Der Wahnsinnige mit der Pechfackel
Ein Wahnsinniger zündete am hellen Mittag eine Fackel an, um
die dunklen Behältnisse
des Hauses zu beleuchten. "Wo die Sonnenstrahlen nicht
hindringen," sagte er "dort will
ich meine Fackel aufstecken."
Er kam in einen Winkel, wo entzündbare Stoffe lagen. Ein
brennender Schnuppe fiel auf
sie, und das Haus loderte in Flammen auf.
* * *
Anarchisten mit der Zwietrachtsfackel.
Die Zitrone
Ein Koch bereitete eine Speise; wozu er den Saft einer
Zitrone brauchte. Als er ihr den
Saft ausgedrückt hatte, warf er sie zum Fenster hinaus. Die
saftleere Zitrone über diese
Mißhandlung aufgebracht, rief zum Koch: "Undankbarer! — da
du mich meiner Säfte
beraubt hast, gönnest du mir itzt nicht mehr ein Plätzchen
in deiner Küche."
* * *
Mancher verdienstvolle Mann, der seine Kräfte dem Staate
aufgeopfert hat, wird von
seinem Posten, oder gar aus dem Lande gejagt.
Jupiter und die Bauern
Entkräftet kamen die Bauern zu Jupiter, und beschwerten sich
über die drückende Last
der Frondienste. "Wir müssen," sagten sie, „fronweise
ernten, fronweise dreschen,
und fronweise als Boten laufen; dabei leiden Weib und Kinder
Not, und unser
Hauswesen geht zu Grunde. —
"Eure Beschwerde," versetzte Jupiter, "ist gegründet; ihr
sollet, so lange ihr lebet,
davon befreit sein. Hingegen aber müsset ihr nach euerm Tode
bei mir im Himmel
fronweise donnern." Die Bauern schüttelten die Köpfe, und
sagten: "Wir wollen
lieber noch auf Erden fronen, als auch im Himmel keine Ruhe
haben."
* * *
Gute Bauern! es kommt vielleicht bald die Zeit, da ihr weder
hier, noch dort Frondienste
tun werdet.
Der Berg
An den Küsten von Neapel ragt ein Felsenberg hervor. Ein
fürchterliches Toben
entstand in seinen Eingeweiden. Das Meer schäumte, die Erde
zitterte, und alle
Küstenbewohner waren in banger Erwartung. Auf einmal
entladet er sich seiner Last,
und warf von sich ein Mäuschen, das bis nach Livorno
schwamm.
* * *
Der lahme Kurier mit Siegesnachrichten.
Der
Schmetterling und die Biene
Ein bunter Schmetterling wiegte sich stolz auf einer Blume.
Eine Biene flog auch dahin,
um Honig zu sammeln. Der Schmetterling blickte sie
mit Verachtung an,
und sagte:
"Du haariges Ding! du wagst es, mir an der Seite zu stehen.
Sieh, wie meine Flügel
glänzen; jedermann hascht nach mir." — "Jedermann hascht
nach dir?" versetzte die
Biene: "ich sehe nur Kinder nach dir laufen. Du glänzest
zwar; ich aber arbeite.
Komm in mein Haus, schau meine Arbeit, und verachte mich
nicht mehr."
Der Schmetterling schwieg, und flog davon.
* * *
Diese Fabel ist für euch, ihr Herrchen! die ihr nur die
Geschicklichkeit besitzet,
von Toilette zu Toilette, wie Schmetterlinge, zu flattern.
Die Mäuse
Eine Katze hatte das Reich der Mäuse sehr eingeschränkt.
Ließ sich eine Maus außer
dem Loche sehen, so war sie in Gefahr, von der Katze erwürgt
zu werden. Die Mäuse
hielten daher eine Versammlung, und beratschlagten sich, wie
sie den Nachstellungen
der Katze entgehen könnten.
Es wurden viele Vorschläge gemacht, viele verworfen, und
keiner angenommen.
Endlich riet ein dicker Mäusemann: man solle der Katze eine
Schelle anhängen.
"Will sie uns verfolgen," sagte er: "so hören wir sie von
weitem kommen, und jede Maus
kann ohne Gefahr in ihr Loch zurückkehren." Die Versammlung
nahm diesen Vorschlag
mit Beifall auf, und ließ eine Schelle bringen. Die Schelle
ward herbei gebracht, und keine
Maus hatte Mut genug, der Katze die Schelle anzubinden; und
der dicke Mäusemann,
der die Schelle in Vorschlag gebracht hatte, war der erste,
der davon lief, als der Feind,
die Katze, sich sehen ließ.
