Schulden
Für mehr, als er besaß, gemacht,
Verließ mit Singen (als Franzose)
Und stillem Fluch das Kaffeehaus,
Und zog sein letztes Gut, die Dose
Von fein getriebnem Gold heraus.
Ich bitte um eine kleine Gabe,
Rief hier ein Greis; und er: Ich habe
Nicht einen Deut, laß mich in Ruh!
Willst du Tabak, so greife zu.
Was braucht es Herr, daß ich erst niese?
Versetzt der Greis mit schlauem Spott,
Man sagt mir täglich ohne Prise
Nur allzu häufig: Helf Gott!
*Das
Wort kommt aus dem franz. und damit ist die Verdoppelung
des ersten Einsatzes beim Pharaospiel gemeint. Pharaospiel
(auch Farospiel) ist ein sehr altes, früher nur in
Frankreich bekanntes,
jetzt aber allgemein verbreitetes Hasardspiel.
Fab.28
Ein Gesicht
Auf einer blassen Heide,
Von Wellen still durchflossen,
Erblickte ich vor einander
Auf ihrem Steiße sitzend,
Die Schatten zweier Esel.
Mit einem Vorderhufe
Schwang jeglicher ein Rauchfaß
Voll Ambra vor der Nase
Des Bruders hin und wieder,
Den Bruder zu verehren.
Als ich erstaunt da stand,
Sprach Minos: "Siehe Jüngling,
Zwei alte Schulmonarchen,
Die sich in ihrem Leben,
Weil sie die Welt nicht lobte,
Nicht ungelobt zu sterben,
Einander selber lobten."
Fab.29
Die Eiche und die
Fichte
"Wie kommst du in den hoch erhabnen Eichenwald,
Nichtswerte Fichte? Such' dir einen Aufenthalt
Beim Pöbel deiner Art." —
"Ihr hoch erhabnen Eichen,
Ein kleiner Ehrgeiz treibet mich;
Beim Pöbel meiner Art sind größer noch als ich;
Hier übersehe ich euresgleichen."
Fab.30
Die abgeschaffte
Oberstelle
Auf Rat der Landesstände ein Ding erst zu belieben,
Sieht eben nicht Monarchen gleich;
Doch Sitte war es in der Löwen Reich.
Hier ward ein Landtag ausgeschrieben;
Die Tiere standen wartend da,
Bis König Löwe kam. "Nehmt Platz ihr Herren,"
Sprach der Monarch. Allein der eine sah
Den andern an, es wollte keiner gern
Den Anfang machen. Denn die Grade
Des Ranges, die Pyrmont erfand,
Vielleicht auch noch hält, waren ihnen unbekannt.
Ein jeder hielt es für die allerhöchste Gnade,
Den Rasen einzunehmen, wo der Löwe saß.
Bei diesem Zaudern ward ihm nach gerade
Die Zeit lang. "Sagt ihr Herren, treibt ihr Spaß?
Bei meinem Barte! kämen wir
Auch bloß hierher uns zu traktieren,
So sollte doch kein kluges Tier
Die Zeit mit Possen so verlieren.
Herr Esel" (denn auch Esel sind,
Wenn ihr es noch nicht wißt, zuweilen Landesstände)
Herr Esel;, setze Er sich geschwind
Hier neben mich! und hiermit hat das Lied ein Ende."
Welch eine Würde da der Esel an sich nahm,
Läßt sich von selbst erachten.
Die andern Tiere lachten,
Und alle Tiere setzten sich in Zukunft — wie es kam.
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