Buch 5
 

Buch 4
 
Der König der Tiere
Der Pfirsich und der Maulbeerbaum
Der Wahn
Die Hunde
Das Konterfei
Die Weinkoster
Pandora
Die Katze und die Maus
Die zwei Bücher
Der sein Glück und Unglück zuvor Wissender
Die Bäume
Apollo und Minerva
Der Schatz
Das Kamel
Die gar zugleich gesinnten Freunde
Der Friede
Das Pferd und der Leu
Die Komödie der Tiere
Der veränderte Tyrann
Das Opfervieh
Die Sperlinge

I.
Der König der Tiere

Der Tiere Republik ward ihrer Freiheit gram,
Und wollte es auch einmal auf andre Art probieren,
Ein König sollte sie regieren.
Da nun desselben Wahl auf einen Ochsen kam,
Pacificus genannt, hofft jedes ein neu Leben,
Ob würde unter ihm die goldne Zeit anheben.
Der neue Herr war gut und fromm im höchsten Grad,
Beliebt und gnädig sein, war alles was er tat.
Die Bösen konnt er wohl beklagen,
Die Bosheit aber nicht bestrafen noch verjagen,
Hier war er viel zu gut, und wußte sich keinen Rat.
Viel kleines Tyrannenvolk verheerte die Provinzen,
Des Leu und Tigers Mordbegier
Zerriß und fraß sein Volk im Lande da und hier,
Es war ein Elend um den guten Prinzen,
Der predigt ihnen Nichts, als nur vom Frieden vor,
An Wohltat war er reich, doch arm an Strafen,
Die pflegt er gänzlich zu verschlafen.

Man setzt ihn endlich ab aus Staatsraison,
Und hob dafür den Leuen auf den Thron,
Der wurde bald vom Krieg und Blutvergießen,
Und vieler Völker Zwang der Streitbare geheißen.
Sein eigenes Volk erschrak.  Itzt machte Niemand mehr,
Wie vorher, Rebellion, man fürchtete sich zu sehr;
Hingegen war auch keine Liebe.
Des Königs Grausamkeit und Blutbegierden Triebe
Erschreckten auch der Schmeichler kühne Schar.
Wer ihm verdächtig schien und angegeben war,
Der mochte sich des Lebens nur verzeihn.
Der Kläger mußt oft selbst ein Mann des Todes sein.
Wie geht das zu? sprach das Volk, daß unsere Wahl gefehlt?
Zwei Könige haben wir gewählt,
Und allzeit unrecht ausgelesen.
Der erste ist allzu gut gewesen,
Der andre kann nicht schlimmer sein
Und rast nur ins Wesen nein.
Drauf resolvierte man, weil es unerträglich worden,
Den Waldneronem zu ermorden.
Hier bilde man sich die Zerfleischung ein,
Sie war sehr blutig, doch der Wüterich ward erschlagen.
Drauf hörte man den frommen Ochsen sagen:
Ihr Herren, hört! ich wüßte was für euch,
Der Elephant hier ist mir an Güte gleich,
Und an der Tapferkeit dem Leuen;
Den macht zum König, es wird euch nicht gereuen,
Er wird eure Hilfe und Schutz, ihr seine Kinder sein.
Mein Votum geb ich ihm, ihr mögt ihn kühnlich wählen,
Was sollt ihm zum regieren fehlen?
Nichts! schrie das ganze Volk.  Er ward's, man setzt ihn ein,
Sein Regiment ließ sie kein voriges Übel quälen.

Regenten! Lieb und Furcht muß gleich im Paare gehn,
Eins kann ohne das andere nicht bestehn.

II.
Der Pfirsich und der Maulbeerbaum

Kaum daß zur Frühjahrszeit einmal die Sonne schien,
Da kroch der Pfirsichbaum, des Gärtners Lust und Freude,
Aus dem verhaßten Winterkleide,
Und fing gleich an zu treiben und zu blühn.
Ermahnt auch allsobald den Maulbeerbaum zu Seite,
Der damals noch ganz und gar
Versteckt, tot, kalt und dürre war,
Wie in den schärfsten Winterszeiten.
Mein Freund sprach er, was hilft des Frühlings Lieblichkeit,
Wenn du die Faulheit nicht willst zwingen?
Hörst du noch nicht den frohen Schall
Der höchst beliebten Nachtigall,
Und auch das ganze Chor der andern Vögel singen?
Das die Natur erweckt und alle Welt erfreut.
Schau, was für Nektarsaft flößt mir Aurora ein,
Wodurch so Blüte als Baum erquickt getränkt sein.
Jedoch der Südwind mag dir noch so lieblich wehen,
Du Fauler schläfst, wenn alles wacht;
Komm, tu mir es nach, du kannst ja sehen,
Was ich für Arbeit schon gemacht,
Wie an mir alles blüht.  Das allerschönste Hoffen
Freut meinen Herren ungemein,
Es hat ihm auch vorhin schon öfters eingetroffen,
Daß eben so viel Früchte an mir, als Blüten sein.
Kaum aber hat er dies gesagt,
So blies ihm wiederum der Nordwind in die Ohren,
Daß Blüten, Saft und Trieb erfroren,
Und alle Hoffnung ward mit ihnen fortgejagt.
Die Frühlust wurde ganz zunichte,
Und brachte Blätter, statt der Früchte.
Hab ich den unrecht? sprach der kluge Maulbeerbaum;
Ich halte die Begierde im Zaum,
Der Südwind irrt mich nicht, ich fürchte noch den Norden,
Durch Übereilung ist sehr viel verloren worden.

Zur rechten Zeit kommt man zum Ziel,
Die Ungeduld verdirbt zu viel.

