Fabelverzeichnis
zurück


weiter
 

Frauenlieder 1
 
Kaiser Heinrich
Albrecht von Johansdorf
Dietmar von Aist
Hartmann von Aue
Meinloh von Sevelingen
Walther von der Vogelweide
Gottfried von Neifen
Neidhart von Reuental


Quelle:
©Reclam 2000 Frauenlieder des Mittelalters/Übersetzt und herausgegeben ©Ingrid Kasten

 

Kaiser Heinrich

 

Wol hôher danne rîche
 
Wohl mehr als mächtig
 
1.
'Wol hôher danne rîche bin ich alle die zît,
sô alsô güetlîche diu guote bî mir lît.
si hât mich mit ir tugende
gemachet leides vrî.
ich kom ir nie sô verre sît ir jugende,
ir enwære mîn stætez herze ie nâhe bî.'

2.
Ich hân den lîp gewendet an einen ritter guot,
daz ist alsô verendet, daz ich bin wol gemuot.
daz nîdent ander vrouwen
unde habent des haz
und sprechent mir ze leide, daz si in wellen schouwen.
mir gevíel in al der welte nie nieman baz.
 
1.
'Wohl mehr als mächtig bin ich alle Zeit,
wenn die Liebste so lieb bei mir liegt.
Sie hat mit ihrer Kraft meinen Kummer vertrieben.
Niemals habe ich mich seit ihrer Jugend
auch nur ein wenig von ihr entfernt,
ohne daß mein treues Herz ihr stets nahe gewesen wäre.'

2.
Ich habe mich einem edlen Ritter hingegeben.
Das ist so vor sich gegangen, daß ich froh bin.
Deshalb sind andere Frauen neidisch
und voll Haß
und sagen, um mir wehzutun, sie wollen ihn sich anschauen.
Mir gefiel in der ganzen Welt nie jemand besser.
 
Albrecht von Johansdorf

 
Ich vant si âne huote
 
Ich fand sie ohne Aufsicht
 
1.
Ich vant si âne huote
die vil minneclîche eine stân.
jâ, dô sprach diu guote:
»waz welt ir sô eine her gegân?«
Vrowe, ez ist alsô geschehen.
»sagent, war umbe sint ir her? des sult ir mir verjehen.«

2.
»Minen senden kumber
klage ich, liebe vrowe mîn.«
wê, waz sagent ir tumber?
ir mugent iuwer klage wol lâzen sîn.
»Vrowe, ich enmac ir niht enbern.«
sô wil ich in tûsent jâren niemer iuch gewern.

3.
»Neinâ, küniginne!
daz mîn dienst sô iht sî verlorrn!«
ir sint âne sinne,
daz ir bringent mich in selhen zorn.
»Vrowe, iuwer haz tuot mir den tôt.«
wer hât iuch, vil lieber man, betwungen ûf die nôt?

4.
»Daz hât iuwer schoene,
die ir hânt, vil minneclîchez wîp.«
iuwer süezen doene
wolten krenken mînen staeten lîp.
»Vrowe, niene welle goz.«
wert ich iuch, des hetet ir êre; sô waer mîn der spot.

5.
»Sô lânt mich noch geniezen,
daz ich iu von herzen ie was holt.«
iuch mac wol verdriezen,
daz ir iuwer wortel gegen mir bolt.
»Dunket iuch mîn rede niht guot?«
jâ si hât beswaeret dicke mînen staeten muot.

6.
»Ich bin ouch vil staete,
ob ir ruochent mir der wârheit jehen.«
volgent mîner raete,
lânt die bete, diu niemer mac beschehen.
»Sol ich alsô sîn gewert?«
got der wer iuch anderswâ, des ir an mich dâ gert.

7.
»Sol mich dan mîn singen
und mîn dienst gegen iu niht vervân?«
iu sol wol gelingen,
âne lôn sô sult ir niht bestân.
»Wie meinent ir daz, vrowe guot?«
daz ir dest werdet sint unde dâ bî hôchgemuot.

~0~~0~~0~

Wie sich minne hebt, daz weiz ich wol

1.
Wie sich minne hebt, daz weiz ich wol;
wie si ende nimt des weiz ich niht.
ist daz ich es inne werden sol,
wie dem herzen herzeliep geschiht,
sô bewar mich vor dem scheiden got,
daz waen bitter ist.
disen kumber vürhte ich âne spot.

2.
Swâ zwei herzeliep gevriundent sich,
und ir beider minne ein triuwe wirt,
die sol niemen scheiden, dunket mich,
al die wîle unz sî der tôt verbirt.
waer diu rede mîn, ich taete alsô:
verliure ich mînen friunt,
seht, sô wurde ich niemer mêre vrô.

3.
Dâ gehoeret manic stunde zuo,
ê daz sich gesamne ir zweier muot.
dâ daz ende unsanfte tuo,
ich waene wol, daz sî niht guot.
Lange sî ez mir unbekant.
und werde ich iemen liep,
der sî sîner triuwe an mir gemant.

4.
'Der ich diene und iemer dienen wil,
diu sol mîne rede vil wol verstân.
spraeche ich mêre, des wurde alze vil.
ich wil ez allez an ir güete lân.
Ir genâden der bedarf ich wol.
und wil si, ich bin vrô;
und wil si, so ist mîn herze leides vol.'
 
1.
Ich fand sie ohne Aufsicht,
die Süße, ganz allein.
Ja wirklich, da sagte die Liebe:
»Was führt Euch so allein hierher?«
Herrin, es ist halt so gekommen.
»Sagt, warum seid Ihr hier? Gesteht es mir.«

2.
»Meinen Liebeskummer
will ich klagen, meine liebe Herrin.«
Weh, was sagt Ihr da, Ihr Narr?
Ihr solltet Euer Klagen besser lassen.
»Herrin, ich kann es aber nicht.«
Dann will ich Euch auch in tausend Jahren nicht erhören.

3.
»Nein doch, Königin!
Daß mein Dienst so vergeblich sein soll!«
Ihr habt den Verstand verloren,
daß Ihr mich so erzürnt.
»Herrin, wenn Ihr mich nicht mögt, das ist mein Tod.«
Wer hat Euch, liebster Mann, in diese Bedrängnis gebracht?

4.
»Eure Schönheit,
allerliebste Frau.«
Eure Schmeicheleien
sollten mich wohl in meiner Tugend erschüttern.
»Herrin, das verhüte Gott!«
Wenn ich Euch erhörte, hättet Ihr die Ehre, ich aber die Schande.

5.
»So laßt es mir trotzdem zugute kommen,
daß ich Euch stets von Herzen ergeben war.«
Es wird Euch eher Verdruß bringen,
daß Ihr mich mit so ausgesuchten Worten bekriegt.
»Findet Ihr meine Rede nicht gut?«
Sie hat mich ja in meiner Standhaftigkeit oft bedrängt.

6.
»Auch ich bin sehr treu,
wenn Ihr mir die Wahrheit gnädigst zugesteht.«
Wenn Ihr meinem Rat folgen wollt,
dann laßt diese Bitte, die niemals erfüllt werden kann.
»Soll das etwa mein Lohn sein?«
Gott gewähre Euch anderswo, was Ihr von mir begehrt.

