I.
Die zwei Orakel
Ein König Griechenlands, den man leicht wissen kann,
Kam mit dem Hofstaat einst zu Delphis an,
Woselbst er das Orakel fragen wollte,
Woran er einen Freund recht sicher kennen sollte?
Die Wahl schien ihm zu ungewiß,
Sein hoher Stand macht ihm ein stetes Hindernis;
Denn wer erklärt ihm recht die Freunde der Person,
Von den Freunden seiner Kron?
Den wahren Eifer von den eigennützgen Trieben?
Die Freunde, die zum Schein, und die wahrhaftig lieben?
Der König fand hierin keinen Rat,
Drum ging er ganz allein ins Heiligtum, und bat,
Apollo möcht ihm doch gewisse Zeichen nennen,
Woran ein wahrer Freund recht zu erkennen.
Das ist, so fiel der Spruch, ein Freund von Rat und Tat,
Der das Herze hat, und dir die Wahrheit sagt,
Die Niemand gerne hört, die Niemand leicht erfragt,
Der ist der, den du sucht, geh hin! nun weist du es schon.
Der König ging heraus, er sagte Nichts davon,
Was er für einen Rat empfangen.
Nun kam an die Bedienten auch die Reih,
Die fragten insgesamt, wies anzustellen sei,
Die Gunst des Königs zu erlangen?
Durch stete Schmeichelei! sprach das Oraculum:
Falsches Lob wird jederzeit begierig angehört,
Der Hochmut glaubt's, der schmeicheln lehrt.
Sagt ja die Wahrheit nicht, sonst kommt ihr um.
Apollo kannt uns gut, und alle Stände.
Jedoch wie lief ein doppelt Spruch zum Ende?
Die Höflinge, die sich auf ihr Rezept verließen,
Erschienen drauf bei einer Gasterey,
Der König war der Wirt. Er wollte nunmehr wissen,
Ob sein Orakel der Wahrheit ähnlich sei?
Sobald der Wein den Gästen im Vergnügen
Nun ziemlich in den Kopf gestiegen,
So rief er ihnen zu: Ihr Kinder! setzet heute
Nur den Respekt einmal beiseite,
Jetzt steht euch alles frei. Ich stelle mich euch hier
Als einen eures Gleichen für.
Entdeckt mir, fuhr er fort, nur ohne Scheu,
Was etwa, hie und da an mir zu tadeln sei.
O! schrie der ganze Schwarm, wir müßten lügen wollen,
Sonst sehn wir nicht, was wir an ihnen tadeln sollen;
Sie sind ja Engel rein. Drauf soff man weiter fort;
Doch einer saß ganz still, und sagte nicht ein Wort.
Der König fragte, was ihm die Lust verstöre?
Ich, sprach er, bin besorgt für meines Königs Ehre:
Man schmeichelt euch zu sehr, man tut nicht recht daran,
Ihr habt zwar Tugenden, die euch unsterblich machen,
Und Niemand genug erheben kann;
Allein, es sind gewisse Sachen,
Die euren Nachruhm auf der Erden,
Dereinst gar sehr verdunkeln werden.
Ihr liebt den Trunk zu sehr, die Nüchternheit zu wenig,
Vergebt euch den Respekt, als ein betrunkner König.
Verwegner Hund! schrie der Monarch drauf,
Hier hast du deinen Lohn! und spießt ihn auf,
Ach sprach der Sterbende, die Freundschaft die ich hege,
Bringt mir des Königs Haß und meinen Tod zuwege.
Apollo hat mir's wohl gesagt,
Wenn ich dem König die Wahrheit sagen wollte,
Daß ich so einen Lohn dafür erwarten sollte.
Aus großer Treue hab ich's gleichwohl gewagt,
Nun hab ich dafür meinen Lohn.
Was hör ich? schrie der Fürst! Ihr Götter! ach Pardon!
Schafft, daß er wieder lebt! Erhaltet mir den Freund!
Nunmehr seh ich erst, wie redlich er's gemeint.
Ach wollt' ihr mich den Schmeichlern, die mich hassen,
Forthin alleine überlassen?
Ich nehme, sprach der Freund, mit Freuden gute Nacht,
Wenn euch mein Tod nur klüger macht.
II.
Die Dohle
Bei einem Pächter war ein Schreiber,
Beim Schreiber dient ein Knecht, der eine Dohle hielt,
Sie waren alle vier durchgehends Dieb und Räuber,
Doch ward der Vogel noch am leichtesten erfüllt.
Der Pächter stahl getrost und frei dem Landesherrn,
Der Schreiber machte dem Verwalter krumme Finger,
Der Knecht war ebenfalls des Schreibers Mausejünger,
Und von desselben Raub stahl Metschke herzlich gern.
So geht's. Das Leben ist ein Reihen,
Voll List, voll Trug, voll Diebereien.
Der Knecht fand daher immerfort
An seinem Schatze manches fehlen,
Wie geht das zu? sprach er, welch Dieb will mich bestehlen.
Niemand als Metschke kommt an diesen Ort;
Und fing einmal an aufzupassen,
Ertappte sie auch bald auf frischer Tat,
Er sah sie ein Stück Geld in ihren Schnabel fassen,
Damit war sie so gleich parat,
Es auf dem Söller zu verstecken.
Es dient ihr weder zum Genuß noch Schmecken,
Auf Sammeln war sie nur bedacht,
Wie's mancher Geldverliebter macht.
Sieh da! rief unser Knecht, hier brauch ich keine Brille
Find ich dich und mein Geld allhier?
Die Müh war mein, der Nutzen ihr.
Drauf las er ihr so gleich das Todesurteil vor.
Der Dohle erstarrt das Blut,
Sie kniete hin ohn Herz und Mut,
Rief: Gnade! Gnade her! Verfahrt etwas gelinder!
Ich habe nichts getan, was ihr nicht alle tut;
Ihr seid ja eben solche Sünder,
Was euch entschuldiget, das kommt auch mir zu gut.
Dies Wort ward nicht zu widerlegen,
Doch auch der Knecht nicht zu bewegen,
Sein Messer mußt ihr gleich den Hals absägen.
So ist der allgemeine Lauf:
Die kleinsten Diebe hängt man stets als erstes auf.
III.
Das Kind und die Nüsse
Ich muß bekennen, mir gefällt,
Wenn Einfalt ohne Zwang ein Malwerk also stellt,
Das zwar dem Scheine nach nur Kinderlehre enthält;
Doch in die Weisen selbst viel Lektionen drückt:
Aus dieser Hülle wird der Wahrheit Schatz erblickt,
Die man zwar nicht gesucht, doch bald erkennt,
Und die Verwunderung macht sie erst exzellent,
Exempel, ruft man, her! Wohlan denn, zum Exempel:
Wenn ich gleich weislich wie im Tempel
Dem Menschen predige: »Sei mäßig, sei vergnügt,
Du wirst dabei nicht Schlaf noch Ruh verlieren,
Wohl aber sie erst recht im Herzen spüren.
Wie kommt's, daß dich so mancher Anschlag wägt und wiegt?
Dein groß Begierdenfeld hat keine Grenzsteine:
Ein jedes Glück scheint dir zu kleine,
Du schätzest alles für das Deine,
Und eben dieses macht, daß alles dir entfliegt.«
So sind zwar dieses gute Lehren,
Allein der Mensch schläft ein vom Hören.
Was hemmt nun dieser Schlafsucht Lauf?
Mir fällt ein Mittel bei, das soll nicht fehlen:
Nur eine Fabel will ich ihm erzählen,
So hört ein Schlaf und Gähnen auf.
* * * *
Ein Kind, wie Epiktet erzählet,
Dem die Genügsamkeit, wie der Verstand gefehlt,
Griff mit der leeren Hand in einen Krug,
Worin Nüsse und Feigen genug.
Das Kind griff geizig zu, nahm alles, was es fand,
In die zu ungeneußge Hand,
Und wollte so damit zurücke;
Allein die Hand war viel zu dicke,
Des Kruges Hals zu eng und klein.
Da fing das Kind nun an zu weinen und zu schrein,
Es wollte gar zu viel, und konnte doch nicht sein.
Man sprach: (Ich spreche es auch zum Menschen) zu dem
Knaben,
Nimm nicht so viel! nur halb so wirst du es haben.