III.
Der Wahn

Du himmlische Erfindungskraft!
Laß deinen Beistand mir zu großem Nutzen gedeihen.
Ich mühe mich nicht gern mit alten Schildereien,
Wofern mein Sinn nichts neues denkt und schafft;
So werfe ich aus Verdruß so Farbe und Pinsel hin.
Erfindung andrer ist kein Werk nach meinen Sinn,
Ich baue da nicht gern, wo ich nicht Grundherr bin.
Ich müßte sonst stets besorgen,
Daß mich die List mit Recht von dem Besitze trennt,
Und mein Gebäude heute oder morgen
Dem Eigentümer wieder zuerkennt.
Drum laßt uns niemals Garn aus fremden Flachse spinnen,
Hat man vor Alters viel erdacht
Und sinnreich an das Licht gebracht;
Wie sollte man nicht itzt was Neues mehr ersinnen?
Nein, wendet man hier ein, die Zeiten sind zu schwer,
Ja, wer mit dem Äsop und dem Homer
Zu gleicher Zeit geboren wär.
Nun ist es allzu spät, man hat schon genug getan
Wenn man sie nur was imitieren kann,
Der Meinung bin ich nicht, weil man sonst schließen müßte,
Das itzt die Welt zu alt und unvermögend sei,
Das nichts mehr unbekannt, daß man schon alles wüßte.
Doch weit gefehlt! der Welt Zeit ist noch nicht vorbei,
Die Jahre blühen noch man, sieht es nur allein
Aus dem, daß wir ja noch wie Kinder furchtsam sein,
Und ohne Gängelband kaum zwei, drei Schritte wagen,
Da wir nicht alle Tritte fragen:
Ist das der rechte Weg? Ich geh zurück; nein.
So kindisch reden wir, wir Kinder dieser Erden;
Doch werden wir getroster sein,
Sobald wir werden Männer werden.
O! was für Länder sind noch unbekannt?
Die Dichtkunst selbst ist ein unermeßlich Land,
Von diesem kann man viel entdecken,
Wenn man den Kopf nur dran will strecken.
Wo keine Wege sind, da laßt uns Wege machen,
Man schaffe neues Volk, ersinne Tat und Sachen.
Doch finden sich die wilden Tadler ein;
So gehn wir immer fort, und lassen Toren schrein.
Apollo sucht uns zu verbinden,
Der Ehre nachzugehn, was Neues zu erfinden,
So daß wir, laßt den Neid deswegen Feuer spein,
Dem Handwerk nach Erschaffer sein.
Ganz neue Spieler hier den Fabelplatz beschreiten,
Frau Ignoranz mit ihren Leuten,
Die Faulheit und den Stolz.  Hört diesen Lehren zu,
Sie machen allbereits das Tadelvolk entrüst,
Weil mein Erzählen hier mehr, als natürlich ist.
* * * *
Das Fräulein Ignoranz sollt in die Wochen kommen,
Fragt jemand: wer ihr denn die Ehre weggenommen?
Das weiß ich nicht, ich sag es frei;
Das aber weiß ich wohl, das es gar leichter sei,
Die Ignoranz zu hintergehen,
Genug, das sie schwanger war.  Die Zeit war fast herbei,
Da gab der Götter Spruch durchgehends zu verstehen,
Die Königin der ganzen Erden
Würde itzt von ihr geboren werden.
Ein Kind das König, ja Götter machen kann,
Nachdem sich künftig hin würde alles richten müssen;
Ja, wollte man noch mehreres wissen,
Es legte dieses Kind einst hohe Schulen an,
Und würde jedermann durch dessen Augen sehn,
Vor Angst gebären oft die Weiber hin und wieder;
Doch unsre Ignoranz kam vor Verwunderung nieder,
Der Götter Spruch traf ein, denn sie gebar, und wen?
Das Jungfräulein Ophelia.
Sogleich lief ein Kurier davon,
Daß es Herr Hochmut und Frau Faulheit sollt erfahren,
Die unsrer Wöchnerin Eltern waren,
Und Herzensfreunde auch daneben,
Die auch dem Enkelchen den Rahmen sollten geben,
Die Großmama sah es mit stetem Lächeln an,
Vom ernsten Großpapa ward schön mit ihm getan,
Sie herzten höchst vergnügt ihr Kindeskind und Samen,
Und gaben ihm der Wahrheit Namen.