7.
»Soll mir denn mein Singen
und mein Dienst bei Euch nichts nützen?«
Es wird Euch schon etwas einbringen,
ohne Lohn werdet Ihr nicht bleiben.
»Wie meint Ihr das, liebe Herrin?«
Daß Ihr um so mehr an Wert gewinnt und dabei frohgestimmt seid.

~0~~0~~0~

Wie Liebe beginnt, daß weiß ich gut

1.
Wie Liebe beginnt, daß weiß ich gut,
aber wie sie aufhört, weiß ich nicht.
Sollte ich es erfahren,
wie dem Herzen wahre Liebe zuteil wird,
dann bewahre Gott mich vor der Trennung,
die sicher bitter ist.
Diesen Schmerz fürchte ich ernstlich.

2.
Wo immer zwei sich befreunden, die einander herzlich lieben,
und wo ihrer beider Liebe zu einer Treue wird,
soll sie niemand, meine ich, trennen,
solange sie der Tod verschont.
Wenn ich in solch einer Lage wäre, handelte ich so:
Wenn ich den Freund verlöre,
glaubt mir, ich würde nie mehr froh.

3.
Es braucht so manche Zeit,
bis ihr beider Sinn sich einig wird.
Da das Ende schmerzlich sein soll,
glaube ich wohl, daß es nicht gut ist.
Lange bleibe es mir unbekannt!
Und wenn mich jemand liebgewinnt,
den mahne ich, mir treu zu sein.

4.
'Die, der ich diene und immer dienen will,
soll meine Worte richtig verstehen.
Sagte ich mehr, dann wäre es schon zuviel.
Ich will alles ihrem lieben Wesen überlassen.
Auf ihr Entgegenkommen bin ich angewiesen.
Und wenn sie will, dann bin ich froh,
und wenn sie will, dann ist mein Herz voller Leid.'
 

Dietmar von Aist

 

Seneder vriundinne bote
 
Bote der sehnsüchtigen Freundin
 
1.
'Seneder vriundinne bote, nu sage dem schoenen wîbe,
daz mir âne mâze tuot wê, daz ich sî sô lange mîde.
lieber hette ich ir minne
danne al der vogelline singen.
nû muoz ich von ir gescheiden sîn,
trûric ist mir al daz herze mîn.'

2.
Nu sage dem ritter edele, daz er sich wol behüete,
und bite in, schône wesen gemeit und lâzen allez ungemüete.
ich muoz ofte entgelten sîn.
vil dicke erkumet daz herze mîn.
an sehendes leides hân ich vil,
daz ich ime selbe gerne klagen wil.

3.
Ez getet nie wîp sô wol an deheiner slahte dinge,
daz al die welt diuhte guot. des bin ich wol worden inne.
swer sîn liep dar umbe lât,
daz kumet von swaches herzen rât.
dem wil ich den sumer und allez guot
widerteilen durch sînen unstaeten muot.

~0~~0~~0~

Sô wol dir, sumerwunne!

Sô wol dir, sumerwunne!
daz vogelsanc ist geswunden,
alse ist der linden ir loup.
jârlanc trüebent mir ouch
mîniu wol stênden ougen.
mîn trût, du solt dich gelouben
anderre wîbe.
wan helt, die solt du mîden.
dô mich êrst saehe,
dô dûhte ich dich ze wâre
sô rehte minneclîch getân.
des man ich dich, lieber man.

~0~~0~~0~

Nu ist ez an ein ende komen

1.
'Nu ist ez an ein ende komen, dar nâch ie mîn herze ranc,
daz mich ein edeliu vrowe hât genomen i ir getwanc.
der bin ich worden undertân
als daz schif dem stiurman,
swanne der wâc sîn ünde alsô gar gelâzen hât.
sô hôh ôwî!
si benimet mir mange wilde tât.'

2.
»Jâ hoere ich vil der tugende sagen von eime ritter guot.
der ist mir âne mâze komen in mînen staeten muot.
daz sîn ze keiner zît mît lîp
mac vergezzen«, redte ein wîp,
»nu muoz ich al der welte haben dur sînen willen rât.
sô hôh ôwî!
wol ime, wie schône er daz gedienet hât!«

3.
'Wie möhte mir mîn herze werden iemer rehte vruot,
daz mir ein edeliu vrouwe alsô vil ze leide tuot!
der ich vil gedienet hân,
als ir wille was getân.
nû wil sî gedenken niht der mangen sorgen mîn.
sô hôh ôwî!
sol ich ir lange vrömde sîn?"

~0~~0~~0~

Ez stuont ein vrouwe aleine

Ez stuont ein vrouwe aleine
und warte über heide
unde warte ir liebes,
sô gesach si valken vliegen.
»sô wol dir, valke, daz du bist!
du vliugest, swar dir liep ist,
du erkiusest dir in dem walde
einen boum, der dir gevalle.
alsô hân ouch ich getân:
ich erkôs mir selbe einen man,
den erwelten mîniu ougen.
daz nîdent schoene vrouwen.
owê, wan lânt si mir mîn liep?
joch engerte ich ir dekeines trûtes niet!«
 
1.
'Bote der sehnsüchtigen Freundin, nun sage der schönen Frau,
daß es mir über die Maßen weh tut, daß ich so lange fern bin von ihr.
Lieber wäre mir ihre Liebe
als aller Vögelein Singen.
Nun muß ich getrennt von ihr sein,
traurig ist mir all mein Herz.'

2.
Nun sage dem edlen Ritter, daß er gut auf sich achtgebe,
und bitte ihn, nach vornehmer Sitte froh zu sein und allen Unmut zu lassen.
Seinetwegen muß ich oft Leid erdulden,
immer wieder wird mir im Herzen bange.
Großen Kummer habe ich vor Augen,
den ich ihm gern selbst klagen will.

3.
Niemals war eine Frau in allem so vollkommen,
daß es allen Leuten recht erschien. Das ist mir ganz klar geworden.
Wer deshalb seinen Geliebten verläßt,
gibt einem kleinmütigen Herzen nach.
Dem will ich den Sommer und alles Gute
absprechen wegen seiner Unbeständigkeit.

~0~~0~~0~

Gepriesen seist du, Sommerwonne!

Gepriesen seist du, Sommerwonne!
Der Vögel Gesang ist verschwunden
und der Linde Laub.
Jetzt trüben sich mir auch
meine schönen Augen.
Mein Liebster, du sollst
auf andere Frauen verzichten.
Denn von ihnen, Held, sollst du dich fernhalten.
Als du mich zuerst sahst,
da erschien ich dir wirklich
so richtig liebenswert.
Daran erinnere ich dich, lieber Mann.

~0~~0~~0~

Nun ist es dahin gekommen

1.
'Nun ist es dahin gekommen, wonach mein Herz sich immer sehnte,
daß eine edle Dame mich in ihren Dienst genommen hat.
Der bin ich ergeben
wie das Schiff dem Steuermann,
wenn das Meer seine Wogen so vollkommen ruhen läßt.
— so hoch, ach! —
Sie nimmt mir manche Ungebärdigkeit.'

2.
»Ich höre wirklich viel Gutes über einen edlen Ritter,
an den ich in übermäßiger Treue denke,
so daß ich ihn zu keiner Zeit
vergessen kann«, sagte eine Frau.
»Nun muß ich ihm zuliebe alles andere aufgeben.
— so hoch, ach! —
Wohl ihm, wie sehr er sich das verdient hat!«

3.
'Wie könnte mir das Herz jemals recht froh werden,
da mir eine edle Dame so viel zuleide tut,
der ich lange gedient habe,
so wie sie es wünschte.
Nun will sie von meinem vielen Kummer nichts wissen.
— so hoch, ach! —
Werde ich ihr noch lange gleichgültig bleiben?'

