Fabeln 2
 

Ludwig Meyer von Knonau

geb. den 5. Juli 1705 in Weiningen bei Zürich
gest. 2. 11. 1785 ebenda.

Gutsbesitzer und Gerichtsherr, zudem Maler und Dichter.
"Ein halbes Hundert neuer Fabeln" erschien 1744.

Quelle:
Ludwig Meyer von Knonau/Neue Fabeln /Zürich 1757 /bey Orell und Comp.

Fabeln 1

 
Die junge Schwalbe
Der Hase und der Löwe
Die Bienen
Das Vögelchen und die Katze
Die frohe Lerche
Die Vögel und die verhaßten Eulen
Der Storch und der Dachs
Die Vögel und die Nachtigall
Das Feldhuhn und der Rohrspatz
Der Hund und das Königlein
Die Meise und der Sperling
Der Hund und die Maus
Die Kuh und der Fuchs
Der Fink und die Spatzen
Die Schafe und die Tauben
Der Fuchs und der Käfer
Der Auerhahn und die Wachtel
Der Frosch und der Storch
Die Lerche und der Storch
Die unbesonnene Schnecke

 

Die junge Schwalbe

Den Ton aus der so kleinen Brust
Der liederreichen Nachtigallen
Hatt' eine junge Schwalbe Lust
Nach ihrer Mundart nachzulallen.
Ei! Mutter, könnt' ich auch so singen,
Sprach sie, wie süße würd' es klingen!
Wie hörte man den Klang so weit?

Die Alte sprach: Kind schick dich in die Zeit;
Bleib eine Schwalbe, wie du mußt,
Und was du mußt, das sei mit Lust.
Hätt' es dem Jupiter gefallen,
Wir wären alle Nachtigallen.
Man soll der Lüste Trieb bei Kindern,
So viel es möglich ist, verhindern.
Mit seinem Stand zufrieden leben,
Ist wohl das nützlichste Bestreben.
Betrachte die so viele Stufen,
Die Amsel, wozu sie berufen,
Wozu der buntgefärbte Specht,
Wozu der Sperlinge Geschlecht,
Wie andre nur nicht schwatzen können,
Und auch dein Zwitschern dir mißgönnen.

Gut, sprach das Schwälbchen, ich verehre
Mit Ehrerbietung deine Lehre,
Die du mir Unerfahrnen gibst,
Du gibst sie mir, weil du mich liebst.
Mein Tun soll sein, sie auszuüben,
Und, Mutter! dich dafür zu lieben.

Der Hase und der Löwe

Ein Hase führte seine Klagen
Beim Löwen über viele Plagen.
Er sprach: So kann ich nicht mehr leben!
Von Feinden bin ich ganz umgeben;
Der Habicht lauscht auf mich in Feldern,
Die Katz' im Dorf, der Fuchs in Wäldern.
Ich habe vor des Jägers Hunden
Noch keinen sichern Ort gefunden.
Dein Vetter selbst, der große Parder,
Reibt sich an meinem Körperlein,
Sowohl als der verschmitzte Marder.
So, König, kann es nicht mehr sein.
Bei Tag stört man mich an der Ruh,
Des Nachts stürmt jeder auf mich zu.
Nimm mich, mein Fürst, in deinen Schutz,
Und wehre meiner Feinde Trutz.

Auf diese Klage sprach der König:
Mein Has', es gibt der Tiere wenig,
Die nicht die Furcht vor Feinden plagt;
Du dünkest mich nur zu verzagt,
Du bist vortrefflich gut geschaffen,
Es dienet dir ja dein Gehör
So gut als andern ihr Gewehr,
So gut als einem Schwein die Waffen;
Dein schneller Lauf beschämt die Pferde;
Und deine Farbe gleich der Erde
Deckt dich auch für dem ärgsten Feind,
Daß selbst des Habichts scharfe Augen
Dich zu entdecken ihm nichts taugen.
Begreif dich denn, mein kleiner Freund.
Von allen Arten starb noch keine;
Die deine lebt noch, wie die meine.
Selbst durch die Furcht die in dir liegt,
Wird oft der stärkste Feind besiegt.
Das aber bilde dir nicht ein,
Du müssest ohne Feinde sein.