IV.
Die Hunde

Ein Haufen starker braver Hunde
Confaderierten sich mit einem festen Bunde,
Auf gleiches Glück und Ehr für einen Mann zu stehn.
Was wir erbeuten, muß in gleiche Teilung gehn,
Fing eine große Dogge an;
Sie wollte auf Redner Art die Worte zierlich setzen,
Um durch Beredsamkeit, so Herzen zwingen kann,
Die Bundesgenossen aufzuhetzen,
Und predigte, wie sonderlich dabei
Die Eintracht höchst vonnöten sei.
Die Dogge hatte wohl studiert.
Ihr müsset, fuhr sie fort, mit manchem Hector streiten,
Mit manchem Schwein und Wolf. Lauf hin, ihr triumphiert.
Sie haben euch Nichts an; nur laßt euch nicht verleiten
Das Band der Eintracht zu zerreißen.
Denn wo ihr zänkisch und unverträglich seid,
Und bloß aus Hitze und Heftigkeit
Einander gleich wollt Hundskopf heißen,
Und innerlichen Krieg laßt unter euch entstehn;
So werdet ihr zu Grunde gehn,
Wovon Achilles dort, und sein unruhiger Geist,
Ein deutliches Exempel weist.
Der Redner, wie man sieht, war ziemlich wohl belesen,
Und auf der Universität gewesen.
Die Rede drang auch in die Herzen ein,
Denn sie verschwuren sich zu gleicher Treu und Glück,
Ihr Eifer für die Republik
Schien ganz vom Eigennutz entfernt zu sein.
Die Helden brachen auf und fanden ein wildes Schwein.
Kaum war es angepackt, so lag es gestreckt zur Erden,
Und sollte nun geteilt werden;
Das aber war der Punkt, da stieß sich's dran.
Ich, schrie der eine, ich bekomm das größte Stück,
Ich hab's gefällt. Ich, hub ein andrer an,
Ich fing es, ich brach ihm das Genick,
Die Lumpenhunde dort, die haben Nichts getan,
Als nur von weitem zugesehen.
Sollen die uns gleich gehen? das laß ich nicht geschehen,
Sie können fasten, oder bitten.
Daraus entstand nun Zank und Streit,
Bis daß des Zornes Heftigkeit
Die Köpfe recht erhitzt, da ging es an ein Wüten.
Bellona, Sultan, Mars, Fassan, Packan, Türkei
Gerieten in die größte Raserei,
Und bissen Hals und Haut und Ohren sich entzwei.
Ein Blutsfreund fiel den andern grimmig an,
Vernunft und Recht galt Nichts, man kehrte sich nicht dran,
Ein jeder zankte nur für seinen Teil und Lohn,
Und endlich kriegte keiner Nichts davon.
Denn bei dem beißen kam ein Haufen
Von Wölfen just herzu gelaufen.
Wer laufen konnt, entlief vor der Gefahr,
Den letzten fraß der Wolf.  Und hieraus sieht man klar
Zwei Punkte, die gewißlich wahr:

Das meistens Eigennutz der Freundschaft Ursprung sei,
Der schließt Bündnisse, und reißt sie auch entzwei.
Der Zwiespalt, als sein Sohn, gebiert den Zank,
Und dieser denn den Untergang.

V.
Das Konterfei

Die Welt kann nichts als splitterrichten,
Man zeig ihr auch ein Stücken principal Gedichten,
Ihr unverständige Verwegenheit,
Die es für Possenwerk ausschreit,
Findet weder Saft noch Kraft, Geschmack noch Würze dran,
Sie urteilt, und verwirft nach ihrem Wahn.
Diejenigen bilden sich viel Witz und Weisheit ein,
Die Nichts, als Ignoranten sein.
* * * *
Es wollte sich einst einer malen lassen,
Warum? Ein jeder sieht doch gern ein Konterfei.
Die Eigenliebe hat allezeit
Die Bilder hochgeschätzt, und pflegt sie einzufassen.
Die Kunst, die uns so abkopiert,
Scheint just, als ob sie uns vermehre.
O! wenn nur dies die einzige Torheit wäre,
Die unser Herz bei sich führt.
Der abgemalte Mann ersuchte die Befreundeten,
Sie sollten sagen, was sie zu dem Bildnis meinten,
Ob er nicht recht getroffen sei?
Der eine sagte: Nein! das Bild kommt euch nicht bei,
Und tadelte wohl zehnerlei,
Der andre sprach: das Maul ist schlecht,
Auch steht die Nase gar nicht recht.
Dem dritten wollten Miene und Augen,
Ja gar das ganze Bild nichts taugen,
Der Maler würde es gänzlich ändern müssen.
Nun stellte er zwar vor, es fehlt ihm ja kein Haar,
Allein es half ihm nichts, er mußte sich entschließen,
Zu ändern, was nur möglich war.
Das Bild geriet so wohl, daß er bei einer Wette
Auf völlige Ähnlichkeit den Hals verpfändet hätte.
Die Kenner mußten es nun zum andern Mal betrachten,
Doch fingen sie schon an es wieder zu verachten:
Das Bild ist viel zu schwarz, ihr seid ja weiß,
Und scheint hier als ein sechzigjähriger Greis,
Schaut nur die Backen an, die voller Runzeln stehn,
Da ihr noch ziemlich jung und schön.
Der Maler sprach: Wohlan! ich will noch eins probieren,
Und kann ich euch nicht contentieren,
Will ich mein Malwerk gleich zerreißen,
Und samt den Pinseln in das Feuer schmeißen.
Als nun die Tadler fort, fing unser Maler an,
Und sprach zum abgemalten Mann:
Die Freunde, die ihr habt, wenn ich sie recht soll nennen,
Sind Ignoranten, die nichts kennen.
Wenn es euch beliebt, will ich sie morgen rar bezahlen,
Ich will ein Bild wie das, doch keinen Kopf drein malen,
An dessen statt der Herr den seinen stecken mag.
Gut! sprach der Mann.  Adieu! bis morgen früh.
Die Tadler melden sich den andern Tag,
Der Maler wies das Bild ein wenig von der Ferne,
Sprach: ist es nunmehr recht? gefällts euch itzt, ihr Herren?
Der Kopf zum wenigsten, verlohnt sich der der Mühe?
Ei! hat sich wohl, was braucht es, sagten sie,
Uns um die Kleckerei noch einst zu fragen?
Die Wahrheit kurz und gut zu sagen:
Es ist kein Strich dran recht, es seht ihm gar nichts gleich
Ei! sprach der Kopf: ich bin es ja selbst, ihr irret euch.

VI.
Die Weinkoster

*Doch, weiß man nicht auch Menschenwitz zu nennen,
Der uns ein sicher Urteil stellt?
Die Leute sind zwar rar, doch hat's ihr in der Welt.
Wohl dem, der sie erfragt, sie hört, und lernet kennen,
Noch mehr, der ihnen wohl gefällt.
Laßt uns danach bemühen, ja trachten, laufen, rennen.

*
Diese Fabel ist mit der vorhergehenden verbunden.