~0~~0~~0~

Es stand eine Frau allein

Es stand eine Frau allein
und blickte aus über die Ebene
und blickte aus nach ihrem Liebsten.
Da sah sie einen Falken fliegen.
»Dein Leben, Falke, sei gepriesen!
Du fliegst, wohin du magst,
und wählst dir in dem Wald
einen Baum, der dir gefällt.
Das habe auch ich getan:
Ich suchte mir selbst den Mann aus,
den erwählten meine Augen.
Das mißgönnen mir schöne Frauen.
Ach, warum lassen sie mir meinen Liebsten nicht?
Ich begehrte doch auch keinen ihrer Freunde!«
 
Hartmann von Aue

 

Ob man mit lügen die sêle nert
 

Wenn man mit Lügen der Seele Heil erlangt
 

1.
Ob man mit lügen die sêle nert,
sô weiz ich den, der heilic ist,
der mir dicke meine swert.
mich überwant sîn karger list,
Daz ich in zeime vriunde erkôs.
dâ wânde ich staete vünde.
mîn selber sin mich dâ verlôs,
als ich der werlte künde:
sîn lîp ist alse valschelôs
sam daz mer der ünde.

2.
War umbe suocht ich vrömden rât,
sît mich mîn selber herze trouc,
daz mich an den verleitet hât,
der mir noch nieman guoter touc?
Ez ist ein swacher mannes prîs,
den er begêt an wîben.
süezer worte ist er sô wîs,
daz man si möhte schrîben.
den volget ich unz ûf daz îs:
der schade muoz mir belîben.

3.
Begunde ich vêêhen alle man,
daz taete ich durch sîn eines haz.
wie schuldic waeren sî dar an?
jâ lônet meniger sîner baz.
Diu hât sich durch ir schoenen sin
gesellet saeleclîche,
diu lachet, swanne ich trûric bin,
wir alten ungelîche.
nâch leide huop sich mîn begin,
daz senfte got der rî

~0~~0~~0~

Swes vröide hin ze den bluomen stât

1.
Swes vröide hin ze den bluomen stât,
der muoz vil schiere trûren gegen der swaeren zît.
iedoch wirt eines wîbes rât,
diu die langen naht bî liebem manne lît.
Sus wil ouch ich den winter lanc
mir kürzen âne vogelsanc.
sol ich des enbern, dêst âne mînen danc.

2.
Die vriunde habent mir ein spil
geteilet vor, dêst beidenthalben verlorn;
doch ich ir einez nehmen wil.
âne guot wal, sô waere ez baz verborn:
Si jehent, welle ich minne pflegen,
sô müeze ich mich ir bewegen.
doch sô râtet mir der muot ze beiden wegen.

3.
Waer ez mîner vriunde rât,
jâ herre, wes solt er mir danne wizzen danc?
sît erz wol gedienet hât,
dâ von sô dunket mich sîn bîten alze lanc.
Wand ich wâgen wil durch in
den lîp, die êre und al den sin,
sô muoz mir gelingen, ob ich saelic bin.

4.
Er ist alles des wol wert,
— ob ich mîn triuwe an im behalten will —
des ein man ze wîbe gert.
dêswâr dekeiner êren ist im niht ze vil.
Er ist ein sô bescheiden man
— ob ichs an im behalten kann —
minne ich in, dâ missegêt mir niemer an.

~0~~0~~0~

Diz waeren wunneclîche tage

1.
Diz waeren wunneclîche tage,
der sî mit vröiden möhte leben.
nu hât mir got ein swaere klage
ze dirre schoenen zît gegeben,
Der mir leider niemer wirdet buoz:
ich hân verlorn einen man,
daz ich vür wâr wol sprechen muoz,
daz wîp nie liebern vriunt gewan.
dô ich sîn pflac, dô vröit er mich:
nu pflege sîn got, der pfliget sîn baz danne ich.

2.
Min schade waer niemanne reht erkant,
ern diuhte in grôzer klage wert.
an dem ich triuwe und êre ie vant
und swes ein wîp an manne gert,
Der ist alze gaehes mir benomen.
des mac mir unz an mînen tôt
niemer niht ze staten komen,
ine müeze lîden sende nôt.
der nû iht liebers sî beschehen,
diu lâze ouch daz an ir gebaerden sehen.

3.
Got hât vil wol zuo zir getân,
sît liep sô leidez ende gît,
diu sich ir beider hât erlân:
der gêt mit vröiden hin diu zît.
Ich hân klage sô manigen liehten tac,
und ir gemüete stêt alsô,
daz sî mir niht gelouben mac.
ich bin von liebe worden vrôt:
sol ich der jâre werden alt,
daz giltet sich mit leide tûsentvalt.
 

1.
Wenn man mit Lügen der Seele Heil erlangt,
dann kenne ich einen, der heilig ist,
der mir oft falsche Eide schwört.
Mit schlauer List überredete er mich,
daß ich ihn zum Freund erwählte.
Da meinte ich, Treue zu finden.
Mein eigener Verstand stürzte mich da ins Unglück,
wie ich es nun der Welt offenbare.
Er ist ebenso ohne Falsch
wie das Meer ohne Wellen.

2.
Warum sollte ich bei anderen Rat suchen,
da mein eigenes Herz mich täuschte,
das mich zu dem Mann verführt hat,
der weder für mich noch überhaupt für eine treue Frau geeignet ist.
Es ist für alle Männer eine Schande
was er Frauen antut.
Er versteht sich so aufs Schmeicheln,
daß man seine Worte aufschreiben könnte.
Von denen ließ ich mich aufs Glatteis führen,
den Schaden habe ich zu tragen.

3.
Wenn ich nun anfinge, alle Männer zu hassen,
so täte ich das aus Abscheu vor einem einzigen.
Was könnten s i e dafür?
Mancher lohnt seiner Freundin ja besser.
Diejenige, die in vorbildlicher Klugheit
eine glückliche Beziehung eingegangen ist,
die lacht, während ich traurig bin,
so ungleich gehen unsere Tage dahin.
Mit Leid begann es für mich,
Gott der Allmächtige möge es lindern.

~0~~0~~0~

Wer seine Freude an den Blumen hat

1.
Wer seine Freude an den Blumen hat,
der wird gleich traurig werden, wenn die dunkle Jahreszeit kommt.
Eine Frau findet jedoch Trost,
wenn sie die lange Nacht bei dem geliebten Manne liegt.
Auf diese Weise will auch ich mir den langen Winter
verkürzen ohne Vogelsang.
Wenn ich darauf verzichten soll, dann ist es gegen meinen Willen.

2.
Meine Verwandten haben mich vor eine Alternative
gestellt, bei der es so oder so nur etwas zu verlieren gibt,
aber ich will mich entscheiden.
Da es keine gute Wahl gibt, wäre es besser unterblieben:
Sie erklären, wenn ich lieben wolle,
dann müsse ich auf sie verzichten.
Aber ich möchte beides behalten.

