Zensor:
Also kennest du deinen Vater nicht?
Manuskript:
Nein, und die Feder, meine Mutter, wagt es nicht, ihn zu
nennen.
Zensor:
Warum nennt sie ihn nicht?
Manuskript:
Wegen der Ungewißheit meines literarischen Wertes, und
vorzüglich wegen der Strenge
eurer Zensur.
Zensor:
Deinen literarischen Wert will ich nicht beurteilen; über
diesen wird das lesende Publikum
richten. Aber eine Schrift, welche nur Wahrheit enthält, wie
du sie enthältst, hat von der
Strenge des Zensurgerichts keine Unannehmlichkeiten zu
erwarten, und darf den Namen
ihres Verfassers ohne Furcht an der Stirne tragen.
Manuskript:
Wenn ich schon Wahrheit enthalte, so bin ich doch froh, daß
sich mein Verfasser nicht
bekannt gemacht hat. Denn man hat Beispiele, daß
Schriftsteller, die sich in ihren mit
Wahrheit gestempelten Schriften genannt haben, den
bittersten Verfolgungen ausgesetzt
waren.
Zensor:
Diese Zeiten sind vorüber, und mit ihnen jener Geisteszwang,
wodurch der Fortgang zu
höherer Kultur gelähmt wird. Denn unsere Regierung ist
innigst überzeugt, daß bei einer
Nation, wo Geistes- und Herzenskultur blüht, auch Ruhe,
Sicherheit und Wohlstand
herrschen.
Manuskript:
Also dürfen alle Gattungen von Schriften gedruckt, gekauft
und gelesen werden?
Zensor:
Nein, nur diejenigen, welche Wahrheit enthalten, Religion
und Sittlichkeit nicht
entheiligen, und den Charakter des ehrlichen Mannes nicht
schänden.
Manuskript:
Auch ich enthalte Wahrheit ohne persönliche Anzüglichkeiten,
ohne Ausfälle auf Religion
und Tugend.
Zensor:
Und darum, drucke ich dir auch das — —
Imprimatur
— auf.
* * *
Wahrheit und Gerechtigkeit sind das einzige Gemeinwohl.
Villaume
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