Die Bienen

Ein Schwarm von unverdroßnen Bienen
Hielt einstens einen großen Rat.
Es sprach die albernste von ihnen:
Soll denn der ganze Bienenstaat
Für fremde Nationen wachen,
Und soll er seinen teuren Schatz,
Den Honig, nur für Menschen machen?
Für sie? O Torheit unsers Staats!
Die uns an statt der Dankbarkeit
Für bloßes Ungeziefer hielten;
Und ihren Mut zu jeder Zeit
Mit Brand und Mord an uns erkühlten?
Zudem, ihr meine lieben Freunde,
Gestatten sie dem Bienenfeinde,
Dem Storchen, nächst an unsern Hütten
Noch andre Störche mehr zu brüten.

Wiewohl der Vortrag dieser Biene
Dem Bienenvolk geziemend schiene,
So hieß man solchen doch nicht gut.
Sie faßten einen hohen Mut,
Und sprachen: Laßt uns, wie vorhin,
Für Undankbare uns bemühn;
Wir können ja nicht besser handeln,
Als jenem Triebe nachzuwandeln,
Der uns im innern überzeugt,
Der nimmer die Geschöpfe treugt.
Drum lasset uns als Bienen leben;
Laßt uns dem Menschen Süßes geben;
Das sei der Ruhm von unserm Staat;
So sterben wir als rechte Bienen,
Und wir erlangen Lob bei ihnen.
Denn lebten wir für uns allein,
So könnt es wohl nicht anders sein,
Sie hielten uns für schwarze Fliegen;
Sie litten unsern Stachel nicht,
Und wären stets auf uns erpicht;
Sie würden täglich mit uns kriegen.

Sie schlossen; kurz, nichts soll uns kränken;
Wir wollen mit Geduld bedenken,
Daß ihnen frei steht, uns zu morden,
Daß wir für sie geschaffen worden.

Das Vögelchen und die Katze

Ein Vögelchen sprang ohne Sorgen
In seinem Käfig hin und her;
Es schien mit jedem neuen Morgen
In seinem Hüpfen fröhlicher;
Und war es satt von stetem Springen,
So fings entzückend an zu singen.

Es sprach: Ich soll mich glücklich preisen,
Es will die schön geschaffne Welt,
Was sie nur schönes in sich hält,
Sich meinen kleinen Augen weisen.
Ich sehe täglich ihre Pracht,
Die mich auch täglich fröhlich macht.
Wie wohl gefällt mir mein Gehäuse;
Wie trefflich schmeckt mir meine Speise;
Wie angenehm mein Trank dazu;
Am meisten noch die stille Ruh!

Da es so sang, rief eine Katze:
O sing nur immerhin und schwatze,
Und springe für die lange Weile;
Du wirst mir einmal doch zuteile.
Die Hasen selbst in den Gebüschen
Sind meinesgleichen nicht zu klug;
Wie wolltest du mir denn entwischen?

Worauf der kleine Vogel sagt:
Es gehet bei dem Vogelsange
Nicht so, wie bei der Hasenjagd;
Du, Katze, machst mir noch nicht bange
Du machest dich vergebens groß;
Du gibst durch dein freches Prahlen
Und durch der Augen Mörderstrahlen
Des Herzens Vorsatz allzu bloß.
Feindsel'ge laß dein Drohen sein;
Mein Herz wird mir davon nicht klein.
Doch selbst dein Prahlen soll mir nützen,
Und mich vor deiner Mordsucht schützen;
Mein Meister kennt der Katzen Art,
Drum hat er mich so wohl verwahrt.

Die frohe Lerche

Das Leben einer Lerche war
An sanften Freuden wunderbar,
Sowohl als ihres Ehegatten
Und aller Kinder, die sie hatten;
Sie waren wegen reinen Bluts
Gesund und sämtlich frohen Muts;
Sie lebten ohne Nahrungssorgen,
Und Lust auf heut und Lust auf morgen,
Lust über Lust, Freud’ über Freude,
War unaufhörlich ihre Weide.

Unmöglich ist es, sprach die Alte,
Daß ich noch länger mich enthalte,
Mein Wohlsein herzlich zu besingen;
Ich will mich in die Höhe schwingen.
Zwar sind die dunklen die Nachtigallen
Die besten Sänger unter allen;
Doch soll die Lerche doch nicht schweigen,
Sie steht auch in der Sänger Reigen.