3.
Wenn ich mich an den Rat meiner Verwandten hielte,
ja, mein Gott! wofür hätte er mir dann zu danken?
Da er es wirklich verdient hat,
wartet er mir schon allzu lange.
Weil ich für ihn das Leben,
die Ehre und alle Vernunft aufs Spiel setzen will,
wird es mir, wenn ich Glück habe, schon gelingen.

4.
Er ist all dessen würdig
— wenn ich ihm die Treue wahren will —,
was ein Mann von einer Frau begehren kann.
Wirklich, er hat jede Auszeichnung verdient.
Er ist so vernünftig und klug
— wenn ich ihm die Treue wahren kann —,
daß es mir nicht fehlschlagen wird, wenn ich ihn liebe.

~0~~0~~0~

Dies wären herrliche Tage

1.
Dies wären herrliche Tage,
wenn man sie froh und unbeschwert erleben könnte.
Aber Gott hat mir in dieser schönen Zeit
ein schweres Los auferlegt,
von dem ich zu meinem Kummer niemals mehr erlöst werde.
Ich habe einen Mann verloren,
von dem ich wahrhaftig sagen muß,
das niemals eine Frau einen lieberen Freund für sich gewann.
Solange ich für ihn sorgte, war er meine Freude;
nun sorge Gott für ihn, der für ihn besser sorgt als ich.

2.
Meinen Verlust hätte niemand recht ermessen,
wenn er ihm nicht großer Klage wert erschiene.
An dem ich stets Treue und Ehre fand
und alles, was eine Frau an einem Mann sich wünscht,
der ist mir allzu jäh entrissen.
Deshalb wird mich bis zu meinem Tod
niemals etwas davor bewahren können,
Kummer und Sehnsucht zu leiden.
Wenn eine Frau nun gerade glücklicher ist,
soll sie es auch in ihrem Gebaren zeigen.

3.
Gott erweist der Frau große Gnade
— weil die Liebe so schmerzlich endet —,
die auf beides verzichtet hat:
Ihr geht die Zeit mit Freuden hin.
Ich habe so manchen schönen Tag lang Kummer,
während sie so froh ist,
daß sie an meiner Aufrichtigkeit zweifelt.
Ich bin durch die Liebe glücklich gewesen;
wenn ich alt werden sollte,
wird das tausendfach mit Leid vergolten werden.
 

Meinloh von Sevelingen

 

Sô wê den merkaeren
 

Verwünscht seien die Aufpasser
 

1.
Sô wê den merkaeren! die habent mîn übele gedâht,
si habent mich âne schulde in eine grôze rede brâht.
si waenent mir in leiden, sô sî sô rûnent under in.
nu wizzen alle gelîche, daz ich sîn vríundìn bin.
Âne nâhe bî gelegen, des hân ich weiz got niht getân.
staechen si ûz ir ougen!
mir râtent mîne sinne an deheinen andern man.

~0~~0~~0~

2.
Mir erwelten mîniu ougen

Mir erwelten mîniu ougen einen kíndeschen man.
daz nîdent ander vrowen; ich hân in anders niht getân,
wan ob ich hân gedienet, daz ich diu líebeste bin.
dar an wil ich kêren mîn herze und al den sin.
Swelhiu sînen willen hie bevor hât getân,
verlôs si in von schulden —
der wil ich nû niht wîzen, sihe ich si unvroelîchen stân.

~0~~0~~0~

3.
Ich hân vernomen ein maere

Ich hân vernomen ein maere, mîn muot sol aber hôhe stân:
wan er ist komen ze lande, von dem mîn trûren sol zergân.
mîns herzen leide sî ein urloup gegeben.
mich heizent sîne tugende, daz ich vil staeter minne pflege
Ich gelege mir in wol nâhe, den selben kindeschen man.
sô wol mich sînes komens:
wie wol er vrowen dienen kan.
 

1.
Verwünscht seien die Aufpasser! Sie haben mir übel mitgespielt.
Sie haben mich ohne Grund sehr ins Gerede gebracht.
Sie meinen, sie könnten ihn mir verleiden, wenn sie so untereinander tuscheln.
Sollen sie doch alle wissen, daß ich seine Freundin bin!
Ohne mit ihm zu schlafen, das habe ich weiß Gott nicht getan.
Die Augen soll man ihnen ausstechen!
Mir raten Herz und Verstand zu keinem anderen Mann.

~0~~0~~0~

2.
Meine Augen erwählten mir

Meine Augen erwählten mir einen jungen Mann.
Darauf sind andere Frauen eifersüchtig. Nichts anderes habe ich ihnen getan,
als daß ich erlangt habe, ihm die Liebste zu sein;
darauf will ich mein Herz und allen Sinn richten.
Der Frau, die ihm zuvor zu Willen war —
wenn sie ihn nicht ohne Grund verlor, —
der will ich es nun nicht vorwerfen, wenn ich sie traurig dastehen sehe.

~0~~0~~0~

3.
Ich habe eine Nachricht erhalten

Ich habe eine Nachricht erhalten, ich werde wieder froh sein!
Denn er ist ins Land gekommen, durch den mein Leid vergehen wird.
So gebe ich meinem Herzenskummer Abschied.
Seine Vortrefflichkeit sagt mir, daß ich ganz treu lieben werde.
Ganz nahe lege ich ihn zu mir, diesen jungen Mann.
Wie freue ich mich, daß er kommt!
Und wie wunderbar er höfischen Frauen dienen kann!
 

Walther von der Vogelweide
 

Under der linden
 

Unter der Linde
 

1.
Under der linden
an der heide,
dâ unser zweier bette was,
dâ mugent ir vinden
schône beide
gebrochen bluomen unde gras.
vor dem walde in einem tal,
tandaradei,
schône sanc diu nahtegal.

2.
Ich kam gegangen
zuo der ouwe,
dô was mîn friedel komen ê.
dâ wart ich enpfangen,
here frouwe!
daz ich bin sælic iemer mê.
er kuste mich wol tûsent stunt,
tandaradei,
seht wie rôt mir ist der munt.

3.
Dô hât er gemachet
alsô rîche
von bluomen ein bettestat.
des wirt noch gelachet
inneclîche,
kumt iemen an daz selbe pfat.
bî den rôsen er wol mac,
tandaradei,
merken wâ mirz houbet lac.

4.
Daz er bî mir laege,
wessez iemen,
nû enwelle got! sô schamt ich mich.
wes er mit mir pflaege,
niemer niemen
bevinde daz, wan er und ich,
und ein kleinez vogellîn:
tandaradei,
daz mac wol getriuwe sîn.

~0~~0~~0~

Frowe'n lânt iuch niht verdriezen

1.
»Frowe'n lânt iuch niht verdriezen
mîner rede, ob si gefüege sî.
möht ichz wider iuch geniezen,
sô waer ich den besten gerne bî.
wizzent daz ir schoene sît,
hânt ir, als ich mich verwaene,
güete bî der wolgetaene,
waz danne an iuch einer êren lît.«

2.
'Ich wil iuch ze redenne gunnen,
sprechent swaz ir welt, ob ich niht tobe.
daz hânt ir mir an gewunnen
mit dem iuwern minneclîchen lobe.
in weiz obe ich schoene bin;
gerne hete ich wîbes güete,
lêrent mich wie ich die behüete,
schoener lîp der touc niht âne sin.'