Epiktet:
War ein Philosoph um 50 bis um 138 n. Chr.; Vertreter des
späteren
Stoizismus, der zur Zeit Neronis gelebt, und moralische
Lehren geschrieben hat.
IV.
Der Luchs und der
Maulwurf
Vor Alters in der Fabelzeit.
Ich mein in den poetischen Jahren,
Als der Sirenen Lied, der Sphinxe Grausamkeit,
Und der Zentauren Volk noch Mode waren,
War auch der Junker Luchs damals ein Wunder hier
Er stellte den Argus für.
Denn ein durchdringendes Gesichte
Fand Nichts, das ihm verborgen blieb
Er übertraf den Tag. Wenn der mit seinem Lichte
Durch Nacht und Wolken drang, und nur die Luft zertrieb,
So sah der Luchs durch dicke Mauern.
Ein solcher versteckte sich einst hinter einen Strauch,
Den Vögeln auf den Dienst zu lauern.
Wie denn die Luchse insgemein
Der Jäger Zunftgenossen sein.
Er paßte listig auf nach Weidmanns Gebrauch,
Und wetzte sich die Zähne voraus
Auf einen guten Fang und Schmaus.
Er, der ein Argus ist, dem alles sichtbar scheint,
Nahm eines Maulwurfs wahr, der in dem Loche lag,
Ach! schrie er, o! wie leid ist mir's um dich, mein Freund
Du armes Tier siehst weder Licht noch Tag!
Das Leben nützt dir Nichts, du hast beständig Nacht.
Argus:
soll 100 Augen gehabt haben, und von der Juno zum Spion über
Jovis
verliebte Ausschweifungen bestellt gewesen sein.
Ist Jupiter gescheit, daß er dich blind gemacht?
Du tust sehr wohl dich einzugraben,
Du scheinst ohne dem, und mit genauer Not,
Dem Ansehn nach kaum halb zu leben,
Und wenn ich Willens wär dir deinen Rest zu geben,
So würd ich dir durch deinen Tod
Vielleicht den größten Dienst als denn erwiesen haben,
Nein! fing der Maulwurf an, verzeihet mir, mein Freund,
Ich lebe ganz, nicht halb, und darf mich nicht beschweren:
Die Augen kann ich leicht entbehren,
Weil ihr Gebrauch bei mir nicht nötig scheint,
Was nur der Himmel schafft, ist alles wohl gemacht,
Und wer sich klüger dünkt, der handelt wie ein Tor,
Den Mangel des Gesichts ersetzt bei mir das Ohr,
Mit dem mich dessen Gunst bedacht.
Die Augen sind für euch, ich mag nicht tauschen,
Behalte mir mein Ohr, kein Auge sieht ihm gleich:
Gleich jetzt hört es hinter euch,
Ein nach euch zielendes und fürchterliches Rauschen,
Ich merk es ganz gewiß, daß euch ein Unglück blüht,
Verberget euch! macht fort, und flieht
Vor der bedrohenden Gefahr!
Denn unser Maulwurf nahm es wahr,
Daß eines Jägers Hand die Sehne an dem Bogen,
Bereits gespannt und aufgezogen.
Der Pfeil ward plötzlich abgedrückt,
Er traf auch gut. Es war geschehen,
Und unser Argus, eher sich's versehen,
Wird in die finstre Nacht der andern Welt geschickt.
Ihr dummen Kritiker! wollt immer weise scheinen:
Die Gaben sind geteilt, ein jeder hat die seinen.
V.
Die zwei Träume
Veränderung, mein Herz ist dir ergeben,
Wer dich schon aus den Augen setzt,
Verfällt in ein verdrießlich Leben;
Denn immer einerlei hat Nichts, das uns ergötzt,
Nur du allein gefällst allzeit,
Mir ist's um einen Leser leid,
Wenn deine Anmut sich beim Autor nicht läßt spüren.
Komm, ordne hier mein Werk, und male ein jedes Bild,
Verändre Sach und Ort und Landschaft, wie du willst,
Und führe mich selbst hier in meiner Schrift spazieren,
Bald von der Welt gen Himmel, bald zur Höllenpein.
Es scheint die Natur kaum fruchtbar genug zu sein,
Den alles ist schon längst gesagt, bekannt, gemein.
Das Heldenvolk verlangt nach einer neuen Welt,
Die Versemacher sollten eine haben.
Nur immer einerlei, Mensch, Tiere, Wald und Feld,
Im alten Horizont, scheint als wenn man begraben:
Und gleichsam im Gefängnis wär;
Veränderung führt Lust und Freude her.
Drum will ich die Vernunft damit zu divertieren,
Allhier auf meinen Schauplatz führen,
Bald Fräulein Milben, die sich schwer zu sein bedünkt;
Bald wird auch Jupiter aus seinen Silberschränken
Das menschliche Geschlecht beschenken,
Worauf mein Flügel sich zum Höllenflusse schwingt,
Den Minos richten läßt, die Toten redend macht.
Ich bin in Afrika und kurz zuvor in Norden,
Bald ein Amerikan, und bald ein Perser worden,
Bald so, bald so, in der und jener Tracht,
Voll Lust, voll Ernst, galant, politisch und verschlagen,
Kurz: Ich will alles sein, doch immer Wahrheit sagen,
Auf Muse denn, setz auf itzt einen türckischen Bund,
Und mach auch Wahrheit hier aus Sultans Träumen kund.
* * * *
Zwei Träume voll Betrug, der eine schwarz und trübe,
Der andre weiß und rot, voll Lust und Liebe,
Die kamen früh zusammen ungefähr
Aus dem Serail. Der Weise hatte diese Nacht
Bei einem Sklaven zugebracht.
Der schwarze Traum kam von dem Sultan her.
Wie denn die schwarzen Träume in großer Herren Häusern,
Und sonderlich bei den türkischen Kaisern,
Sich meistens ihr Quartier erwählt.
Hast du nun deinen Mann genug gequält?
So fragt der lichte Traum: Jawohl, sprach jener drauf,
Es hat dem guten Herrn an Ängsten nicht gefehlt,
Er fuhr unzähligemal im Schlaf erschreckend auf,
Ich brachte ihn immer aus der Ruh,
Und schlief er wieder ein, so tratzt ich ihm aufs neu
Nach meiner Art nur desto heftiger zu.
Ich stellt ihm vor, sein Bruder wäre frei,
Es setzten ihn die frechen Janitscharen
Aus dem Gefängnis auf den Thron;
Er selbst ward abgesetzt, er sah die Henker schon,
Die ihn zu strangulieren Willens waren,
Hier wacht er auf, und schwitzt, und schrie im Bette,
Als wenn er schon den Strick am Halse hätte.
Kaum schlief er wieder ein, so ging's von neuem an.
Ich stellte mich ihm für, wie ein Tamerlan
Erstieg die Residenz, und würgt auf allen Straßen
Sein Volk und seine Kinder tot,
Er war mein Bajazet und mußt auf mein Geheiß
Sich in den Käfig sperren lassen.
Bajazet
der einen türkischen Kaiser überwand, und ihn in einen
eisernen Käfig
sperren ließ, in welchem sich dieser den Kopf an dem Gitter
einschlug.
Davon erwacht er zwar, schlief aber nochmals ein,
Da machte ich ihm noch andre größte Pein.
So treib ich's alle Nächte, und wenn ich sonst Nichts kann,
Besteche ich wenigstens die geizigen Veziere.
Bald tut ihn auch der Mufti in den Bann,
Die Leibwacht revoltiert an seiner Türe,
Und eine Sultanin durchbohrt ihm gar die Brust.
Ich habe meine rechte Lust,
Wenn er die lange Nacht mit Ach und Weh beschließt,
So, daß ihm auch der Tag davon noch schrecklich ist.
Nein, sprach der weiße Traum: Mein Wirt hat die beste
Sache,
Mein Tun ist, daß ich ihn vergnügt und glücklich mache,
Er wird zum Käufer selbst, sobald er sich gelegt,
Steigt auf den Thron, und ruft den Divan, der
erscheint,
Divan:
Der Staatsrat des Sultans.
Schreibt ihm Gesetze vor, bedroht seinen Feind
Durch Krieg, er geht, er liegt, er schlägt,
Er macht die ganze Welt ihm untertan,
Und alles Volk zum Muselmann.