Gleich flog sie auf, und in dem Flug
Sang sie, doch sang sie nie genug.
Sie schwang sich folgends von der Erden
So hoch ins Reich der Luft empor,
Als wollte sie ein Mitglied werden
Der Sänger in der Engel Chor.
Sie singt und singt sich endlich müde,
Und nach dem freudenvollen Liede
Sehnt sie sich nach der Ruhe wieder,
Und sank zu ihren Jungen nieder,
Die durch ein lallendes Getöne
Die alte liebe Feldsirene
Mit voller Herzenslust begrüßten,
Und mit der vollen Herzenslust
Die Lust in ihrer Mutter Brust
Zugleich mit neuer Lust versüßten.


Die Vögel und die verhaßten Eulen

Der Eule war nicht wohl zu Mut;
Sie fürchtete der Vögel Wut,
Als sie bei Tag aus ihrem Loch
Nebst zweien ihrer Jungen kroch.
Ach! sprach sie, ach ich höre schon
Der Vögel ungerechten Hohn!

Denn gleich kam jener Wortverdreher,
Der große Spöttergeist, der Häher,
Und sprach, als er die dreie sah:
Welch ein Verlust für Afrika
An drei so schönen Papageien!
Wie wird sie dieses Land bereuen!
Ich muß mit meinen kleinen Scharen,
Den Amseln, Drosseln, und den Staren,
Den Spatzen, Meisen, Emerlingen,
Die Nachtgespensterchen umringen.

Sie sammelten sich auf sein Locken,
Wie Menschen auf den Sturm der Glocken.

Die Eulen, welche ganz gelassen
Auf einem dürren Ästlein saßen,
Ertrugen alles mit Geduld;
Sie sprachen: tut doch nicht so gräßlich,
Denn scheinen wir euch noch so häßlich,
So ist es doch nicht unsre Schuld.
Ihr seht uns nie bei stiller Nacht;
Dies ists, was uns euch fremde macht.
Doch drückt uns euer Spott danieder,
So heben uns Gerechtre wieder.
Minerva schmücket ihren Schild
Mit unserm euch verhaßten Bild;
Der Göttin sind wir unverborgen,
Sie wird noch weiter für uns sorgen.
Noch haben wir für uns die Stille,
Die dienet uns bei Tag zur Hülle.
Und endlich weiß die Fertigkeit
Der Flügel, etwas beizutragen,
Uns durch die schnelle Flut der Zeit
Mit Fleisch und Blut hindurch zu jagen.

Der Storch und der Dachs

Der fette Dachs sprach zu dem Storchen:
Freund! willst du nicht ein wenig horchen?
Wie kommt es, daß ein Storch so leicht
Das ganze Rund der Welt durchstreicht;
Ganz unbesorgt für seine Speise
Vollendet er die längste Reise.
Ich, sollt ich einen Weg, wie du,
Von vielen Tagen für mich nehmen,
So fehlte mir der Mut dazu;
Ich würde mich mit Sorgen grämen;
Und, wie du leichtlich denken kannst,
Dem Tode wär ich bald im Rachen;
Es würde meinem fetten Wanst
Der Hunger bald ein Ende machen.
Allein, was weiß ich? Störche wissen
Viel Künste, die wir Dächse missen
Du könntest in der Kunst zu reisen,
Mein Freund, mich besser unterweisen.

Der Storch versetzt: Dein Wanst beweist,
Wie tüchtig du zum Reisen seist.
Wer sich zu viele Nahrung sucht,
Und immer auf den Mangel flucht,
Für den ist kaum ein Rat zu finden;
Ein solcher bleibt, wie du, dahinten.
Setz alle Nahrungssorg hintan,
Und tritt die Reise mutig an;
Daneben traue dem Geschicke;
Denk wenig an dein Loch zurücke;
Such südwärts Trauben und Getreide;
Dort find ich meine Fröscheweide.
Kannst du die Sorgen überwinden,
So wirst auch du dort Speise finden.
Dir diene noch, zum Unterricht,
Daß meiner Reise großes Licht
Die Hoffnung nebst der Sehnsucht seie,
Davon ich keines noch bereue.