3.
»Frowe, daz wil ich iuch lêren,
wie ein wîb der werlte leben sol.
guote liute solt ir êren,
minneclîch ansehen und grüezen wol.
eime solt ir iuwern lîp
geben für eigen umb den sînen,
frouwe, woltent ir den mînen,
den gaebe ich umb ein sô schoene wîp.«

4.
'Beide an schowen undean grüezen,
swâ ich mich dar an versûmet hân,
daz wil ich vil gerne büezen,
ir hânt hovelîch an mir getân.
tuont durch mînen willen mê,
sît niht wan mîn redegeselle,
ich weiz nieman dem ich welle
nehmen den lîp: ez taete ime lîhte wê.'

5.
»Frowe, lânt mich ez alsô wâgen,
ich bin dicke komen ûz groezer nôt,
unde lânt ez iuch niht betrâgen:
stirbe aber ich, sô bin ich sanfte tôt.«
'hêrre, ich wil noch langer leben,
lîhte ist iuch der lîp unmaere:
waz bedorfte ich solher swaere,
solt ich mînen lîp umb iuwern geben.'

~0~~0~~0~

Ein man verbiutet âne pfliht

1.
'Ein man verbiutet âne pfliht
ein spil, des im doch nieman wol gevolgen mac.
er giht, swenne sîn ouge ein wîp ersiht,
si sî sîn ôsterlîcher tac.
wie waere uns andern liuten sô geschehen,
solten wir im alle sînes willen jehen?
ich bin der eine, derz versprechen muoz:
bezzer waere mîner frowen senfter gruoz.
dâ ist mates buoz.'

2.
»Ich bin ein wîp dâ her gewesen
sô staete an êren und ouch alsô wol gemuot;
ich trûwe ouch noch vil wol genesen,
daz mir mit selhem stelne nieman keinen schaden tuot.
swer aber küssen hie ze mir gewinnen wil,
der werbe ez mit vuoge und anderm spil.
ist daz ez im wirt iesâ,
er muoz sîn iemer sîn mîn diep, und habe imz dâ
und lege ez anderswâ.«

~0~~0~~0~

Genâde frowe, tuo alsô bescheidenlîche

1.
ꞋGenâde frowe, tuo alsô bescheidenlîche,
lâ mich dir einer iemer leben!
obe ich daz breche, daz ich furder strîche.
wan einez solt dû mir vergeben,
daz maht du mir ze kurzer wîle erlouben gerne,
die wîle unz ich dîn beiten sol.
ich nennez niht, ich meine jenz, dû weist ez wol.
ich sage dir, wes ich angest hân:
dâ führt ich daz ich ez wider lerne.Ꞌ

2.
»Gewinne ich iemer liep, daz wil ich haben eine;
mîn friunt der minnet andriu wîp.
an allen guoten dingen hân ich wol gemeine,
wan dâ man teilet friundes lîp.
sô ich in underwîlent gerne bî mir saehe,
sô ist er von mir anderswâ.
sît er dâ gerne sî, sô sî, ouch dâ.
ez tuot sô manigem wîbe wê,
daz mir dâ von niht wol geschaehe.«

3.
ꞋSi saelic wîp, si zürnet wider mich ze sêre,
daz ich mich friunde an manege stat.
si gehiez mich nie geleben nâch ir lêre,
swie jâmerlîch ich si ez bat.
waz hilfet mich, daz ich si minne vor in allen?
si swîget iemer als ich klage.
wil si danne daz ich anderen wîben widersage,
sô lâze ir mîne rede nû
ein wênic baz danne ê gevallen.Ꞌ

4.
»Ich wil dir jehen, daz dû mîn dicke sêre baete,
und nam ich des vil kleine war.
dô wisse ich wol, daz du allenthalben alsô taete;
dâ von wart ich dir sô fremede gar.
der mîn ze friunde ger, wil er mich ouch gewinnen,
der lâze alselhe unstaetekeit.
gemeine liep daz dunket mich gemeinez leit.
nû sage, weist dû anders iht?
dâ von getar ich dich niht geminnen.«

~0~~0~~0~

Mir tuot einer slahte wille

1.
Mir tuot einer slahte wille
sanfte und ist mir doch dar under wê.
ich minne einen ritter stille:
dem enmac ich niht versagen mê
des er mich gebeten hât:
entuon ichz niht, mich dunket
daz mîn niemer werde rât.

2.
Dicke dunke ich mich sô staete
mînes willen. sô mir daz geschiht,
swie vil er mich denne baete,
al die wîle sô enhulfe niht.
ieze hân ich den gedanc:
waz hilfet daz? der muot
ist kûme eines tages lanc.

3.
Wil er mich vermîden mêre,
sô versuochet er mich alzevil.
owê des vorhte ich vil ze sêre,
daz ich müeze volgen swes er wil.
gerne het ichz nû getân,
wan daz ichz im muoz versagen
und wîbes êre sol begân.

4.
Ich getar vor tûsent sorgen,
die mich twingent in dem herzen mîn
den âbent und den morgen,
leider niht getuon den willen sîn.
daz ichz iemer einen tac
sol gevristen, daz ist ein klage
diu mir vil nâhe bî dem herzen lac.

5.
Sît daz im die besten jâhen
daz er alsô schône künne leben,
sô hân ich im vil nâhen
eine stat in mîme herzen gegeben,
dâ noch nieman in getrat.
si hânt daz spil verlorn,
er eine tuot in allen mat.
 

1.
Unter der Linde
auf der Heide,
wo unser beider Lager war,
da könnt ihr sehen,
sorgfältig beides
gebrochen, Blumen und Gras,
vor dem Wald in einem Tal,
— tandaradei —,
schön sang die Nachtigall.

2.
Ich kam gegangen
zu der Wiese,
da war mein Liebster schon dort.
Da wurde ich empfangen
— Jessesmaria! —
daß ich für immer glücklich bin.
Er küßte mich wohl tausendmal
— tandaradei —,
seht, wie rot mein Mund ist.

3.
Bereitet hatte er da
so herrlich
von Blumen ein Lager.
Darüber wird mancher noch
bei sich lächeln,
wenn er des Weges kommt.
An den Rosen kann er genau
— tandaradei —,
erkennen wo mein Kopf lag.

4.
Daß er bei mir lag,
wüßte es jemand,
das verhüte Gott nicht! dann schäme ich mich.
Was er mit mir tat,
soll niemals jemand
wissen als er und ich
und ein kleines Vögelchen,
— tandaradei —,
das wird wohl verschwiegen sein.

~0~~0~~0~

Herrin, laßt Euch meine Worte doch gefallen

1.
»Herrin, laßt Euch meine Worte doch gefallen,
wenn sie schön und passend sind.
Könnt' es mir bei Euch was nützen,
dann wünschte ich, unter den Besten zu sein.
Wißt, daß Ihr schön seid;
wenn Ihr, wie ich vermute,
dabei auch noch gut seid,
welche Vorzüge Ihr dann allein in Euch vereint!«

2.
'Ich will Euch zu sprechen erlauben,
sagt nur, was Ihr wollt, wenn ich nicht unverständig bin.
Das habt Ihr Euch bei mir
mit Eurem lieben Lob verdient.
Ich weiß nicht, ob ich schön bin,
gern aber wäre ich gut, wie es dem Wesen der Frau entspricht.
Lehrt mich, wie ich das bewahre;
ohne Verstand taugt Schönheit nichts.'