* * * *
Ein Hauswirt hatte neu gefaßten Wein,
Darüber hielt er ein Konzilium,
Gab einen Becher voll den Gästen rings herum,
Wie schmeckt er, ist er gut und rein?
So pflegt er jeglichen zu fragen,
Sie sollten ihre Meinung sagen.
Der eine nippte ohne Zahl,
Sprach: dieser Wein gehört zu einem Fürstenmahl,
Der andre, als ein guter Zecher,
Schlang hurtig, und gab vor, daß er zwar köstlich sei,
Doch schmeckt er etwas nach dem Becher.
Die andern stimmten alle dem ersten bei,
Der Wein sei mit dem Nektar einerlei,
Womit die Götter sich an ihrem Ort begießen,
Selbst Bacchus würde nichts daran auszusetzen wissen.
Drauf fanden sich bei diesem Wein
Zwei Weinverständige Trink-Professoren ein,
Der Küster Lucas und der Stadtvertreter Grieger,
Die waren vom Geschmack erfahrener, älter, klüger,
Man ließ sie kosten; nun! sagt an, wie schmeckt euch der?
Unfehlbar werdet ihr ihn mit uns preisen.
Der eine sprach: der Wein, der Wein, der schmeckt nach Eisen.
Der andre sagte: Auch nach Leder ungefähr.
Was? schrie der Bacchusrat, ihr Toren
Habt wohl Geschmack und Witz verloren,
Und lachte sie recht höhnisch aus,
Doch war die Freude kurz: der Ausgang zeigte klar,
Daß ihr Geschmack vollkommen war.
Der Wein mußte aus dem Fasse raus,
Und als er nun zu Zapfen ging,
Fand man ein Schlüsselchen, so an dem Riemen hing,
Im Weinfaß auf dem Boden liegen.
Nun lachten die zuletzt, da jene stille schwiegen.

Das gehet euch, ihr Herren Bücherschreiber an,
Es schmeicheln Tausende wohl euren Werken;
Doch glaubt deswegen nicht, ob sei kein Fehler dran;
Die Mängel sieht nicht der gemeine Mann,
Die kluge Leute gar wohl merken.

VII.
Pandora

Der aus dem Göttersaal verbannte Bulcan
Wollt einst nach seiner Kunst ein Menschenbild formieren,
So Zange als Hammer mußten dran.
Des Leibes innren Bau wollte er zuerst vollführen.

Bulcan:
Ein Sohn des Jupiters und der Juno. Weil Jupiter über seine häßliche
Gestalt verdrießlich war, stieß er ihn mit einen Fuße aus dem Himmel auf die Erde.
Wird sonst für den Gott der Schmiede bei den Heiden gehalten
.

Drauf macht er auch die äußerlichen Glieder,
Poliert und feilte hin und wieder.
Als die Figur nun fertig war,
Sprach Jupiter: das Werk ist schön und auserlesen,
Mein Sohn stellt bei der Kunst sich als ein Meister dar;
Doch ist es nur ein totes Wesen,
Bloß eine Statue. Ich muß ihr schon das Leben,
Geist, Seele und auch Bewegung geben.
Er sprach, und das Metall (wer hätte es sollen denken?)
Holt Atem, und der rare Bau
Ward also eine Frau.
Ein jeder Gott wollte ihr hierauf nun etwas schenken.
Was meint ihr wohl, wie reich sie geworden sei?
Ihr fehlte nichts an Schönheit und Gebärden,
Ergötzlichkeit und Lust mußt ihre Wohnung werden.
Man fügt ihr ungemeinen Vorteil bei:
Holdseligkeit und Geist, Witz, Tapferkeit, Verstand,
Daher sie auch Pandora ward genannt,
Das heißt so viel als: Lauter Gaben,
Die sich bei ihr so schön vereinigt haben.
Jedoch der tückische Gott, der Höllen Präsident,
Der Pluto macht ihr ein Präsent
Mit einer Schachtel.  Hier, sprach er, nimm hin,
Und merke dir dabei die Wunder Sachen,
Es liegt der größte Schatz darin,
Wenn du dich nur enthältst sie aufzumachen.
Durch diese Rede ward Pandora schwierig,
Sie war ein Weib, und folglich neubegierig,
Ihr sorgen und ihr Angesicht
War auf die Schachtel fest gericht.
Wie? sprach sie, sollst du stets so ungeöffnet bleiben?
Vielleicht will Pluto Spaß nur treiben;
Das wär ein artiger Schatz, davon man den Genuß
Unbrauchbar liegen lassen muß.
Das Rätsel ist zu hoch, ich finde mich nicht drein,
Deswegen seh ich doch hinein.
Sie machte auf.  Sieh da! Ihr Götter! wie schlug es aus?
Es flog der Schmerz und Tod, ja noch was ärgeres raus,
Der Laster gräuliches Gezüchte
Erschienen itzt in vollem Tageslichte.
Nun frag ich hier, in welche Reih
Die Neubegier mit ihrer Narretei,
Als aller Mutter, wohl zu setzen sei?
* * * *
Zu diesem alten Stück muß ich auch meines fügen:
Die Gleichtunwollenheit ist allzu stark in mir,
Die Fabel hat noch eine bei ihr liegen,
Sie war mein Vorbericht.  Nun tritt das Hauptspiel vor:
Da sind wir! rief nunmehr der Laster freches Chor,
Wo aber wollen wir hin, wo werden wir logieren?
Ich, sprach der Hochmut drauf, bin nicht besorgt davor,
Ich bin beliebt bei großen Herren,
Und werde mich bei ihnen einquartieren,
Bei Hofe hat mich jeder gern.
Ich geh, sprach Eigennutz zu den Negotianten,
Und ihren Kaufmannschaft Verwandten,
Die lehre ich Vorteil, Weg und Bahn,
Wie man die ganze Welt durchreisen kann,
Da wollen wir dann mit den eingeschifften Waren
Nach Indien spazieren fahren.
Nach diesem ging auch die Verschwendung aus,
Und etablierte sich in eines Reichen Haus,
Hier war ein Überfluß an Speisen, Wein und Liebe,
Wobei sie Hausregentin bliebe.
Die Heuchelei kam fast noch besser dran:
Die Leute, die so gern die Augen niederfällen,
Und sich als Redner wissen vorzustellen,
Die nahmen sie mit Freuden an,
Und gaben ihr die Macht, den Tempel Staat zu zieren,
Das Zeremoniell des Gottesdienstes zu führen.
Doch wo logierte sich die Eifersucht denn ein?
Die Frage hat man nicht vonnöten,
Solange nur noch in der Welt
Zwei Schöne sind, und zwei Poeten.
Da alle Laster nun so wohl versorgt sind;
War doch der Eitelkeit noch kein Quartier bestellt,
Und du! rief ihr jemand, wo wirst du dich hinwenden?
O! sprach sie: sorget nicht, ich bleibe an allen Enden.