Die Vögel und die Nachtigall

Die Vögel haßten überall
Die liederreiche Nachtigall,
Nur wegen ihres Lustgesangs
Und dessen süßen Zauberklangs.

Sie suchten sie beschämt zu machen,
Und sagten: Sollen wir stets wachen,
Um deine Lieder anzuhören?
Laß auch einmal, uns zu beehren,
Und unsrer Freundschaft zu gefallen,
Des Mittags deine Lieder schallen.
Bei Nacht hört dir niemand zu;
Und wenn dich je noch einer höret,
Geschiehts mit Abbruch seiner Ruh,
Weil ihn dein Lied im träumen störet.
Erfüllst du diese Bitte nun,
So will man das Bekenntnis tun,
Daß dir in unserm Vogelreiche
Kein Vogel am Gesange gleiche.

Die Nachtigall erwiderte:
Ei! werteste Befiederte,
Nur um ein schmeichelndes Geschwätze
Bricht man nicht Jupiters Gesetze.
Nein; sie sind unveränderlich.
Wie wollet ihr denn, daß ich schwache
Die Wege der Natur und mich
Um euretwillen anders mache?
Hebt erstlich auf der Eule Brauch,
Die Nachts auch singt, so schweig ich auch.
Die Eule heulet und ich singe;
Und dies ist der Natur Gedinge.
Wenn gleich der Schlaf euch überfällt,
So schläft doch nicht die ganze Welt;
Die Nacht wird fast von so viel Zungen
Als der verklärte Tag besungen.
Vergeßt nur euern schwarzen Neid,
So fällt denn aller Unterscheid
Gleich zwischen euch und euern Brüdern,
Und zwischen unser aller Liedern.

Das Feldhuhn und der Rohrspatz

Ein Feldhuhn war noch unerfahren
Die Eier sicher zu verwahren;
Es setzte sie nur in die Matten,
Wo stets die Marder sie zertraten.

Es ging in einem fruchtbarn Jahre
Zum Rohrspatz, und, verzeih es mir,
Ich komme, sagt es, Freund zu dir,
Damit ichs recht von dir erfahre,
Wo man die Eier setzen solle,
Wofern man Junge hegen wolle.

Zu meiner Eier Sicherheit,
Sprach dieser, ist Vorsichtigkeit
Das beste Ding sie fortzubringen.
Soll, Henne, mir die Brut gelingen,
So setz ich fordersamst mein Nest
Au drei bis viere Rohre fest,

Doch häng ichs nimmer in die Höhe,
Damit es vor dem Sturm bestehe;
Indessen auch nicht allzu tiefe,
Weil sonst das Wasser drüber liefe.
Auch tut es not sich vorzusehn,
Eh daß die Bauern Rohre mähn.
Nun, Henne, zieh hieraus die Lehre,
Die deinen Eiern dienlich wäre;
Denn meine Regeln sind noch nicht
Auf deinen Zustand eingericht.

Die Henne sprach: Gut, gut, ich sehe
Worin die ganze Kunst bestehe.
Mir sollen künftighin die Hecken
Die lieben Eierchen bedecken;
Dieselben bleiben allzeit stehen.
Ich hatte mich darin versehen,
Daß ich sie sonst dahin gelegt,
Wo man das Heu zu machen pflegt.
Mein kleiner Spatz, mit deinem Witze
Bist du mir unvergleichlich nütze.
Sieht man gleich nirgends keine Hilfe,
So findt man sie auf einem Schilfe.

Der Hund und das Königlein

War gleich die Erde samt der Luft
Voll Frost und Schnee und Eis und Duft,
So sang mit nimmer satter Lust,
Mehr als bei warmem Sonnenschein,
Mit vollem Hals und froher Brust,
Das immer rege Königlein.*

Ein böser abgelebter Hund,
Der und den jedes Mückgen jagte,
Der und den, was sich regte, plagte,
Eröffnete den Geifermund
Und sprach: Ich weiß, du mußt dich zwingen,
Willst du bei solchem Wetter singen.
Wenn dich, wie mich, die strenge Kälte
So marterlich und gräulich quälte,
Du würdest hinter sieben Mauern
Die laue Sommerlust betrauern.
Es singen nur, wie du, die Narren,
Wann aller Tiere Glieder starren.
Kann ich erfrorner in dem Stroh
Bei solchem herben Wetter liegen,
So bin ich unbeschreiblich froh,
Und weiß mich nicht genug zu schmiegen.