3.
»Herrin, ich will Euch lehren,
wie eine Frau sich in der Gesellschaft verhalten soll.
Gute Menschen sollt Ihr ehren,
freundlich anschauen und höflich grüßen;
einem aber sollt Ihr Eueren Leib
zu eigen geben für den seinen.
Herrin, wenn Ihr den meinen wolltet,
das gäb' ich hin für eine so schöne Frau.«

4.
'An Blicken und an Grüßen,
was immer ich daran hab fehlen lassen,
das will ich gern wiedergutmachen.
Ihr seid sehr freundlich zu mir gewesen,
tut um meinetwillen noch mehr:
Seid mir nichts anderes als ein Freund zum Plaudern.
Ich kenne niemanden, dem ich das Leben
nehmen wollte; es täte ihm vielleicht weh.'

5.
»Herrin, laßt mich dieses Wagnis auf mich nehmen;
ich bin oft schon größerer Not entkommen,
und macht Euch keine Sorgen.
Wenn ich sterbe, dann ist es ein süßer Tod.«
'Ich aber will noch länger leben,
Während Euch das Leben vielleicht gleichgültig ist.
Wozu sollte ich den Kummer auf mich laden,
mein Leben für das Eure herzugeben?'

~0~~0~~0~

Ein Mann bietet ohne Regel so hoch

1.
'Ein Mann bietet ohne Regel so hoch
in einem Spiel, daß niemand wohl ihm zustimmen kann.
Er sagt, wann immer er eine bestimmte Frau sieht,
sei daß für ihn ein Osterfest.
Wohin wäre es mit uns anderen gekommen,
wenn wir ihn alle dabei bestätigen sollten?
Ich bin einer, der ihm widersprechen muß:
Besser wäre für die Dame ein zarter Gruß.
Das ist der Gegenzug zu seinem Matt!'

2.
»Ich bin bislang eine Frau gewesen,
die einen untadeligem Ruf hatte und entsprechend zufrieden war.
Ich glaube, mich auch künftig davor bewahren zu können,
daß mir jemand mit solchem Diebstahl Schaden zufügt.
Wer hier jedenfalls einen Kuß von mir erlangen will,
der soll es formbewußt und nach anderen Spielregeln tun.
Wenn er ihn aber sofort erhält,
dann wird er für immer als Dieb sein, und er soll den Kuß
dort behalten und ihn andernorts ablegen.«

~0~~0~~0~

Gnade, Herrin, sei doch so verständig

1.
ꞋGnade, Herrin, sei doch so verständig
und laß mich immer nur für dich allein leben!
Breche ich dies Wort, so werde ich mich auf der Stelle von dir entfernen!
Nur eines solltst du mir nachsehen,
das kannst du mir gern zum Zeitvertreib erlauben,
solange ich auf dich warten muß.
Ich spreche es nicht aus, ich denke an jenes — du weißt schon, woran.
Ich sage dir, wovor ich Angst habe:
Da fürcht ich, daß ichꞋs Gegenteil erfahre.Ꞌ

2.
»Sollte ich jemanden liebgewinnen, dann will ich ihn allein haben,
mein Freund aber liebt auch andere Frauen.
Alle guten Dinge teile ich wohl mit anderen,
den Freund jedoch nicht.
Wenn ich ihn einmal gern bei mir hätte,
dann ist er woanders, fern von mir.
Da er sich dort gern aufhält, soll er dort auch immer bleiben!
Das ist schmerzlich für manche Frau,
so daß auch ich Kummer dadurch hätte."

3.
ꞋDie Süße, sie zürnt zu sehr mit mir,
weil ich hier und da eine Freundschaft habe.
Aber sie hat mir nie aufgetragen, nach ihren Vorstellungen zu leben,
wie flehentlich ich sie darum auch bat.
Was hilftꞋs mir, daß ich sie mehr als alle andren liebe?
Sie schweigt beharrlich, wenn ich klage.
Wenn sie will, daß ich mich von anderen Frauen lossage,
dann soll sie meine Worte jetzt
ein wenig freundlicher aufnehmen als früher!Ꞌ

4.
»Ich will dir zugestehen, daß du mich oft eindringlich batest
und ich das so gut wie gar nicht beachtet habe.
Da wußte ich schon, daß du es überall genauso machtest.
Darum habe ich mich von dir ganz abgewandt.
Wer mich zur Freundin wünscht und mich auch gewinnen will,
der lasse solche Unbeständigkeit.
Geteilte Freude, mein ich, sollte auch geteiltes Leid bedeuten.
Oder sag, weißt du es etwa besser?
Deshalb traue ich mich nicht, dich zu lieben.«

~0~~0~~0~

Mir ist ein bestimmter Wunsch

1.
Mir ist ein bestimmter Wunsch
lieb, aber er bedrückt mich dabei auch.
Ich liebe heimlich einen Ritter;
dem kann ich das nicht mehr verweigern,
worum er mich gebeten hat.
Wenn ichꞋs nicht tu, dann, glaub ich,
werd ich untröstlich sein.

2.
Oft glaub ich, daß ich einen festen
Willen habe. Wenn das so ist,
dann könnte er mich noch so anflehen,
denn es würde nichts nützten.
Aber schon denke ich:
Was sollꞋs? Der Vorsatz
währt nicht einmal einen Tag.

3.
Wenn er sich noch länger fern von mir hält,
dann stellt er mich zu sehr auf die Probe.
Ach, ich fürchte zu sehr,
daß ich ihm gewähren muß, was er wünscht.
Gern hättꞋ ichꞋs jetzt getan,
aber ich muß es ihm versagen
und auf meine Ehre achten.

4.
Ich wage in den tausend Ängsten,
die mich in meinem Herzen
Tag und Nacht quälen, nicht —
und das bedrückt mich —, seinen Wunsch zu erfüllen.
Daß ich es überhaupt nur einen Tag
hinausschieben muß, das ist ein Kummer,
der mir schwer auf dem Herzen liegt.

5.
Da die Besten von ihm behaupten,
daß er so vorbildlich zu leben weiß,
habe ich ihm ganz nah
in meinem Herzen einen Platz gegeben,
den noch niemals jemand eingenommen hat.
Sie haben das Spiel verloren,
und er allein setzt sie alle matt.
 

Gottfried von Neifen

 
 
Rîfe und anehanc
 
Der Reif mit seinem Gefolge
 
1.
Rîfe und anehanc
die heide hât betwungen,
daz ir liehter schîn
nâch jâmer ist gestalt,
und der vogel sanc,
die wol mit fröiden sungen,
die sint nû geswîn.
dar zuo klag ich den walt:
der ist unbekleit.
dannoch kan si füegen
mir herter herzeleit
diu wazzer in krüegen
von dem brunnen treit.
nâch der stêt mîn gedanc.

2.
Ich brach ir den kruoc,
dô sie gienc von dem brunnen.
ich wart fröidenrîch
dô ich die lieben sach.
dô si daz vertruoc,
was sorge mir zerunnen.
harte minnenclîch
diu liebe dô gesprach:
»ich hân erebeit,
dast von iuwern schulden.
mîn frouwe tuot mir leit,
daz muoz ich allez dulden,
diu mich gestern fünfstunt
dur iuwern willen sluoc.«

3.
ꞋNu tuo den willen mîn,
sô hilfe ich dir ûz noeten,
und var sant mir hinne;
sô bist du âne zorn.Ꞌ
»des enmac niht sîn,
ê lieze ich mich ertoeten.
mîner frouwen minne
waer iemer mê verlorn.
einen schillinc sol
si mir unde ein hemde,
daz weiz ich wol.
daz waer mir alles fremde.
sô mir daz nu wirt,
sô tuon i' iu helfe schîn.«

~0~~0~~0~

Sol ich disen sumer lanc

1.
Sol ich disen sumer lanc
bekumbert sîn mit kinden,
sô waer ich vil lieber tôt.
des ist mir mîn fröide kranc,
sol ich niht zer linden
reigen, owê dirre not!
wigen wagen, gigen gagen,
wenne wil ez tagen?
minne minne, trûte minne, swîc, ich wil
dich wagen.