* * *
Die Konvention zu P. und der weitere Erfolg davon.
Der Tambour und die
Trommel
"Halt ein! " sagte eine Trommel zu einem Tambour: "Halt ein
mit deinem Schlagen!
Ich kann selbst einen Laut von mir geben." — "Das ist nicht
möglich," versetzte der
Tambour: "du bist ein Ding ohne Geist und Leben, das sich
weder regen, noch bewegen
kann."— "Laß mich nur den Versuch machen," gab die Trommel
zur Antwort.
Der Tambour warf die Trommel auf die Erde hin. Allein sie
regte sich nicht.
Der Tambour nahm sie wieder zu sich, und sagte: "Sieh! daß
du keinen Laut von dir
geben kannst, außer du wirst von mir geschlagen."
* * *
Von manchem General hört man nie einen Laut, und liest nie
eine Silbe, außer er wird
vom Feinde geschlagen.
Der geflügelte Fisch
Ein Fisch, der zugleich auch Flügel hatte, lebte bald mit
den Fischen, bald mit Vögeln.
Sah er seinen Vorteil bei den Fischen, so stürzte er sich
ins Wasser; zeigte sich da eine
Gefahr, so schwang er sich aus dem Meere, und flog in die
Gesellschaft der Vögel.
Die Fische, hierüber aufgebracht, sagten: "Wenn du mit uns
die Vorteile genießt,
so teile auch die Gefahren mit uns. Entschließe dich,
entweder ganz Fisch, oder ganz
Vogel zu sein."
* * *
Wer erinnert sich nicht jener Adeligen die bald in der
Gesellschaft der Royalisten,
bald im Club der Jakobiner erscheinen.
Die beiden
Ratten und das Eichhorn
Zwei Ratten fanden eine Nuß. Jede wollte die Nuß behalten.
Sie stritten sich sehr lange,
und so heftig, daß sie einander in die Haare kamen. Ein
Eichhorn bemerkte den Streit,
und lief herbei! "Eben recht! " riefen die Ratten: "Wir
beide fanden eine Nuß, und jede
will sie für sich allein behalten. Sei du in diesem Streite
unser Richter, und entscheide
nach den Rechten, welcher die Nuß gehöre." —
"Hier ist bald entschieden," versetzte das Eichhorn: "gebt
mir nur das streitige Gut."
Das Eichhorn spaltete die Nuß, gab jeder Ratte die Hälfte
der Schale, behielt den Kern für
sich, und sprang damit auf einen Baum.
* * *
Hungernde Parteien und Richter mit vollem Wamse.
Der Hahn mit der Perle
Ein Hahn fraß im Hühnerhofe das Futter. Als er es ganz
aufgezehrt hatte, scharrte
er noch Körner aus der Erde, und fand eine Perle. "Du bist
für mich keine Speise;
mein Magen kann dich nicht verdauen:" sagte er und ließ die
Perle liegen.
* * *
Der Dumme erbt eine Bibliothek.
Der Hund mit dem
Stück Fleisch
Ein Hund ging am Ufer eines Flusses, und trug ein Stück
Fleisch im Munde.
Im Wasser sah er sich und das Stück Fleisch im Schatten. Er
glaubte; es schwimme
noch ein anderer Hund, der ein größeres Stück Fleisch im
Munde trüge, im Flusse, sprang
hinein, und schnappte nach dem Schatten.
Dadurch aber fiel ihm sein eigenes Stück Fleisch aus dem
Munde; es ward plötzlich
in einem Wirbel hineingetrieben, und für ihn auf immer
verloren.
* * *
Vereitelte Eroberungspläne.
Der Blinde
Ein Blinder kaufte sich die prächtigsten Spiegel, und die
kostbarsten Gemälde.
"Wozu diese Spiegel und diese Gemälde?" fragte sein Freund:
"du kannst sie ja nicht
sehen." — "Ich kaufte sie nur darum, damit die Leute
glauben, ich sehe."
* * *
Viele Reiche verwenden ungeheure Summen auf
Hausbibliotheken, um gelehrt zu scheinen.
Die Elster und die
Schnecke
Eine Elster saß hoch auf einem Baume, wohin sie ihr Nest
gebaut hatte. Eine Schnecke
blickte sehnsuchtsvoll zu ihr hinauf. "Du möchtest gerne bei
mir sein," sagte die Elster:
"du hast aber keine Flügel." Die Schnecke schwieg, und ehe
sichs die Elster versah,
war die Schnecke oben am Neste. "Wie bist du
heraufgekommen?" fragte die Elster
erstaunungsvoll: "du kannst ja nicht fliegen."— "Ich kroch:"
— war die Antwort.