Darauf pflegt er dann in das Serail zu gehn,
Der Wollust da recht nachzusinnen,
Wo so viel hundert Sultaninnen
Ihm allezeit zu Dienste stehn.
Da kann er nach plaisir das Schnupftuch geben,
Und dergestalt in lauter Lustgenüss'
Im Mahometischen Paradies
Fast alle Nächte träumend leben.
plaisir:
Manier, womit der Sultan seine Gemahlinnen und Konkubinen
aussucht.
Wie schwer entscheidet sich allhier die Frage:
Ob's besser ist, Herr oder Knecht zu sein?
Wie sehr betrügt der äußerliche Schein!
Der Stände Wohl und Weh liegt nicht so frei am Tage,
Daß es gleich ins Gesichte fällt,
Und wir beneiden nur die Großen in der Welt,
Weil wir's nicht wissen noch verstehen,
Was ihnen manchmal pflegt im Kopf herum zu gehen.
VI.
Die schiffenden Affen
Ein Schiff, mit Affen voll beladen,
Lief einst von den Ostindischen Gestaden
In einen wohlbekannten Hafen ein,
Wo man des Affenkaufs versichert konnte sein.
Der König dieses Ortes fand viel Lust an Affen,
Wie diese Lust nun eigentlich beschaffen,
Ob's gut Geschmack war oder Tändelei,
Steht jedem nachzuforschen frei.
Sein Volk hat ebenso recht oder unrecht dran,
Denn was der König tut, tut auch der Untertan,
Bei Hofe hält man den Gebrauch,
Sobald der Fürst hinkt, hinkt der Minister auch.
Die Mode läuft bald durch, man lähmt sich das Bein,
Dem Fürsten wenigstens im Gange gleich zu sein.
Die Affenhändler nun entfernten sich inzwischen,
Und boten in der Stadt die Affenware feil,
Das Schiffsvolk, um sich mittlerweil
In einer Schenke zu erfrischen,
Verließ die Affen ganz und gar.
Da stellt ihr Senior, der sehr passabel war,
Den andern ein Projekt mit diesen Worten dar:
Kameraden, sprach er, auf! itzt ist es Zeit,
Uns aus der Sklaverei zu reißen.
Auf! zur Retour lacht die Gelegenheit,
Es möchte künftig sonst post festum heißen.
Ihr habt es ja gesehn, wie Wind und Wellen
Geschickt zu bändigen, die Fahrt wohl fort zu stellen.
Alle! greift an, es wird schon gehn,
Ich will der Steuermann, ihr sollt Matrosen ein,
Da fing die Kompanie gleich Vivat an zu schrein,
Fort! fort! zur Freiheit fort! der Rat ist gar zu schön,
Und wurde im Augenblick der Anker aufgewunden,
Die Segel richtig angebunden,
Das Schiff flog schnell durch See und Flut,
Es ließ sich herrlich an: Der Wind war Anfangs gut,
Man hätte sollen sehn, wie da die Schifferjungen
Von einem Segel auf das andre sprungen,
Sie kletterten den Mast beständig auf und ab.
Der neue Steuermann, der sich viel Ansehn gab,
Nahm seinen Platz beim Ruder ein,
Schaut überall herum, und schien bestürzt zu sein.
Ihr Herren! rief er aus, es wird ein Sturm entstehen,
Dort unten zieht es finster auf,
Die See verändert Farbe und Lauf;
Doch sorgt nicht, seht auf mich, es wird schon gehen.
Der prophezeite Sturm traf auch ganz richtig ein,
Nur mit des Affen Kunst schien es gefehlt zu sein,
Der Wind fing heftig an zu blasen,
Daß durch des Wetters und der Wellen Rasen
Den Schiffenden die Hoffnung gar verschwand,
Als denen schon der Tod vor Augen stand.
Sie machten's zwar so nach, wie sie's vordem gesehen,
Doch alles stets verkehrt am Start in Eil
Die Segel abzutun, geschah das Gegenteil.
Sie suchten nicht das Schiff von Felsen abzudrehen,
Und fuhren stets gerichtet drauf los.
Bei Schiffenden, wenn die Gefahr sehr groß,
Fehlt es an Fluchen und Gelübden nicht,
Die Affen hielten es auch für ihre Pflicht.
Der betete, der schwur, der half die Segel rücken;
Jedoch was half dergleichen Ding,
Wenn alles ganz verkehrt zuging?
Das Schiff stieß auf den Fels und brach in Stücken,
Und also ward die sämtliche Affenschaft
Ins Meeres Abgrund hingerafft.
Mein Affenvolk wird euch, die ihr's so macht, zeigen,
Ihr seid dem Falle nah, die Kunst wird nicht weit steigen.
VII.
Die Rose und der
Schmetterling
Wo ist doch jene Zeit hinkommen,
Da die Natur noch nicht die Feindschaft angenommen;
Wohl aber auf die Menschen immerdar
Gut, lieblich, freundlich lachend war?
Das goldne Saeculum, der Frühling dieses Lebens
Den uns die Schmeichelei, so lustig malt und dicht;
Der süße Traum, wiewohl vergebens,
Ich meine nicht das äußre Tageslicht,
Da die Natur durch schönes Wetter lachte,
Die Flora Blumen genug, Pomona Früchte brachte,
Die Nachtzeit ruhig war; nein, das beklag ich nicht:
Mich schmerzt der Abgang nur von andern Kostbarkeiten,
Der Treu und Redlichkeit, da in der Menschen Brust
Die Tugend herrschend war; hingegen unbewußt
Was Schand und Laster hieß. Das macht zu unsern Zeiten
Den ganz unschätzbarsten Verlust.
Mann redete damals nicht so listig und verstellt,
Vielmehr mit Herzen voller Frieden,
Wort und Gedanke war noch nicht geschieden.
Hier fällt die Frage für: Wie? waren auf der Welt
Auch diese Menschen so, wie wir es sind,
Weil man sie ja ganz anders findet
Ja freilich: Diese guten Leute
Sind eure Eltern selbst. Wer aber dächte heute,
(Ihr Herren Kinder sagt's nur frei,)
Das euer Ursprung von so frommen Ahnen sei?
Ihr habt den Lügen ja viel Freiheit selbst gebaut:
Des Eides spottet man, das teuerste Versprechen,
Weiß Arglist durch den Schein des Rechts zu brechen,
Ein Narr der's hält, ein Narr der traut,
Weil unser Grundverfall nun leider so geschehen,
So ist's nicht goldne Zeit, wonach ich eifrig bin,
Das wäre zu viel verlangt; es wünschet nur mein Sinn
Die Erzzeit noch einmal zu sehen,
In solcher ungefähr blüht auch
Hier mein verbuhlter Rosenstrauch.
Erzzeit:
die Poeten haben viererlei Alter oder Weltzeiten gezählt,
die goldene, die eherne oder Erz und eiserne Zeit.
* * * *
Man sah in einem schönen Garten
Einst eine volle Rose blühn,
Als eine Königin der Blumen aller Arten,
Der bunte Schmetterling, der seiner Flügel wegen,
Von ihr geliebt zu sein, vor andern würdig schien,
Nahm einst, und zwar des Morgens früh,
Sein bißchen Kraft und Mut zusammen,
Ihr das Geständnis seiner Flammen
Recht offenherzig darzulegen.
Die Rose errötete, und danach seufzte sie.
Sie hatten nicht viel Zeit sich lange zu bedenken,
Drum wurden sie bald eins, und der Verliebten Zwei
Verbanden sich, ihr Herz nicht weiter zu verschenken,
Und schwuren beiderseits einander ewige Treu.
Der neue Mann, der sie so wohl verführt,
Verließ sein Weib auf eine kurze Zeit,
Der Mittag war bald da, als er erst wieder kam.
Die Rose rief und schrie: Wie, wirst du mir schon gram?
Erkaltet schon die Glut, dein brennendes Verlangen?
Es ist beinah ein Saeculum vergangen,
(Seht wie die Liebe zählt, es waren kaum vier Stunden)
Eh du an mich gedacht, und dich hier eingefunden.
Ich hab es wohl gesehn, wie du dich aufgeführt,
Und deine Zärtlichkeit, die mir allein gebührt,
Fast allen Blumen angetragen,
Und jeglichen was pflegen vorzusagen.
Du undankbarer Kerl! ich hab es wohl gesehn,
Was mir für Eintrag ist geschehn.