2.
Amme, nim daz kindelîn,
daz ez niht enweine.
alse liep als ich dir sî,
ringe mir die swaere mîn.
du maht mich aleine
mîner sorgen machen frî.
wigen wagen, gigen gagen,
wenne wil ez tagen?
minne minne, trûte minne, swîc, ich wil
dich wagen.

 
1.
Der Reif mit seinem Gefolge
hat die Heide bezwungen,
so daß ihr strahlender Glanz
nun traurig aussieht,
und der Sang der Vögel,
die so fröhlich sangen,
die sind nun verstummt.
Auch über den Wald klage ich,
der steht kahl.
Dennoch kann die,
die Wasser in Krügen
vom Brunnen holt,
mir größeres Herzeleid zufügen.
Auf sie richtet sich mein Sinnen.

2.
Ich zerbrach ihr den Krug,
als sie vom Brunnen kam.
Freude erfüllte mich,
als ich die Süße sah.
Als sie daß geschehen ließ,
war mein Kummer dahin.
Voller Liebreiz
sagte da die Süße:
»Ich erdulde Qualen,
daran seid Ihr schuld.
Meine Herrin fügt mir Leid zu,
das ich alles ertragen muß,
sie schlug mich gestern fünfmal
Euretwegen.«

3.
ꞋNun sei mir zu Willen,
dann helfe ich dir aus der Not,
und zieh mit mir fort,
dann hast du keinen Ärger mehr.Ꞌ
»Das kann nicht geschehen,
eher ließe ich mich töten.
Meiner Herrin Gunst
wäre für immer verscherzt.
Einen Schilling schuldet
sie mir und ein Hemd,
das weiß ich genau.
Das alles bliebe mir vorenthalten.
Wenn ich das jetzt bekomme,
dann will ich Euch gefällig sein.«

~0~~0~~0~

Wenn ich diesen Sommer lang

1.
Wenn ich diesen Sommer lang
mit Kindern meine Last haben soll,
dann wärꞋ ich lieber tot.
Deshalb hab ich keine Freude;
wenn ich nicht bei der Linde
tanzen kann, ach, wie traurig!
Wigen wagen, gigen gagen,
wann wird es tagen?
Minne, minne, liebe Minne, schweig, ich will
dich wiegen.


2.
Amme, nimm das Kleine,
damit es nicht weint.
Wenn ich dir lieb bin,
lindere meinen Kummer.
Du allein kannst mir
meine Sorgen nehmen.
Wigen wagen, gigen gagen,
wann wird es tagen?
Minne, minne, liebe Minne, schweig, ich will
dich wiegen.

 
Neidhart von Reuental

 
 
Ine gesach die heide
 
Ich sah die Heide
 
1.
Ine gesach die heide
nie baz gestalt,
in liehter ougenweide
den grüenen walt:
bî den beiden kiese wir den meien.
ir mägde, ir sult iuch zweien,
gein dirre liehten sumerzît
in hôhem muote reien.

2.
Lop von mangen zungen
der maie hât.
die bluomen sint entsprungen
an manger stat,
dâ man ê deheine kunde vinden,
geloubet stât diu linde:
dâ hebt sich, als ich hân vernomen,
ein tanz von höfschen kinden.

3.
Die sint sorgen âne
und vröuden rich.
ir mägde wolgetâne
und minneclîch,
zieret iuch, daz iu die Beier danken,
die Swâbe und die Vranken!
ir brîset iuwer hemde wiz
mit sîden wol zen lanken!

4.
»Gein wem solt ich mich zâfen?«
sô redete ein maget.
»die tumben sint entslâfen;
ich bin verzaget.
vreude und êre ist al der werlde unmaere.
die man sint wandelbaere;
deheiner wirbet umbe ein wîp,
der er getiuwert waere.«

5.
ꞋDie rede soltû behaltenꞋ,
sprach ir gespil.
Ꞌmit vröiden sul wir alten:
der man ist vil,
die noch gerne dienent guoten wîben.
lât solhe rede belîben!
ez wirbet einer umbe mich,
der trûren kann vertrîben.Ꞌ

6.
»Den soltû mir zeigen,
wier mir behage.
der gürtel sî dîn eigen,
den umbe ich trage!
sage mir sînen namen, der dich minne
sô tougenlîcher sinne!
mir ist getroumet hînt von dir,
dîn muot der stê von hinne.«

7.
ꞋDen si alle nennent
von Riuwental
und sînen sanc erkennent
wol über al,
derst mir holt. mit guote ich im des lône:
durch sînen willen schône
sô wil ich brîsen mînen lîp.
wol dan, man liutet nône!Ꞌ

~0~~0~~0~

Ein altiu diu begunde springen

1.
Ein altiu diu begunde springen
hôhe alsam ein kitze enbor: si wolde bluomen bringen.
»tohter, reich mir mîn gewant:
ich muoz an eines knappen hant,
der ist von Riuwental genant.
taranuretun taranuriruntundeie.«

2.
ꞋMother, ir hüetet iuwer sinne!
erst ein knappe sô gemuot, er pfliget niht staeter minne.Ꞌ
»tohter, lâ mich âne nôt!
ich weiz wol, waz er mir enbôt.
nâch sîner minne bin ich tôt.
taranuretun taranuriruntundeie.«

3.
Dô sprachs ein alte in ir geile:
»trûtgespil, wol dan mit mir! ja ergât ez uns ze heile.
wir suln beid nâch bluomen gân.
war umbe sollte ich hie bestân,
sît ich sô vil geverten hân?
taranuretun taranuriruntundeie.«

~0~~0~~0~

Vreude und wünne hebt sich aber wîten

1.
Vreude und wünne hebt sich aber wîten.
ir gevrieschet sît künc Karels zîten
nie vogele schal,
die baz sungen über al:
gar verborgen
sint aber alle ir sorgen.

2.
»Vrô sint nû diu vogelîn geschreiet;
nû belîbe ich aber ungereiet«,
sprach Wendelmuot,
Ꞌgolzen, rîsen unde huot
hât mîn eide
verspart mir vor ze leide.Ꞌ

3.
»Nu sage mir, waz sint die dînen schulde?«
Ꞌin weiz, Richilt, sam mir gotes hulde,
wes ich enkalt,
wan daz ich ein vrîheistalt
hân versprochen:
daz ist an mir gerochen.

4.
Der kom dâ her: dô bat er mîn ze wîbe.
dô zugen si mir daz röckel ab dem lîbe.
jâ müese er mîn
weizgot gar versûmet sîn,
er gebûwer!
mich naeme es gar untûwer.