Das Königlein sprach: Bleib du froh
In deinem mir verhaßten Stroh;
Dank deinem Meister für dies Gute;
Mich wärmt die Glut in meinem Blute;
Zugleich freut mich die Federdecke,
In welcher ich verwahret stecke.
So lang der Tag sein Licht mir borgt,
Bin ich für Nahrung unbesorgt;
Was soll ich über dies begehren?
Daher so lang ich singen kann,
Setz ich mein Singen nicht hintan.

*
Zaunkönig

Die Meise und der Sperling

Es hatte die beherzte Meise
Das warme Jahr durch ihre Speise
Nach eignem Wünschen und Verlangen
Vollauf und ohne Müh empfangen.

Bald fing der Nordwind an zu rasen;
Es wurde durch sein kaltes Blasen
Des Berges Gipfel silberweiß,
Der Bach, der Teich, der Fluß zu Eis,
Das Feld wie Stein, und von der Kälte
Sah man in vielen Bäumen Spälte.

Ei! Vögelchen, nimmst du vorlieb
Mit der mit Eis gewürzten Speise?
So sprach der kleine Saatedieb,
Der Sperling, zu der muntern Meise;
Ich fürchte sehr, du müssest sterben,
Und durch der Kälte Grimm verderben.
Was dient dir nun dein stetes Springen,
Dein Hüpfen, Fliegen, und dein Singen,
Dein Zizipa, dein Zizipa?
Sing lieber: Ach, mein End ist nah!
Schau doch, wie hab ich es so gut;
Ich zeuge täglich frisches Blut;
Von Überfluß an Spelz und Gersten
Möcht ich, du siehst es selbst, zerbersten.

Die aufgeweckte Meise spricht:
Nein, mein Geschlecht vergehet nicht,
So lang im Boden Würmer leben,
Und Mücken in den Lüften schweben.
Mein lieber Sperling, ohn ein Wunder
Geht kein Geschlecht der Vögel unter.
Nein, wer nichts nach dem Morgen fragt,
Der lebt vergnügt und unverzagt.
Der holde Lenz mit seinen Schätzen
Wird meinen Mangel schon ersetzen;
Ich singe schon als wär er da,
Mein Zizipa, mein Zizipa.

Der Hund und die Maus

Ein wohlbeleibter großer Hund,
Der an des Herren Tafel aß,
Und täglich sich bis an den Schlund
Harpyenmäßig überfraß,
Sucht auch die kleinsten Brösamlein,
Die hier und dar zerstreuet lagen.
Und ließ die Mause Mäuse sein,
Und sie an Stuhl und Bänke nagen.

Des straft ihn eine magre Maus:
Wie sauber räumst du doch das Haus?
Was taugen dir so kleine Bissen?
Du machst, o Hund, auf diese Weise,
Daß wir, sonst sehr bedrängte, Mäuse,
Vor Mangel noch verderben müssen.

Ei! sprach der Hund, was hast du dich
Der Hunde Sachen anzumaßen?
Es lebt ein jeder Hund vor sich;
Friß du was Fliegen überlassen;
Laß meinesgleichen ungestört,
Und nimm, was jenen zugehört.

Ach! sprach die Maus, das muß ich wohl.
Du sackst dich überweidig voll,
Und zwingst mich noch, den armen Mücken
Das bißgen Nahrung abzudrücken.
Mit Willen tat ich sicher nicht
Zuwider meiner Mäusepflicht.
Man kennt in aufgedrungner Not
Noch Pflicht, noch Ordnung, noch Gebot;
Und diese Not, wie ich verspüre,
Rührt von dem Geiz der reichen Tiere.

Die Kuh und der Fuchs

Fuchs, seh ich recht, so bist es du!
So sprach zum schlauen Fuchs die Kuh;
Du kommst erwünscht hierher gegangen;
Gleich heute war ein Jahr vergangen,
Seitdem wir uns auf dieser holden Matten
In segensvollem Stand gesehen hatten.
Nun wünsch ich dir zu einem guten Jahre
(Damit ich eitle Wünsche spare),
Was sich für deinen Wohlstand füchsisch schickt
Und dich in deinem Fuchsenherz erquickt;
Zur Sommerszeit Kohl, Gras und fetten Klee;
Und fällt zu seiner Zeit ein tiefer Schnee,
So wünsch ich dir nur Haber, Salz und Heu,
Und Stroh für deine Füß', und für dein Maul kein Spreu.