Du hast das Veilchen wohl hundertmal geküßt,
Die unter Blumen doch kaum Ansehens würdig ist;
Gleichwohl hat dich der schwarze Alp charmiert,
Du hat die abgeschmackte Tulpe caressiert,
Die leichenfarbigen Narzissen,
Die nach der Blüte bald verschüssen,
Die widerwärtigen Tuberosen;
Den allen suchtest du recht eifrig lieb zu kosen.
Verräter hast du genug? sonst will ich mehr erzählen,
Doch unser Junker Schmetterling,
Dem auch kein Schloß vorm Maule hing,
Brach los und sprach: Was willst du schmälen?
Geh, wenn du reden willst, so sieh erst in den Spiegel:
Ich schlage Töpfe entzwei, und du zerbrichst die Tiegel,
Du macht nicht ungern mit, man kennt dich wohl auch,
Wie freundlich tatest du, als Zephirs sanfter Hauch
Dich mit so vieler Inbrunst küßte?
Du bist sehr fromm, wer's nicht wüßte,
Doch wollt ich dieses noch nicht achten,
Allein das war nicht genug, ich sah ganz offenbar,
Was sich die Bienen nicht für Mühe bei dir machten,
Und wie der Käfer so willkommen war.
Du liebe Unschuld, du! du suchst, du lebst ja allen,
Auch gar der kleinsten Fliege zu Gefallen,
Du pflegst Niemanden zu verschmähn,
Ein jeder Freier ist bei dir sehr gern gesehn.
So paart die Liebe oft, und führt durchs Schicksals Ruder
Ein solch verbuhlter Mensch zu einem Flatterbruder.
VIII.
Der Ulmenbaum und
Nußbaum
Dem Nußbaum stand ein Ulmenbaum zur Seite,
An einem Berg in guter Ruh,
Da brachten sie, als gute Nachbarsleute,
Viel Zeit und Weil mit Plaudern zu,
Der Ulmenbaum fing an zu klagen:
Gevatter hört, was meinet ihr?
Ich bin zwar hoch und stark, und grün nach aller Zier;
Doch darf ich niemals Früchte tragen,
Mein Mühen ist umsonst: Natur hat Unrecht dran,
Daß ich sonst Nichts, als Schattenmachen kann,
Das ärgert mich, und greift mich an.
Der Nußbaum sprach: Mein Freund, weswegen ist dir's Leid?
Was kränkt dich meine Fruchtbarkeit?
Du hast zu wenig, ich zu viel,
Allein der Himmel gibt sie, wem er will,
Und nicht, wie wir's für billig schätzen.
Du übertriffst mich zwar an Höhe, ich gebe es zu;
Doch dieses kann bei mir die Fruchtbarkeit ersetzen,
Und darum bin ich glücklicher, als du.
Uns Bäumen steht das Obst vortrefflich an,
Das ist ein halber Baum, der keines tragen kann.
Doch tröste dich, und murre nicht so viel;
Was die Natur schon haben will,
Das können ich und du nicht hindern.
Der Nußbaum redete noch, als ihm ein Schwarm von Kindern
Mit Prügeln in die Rede fiel.
Die Wut der ungebetenen Gäste
Viel, stürmte, schlug und warf in unsern Baum hinein,
Hier flog ein Holz, und dort ein Stein,
In die mit Obst behangnen Äste.
So viel als Nüsse sich darauf befunden,
So viel bekam der Baum auch Wunden,
Doch aber war es kaum geschehn,
Und weiter wenig Frucht noch Blatt zu sehn,
So dachten doch die Kinder mehr zu kriegen,
Die dann den Baum aufs neu bestiegen,
Wodurch manch Zweig und Ast zerbrach.
Der Baum schrie sehr, sie fragten Nichts danach,
Und plünderten, bis Nichts mehr übrig war.
Darauf setzte sich die kleine Räuberschar
Beim Ulmenbaum, die Nüsse zu verzehren,
Der fing darüber an, sich also zu erklären:
Hier trifft die Wahrheit leider ein:
Oft ist's ein Unglück, zu nützlich sein.
IX.
Das Chamäleon
Zwei von den Reisenden, die gern die Welt durchtraben,
Die niemals Augen genug, noch satt zu sehen haben,
Die, bloß damit sie sprechen können,
Das hab ich selbst gesehn, das ist mir auch bekannt,
Die Welt noch zwanzigmal durchrennen.
Zwei solche, die man nicht genannt,
Durchreisten einst Arabiens Revier,
Und redeten unterwegs von dem Chamäleon.
Der eine sagte so davon:
Das ist ein ganz besonderes Tier,
Sein Fischkopf, und sein Leib, der einer Eidechse gleicht,
Der lange Schwanz, vier Füße mit drei Klauen,
Sind sonst an keinem Tier zu schauen,
Zumal, da es so langsam kreucht,
Und fast in Monats Frist kaum ein paar Ellen schleicht.
Ja was noch rarer ist, die blaue Farbe . . . Nein!
Es ist ja grün, fiel ihm der andre drein,
Ich hab es selbst gesehn mit meinen Augen
Am Sonnenschein die Luft und Tau
Mit aufgesperrter Kehle saugen.
Ich bitt mir's aus, es ist recht blau.
Das macht mir nur nicht weiß: Ich seh so gut als ihr,
Ob's gleich im Schatten war, es kam mir grüne vor.
Ihr habt nicht recht gesehn, blau ist es, das bleibt wahr.
Du lügst! drauf schimpfte der, und wäre bei einem Haar
Vom Disputat zu Schlägen kommen.
Ein dritter Mann, der rief: Ihr Herren, haltet ein
Welch Schwindel hat euch eingenommen?
Vertragt euch! einer sprach: Jawohl! allein
Ihr müßt uns erst aus unserem Streite ziehn
Sagt an, was haltet ihr davon?
Der Herr da spricht von dem Chamäleon,
Es wäre blau, ich aber spreche, grün.
Von beiden keines rief der Schiedsmann überlaut,
Das Tier ist schwarz. Ich hab's bei einem Lichte
Erst gestern Abend noch durch mein Gesichte
Genau betrachtet und beschaut.
Ich fing es selbst mit meinen Händen,
Und hüllt es in mein Schnupftuch ein.
Doch von den Zankenden sprach jeder: Nein!
Es ist blau, grün, ich will den Kopf verpfänden.
Der Schiedsmann sagte: Schwarz, und öffnete mit Fleiß,
Zu Endigung der Zänkereien,
Das Schnupftuch also gleich, und seht das Tier kam weiß.
Da stutzten alle drei, so Richter als Parteien.
Statt daß ihr euch den Kopf zerbrecht,
Schrie das Chamäleon, so brächt künftighin
Den zänkischen stolzen Eigensinn;
Ihr alle drei habt Unrecht und auch Recht.
Glaubt, andrer Augen sind noch wohl den euren gleich,
Sagt eure Meinung zwar, seid daher nicht so tolle,
Und wollt, daß jedermann derselben folgen solle.
Die Wissenschaft ist ein Chamäleon für euch.
X.
Apollo,
Mercurius und der Schäfer
Der Mensch ist voll Undankbarkeit:
Er kann um Geld und Glück die schönsten Worte geben,
Und wenn er's hat, ist's Schuldigkeit,
Die ihm schon längst gehört. So kann er sich erheben,
Bei Hofe kann man's klärlich sehn;
Ist ein Minister nur kaum eingesetzt worden,
So tritt fast jedermann in seinen Schmeichlerorden;
Hingegen pflegt sich's umzudrehn,
Wenn er in Ungunst fällt, und weiter Nichts regiert.
So kommt's, daß sich von ihm auch gar sein Knecht verliert,
Da, wo man gibt, ist's sehr gedrange,
Wo man gegeben hat, ist Niemand mehr im Gange.
Der Weihrauchhändler trifft ein schlechtes Spiel,
Der dankbaren Herzen nur allein verkaufen will,
Wer aber Tugend hat, wird nicht so gröblich fehlen,
Vielmehr für Liebe stets von Herzen dankbar sein.
Denn Undank für die Wohltat streun,
Heißt, den der sie erzeigt, bestehlen.
Darum sei unser Dienst auf jedermann gestellt,
Das ist schon Ehrenlohn, dem Eigennutz muß weichen:
Denn Tugend ist hierin dem Geize zu vergleichen,
Sie zahlt sich selbst ihr eigen Geld.