* * *
Minister und Generäle, Räte und Beamte steigen oft
schneckenartig in die Höhe.
Der Esel und das Pferd
Ein Esel wurde schwer bepackt neben einem
Pferde in die Stadt getrieben. Der Esel blieb einige
Schritte zurück und sagte zum
zum Pferde: "Lieber! nimm mir die Hälfte meiner Last; ich
muß erliegen." —
"Du bist ein faules Tier," versetzte das Pferd, "trage nur
die ganze Last." Der Esel blieb
liegen und starb. Das Pferd mußte nun die ganze Last
desselben, und noch dazu die
Haut des Esels tragen.
* * *
Ihr Reichen! unterstützet euren Mitbürger, ehe er unter
seiner Hausbürde erliegt;
es fallen euch sonst Weib und Kinder, zur Last.
Der Frosch und der Ochs
Frösche saßen am Rande eines Teiches, und sahen in der Nähe
einen Ochsen weiden.
"Wie groß! — wie majestätisch ist dieser Ochs;" riefen die
Frösche. — "Bin ich es nicht
auch?" fragte einer aus ihnen, und fing an sich aufzublähen.
— "Bruder! dem Ochsen
kannst du nicht gleich werden, das ist vergebene Mühe!" —
"Warum nicht?" sagte er,
und blähte sich noch stärker auf. "Aber jetzt? " — "Bei
weitem noch nicht." — Er spannt
seine Haut noch mehr. "Sei kein Tor!" riefen die Frösche;
"Spanne die Haut nicht so
widernatürlich, du gehst zu Grunde."
Aber vergebens. Er machte wieder einen Versuch, und als er
fragen wollte, ob er noch
nicht so groß sei, zerplatzte er.
* * *
Das unselige Gleichtun, und der überspannte Prachtaufwand
haben schon manche sonst
glückliche Familie zu Grunde gerichtet.
Der Hund und die Gemse
Eine Gemse sprang kreuz und quer über tiefe Klüften und
steile Felsen hin. Ein Hund
bellte immer von der Tiefe gegen sie hinauf. "Belle so lange
du willst. —Ich lasse mich im
Springen nicht irre machen; du stehst zu tief, und ich stehe
zu hoch, als daß du mir
schaden könntest," sagte die Gemse lächelnd, und setzte ihre
Sprünge fort.
* * *
Niedrige Pasquillanten! ihr bessert die Großen nicht.
Friedrich II. und Joseph II. lächelten
gegen eure Pasquille, und setzten ihre Plane durch.
Der Hase und der Fuchs
Ein Fuchs, der wund gebissen ward, lag auf der Erde
hingestreckt. Ein Schwarm von
Fliegen setzte sich auf seinen Rücken und sog Blut aus der
Wunde. Ein Hase, der eben
vorüberging, hatte Mitleid mit dem Fuchse, und wollte die
Fliegen von der Wunde jagen.
"Laß die Blutsauger ruhig liegen," sagte der Fuchs: "Sie
haben sich schon voll gesogen.
Jagst du diese fort, so kommen wieder andere, und saugen
sich wieder voll, und dann
könnte mir das Fliegengeschmeiß alles Blut aus dem Leibe
saugen."
* * *
Finanzminister, Kassenvorsteher, Vormünder.
Das Pferd und der
Windhund
Ein Pferd und ein Windhund hatten miteinander einen Weg zu
reisen. Der Windhund
sprang wie in Lüften dahin, und berührte kaum die Oberflache
der Erde. Hatte er eine
Strecke vorwärts gejagt, so kehrte er zu dem Pferd zurück
und verhöhnte es.
Das Pferd trabte seinen Schritt, und ließ sich nicht irre
machen. Der Hund flog wieder wie
ein Pfeil voran, und flog — und flog so lange, bis er
lechzend liegen blieb. Das Pferd,
das immer seinen Trab ging, war schon am Ziele, da der Hund
noch immer auf dem
nämlichen Flecke lag.
* * *
Literarische Stutzer und denkende Männer auf der Bahn der
Wissenschaften.
Der Wolf und der Bauer
Ein Bauer ging in die Stadt, und sah auf der Wiese einen
Wolf mit seinem Ochsen
kämpfen. Der Bauer lief wie rasend in sein Haus zurück, und
holte die Flinte.
Er schoß nach dem Wolf, und tötete ihn. Der Wolf war
freilich erlegt, aber auch
der Ochs wurde vom Blei getroffen und fiel tot zur Erde.
* * *
Völker! von Enthusiasmus hingerissen, befreit ihr euch von
einem großen Übel,
und stürzet euch dadurch in ein noch größeres.