Drauf sprach der Fuchs: Ei, liebe Kuh,
Ich bin zum schönsten dir verpflichtet;
Du hast den Wunsch auf meine Ruh'
Und auf die Umständ' eingerichtet.
Wie trefflich trafst du meinen Sinn,
Herzallerliebste Nachbarin!
Ich muß mich herzlich vor dir schämen,
Wo soll ich Gegenwünsche nehmen?
Die dich, wie deine mich, erquicken,
Die sich gleich trefflich für dich schicken.
Ich wag's, und wünsche dir hingegen
Vom großen Jupiter den Segen;
Bald Enten, Hühner, Hasen, Tauben;
Bald aber auserlesne Trauben;
Bald Fischchen aus den klaren Flüssen,
Nebst Überfluß an Kirsch' und Nüssen.


Der Fink und die Spatzen

Der fromme Fink, der seine Tage
Bisher noch sonder Angst und Plage
In reiner Unschuld zugebracht,
War einst auf Schwärmerei bedacht;
Er tauschte Bäume Feld und Hecken
Um einen nächstgelegnen Flecken,
Und stieß zu einer Spatzenschar,
Die frech und geil und diebisch war.
Er macht durch seine Freundlichkeit,
Daß ihn die Spatzen gerne litten:
Er aber kam in kurzer Zeit
Um die bisher geübten Sitten.
Er flog mit ihnen jedesmal
In offne Scheunen oder Hütten
Und stahl so gut als keiner stahl.

Er dacht zuletzt, es möchte fehlen,
Ich würde schwerlich alt beim stehlen.
Ich merke schon an vielen Orten
Allhier Geschoß und Schleife dorten.
Der beste Rat ist, daß ich scheide,
Und die verwegnen Freunde meide.

Die Spatzen munterten ihn auf,
Er sollte nur ein Herze fassen
Und ihre Bande nicht verlassen.
Sie sagten: Halte ferner mit,
So wirst du deiner Zagheit quitt.

Nein, sprach der Fink, ihr guten Freunde,
So sehr werd ich mir nicht zum Feinde.
Sollt ich den Umgang mit euch Dieben
Mehr als mein eigen Leben lieben?
Die Stille mit Zufriedenheit,
Die Dieberei mit Bangigkeit,
Wie beide die und diese waren,
Hab ich nunmehr genug erfahren;
Und kurz; die geilen Spatzen stinken,
Ich gehe wieder zu den Finken.


Die Schafe und die Tauben

Vergälltes Leben unter Tieren,
Wo Feindschaft Neid und Haß regieren,
Wo Raub, Verräterei und List,
Der angenommne Glauben ist!

So hörte man bei vielen Plagen
Die stets verfolgten Lämmer klagen.

Sie sagten: Kann denn auf der Erden
Kein Tiergeschlecht gefunden werden,
Mit dem wir in Zufriedenheit,
So wie wir fromme Lämmer pflegen,
Die ohne dies so schnelle Zeit
Im Frieden wüßten hinzulegen?

Ein kluges Lamm stillt diese Klagen:
Vermutlich würden wir uns leicht,
Sprachs, mit dem Taubenvolk vertragen,
Weil dieses uns darinnen gleicht,
Daß, was wir von den Wölfen wissen
Sie von den Sperbern klagen müssen.

Worauf sie bald durch einen Boten
Den Tauben ihren Gruß entboten;
Dieselben ließen sie bedeuten,
Wie sehr sich alle Schafe freuten,
Wenn sie der Tauben Freundschaft hätten,
Um welche sie von Herzen bäten.

Wer war zufriedner als die Tauben?
Kaum durften sie die Ehre glauben;
Die Freude war so groß bei ihnen,
Daß alle wie verzücket schienen.
Sie eilten durch der Lüfte Bahn,
Und langten vor dem Boten an.
Bald sah man eine süße Stille,
Der einen war der andern Wille;
In gleicher Einfalt gleiche Triebe;
Das war die Nahrung ihrer Liebe.
Die Harmonie war auserlesen,
Sie dünkt' ein ärgerliches Leid,
Daß sie solch eine lange Zeit
Einander unbekannt gewesen.