* * * *
Apollo, den man sonst den Gütigen genannt,
Wie auch Mercurius, der durch die List bekannt,
Gerieten einst in Streit, und setzten eine Wette,
Wer unter beiden wohl das größte Ansehn hätte.
Mich betet man ums Gute an.
Und wegen meiner List wird mir das auch getan.
Mich pflegt die Welt am meisten zu verehren.
So stritten sie; wohlan! die Probe soll es lehren,
Wem unter uns zuerst ein Opfer wird gebracht,
Dem bleibt die Präferenz, so ward der Schluß gemacht.
Darauf sah Apollo einen Schäfer in den Gründen
Mit einer Feldmusik bei seiner Trift,
Den ließ er hier sogleich ein großes Glücke finden,
Es war ein Stein mit dieser Schrift:
Hier liegt ein Schatz, den sollst du kriegen,
Apollo schenkt ihn dir. O Himmel rief er aus,
Fing bald zu graben an, fand ihn auch wirklich liegen,
Und brachte großen Reichtum raus,
Besah und zählt ihn bald, und kriegte gleich Verlangen,
Was mit dem Gelde anzufangen?
Nun ist es mir gar leicht ein Edelmann zu sein;
Für so viel Geld soll mir die größte Herrschaft werden,
Adieu ihr armen Schäflein!
Nun hüte ein andrer eure Herden.
Der Hirte war erpicht auf seinen Zweck,
Ließ Sinn und Aug umher sich drehen,
Indes stahl ihm Mercur das Geld hinweg,
Im Augenblick war es um seinen Schatz geschehen.
Der Schäfer sah sich um, Nichts war mehr da: O weh!
Wie ist mir? träumt mir? Nein! Ich wache ja, ich steh,
Hier ist noch Loch und Stein zu sehen.
Doch auf dem Steine las er wieder mit Verdruß:
Was dir Apollo gab, raubt dir Mercurius.
Au weh! Mercurius das ist zu große Strafe,
Fing kniend unser Hirt recht kläglich an zu schrein,
Erbarmt, Mercur! erbarmt euch mein!
Ich opfere euch hier dafür das Beste meiner Schafe.
Sobald gesagt, sobald getan.
Er würgte das Schaf und zündete das Opfer an,
Mercurius fing an zu lachen,
Und ohne auf das Flehn Reflexion zu machen
Rief er: Die Welt ist mein!
Wie nett trifft es bei uns ein,
Ein jeder will beglückt, und Niemand dankbar sein.
XI.
Der Käse
Zwei Katzen hatten einen Käse gefunden,
Und also gleiches Recht zur Beute erlangt,
Worüber dann Disput genug entstunden,
Weil man gemeiniglich beim Teilen zankt.
Voraus, wo viel Begehr und kein Gewissen,
Gleich ihre eigne Tat der Käse Diebstahl war;
Drum mußten sie sich nur zum Rechtsprozeß entschließen,
Und stellten beiderseits ihr Recht dem Richter dar.
Der Amtmann an dem Ort hatte einen Affen,
Der war an Minen just, wie er beschaffen,
Für diesen ward der Käse hingelegt.
Don Bertrand setzte sich, vernahm die Klage,
Tat, wie die Richter tun, und fordert eine Waage.
Der Käse wurde entzwei gesägt,
Und beide Stücke abgewogen.
Don Bertrand sprach: Hier wird Niemand betrogen,
Es wird Gerechtigkeit gehegt,
Schaut! dieses Teil scheint viel zu schwer zu wiegen,
Er fraß ein Stück davon, und zog das andere her,
Das war dann wiederum zu schwer,
Biß abermals davon, und wollte noch mehr kriegen,
Die Katzen sprachen drauf: Wir sind vergnügt,
Wenn jede nur ein Teil itzt kriegt.
Ei! was? sprach Bertrand, schweigt! ihr albernes
Geschlechte,
Wollt ihr gleich friedlich sein, so sind's doch nicht die
Rechte;
Denkt ihr, daß man ein Ding so übers Knie hier biegt?
Worauf er jedes Teil nur immer weiter schwächte,
Und gleichsam aus Berechtigung
Allzeit, was überwog, verschlung.
Der Käse fing an ziemlich abzunehmen,
Die Kosten machten unsere Parteien matt,
Die wollten um den Rest sich nun zur Ruh bequemen;
Doch Bertrand sprach: Habt ihr der Händel satt?
So wird das übrige für Sporteln mir gebühren,
Der Richter muß sein Recht auch nicht vernegligieren,
Geht hin in Ruh, vergeßt das Danken nicht.
Der Amtmann hätte kaum so gut gericht'.
XII.
Die Finsternis
Weg mit viel Wörterpracht, wenn man etwas erzählt,
Die hohe Schreibart mag den Dichtern eigen bleiben,
Die mit Verwegenheit den Vorsatz sich erwählt,
Der Helden Tapferkeit, der Götter Lob zu schreiben,
Ich, der ich hier von Tieren singe,
Als ein geringer Fabulist,
Geh der Natur nur nach, statt daß ich mich hoch schwinge,
Erzähl ich alles bloß, wie es an ihm selber ist.
Das Wort: Es ist bekannt, dient mir zum Grund allein,
Doch muß ich nicht dabei im Ausdruck zu gemein,
Zu läppisch noch niederträchtig sein.
Manch Autor, dem hierzu Kunst und Geschicke fehlen,
Singt plump und ekelhaft, wenn er den Baß absingt.
Man muß nicht bauerngrob erzählen,
Und auch Nichts, was zu albern klingt.
Apollo will, man soll im Reden also gehen,
Daß man mit Anmut bäurisch, und dabei
Mit Pöbelworten zierlich sei,
So kann uns jedes wohl verstehen.
Das ist nicht leicht. Ich glaub's, setzt hier ein Leser
dran,
Was hilfst? Was gehn mich eure Schwierigkeiten an
Wird euer Buch mir zu gefallen wissen,
So zähl ich nicht die Müh, die ihr daran wagen müssen,
Ich lobe euch aber drum, und dieser Lohn ist wert,
Daß ihr ihn teuer kauft, und nicht umsonst begehrt,
Recht! lieber Leser, recht! der Meinung bin auch ich
Ein Bücherschreiber wähle sich:
Ob ihm sein Werk Lob oder Schimpf soll bringen
Das erste wird ihm schwer, das andre leicht gelingen.
Es kostet Müh, daß man der Mühe Schein versteckt,
Weil, was gezwungen ist, Mißfälligkeit erweckt,
Manch Einfall wird oft tief aus dem Gehirn entrissen,
Und scheint von außen doch, als stellt er selbst sich ein,
Da man ihn doch wohl lange suchen müssen.
Der Fabel Stil soll ganz leicht und fließend sein,
Entfernt von Stolz und Schwülstigkeit,
Wenn anders die Gelegenheit
Der Sache nicht will selbst drauf dringen,
Noch einen höheren Ton zu singen.
Itzt ist es eben so mit mir,
Der Inhalt fordert es, die Stimme hoch zu treiben,
Warum? ich muß, ich hab allhier
Die Pracht der Sonne zu beschreiben.
* * * *
Die Sonne zeigte sich auf ihrem lichten Wagen,
Vor dessen Glanz und Strahl. Nichts dunkel bleiben mag,
Sie flog mit Stunden fort, und bracht in vollem Jagen
Der Welt den allerschönsten Tag.
Das Erdreich wuchs dadurch an Pracht und Fruchtbarkeit,
Die Flora stickte sich ein buntes Blumenkleid,
Auf welchem noch dazu der Ceres blondes Haar,
Durch die bereifte Saat von Fette triefend war.
Ceres:
die Göttin des Getreides.
Des Meeres Spiegelglas fing alle Strahlen auf,
Die so viel neue Sonnen schienen,
Und alles war bemüht, des Tages prächtigen Lauf
Mit neuer Schönheit zu verdienen.
Nur bloß der Mond fing aus Mißgunst an zu schrein:
Die Sonne prahlt zu sehr! ich möchte fast erblinden,
Wie! bildet sie sich etwa ein,
Die Herrschaft über mich durch solchen Glanz zu finden?
Ihr Strahl, der mir so schimpflich fällt,
Der soll sich bald in etwas mindern,
Ich muß die Prahlerei verhindern.