Der Adler und der Rabe
Ein Adler lag in den letzten Zügen und ließ einen Raben
rufen. "Meine Todesstunde
ist sehr nahe," sagte er zu dem Raben. "Der Mut entsinkt
mir, und ich zittere bei
dem Andenken an meine Verbrechen." — "Welche sind denn diese
Verbrechen?"
fragte der Rabe. — "Ach! ich armer Sünder! — Ich habe
unschuldige Tiere verfolgt,
Lämmer und Schafe geraubt, und selbst Kinder getötet." —
"Kleinigkeiten!" versetzte der
Rabe: "alles das ist nicht Sünde. Eure Majestät haben ja die
Macht, — und hiermit auch
— das Recht dazu gehabt." Bei diesen Worten gab der Adler
seinen Geist auf.
* * *
Große! große Sünder auf dem Sterbebette, und ihre
Beichtväter.
Das Schaf und der Hund
Wir liefern dir Lämmer, Wolle und Käse, und uns gibst du
nichts, als was die Erde
hervorbringt," sagte ein Schaf zu seinem Herrn: "dem Hunde
hingegen gibst du sogar
von dem, was du selbst genießest." — "Keine Vorwürfe!"
versetzte der Hund, der in der
Nähe stand: "Es ist Pflicht des Herrn, daß er mich ernähre;
denn ich schütze euch,
daß euch die Wölfe nicht zerreißen. Und die Räuber nicht
stehlen."
Das Lamm schwieg, und ging davon.
* * *
Nationalgarde. — Vaterlandsverteidiger. —
Der Reisende und
die Wegsäule
Ein Reisender, der sich verirrt hatte, sah eine Wegsäule,
die ihm die rechte Bahn
zeigte. "Wie leicht kann ich wieder den Weg verfehlen,"
sagte der Reisende: "könntest du
mich nicht ganz an meinen Bestimmungsort begleiten!" —
"Freund, sagte die Säule,"
du begehrst zu viel von mir. Ich zeige nur den Weg, und
bleibe stehen."
* * *
Diese Fabel bezeichnet die Moralisten, welche andere den Weg
zur Tugend führen,
ihn selbst aber nie betreten.
Die Hunde und die
Katzen
Ratten hatten sich in einem Dorfe so zahlreich vermehrt und
in Häusern so wütend
gerast, daß sie sogar auf Hunde und Katzen losgingen. Weder
die Hunde, noch die
Katzen wagten sie einzeln anzugreifen. Bei de Parteien
beschlossen also, die Ratten
aus dem Dorfe zu vertreiben, und gemeinschaftliche Sache zu
machen.
Die Hunde und Katzen besetzten miteinander alle
Rattenlöcher, unterminierten
dieselben, erwürgten die Ratten und teilten die Beute
gemeinschaftlich. Die Einwohner
des Dorfes erstaunten über die Vereinigung der Hunde und
Katzen. "Wie ist das
möglich!" riefen sie, "daß die Hunde und Katzen in
Verfolgung der Ratten einander
Beistand leisten, da sie von Natur geschworne Feinde sind,
und sonst einander bis auf
den Tod verfolgen." Das Einverständnis der Hunde und Katzen
wundert mich nicht,"
versetzte der Schultheiß: "aber was die Welt in Erstaunen
setzt, ist die ?
* * *
Allianzen der Russen und Türken.
Der Landtag der Tiere
Ein Löwe ließ einen Landtag ausschreiben, und verlangte von
den Repräsentanten eine
neue Auflage. "Warum verlangst du von uns eine neue Steuer?"
fragte ein Elephant.
"Schweig!" rief der Löwe: "von einem König darf nur Jupiter
Rechenschaft fordern." —
"Spötter!" versetzte ein Bär: "Erst gestern sprachst du, es
gebe keinen Gott"
Die übrigen Tiere stutzten und wurden laut; ein Luchs riet
dem Löwen sich zu entfernen.
* * *
Politik ohne Religion.
Das Pferd und das
Füllen
Füllen: — Was ist dir geschehen?
Pferd: — Ich fiel, und brach das Bein.
Füllen: — Ich bin doch auch rasch, und kam doch nie zum
Falle.
Pferd: — Du liefest aber auch nie im Schlitten.
Füllen: — Brachst du dir das Bein im Schlittenlaufen? —
Pferd: — Dabei hat man die erste Gelegenheit zu fallen; und
so lange du nicht
Gelegenheit hast, zum Falle zu kommen, solange darfst du
dich nicht rühmen, daß du
nicht gefallen bist.
* * *
Warum kommen die Nonnen selten zum Falle?
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