VIII.
Die Katze und die Maus

Finette war eine sehr günstige Maus,
Und gleichwohl in die Falle einst eingegangen,
Nur durch ein bißchen Speck ward sie gefangen.
So sieht's oft mit dem Klügsten aus,
Herr Katzianer kam indessen
Auch ungefähr dahin, weil ihn das Riechen zieht,
Er sah Maus und Speck mit Appetit,
Als herrliche Delikatessen.
Die wollt er fangen durch Caressen.
Deshalb fing er an: Gevatter wollen wir nicht
Die alte Feindschaft fahren lassen?
Der Groll hat unter uns viel Unglück angericht,
Wenn du nun pflegst den Krieg, wie ich, zu hassen,
So liegt es bloß an dir allein,
Wofern wir künftig nicht die besten Freunde sein.
Von Herzen gerne, sprach Finette.
Ist's möglich? Ja! im Ernst? sprach Murner; nun wohlan
Wenn ich nur hier dein Zimmer offen hätte!
Mach's auf damit ich dich umarmen kann.
Ich wollte wohl, doch müßt ihr dort den Stengel drücken,
So hebt sich hier das Brettchen aus.
Die Katze wollte unsre Maus
Samt ihrem Speck durch List berücken.
Sie zog das Türchen auf und dachte, sie hätte sie schon,
Da sprang Finette mit dem Speck davon,
Die Katze lief zwar nach, doch jene war entflogen,
Und diese ward in ihrer Rechnung sehr betrogen.

Ein Kluger weiß den Vorteil so zu ziehn
Selbst von dem Feinde, der ihn kränkt.
Noch ein Morale setz ich hin:
Wie mancher nutzet uns, der uns zu schaden denkt.

IX.
Die zwei Bücher

Ich habe oftmals ein Kind, weil es klein,
Fast ganz untröstlich sehen weinen;
Hub man es auf den Tisch, so wollte es ruhig scheinen,
Weil es vermeinte groß zu sein.
Der Mensch ist dieses Kind.  Amt, Ansehn, Würde und Macht,
Der Adel, die Geburt, Geld, Überfluß und Pracht
Die sind der Tisch, auf dem der Zwerg will stehen,
Und so viel Stelzen, drauf er pflegt zu gehen,
Die steht er für eigne Größe an.
Nun frag ich diesen großen Mann,
Der mich kaum ansieht, wenn ich ihn schon höflich grüße,
Worauf sich doch sein Hochmut gründen müsse?
Kann denn der Ahnen Zahl ihr rühmliches Angedenken,
Dein Rang, Geschlecht und Staat dir so viel Hoheit schenken?
Ist denn dein hohes Amt, dein prächtiger Palast,
Der Möbeln Kostbarkeit, der Tafel Überfluß,
Das alles, was du bist, und von dir selber hast?
Nein! armer Mensch, hör an, weil ich dich lehren muß:
Ein niederträchtig Herz, erfüllt mit Unverstande,
Und eine Seele, befleckt mit Laster, Sünde und Schande,
Das hast du nackt und bloß, damit bist du ausstaffiert,
Und dem mit vielem Stolz, der dich und uns verführt.
Es gibt zwar große Herrn, die ganz besondre Gaben
Vom Himmel, wie es scheint, für sich bekommen haben,
Und denen könnte man das Großtun leicht verzeihn;
Doch eben diese pflegen dann allein
Am wenigsten sich zu erheben.
Von beiden wollen wir hier ein Exempel geben.
* * * *
Zwei Bücher, die beisammen stunden,
Bewohnten einen Büchersaal,
Das eine neu, vergoldet, in Corduan gebunden,
Das andre schlecht, verhüllt, durchfressen, alt und kahl.
Das neue Buch war stolz des schönen Bandes wegen,
Und sprach: ei! hebt mich doch herfür!
Wer kann denn Nachbarschaft mit einem Bettler hegen?
Der Schimmel müffelt zu sehr allhier.
Es sind wahrhaftig Hauptbeschwerden,
So nah bei einem Lumpenkerl zu sein,
Wer sollte nur nicht böse werden?
Ei! sprach das alte Buch, ei! zieht den Stolz was ein;
Ein jeglicher hat seine Gaben,
Vielleicht bin ich so gut, als ihr.
Schweig, sprach das neue Buch, mit solchen alten Schaben
Mag ich gar kein Gespräch haben.
E! hört nur ein Wert von mir.
Durchaus nicht, packe dich von hier.
Ich will nur einen Punkt berühren.
Halts Maul! ich schäme mich mit dir zu konversieren.
Herr Buchverkäufer, kommt, und setzt mich oben an,
Es liegt selbst eurer Ehre dran.
Bei den Disputen kam ein Bücherfreund gegangen,
Der wollte gern was Rechtes erstehn.
Er sah das alte Buch, und kauft es mit Verlangen
Das rare Werk bald durch zu gehn.
Als er das Schöne sah: O! weder Salz noch Grütze!
Rief er, und zwar mit viel Verstand,
Wozu wäre der Poete nütze?
Der Inhalt ist meist lauter Tand.
O Schade! Schade um den Band.