Nunmehr will ich es der Welt
Schon zeigen, daß ich nicht der Sonne untertan,
Ich will mir bald das Recht erfechten,
Daß ich, nebst so viel schönen Nächten,
Auch schöne Tage machen kann,
Sie brennt vorhin zu sehr, ich scheine nicht so heiß.
Der Tor tat, wie er sprach, er ging und trat mit Fleiß
Just zwischen uns, und zwischen Phöbos Thron,
Hier stritt und kämpft er nun allein, was war sein Lohn?
Statt daß er heller wollte brennen,
Verlosch er drüber ganz und gar,
Und seine Finsternis gab jedem zu erkennen,
Daß er für sich ein dunkler Körper war,
Der, wenn er leuchten soll, des Lichtes Überfluß
Erst von der Sonne borgen muß.
Der Mond stellt uns hier die Unvernunft entgegen,
Aus Hoffart fangen wir oft tolle Sachen an,
Aus welchen man das neidische Unvermögen,
So uns beherrscht, denn erst recht sehen kann.
XIII.
Mercurius und die
Seelen
Mercurius führte einst vier Seelen aus der Welt,
Vier Seelen just, nicht mehr nicht minder.
Zuerst ein Fräulein, drauf den Vater vieler Kinder,
Mehr, einen tapfern Kriegesheld,
Und endlich einen Hofpoeten,
Die sprachen unterwegs. Ach! fing das Fräulein an
Mein Liebster wird sich wohl vor Gram und Trauer töten,
Ich weiß, daß ihn mein Tod schrecklich martern kann.
Er hat mir hundertmal Versicherung gegeben,
Daß er ohne mich nicht könnte leben.
Ein jeder Augenblick schloß ein neu Liebesband,
Weil er sein einzig Glück in meiner Liebe fand,
Und stirbt er ja nicht bald, so werd ich ungetrannt
Ihm ewig in Gedanken schweben.
Die Vater Seele sprach: Ich habe auf der Welt
Mein Weib und Kinder hinterlassen,
Die sämtlich liebten mich fast über alle Maßen,
Ich weiß, daß ihnen itzt manch bittre Zähre entfällt,
Wie wird das arme Volk mich lange Zeit bedauern?
Ach! Himmel hemme doch ihr Trauern!
Die Helden Seele rief: Was seid ihr gegen mir?
Durch hundert Schlachten bin ich höchst berühmt geworden;
Ich weiß, daß itzt in der Minute hier
Viel Völker um mich schrein, von Ost, Süd, West und Norden,
Mein Name stirbt nicht auf Erden,
Er wird allzeit der Feinde Schrecken sein,
Wem fiele wohl die kühne Hoffnung ein
So hoch beklagt, als ich zu werden?
Ich, sprach der Versemacher, ich bin noch mehr geacht,
Was wär Achilles, wenn Homer nicht gewesen?
Von meiner Poesie wird großer Staat gemacht,
O! mit was höchst bestürztem Wesen
Wird man von mir die Todeszeitung lesen?
Ihr irrt euch, Vater, Held, Poet, Frauenzimmer,
Sprach Gott Mercurius, und überlegt es nimmer.
Was dich verliebtes Herz betrifft,
So läßt dein Liebster schon um eine andre werben.
Du Vater dein Geschlecht durchlief die letzte Schrift
Sitzt, rechnet alles scharf, und freuet sich zu erben,
Dein Weib zankt, disputiert, von dir hört man kein Wort,
Ein jedes denkt mit seinem Teile fort.
Was dich, Herr General, anbelangt,
So kommandiert ein andrer Held
An deiner statt, den hat der Ruhm, womit er prangt,
Weit übern Vorfahren hingestellt.
Und ihr mein werter Versemacher
Der ihr so unentbehrlich seid,
Man spricht: Der Tod war hier gewiß kein Widersacher,
Daß er die Welt vom euch befreit.
So hat sich manches oft geirrt.
Tod und abwesend sein, sind bald vergessne Sachen,
Und wer sich Rechnung will auf viel Betrauern machen,
Der macht die Rechnung ohne Wirt.
XIV.
Der Krebs, der
ein Bein bricht
Uns Fabelmachern steht es frei
Zu wählen, was uns dient, die Bilder auszuschmücken,
Es gilt uns gleich, ob's wahr, ob's unwahr sei,
Wir pflegen nach pleisir, und wenn es sich will schicken,
Die Märchen alter Zeit für Wahrheit auszutönen,
Ist's gleich nicht wahr, was schadets? Man hat's geglaubt,
schon genug.
Phoenix, Zentauren, Sphinx,
Gehören in unser Reich. Der ehrliche Betrug
Der irrigen Natur steht in den Fabeln gut,
Zumalen auch der Wahrheit, die er mit sich führt,
Beim Leser keinen Schaden tut,
Und sie durch selbes Nichts verliert.
Doch warum wählt man nicht viel eher
An dessen statt die Wahrheit neuer Zeiten?
Denn wer das Größre kann, kann auch das Kleinere,
Was jene Plinius zu ihrer Zeit bedeuten,
Sind unsre Neueren mehr, die an die Stelle treten,
Plinius:
lebte zur Zeit Vespasian, hat 'Historiam Naturalem'
in 37 Büchern geschrieben.
Man trifft allhier mehr Zeugnis an,
Die wissen den gemeinen Wahn,
Den bloß der Glaube stützt, recht gründlich auszujäten.
Sie wollen alles sehn, und dreißig mal beschauen,
Was jedermann bejaht, bestreiten sie mit Macht,
Und alles wird durchsucht und an das Licht gebracht,
Ich will auch auf ihr zweifelhaftes Zeugnis trauen,
Und gründe mich allhier auf ihre Worte.
Sie sagen, daß ein Krebs viel Bein im Vorrat hat,
Verliert er eins, so wächst an dem verletzten Orte
Ein anderes an desselben statt.
Das hat ihm die Natur besonders so verliehn,
Ein Bein ist gleichsam ihm, als wie ein Magazin
Von hundert andern neuen Beinen.
Ihr lacht, dieweil auch dies Schlaraffenwerk will scheinen.
Lacht nicht: die Sache ist sonnenklar,
Doch nehmt dabei den Umstand wahr
An diesen rekrutierten Füßen:
Ihr Wachstum hält an manchen Orten schwer,
An manchen geht's damit viel länger her,
Und diesen Unterschied pflegt jeder Krebs zu wissen:
Denn bricht das Bein am einem Ort entzwei,
Wo die Ersetzung nicht so leicht vonstatten geht,
So bricht er's selber da aufs neu,
Wo ihm ein neues Bein getrost zu hoffen steht.
Dies mußt ich euch voraus bedeuten,
Nun wollen wir zur Sache schreiten.
* * * *
Ein Krebs ging aus, und brach ein Bein
O was gibt es in der Welt für schwere Unglücksfälle,
Dafür kein Tier, kein Mensch kann sicher sein?
Das fühlte wohl der Krebs. Kaum konnte er von der Stelle,
Doch schlich er langsam fort. In diesem Jammerstande
Vexierte ihn noch der Frosch, der Spötter saß am Rande,
Und rief ihm höhnisch zu: Nun wirst du wohl forthin
Nicht mehr nach deinem Eigensinn,
Bald vor, bald rückwärts gehn, bald hott, bald schnöde
lenken,
Und an solch ausspazieren nicht mehr denken,
Vielmehr zu Hause dich ergötzen,
Nein! sprach der Hinkende, das wird wohl nicht geschehen,
Du wirst mich bald schon wieder laufen sehen,
Ich habe Vorrat genug, den Abgang zu ersetzen.
Ja? scherzte der Schadenfroh:
Genug Vorrat? sage mir doch, wo?
Dergleichen Scharten auszuwetzen,
Sprach der erlähmte Krebs, das sind mir Bagatellen;
Verlier ich gleich ein Bein, das macht mir noch nicht heiß,
Ich schaffe mir dafür ein anderes an die Stelle,
Das noch viel besser ist. Darauf brach er sich mit Fleiß
Das lahme Bein zu oberst völlig ab.
Was macht du? schrie der Frosch, kurierst du dich so schön?
Es wird dir just wie jenem Narren gehen,
Der legte sich aus Furcht vorm Tode
Lebendig selber in das Grab.