5.
Swanne er wânte, deich dâ heime laege
unde im sînes dingelînes phlaege,
würf ich den bal
in des hant von Riuwental
an der strâze:
der kumt mir wol ze mâze.Ꞌ

~0~~0~~0~

Der meie der ist rîche

1.
»Der meie der ist rîche:
er füeret sicherlîche
den walt an sîner hende.
der ist nu niuwes loubes vol: der winter hât ein ende.

2.
»Ich fröu mich gegen der heide
ir liehten ougenweide,
diu uns beginnet nâhen«,
sô sprach ein wolgetâniu maget; Ꞌdie wil ich schône enpfâhen.

3.
Muoter, lâz ez ân melde!
jâ wil ich komen ze velde
und wil den reien springen;
jâ ist es lanc, daz ich diu kint niht niuwes hôrte singen.Ꞌ

4.
»Neinâ, tohter, neine!
ich hân dich alterseine
gezogen an mînen brüsten:
nu tuo ez durch den willen mîn, lâz dich der man niht lüsten.«

5.
ꞋDen ich iu wil nennen,
den muget ir wol erkennen.
ze dem sô wil ich gâhen.
er ist genant von Riuwental: den wil ich umbevâhen.

6.
Ez gruonet an den esten,
daz alles möhten bresten
die boume zuo den erden.
nu wizzet, liebiu muoter mîn, ich belge den knaben werden.

7.
Liebiu muoter hêre,
nâch mir sô klaget er sêre.
sol ich im des niht danken?
er giht, daz ich diu schoenste sî von Beiern unz in Vranken.Ꞌ
 
1.
Ich sah die Heide
niemals schöner
und in so glänzender Pracht
den grünen Wald:
an beidem erkennen wir den Mai.
Ihr Mädchen, ihr sollt Paare bilden
und in dieser strahlenden Sommerzeit
fröhlich den Reigen tanzen.

2.
In vielen Sprachen
wird der Mai gelobt.
Die Blumen sprießen
mancherorts,
wo man vorher keine finden konnte,
in neuem Laub steht die Linde:
Dort beginnt, wie ich höre,
ein Tanz von höfischen Mädchen.

3.
Die sind ohne Sorgen
und voller Freude.
Ihr hübschen
reizenden Mädchen,
schmückt euch, damit euch die Bayern danken
und die Schwaben und die Franken!
Schnürt eure weißen Röcke
schön mit Seide an den Hüften!

4.
»Für wen sollte ich mich herausputzen?«
sagte ein Mädchen.
»Die dummen Männer schlafen ja;
ich bin entmutigt.
Freude und Ehre sind allen Leuten gleichgültig.
Die Männer sind nicht treu;
keiner wirbt um eine Frau,
durch die er seinen Wert erhöhen würde.«

5.
ꞋSo darfst du nicht redenꞋ,
antwortete ihre Freundin.
ꞋMit Freude werden unsere Tage dahingehen:
Es gibt noch viele Männer,
die danach streben, vortrefflichen Frauen zu dienen.
Hör auf mit solchen Reden!
Es wirbt einer um mich,
der Trübsinn vertreiben kann!Ꞌ

6.
»Den zeige mir, damit ich sehe,
ob er mir gefällt.
Ich schenke dir den Gürtel,
den ich trage:
Sage mir seinen Namen, der dich
so im Geheimen liebt!
Mir träumte heute Nacht von dir,
daß es dich von hier fortzieht.«

7.
ꞋDen alle Reuental
nennen
und dessen Sang sie wohl
überall kennen,
der ist mir ergeben. Mit Gutem lohne ich es ihm:
Ihm zuliebe will ich mich
schön schnüren.
Auf denn, schon läutet es zu Mittag!Ꞌ

~0~~0~~0~

Eine Alte begann hohe Sprünge

1.
Eine Alte begann hohe Sprünge
wie ein junges Tier zu machen: Sie wollte Blumen bringen.
»Tochter, reich mir mein Kleid,
ich muß an die Hand eines jungen Mannes,
der von Reuental heißt.
Taranuretun taranuriruntundeie.«

2.
ꞋMutter, bleib doch vernünftig!
Er ist ein junger Mann, der nicht treu in der Liebe ist.Ꞌ
»Tochter, laß mich in Ruhe!
Ich weiß wohl, was er mir sagen ließ.
Nach seiner Liebe vergehe ich!
Taranuretun taranuriruntundeie.«

3.
Da sagte die Alte in ihrem Übermut:
»Liebe Freundin, komm mit mir! Es wird gut für uns sein.
Wir wollen beide Blumen pflücken gehn.
Warum sollte ich hier bleiben,
da ich so viele Freunde habe?
Taranuretun taranuriruntundeie.«

~0~~0~~0~

Freude und Wonne erstehen wieder weithin

1.
Freude und Wonne erstehen wieder weithin;
seit den Zeiten König Karls hörtet Ihr nie
Gezwitscher von Vögeln,
die besser sangen um und um.
Ganz verschwunden
ist wieder all ihr Kummer.

2.
»Froh sind nun die Vögelchen bei ihrem Sang,
ich aber bin nicht beim Tanz«,
sagte Wendelmut.
ꞋSchuhe, Schleier und Hut
hat die Mutter
zu meinem Kummer vor mir verschlossen.Ꞌ

3.
»Nun sag mir, womit hast du das verschuldet?«
ꞋIch weiß nicht, Richhild, so wahr mir Gott helfe,
wofür ich bestraft wurde,
nur daß ich einen Kleinbauern
abgewiesen habe,
das läßt man mich büßen.

4.
Der kam daher und wollte mich zur Frau.
Da zogen sie das Röckchen mir vom Leibe.
Er soll von mir
— weiß Gott! — gar nicht beachtet werden,
dieser Bauer!
Mir würd's überhaupt nichts bedeuten.

5.
Wenn er meinte, ich läge daheim
und kümmerte mich um sein Dingelein,
würde ich statt dessen den Ball
an der Straße
dem von Reuental in die Hand werfen.
Der ist mir gemäß.Ꞌ

~0~~0~~0~

Der Mai hat Macht und Reichtum

1.
Der Mai hat Macht und Reichtum,
er führt gewiß
den Wald in seinem Gefolge.
Der steht nun voll in neuem Laub. Der Winter hat ein Ende.

2.
»Ich freue mich auf die Wiese
und den strahlenden Anblick,
den sie uns bald bieten wird«,
sagte ein hübsches Mädchen. ꞋDie will ich freundlich empfangen.

3.
Mutter, mach kein Aufheben davon,
ich will ins Freie
und den Reigen tanzen,
es ist schon lange her, daß ich die Mädchen etwas Neues singen hörte.Ꞌ

4.
»Nein, Tochter, und nochmals nein!
Ich hab dich ganz allein
an meinem Busen aufgezogen.
Nun laß es um meinetwillen, sei nicht hinter den Männern her.«

5.
ꞋDen ich Euch nennen will,
den müßtet Ihr eigentlich kennen,
zu ihm will ich eilen.
Man nennt ihn >von Reuental<, den will ich umarmen.

6.
Es grünt an den Ästen,
so daß die Bäume fast
unter ihrer Last zu Boden sinken.
Wißt, meine liebe Mutter, daß ich den vornehmen Junker erzürnen kann.

7.
Liebe, verehrte Mutter,
er vergeht doch vor Leid nach mir.
Soll ich ihm nicht dafür danken?
Er behauptet, ich sei die Schönste von Bayern bis nach Franken.Ꞌ