Ihr wißt wohl, wen ich mein, ich darf nicht weiter gehen,
Der Vers hat keine Dunkelheit:
Ein Weiser, schlecht bekleidet, muß oft zurücke stehen,
Und ist doch voller Würdigkeit,
Ein Prahler ist meist nur ein Kleid.

X.
Der sein Glück und Unglück zuvor Wissender

Ein Mensch hielt beim Verhängnis an,
Daß er sein künftig Glück und Unglück möchte wissen,
Das Schicksal ließ ihm drauf der Vorsicht Buch aufschließen,
Draus ihm sein Lebenslauf voraus ward kund getan.
Es offenbarten sich bei vielen Kleinigkeiten
Auch wichtige Begebenheiten.
Er sollte ein mächtiger und großer König sein,
Drauf im Gefängnis, Qual und Pein
Sein Leben endigen, ohne einzigen Erretter.
Dergleichen Wechsel ist ein Zeitvertreib der Götter.
Was plagten nunmehr nicht vor Unruh und Gedanken
Den bloß am Vorwitz armen Kranken?
Er sah seinen Tod fast überall voraus,
Und fand ihn unaufhörlich aus.
Der künftige König sah sich schon an Sklavenketten
In feurigen Gegitterbetten.
Ihr Götter! rief er, helft! und nehmt mir doch einmal
Das schreckenvolle Bild der angedrohten Qual
Aus meinem Sinn.  Sein Bitten fand Gehör,
Er sah die Sklaverei und auch den Tod nicht mehr,
Ihr Angedenken war bei ihm verschwunden.
Numehr sah er von weitem schon,
Als wie durchs Perspektiv, allein den Königstron;
Doch hatte er sich nichts besser drauf befunden,
Die Ungeduld macht ihm ein Saeculum aus Stunden,
Der Himmel mocht ihm sonst noch so günstig sein,
Es schmeckt ihm nichts, und war bei ihm verdorben,
Woran ein anderer für Freuden fast gestorben,
Starb unser künftiger Fürst nur vor Verdruß allein.
O Himmel! rief er aus, verkürze doch die Zeit,
Die mir durch ihre Langsamkeit
Mein Wohl zurücke hält, beschleunige mein Glück,
Denn außerdem ist nichts, das mich ruhig macht.
Das Schicksal sprach: Wohlan, der Torheit ungeacht,
Will ich einmal in diesem Stücke
Mehr tun, als dein Begehren ist,
Dein Ruhestand findet sich wieder ein,
Du sollst nun wieder so unwissend sein,
Als du zuvor gewesen bist.

Gut, daß wir Menschen nicht das künftige Schicksal wissen,
Es würde sonst, wenn es auch das größte Glück wäre,
Durch unsre Ungeduld zum Unglück werden müssen,
Und wäre es Unglück, so stürben wir vorher.

XI.
Die Bäume

Den lieben Alten dort, die nun im Frieden ruhn,
War ein Astrologe, den Sterneinfluß zu wissen,
So nötig, daß sie ihn unmöglich konnten missen,
Und ohne seinen Rat war Nichts zu tun.
Riet einem die Vernunft, dies oder das zu wagen;
So war ein Aber stets dabei,
Es müßte der Prophet erst sagen,
Ob dem Gestirne nach die Sache tunlich sei?
Wollte jemand bauen, reisen, laufen,
Verhandeln, werben oder kaufen,
Ging eine Heirat für, nahm man Purgantzen ein;
So mußte selbst er erst um Rat gefraget sein.
Durch diesen Wahnsinn ward mein Herr Astrologe,
So albern er sonst war, doch reich und hochgeehrt.
Der Mensch ist dergestalt betört,
Daß ich mich sehr verwundern müßte,
Wenn diese Mode heut zu Tag hätte aufgehört.
* * * *
Es wollte ein großer Herr und Freund der Gärtnerei
Einst junge Bäume setzen lassen;
Sein astrologischer Rat mußt auf die Sterne passen,
Ob dieser Lauf dazu gut oder widrig sei?
Der Doktor sucht und sprach auf sein Begehren,
Daß die Aspekten itzt ganz unvergleichlich wären.
Eilt! rief er, machet fort! sonst gehn die Bäume drauf,
In einer Stunde hört der gute Einfluß auf.
Die Bäume stunden da in einem Augenblicke,
Mit der Versicherung vor allem Unglücke,
Auf viele lange Jahr und Zeiten,
Von Regen, Hagel, Sturm und bösen Leuten,
Könnt ihnen nie kein Schabernack geschehn,
Der Himmel hätte sie mit einem Schutz versehn.
Kurz drauf ließ unser Herr den alten Gärtner gehen,
Nahm einen neuen an, der wollte mehr verstehen,
Er grub nach seinem Eigensinn,
Die Bäume wieder aus, und setzte sie sonst wohin,
In Meinung, daß sie hier nicht würden Früchte tragen,
Der Herr kam just dazu, als er die Arbeit sah,
Schrie er: Du Schelm du Dieb, was machst du da?
Welch Unglück steckt dir in dem Kragen?
Die Bäume hätten hier vortrefflich eingeschlagen.
Denn mein Astrologus, der an Erfahrenheit
Für einen klugen Mann zu schätzen,
Bemerkte mir die eigentliche Zeit,
Da es recht gut war, Bäume setzen,
Wozu der sämtliche Planeten Rat
Mir Kaution gestellet hat.
Herr, sprach der Mann: ei! last's euch nicht verdrießen,
Daß mein Verstand so hoch nicht steigt;
Schaut, weil die Bäume nun sind wieder ausgerissen,
So half das Tempo nichts, der Stern Prophete lügt.