Wer es macht nach deiner Mode,
Macht übel ärger noch. Der Krebs sprach: warte nur,
Eh noch der sechste Tag sich endet,
So ist der Schaden ersetzt, und meine Kur vollendet,
Und siehe da! durch Hilfe der Natur,
Traf es vollkommen richtig ein,
Dem Krebse wuchs ein neues Bein.
Vernunft verrichtet oft was die Natur soll treiben,
Wie mancher schwerer Fall muß unkuriert bleiben,
Weil man die Mittel scheut, als größeres Unglück?
Denn die zu rechten Zeit wohl wissen anzuwenden,
Steht nicht in ignoranten Händen,
Es ist der Klugen Meisterstück.
XV.
Die Austern
Zwei Reisenden zur See zerbrach ihr Schiff in Stücke,
Der abgebrochne Mast war in der Not ihr Kahn,
Drauf fuhren sie mit halb und halben Glücke,
Auf einer wüsten Insel an.
Hier wurden sie mit neuer Not umgeben.
Der Hunger plagte sie, sie suchten weit und breit,
Und fanden weder Tier, noch Obst, noch Fruchtbarkeit,
Das Erdreich voller Sand, und also Nichts zu leben,
Hier war der Tod vor ihren Augen,
Und als sie nun denselben nah,
Entdeckten sie nach einigen Tagen
Viele Austern, die am Ufer lagen.
Hier schrie der eine bald: sieh da!
Da gibt es Muscheln genug, die zum Essen taugen,
So danken wir's der See. Er öffnete sich eine,
Pfui! sprach der alberne Tropf, mir graut! Pfui! ich mag
keine,
Viel lieber leid ich Hungersnot,
Denn Gift ist ärger als der Tod.
Der Ekel macht ihn krank, er fing sich an zu färben,
Und mußt also vor Hunger sterben.
Den andern zwang die Not von den Austern zu genießen,
Die erste schluckt er würgend ein,
Ho, ho! sprach er, das schmeckt, das sind ja Leckerbissen,
Ei Schade! daß es viele Menschen sein,
Die Nichts von dem Geschmack wissen.
Wie delikat! wie frisch! er schluckte immer drauf,
Und hörte ganz und gar nicht auf.
Er sprach: Nun will ich hier verbleiben,
Mich soll von dieser Kost nichts vertreiben.
Vergebens rief die Mäßigkeit,
Hör auf! es ist genug! der Vielfraß sprach allzeit:
Nur eine! eine noch! und fraß sich voll und krank,
Daß ihm der Bauch davon zersprang.
So überschreiten stets wir Menschen Maß und Ziel,
Tun uns zum Schaden bald zu wenig, bald zu viel,
Begierde und Ekel hören nicht,
Was die Vernunft dagegen spricht.
XVI.
Der Rabe und der Falke
Ein Rabe, der noch jung, von guter Stärke und Kraft,
Flog über Berg und Tal sein Brot zu finden;
Ein alter Rabe in seiner Nachbarschaft,
Ganz nackt und bloß und schwach, fing schier an zu
erblinden.
(Wie dem das Alter selbst schon eine Krankheit scheint,)
Der Hunger kam dazu, der wollte ihn vollends fressen,
Doch Mitleid rührte den Falken, seinen Freund,
Der kam und bracht dem Alten Essen.
Kaum sah dies der junge Rabe,
So sprach er bei sich selbst: Der Alte kriegt sein Brot,
Der Tag für Tag nichts tut, da ich oft kaum zur Not,
Bei meinem vielen Fleiß etwas zu klauben habe.
Kann der bei seinem Müßiggehn
So herrlich und so wohl bestehn?
Warum denn ich nicht auch? weil uns Gott will ernähren,
Wird er mir ebenfalls so einen Freund bescheren,
Die Falken können mich wohl auch verpflegen.
Der Klügling führte den Vorsatz auch hinaus,
Er gab sich keine Müh und flog nicht weiter aus,
Und machte sich des Essens wegen
Gar keinen Kummer nicht, er ließ den Himmel sorgen;
Doch fing der Magen an, und wollte nicht mehr borgen,
Der Hunger wuchs, kein Falke zeigte sich
Das war dem Raben ärgerlich,
Er nahm das Außenbleiben übel auf,
Blieb aber gleichwohl noch im faulen Neste liegen,
Als er nun in zwei Tagen drauf
Schon ganz entkräftet war, beschloß er auszufliegen,
Da kommt er nicht, weil's nun zu langsam war,
Kurz: unser Tor verreckte gar.
Der Himmel will, man soll sich zwar auf ihn verlassen,
Doch stets das Seine möglichst tun;
Denn lassen wir die Hände müßig ruhn,
So kriegt man in der Not statt Hilfe Wind zu fassen.
Die Vorsicht nähret uns, daß keinem was gebricht,
Vertraut ihr, doch versucht sie nicht.
XVII.
Der Mensch und die
Sirene
Welch seltsames Geschlecht ist doch die Menschlichkeit!
Zeigt, arme Sterblichen! mir eure guten Tage,
Die ihr nur Leute voll Begierde und Hoffnung seid.
Wie lange seufzet ihr nach der Genießungszeit?
Und wenn ihr's denn genießt, continuiert die Klage.
Sagt, welche Arten doch von seltsamen Projekten
Sich nicht in eurer Stirne legten?
Wann werde ich dieses sein? Wann werde ich jenes haben?
Wohlan! spricht Jupiter, Laß sehen,
Ob du zufrieden bist, ob dir genug geschehen
Hier hast du die so sehr gewünschten Gaben.
Bericht mir morgen früh dein Wohlergehn;
Nur laß dich nicht durch Selbstbetrug verleiten;
Es hat ein jedes Ding zwei Seiten,
Die eine ist schlimm, die andere gut und schön;
So lange du nun pflegst danach zu sehn,
So ist sie herrlich, doch sie wird gleich häßlich sein,
Sobald sie deine wird. Warum? Denn von der Weite
Sieht man beim Wünschen nur die schöne Seite,
Und beim Genießen dann die schlimmen allein.
* * * *
In eine reizende Sirene
Wurde einst ein Mensch in heißer Liebe entbrannt,
Er lief des Tags unzählige Mal an den Strand,
Und sucht und sah hier seine Schöne.
Er warf ihr Küsse zu, er seufzte und klagte,
Und wenn ihn auch die Nacht von da nach Hause jagte,
So blieb er doch mit den Gedanken da,
So, daß er auch ihr Bild im Schlaf vor sich sah.
Ach! sprach er, bricht denn nicht der Tag bald wieder an,
Der mir meine Englische Sirene zeigen kann?
O! wunderschöner Leib! O! höchst charmante Blicke!
Bezaubernder Gesang! O! was für Zärtlichkeit!
Sie übertrifft in diesem Stücke
Die Schönheit selber weit und breit.
Er ward vor Liebe krank, nahm fast zusehends ab,
Und hatte kaum zwei Schritte noch ins Grab,
Neptun erbarmte sich's, und stillte seine Flammen,
Und sprach den Mensch mit der Sirene zusammen,
Der Bräutigam griff zu, die Hochzeit ward gemacht,
Sein Glück schien nun ganz vollkommen;
Doch als er nach der ersten Nacht
Sein Weib nun recht in Augenschein genommen,
So traf der unglückselige Mann
Anstatt der schönen Frau ein Monstrum an.
Nun ward der arme Mensch vom Ekel mehr geplagt,
Als ihn vorhin die Sehnsucht abgenagt,
Denn der verliebte Mensch sah bloß nur mit Begier
Des Kopfes und Leibes schönen Glanz;
Itzt, da er sie besitzt, so schaut er Nichts an ihr,
Als nur die Schuppen und den Schwanz.
XVIII.
Der Esel und der Hase
Vor Alters, da die Welt noch jünger war als heute,
War unter den Tieren Krieg, und alles fast im Streit,
Beim Kämpfen ging es ziemlich scharf,
Bisweilen, wo ich's sagen darf,
Sind sie so närrisch, als unsre Leute,
Der Pöbel bildete sich mehr, als der Adel ein,
Das Unter Parlament wollte Oberhaus agieren,
Man warb, man musterte, man fing an zu marchieren,
Zu sehen, welcher Part der stärkste würde sein.