Der Fuchs und der Käfer

Es kroch ein Käfer auf dem Lande
An eines schnellen Flusses Strande,
Und seiner ward ein Fuchs gewahr,
Der in derselben Gegend war.
Er tat dem Käfer den Verdruß,
Und stieß ihn jählings in den Fluß.
Doch kam er wieder frisch empor,
Und kroch dem Strand nach, wie zuvor.
Gleich aber kam der Böse wieder,
Und drückt ihn auf den Boden nieder;
Er sprach: Halt ein, du mußt nicht gehn,
Für diesmal mußt du stille stehn.
Der Käfer sucht durch einen Flug
Dem Schalk für immer zu entrinnen,
Doch fruchtlos wurde sein Beginnen,
Weil er ihn wieder abwärts schlug.

Der Käfer hielt sich still und sprach:
Das ist Gewalt, was soll ich glauben?
Du wollst mir meine Freiheit rauben?
Nimm sie, gereicht dirs nicht zur Schmach;
Ich frage nicht so viel danach;
Mein bleibt inzwischen doch der Willen.
Wahr ist es, du bist meiner mächtig:
Doch ist der Nachruhm auch nicht prächtig,
Wenns bei den großen Tieren heißt,
Der Fuchs kann einen Käfer zwingen,
Der weder schlägt, noch stößt, noch beißt.
Dies wird dir wenig Ehre bringen.
Itzt heißest du des Käfers Sieger,
Doch wage dich an einen Tiger.
Und laß mich, hast du den zerrissen,
Die Tat durch einen Boten wissen.
Dann wird man, Fuchs, von dir vermelden,
Du stehest in der Zahl der Helden.


Der Auerhahn und die Wachtel

Des Weizenfeldes goldne Zierde
Reizt' eines Tags den Auerhahn,
Daß er vor lüsterner Begierde
Sich weniger als sonst besann;
Er flog mit schlagendem Gefieder
Vom Berg ins Ährenfeld hernieder
Kaum aber war er eingesessen,
Mußt er der raschen Lust vergessen.
Denn als er öftermals versucht,
Sich aus dem Feld empor zu schwingen,
So mocht es, wegen dichter Frucht,
Mit aller Müh ihm nicht gelingen.

Er sprach: Ich bin recht schlimm daran,
Dieweil ich hier nicht fliegen kann;
Und wollt ich gleich zu Fuße gehn,
So geh ich nur die falschen Wege;
Dann machet mich die Hitze träge,
Sie ist für mich nicht auszustehn.

Er rief um Hülfe in der Gefahr,
Gleich flieget eine Wachtel dar.
Sie sagte: Vogel, unverzagt!
Vertraue dich nur deiner Magd,
Und fürchte nicht, daß du verschmachtest;
Wenn du mich kleine nicht verachtest,
So helf ich dir noch ungebeten,
Ich will dich von dem Tode retten.

Verachten! sprach der Auerhahn:
Die Hülfe nehm ich dankbar an;
Und würde wahrlich mich nicht schämen,
Sie von Ameisen anzunehmen.

Die Wachtel sprach: Tu nur gemach,
Und geh mir auf dem Fuße nach.

Der Zug ging beiden gut vonstatten,
Sie bracht ihn in die offnen Matten.


Der Frosch und der Storch

Nach eines nahen Sees Gestade
Flog einst der Storch so rasch und grade,
Als schösse man den schnellsten Pfeil
Längst einem angespannten Seil.

Ein Frosch, der sich am Land verweilt,
Sieht sich von ihm fast übereilt.
Er fürchtet jeden Augenblick,
Dem grimmgen Feind zum Raub zu werden:
Doch ließ der Storch zu seinem Glück,
Sich ziemlich weit von ihm zur Erden.
In dieser dringenden Gefahr
Sprang er so viel ihm möglich war.

Ihn sah der Storch so ängstlich fliehn,
Und rief, und nannt beim Namen ihn,
(Er wollt ihn gern zu Tode schreien,)
Willst du noch eins zur Letzte quäken?
So quak, eh ich dich bald zerdrücke,
Und in das Totenreich verschicke.

Der Frosch dacht voller Angst und Schrecken:
Ja Morgens will ich wieder quäken,
Wo mich noch itzt, und diese Nacht,
Das Auge Jupiters bewacht.
Und dann soll dieser Zufall mir,
O Jupiter ich schwör es dir!
Ins künftige zur Warnung dienen,
Daß ich mich nimmer in dem Grünen
So weit von Hause soll begeben;
Dann sorg ich besser für mein Leben.

Indessen eilt er immerhin
Dem nahen Feinde zu entfliehn;
Und endlich als es ihm gelang,
Daß er in eine Pfütze sprang,
Sprach er: Nun mag sich meinetwegen
Mein Feind zur Not mit Kraut verpflegen.


Die Lerche und der Storch

Die Lerche, die in stetem Singen
Mit ihren beiden kleinen Schwingen,
Als Segelgen, das Reich der Lüfte
Fast eine Meile hoch durchschiffte,
Ließ endlich sich der Erde zu,
Um nächst bei Teichen und Gebüschen
Im Tau sich wieder zu erfrischen.
Bald aber störet ihre Ruh
Ein Storch, der dort spazieren ging,
Und Bienen oder Frösche fing.

Bist du hier, sprach der Storch zur Lerche,
Ein Herz gefaßt, du weist, die Störche
Verschlingen kein gefiedert Tier;
Drum traue mir, und bleibe hier.
Vor Störchen mußt du nicht erschrecken;
Es soll noch meine Gegenwart
Dich vor dem Stoß des Sperbers decken;
Was Federn hat, ist einer Art.

Gar recht, erwiderte die Lerche,
Mein Leib ist viel zu klein für Störche.
Doch sind die Frösche fast so kein,
Und schlingst du sie so schnell hinein.
Was mehr ist, issest du ja Bienen,
Die Meisen nur zur Speise dienen.
Nein, nein; dein blutgefärbter Schnabel
Lehrt mich, es sei wohl mehr als Fabel,
Du könnest selbst die größten Schlangen
Mit deinem langen Schnabel fangen.

Es leben, ruft sie, meine Flügel!
Und flog auf einen sichern Hügel.

Die unbesonnene Schnecke

Die junge halb gewachsne Schnecke,
Die selten melancholisch war,
Lag dort in einer dichten Hecke,
Und sprach: Ei, ei! nur immerdar
Auf einer gleichen Stelle kleben,
Ist nur ein ekelhaftes Leben.
Frisch auf und in die weite Welt!
Laßt sehn, wie man sich dort verhält!
Und um den langen Weg zu kürzen,
So faß ich klüglich den Entschluß,
Mich in den nächstgelegnen Fluß
Auf gut Geratewohl zu stürzen.

Die Mutter, welcher dies mißfiel,
Sprach: Alberns Kind, du schwatzest viel,
Und dein Geschwätz erschrecket mich;
Die Flüsse sind nicht für uns Schnecken;
Und wie? Würd' unterwegs dich
Ein schlauer Schneckenfeind entdecken?

Ho, ho! sprach jene, Mütterlein,
Dem Feind werd ich gewachsen sein.
Wir Schleicherinnen ohne Füße
Bedienen uns mit Recht der Flüsse.

Die Mutter sprach: O dummes Kind,
Bist du dir selbst zum Unglück blind?
Du wirst, ich weiß es, gleich versinken.
Wo nicht, so wirst du gar ertrinken.

O nein, sprach sie, seh ich die Not,
So will ich emsig landwärts eilen.
Für diesmal hab ich mit dem Tod,
So viel ich weiß, noch nichts zu teilen.

Sie setzt der Mutter Wort hintan,
Und trat die Reise mutig an.
Bald aber sah sie an dem Strand
Den Storchen hin und her spazieren.

O Schade! soll mein Vaterland
Solch einen frischen Bursch verlieren!
schrie sie, denn dieser lauert auf mich;
Da hilft nun weder Flehn noch Bitten;
Und in noch sechs bis sieben Schritten
Hat er mich Arme sicherlich.

Erst damals, aber itzt zu spat,
Erkannte sie der Mutter Rat,
Und ihren unbedachten Gang,
Als sie der Storch hinunterschlang.