Der Hase und Esel wollten es auch mitwagen,
Und nahmen Dienst beim Unterhaus,
Zwar nicht zum Fechten noch zum Schlagen;
Sie gaben sich nur bloß für Lustigmacher aus.
Der Esel machte durch ein gut Trompeten blasen
Die Streiter wütend, das Kriegsvolk voller Rasen,
Zu einer desto blut'gern Schlacht.
Der Hase war Tambour und trommelte mit Macht.
Sie kamen hinter ein Gehege,
Und als sich da ihr Kriegsspiel hören ließ,
Ward überall Mut und Courage rege.
Man griff sich an, man schlug, man hieb, man stieß,
Bis ein paar Tausend blieben liegen,
Und Trommel und Trompete gar bald stille schwiegen.
Das Lager der Lords war Helden voll,
Die mußten freilich alle wohl
Wie Ajax und Achilles siegen.
Der feige Pöbel nahm gar bald die Flucht,
Und unser Hase und Esel wurden beim Strauch gefangen,
Der erste blieb an einer Trommel hangen.
Die Poltrons kriegten fast vor Angst die gelbe Sucht
Und sollten ihre Straf empfangen.
Sie führten zwar beweglich an:
Daß sie nicht selbst Soldaten wären,
Und keinen Hieb noch Schuß getan;
Die Sieger wollten sich jedoch daran nicht kehren,
Und sagten: das hilft Nichts, ihr hättet sollen wehren,
So aber bliest ihr noch in die rebellische Glut.
Das Todes Urteil fiel, es war gerecht und gut:
Denn wer zum Bösen macht Mut,
Der ist so arg, als der es tut.
XIX.
Die Grillen
Zwei Grillen aus dem Bürgerstande
Logierten sich in eines Stadt Regentens Haus,
Da sangen sie zugleich zwar manche Sarabande,
Doch kannten sie sich nicht, sie kamen nicht weit aus.
Die eine wohnte, als wie der Herr mit Pracht,
In dem geheimen Kabinette.
Die andre hatte sich ihr Bette
Ins Vorgemach, als ein Lakai gemacht.
Einst kroch die letztere hervor aus dem Kamin,
Und schlich die Zimmer durch, kam endlich auch dahin,
Wo ihre Nachbarin die Wohnung aufgeschlagen,
Die eben damals fröhlich sang.
Wie? treffen wir uns hier? fing sie gleich an zu fragen,
Je! Schwester, guten Tag! Ich sage schönen Dank
Willkommen Schwesterchen! Hier ist ein Stuhl, nimm Platz
O! sprach die unsre: Lieber Schatz,
Ich bin den Komplimenten feind,
Und bleibe gern damit verschont,
Traktiere mich als einen Freund,
Der hier nebst dir in einem Hause wohnt.
Ich habe mein Quartier in dem Verhörungssaal,
Wo unser Haus Patron so manch Memorial
Von den Parteien kriegt, und ihre Klagen hört,
Wie ist der Herr gerecht! wie weise! wie gelehrt!
Uninteressiert, höchst bescheiden!
Die Billigkeit fast selbst. Wer bei ihm prozessierte,
Der hat nur eine Lust, er kann nicht Unrecht leiden.
Du bist von meinem Herrn sehr übel informiert,
Versetzte die vornehme Grille,
Ich kenne besser seine List.
Du siehst ihn draußen in der Komplimenten Hülle,
Hier aber seh ich ihn, wie er natürlich ist,
Hier legt er Maske und Hüllen ab,
Sieht auf der Reichen Geld und Gabe.
Ein schönes Weib hat immer Recht,
Den Hohen dient er gern, da er Geringe schwächt.
Das sind die Canones, die unser Herr erwägt,
Und wonach er zu richten pflegt.
Drum laß die Klugheit nicht aus Händen,
Und sich den Pöbel nur durch Maskeraden blenden.
Man muß, den Irrtum zu vermeiden,
Zwei Menschen lernen unterscheiden,
Sie sind, merk es wohl, in einem Mensch vereint:
Der Mensch im Kabinett, und der public erscheint.
XX.
Minos und der Tod
Laßt uns stets singen, spielen, lachen,
Und in der Rosenzeit uns immer fröhlich machen,
Nach aller Herzenslust, ohne einzigen Verdruß,
Verdoppelt Lieb und Wein, laßt andre Leute sorgen,
Nur frisch drauf los, wir sterben morgen.
Ist wahrlich ein sehr übler Schluß,
Es mag Anacreon und auch Horatius,
Die diesen Satz für orthodox ausgaben,
Mir es gleich noch so sehr für übel haben,
Hört meinen Gegensatz in zwei Teilen:
Weg mit der eitlen Lust; bestrebt euch allezeit
Mit Fleiß um die Gerechtigkeit.
Ein jeder Augenblick, den wir hierin verweilen,
Bringt uns zum Schaden nur die Laster mehr hervor,
Drum fort, denn morgen sterben wir.
Laßt jene Leute nur das Lob der Wollust preisen,
Und mit der Sterblichkeit den schnöden Satz beweisen,
Sie sahen ihren Tod als wie durchs Fernglas an,
Sie schwatzten zwar davon, und dachten doch nicht dran,
Wer morgen sterben will, der wird ganz anders leben,
Und nach der echten Tugend streben,
Denn Minos und sein Volk herunten scherzen nicht,
Weh dem, den Tugend fehlt! Lernt heraus unsre Pflicht.
Minos beschwerte sich einst auf den Tod gar sehr:
Du pflegst uns von der Welt nur Böse her zu schicken,
Wie? stirbt denn gar kein Frommer mehr?
Man kann hier sonst Nichts erblicken,
Als Volk, das auf der Welt von Wollust, Geiz und Pracht,
Diebstahl und Hurerei Profession gemacht.
Ich muß nur immer grausam sein,
Das Strafamt will mir selbst zur Last und Strafe werden.
Die Hölle wird nun mit Gewalt zu klein,
Und ist so voll, es kam kein Apfel mehr zur Erden.
Hingegen sehn die Elysischen Felder,
Und ihre höchstglücklichen Wälder,
Ganz unbewohnt, nur die paar Weise ausgenommen,
Die einem hie und da noch zu Gesichte kommen.
Der aus der Einsamkeit entspringende Verdruß
Macht ihnen noch, wie ich besorgen muß,
Dies Kanaan zum Jammertal.
O! Schade, Schade, hundertmal!
Daß nur so wenige Personen
Das Land der Seligkeit bewohnen.
In kurzem schließt man es gänzlich zu,
Und dran ist Niemand Schuld, als du,
Ich? sprach der Tod, ich nehme was ich finde,
Was kann denn ich dafür, daß stets dein Richteramt
Das überschickte Volk ins schwarze Reich verdammt?
Was hab ich Teil an ihrer Sünde?
Ja! ja! mehr als zu viel. Du kommst den Leuten
Zu jäh auf den Hals, du meldest dich nicht an,
Haust weg, eh sich der Mensch dazu bereiten kann.
Geh laß dich vorher sehn, und suche sein beizeiten
Die Menschen durch ein heilsam Schrecken
Aus ihrer Sicherheit zu wecken.
Geh, sprich: die Hoffnung längern Lebens
Sei Nichts, und weiterhin vergebens.
Versuch es nur, es wird die Welt bald frömmer sein
Der Tod versprach es drauf, und lief mit weitem Schritte
Nach einer großen Stadt. Hier trat er in die Mitte,
Das Volk sah und erschrak, die Furcht war ungemein,
Man stellte Kirmes, Spiel und alles Schmausen ein,
Der Tod war ihnen stets vor Angesichte,
Das wirkte beßre Lebensfrüchte.
Nunmehr bekehrten sich die Kinder dieser Welt,
Die Tugend ward geliebt, die Bosheit ward gefällt,
Die Obrigkeit gerecht, die Priester fromm und frei
Von Herrschsucht und von Heuchelei,
Der Mann ward klug, das Weib getreu,
Die Kinder blieben nicht, wie vor, im eignen Sode.
Zwar alles nur aus Furcht vorm Tode;
Doch durch die Furcht kam Weisheit in der Tat,
Die sich von selbst beliebt und schätzbar machte.
Und Plato fand allhier diejenige Tugendstadt,
Die er in Griechenland doch nicht zustande brachte.
Kurz: Sünde und Bosheit ward besiegt,
Elysium besetzt, und Minos wohl vergnügt.
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