XII.
Apollo und Minerva
Doktores Medicinæ

Apollo und Minerva waren
Einst aus dem Himmel weg verbannt.
Aus was für Ursach? ja, das hat man nicht erfahren,
Was liegt daran? Genug, wenn Jovis Zorn entbrannt,
Treibt er die Leute bald zu Paaren.

Sie mußten fort, da half kein Widerstand,
Drauf gingen sie zu Rat, was nunmehr auszusinnen,
Sie waren Götterkost gewohnt,
Und sollten nun ihr Brot bei Sterblichen gewinnen.
Apollo sprach: Ich weiß ein Handwerk, das mir lohnt.
Die Göttin sprach: Ich auch, nach meinem Stande.
Sie wählten eine Stadt in Griechenland,
Die ward von beiderseits bewohnt.
Apollo legte sich auf's doktorieren
Und heilte leibliche Gefahr,
Was an dem Körper stumpf, faul, krank und preßhaft war,
Das alles wußte er zu kurieren.
Doch was Minerven anbetrifft,
Die führte Medizin von höherem Werte,
Es war ein geistlich Gegengift,
Das Seelenkrankheit recht von Grund aus weg verzehrte,
Der Mensch ist dem Quacksalber Stil hold.
Minerva wußte es wohl, man pflegt ihm nachzulaufen,
Drum wollte sie der Weisheit Gold
Auf gleiche Art, wie Thiriac verkaufen.

Sie schlug mit goldner Schrift an allen Ecken an:
Allhier kann man die allgemeine Arznei finden!
Bringt einen Bösewicht, ganz schwarz von Schand und Sünden,
Ja einen Teufel her, mein Mittel kann
Ihn ganz schneeweiß und fromm bereiten,
Ich mach ihn rein.  Hier durch mein Elixier
Soll jede Tugend ihn alsbald begleiten,
Er wird sie lieben für und für.
Ist jemand krüplich im Verstande,
Liegt eines Schlemmers Herz im Luderkalten Brande,
Ist man am Hochmuts Fieber krank,
Das hitzig wieder kommt, der Venusluft Gestank,
Die Lügensucht, nebst altem Bosheits Schaden,
Auch wer mit tollem Geiz beladen,
Und oft davon ganz blind gewest,
Mit einem Worke: alle Laster
Vertreibt mein göttlich Weisheitspflaster,
Das hundertmal probatum est.
Der zahlet nichts, der nicht genest.
Doch zum Apollo lief das Volk in Haufen,
Der pflegte vor der Kur schon Hoffnung zu verkaufen,
Und nahm das Geld in Haufen ein.
Die Praxis wuchs, er nahm noch mehr bei solchem Stande,
Das Volk gab alles fast zu Pfande,
Mit Arznei für den Leib nur wohl versehn zu sein.
Das Glück fiel ihm zu, wie reichen Handelsleuten,
Minerva löste nicht einen Heller Geld.

Das Leibesübel macht nur Kummer auf der Welt,
Die Seelenkrankheit hat Nichts zu bedeuten.

XIII.
Der Schatz

Ein Prinz begab sich auf die Reise
Den Abenteuern nach; doch nicht gar auf die Weise,
Wie Don Quixott, und sonst ein irrend Ritter tat.
Er zog mit seinem Comitat
Bedachtsam fort, und führte seine Kasse
Wohlangefüllt bei sich, das kam ihm wohl zu paße.
Geld und ein guter frischer Mut
Sind auf den Reisen wohl zu tausend Sachen gut.
Einst sah er im Vorübergehen
Die dunkle Schrift an einem Felsen stehen,
Es hieß: Ein großer Schatz hat hier die Lagerstadt,
Den ein gewisser Gott hierin verborgen hat,
Wer ihn verlangt, der muß viel Hindernisse zwingen,
Und zuerst durch mich selbst dringen.
Grabt durch! rief unser Prinz. Man dingte tausend Mann,
Die griffen Tag und Nacht die Arbeit eifrig an,
Das kostete viel Geld; jedoch in ein paar Wochen
War durch den harten Fels ein freier Weg gebrochen,
Worauf man einen Abgrund fand,
Bei welchem wieder angeschrieben stand:
Der Schatz liegt weiter hin, man schütte mich voll Erde.
Wohlan füllt voll! rief unser neuer Amatlis;
Ich glaube numehr ganz gewiß,
Daß dieser Schatz, in Absicht der Beschwerde,
Der Mühe schon verlohnen werde.
Die Arbeit ging nun wieder an,
Und folglich ward aufs neu viel Geld vertan.
Als nun der Abgrund voll, da war ein dicker Wald,
Und fand an einem Baum hier wieder eingegraben:
Der Schatz ist da, du wirst ihn haben;
Doch bis zu seinem Aufenthalt
Mußt du den Wald umhaun.  Numehr gings drüber her,
Durch neue Kosten ward der Wald und Kasse leer.
Der Prinz drang endlich durch mit viel Beschwerlichkeiten,
Am Ende fand er einen Drachen
Den schrecklich teuren Schatz bewachen,
Der sprach: noch nicht genug, itzt mußt du mit mir streiten.
Gut sprach der Prinz, denkst du, daß mir's an Mut gebricht?
An Gelde fehlt mir's zwar, doch an Courage nicht.
Er fiel den Drachen an, der kam mit vollem Springen,
Als wollt er seinen Feind mit Haut und Haar verschlingen.
Wie gräulich sah er aus? wie schrecklich war der Kampf?
Aus seinem Rachen fuhr ein feurig schwarzer Dampf
Der Prinz tritt als ein Held, und trotzte die Gefahr,
Ob er schon zwanzig Mal blessieret war,
So schlug er Hieb vor Hieb doch auf den Drachen los,
Von dem das Blut wie Ströme floß,
Und als er ihn nun überwunden,
Rief unser tapfrer Held: Nun ist der Schatz gefunden!
Herbei! man kam, und sah, man zählte und befand,
Summa Summarum den Bestand,
Kein Kreuzer mehr, als er an Kosten drauf gewandt,
Von Lebensbalsam ward auch just so viel gefunden;
Als unserm Prinzen noch zu Heilung seiner Wunden,
Es hatte, wie man sieht, der obgemeldete Gott
Bloß mit dem Ritter seinen Spott;
Uns aber sagt er damit die Lehr ins Ohr:

Wir pflegen oft an was viel Müh und Geld zu wagen,
Und sind danach Nichts glücklicher, denn vor,
Ja, wer nicht schlimmer ist, hat noch von Glück zu sagen.

XIV.
Das Kamel

Aus Mitleid und Bescheidenheit
Weicht oft ein kluger Mensch dem Narren aus dem Wege.
Der Narr schließt gleich daraus, als wenn an ihm was läge,
Und hält es für Respekt und wahre Schuldigkeit.
Ja, diese Großmut macht ihn doppelt ungescheit,
Der große Herr erzürnt, wenn man ihm widerspricht.
Sprech ich: Sie haben recht, ich gebe mich gefangen;
Gleich trotzt er auf mein Wort, und denket folglich nicht,
Daß er im Reden sich vergangen,
Und daß dies Stillesein, womit man nachgegeben,
Ihn seiner Narrheit vielfach überweist.
Seht einen Dichter an, der als ein Schwindelgeist,
Durch seine Verse entzückt, fataler ihm will schweben,
Wie er erblaßt, ergrimmt, wenn man ihn tadeln will.
Schweigt man aus Mitleid aber still,
Ja es entfährt uns gar ein Wort,
Das ihn zu loben scheint, glaubt der Tor sofort,
Er sei ein solcher Kopf, desgleichen nicht vorhanden,
Ihr sagt's, zum wenigsten hat er es so verstanden.
Ich könnte dies in viel Exempeln zeigen,
In der Moral ist ja fast Nichts so allgemein;
Jedoch dies Blatt wär viel zu klein,
Die Kunst verlangt, ich soll hier schweigen,
Man muß nicht unbescheiden sein,
Und einem Leser alles sagen,
Das schiene gar zu viel Mißtrauen zu ihm tragen.
* * * *
Man kann viele Tugenden an den Kamelen zeigen,
Doch merkt man auch dabei noch einen Fehler an,
Ein Fehler ist nicht viel. Sie können nicht gut steigen,
Die Füße gleiten ab, sie stolpern dann und wann.
Dies nun vorausgesetzt, erzähl ich frei und klar,
Wie ein Kamel, das sonst von ehrlichem Gemüt,
Durch einen Zufall einst, der ihm verwirrlich war,
Auf sonderbaren Stolz geriet.
Es reiste dieser Herr mit seiner Kompanie
Auf einem jähen Berg. Hier war nun Not vorhanden,
Das gleitende Kamel fiel immer auf die Knie,
Daß seine Herren sich in tausend Angst befanden.
Sie kamen endlich drauf, der großen Glätte wegen,
Tapeten auf den Weg zu legen,
Darüber ging's ganz sicher her.
Doch das Kamel, das nun der Hochmut quälte,
Hielt dieses für Respekt, den man ihm schuldig wär.
Es tat so groß, daß es fast alle Schritte zählte,
Wie ein Pedant Reim und Wort,
Und setzte seinen Fuß recht majestätisch fort
Es brachte fast den Tag auf diesem Berge zu,
Und in der Nacht ließ ihm der Dünkel keine Ruh,
Das ihm aus wohlverdienter Ehre
Der Weg so schön gepolstert worden wäre.
Das wollte unser Herr van Tast
Im Schlaf nicht vergessen noch verpassen.
Den andern Tag sollte es, zu Fassung seiner Last,
Sich auf die Knie, wie sonst, danieder lassen,
Da wieder fing es an sich zu sperren,
Und sprach: Wie? seid ihr heute im Narrenorden
Ihr hieltet gestern mich für einen großen Herrn,
Bin ich denn heute was anderes geworden?
Jedoch sein Herr gab unterm Reisonneur
Mit seiner Peitsche schlecht Gehör.
Er sprach: dir hat das Teppichunterlegen
Den Kopf verrückt; Ja das geschah dir nicht aus Ehr,
Man tat's nur deiner Schwachheit wegen.

XV.
Die gar zugleich gesinnten Freunde

Vier Freunde hatte Fortuna zusammen gebracht,
Die vom Verstand und Sinn ganz unterschieden.
Der eine liebte Krieg, der andre liebte Frieden,
Was jener hoch erhub, war bei dem Nichts geacht,
Der wollte da hinaus, der andre dort,
Und redeten sie von was, so kam's zu heftigen Worten.
Einst disputierten sie so scharf, daß es beinah
Zum Kampfe gekommen wär, Vernunft schwieg stille da.
Ihr Herren fing einer an, wie trefflich würde es sein,
Wenn wir von einerlei Geschmack und Meinung blieben?
Dann stimmten wir recht überein,
Wir würden uns gewiß weit mehr, als itzt uns lieben.
Ein jeder billigte den Vortrag ohne Bedacht,
Der Schluß ward auch sogleich gemacht,
Die Götter darum anzuflehen,
Daß diese Änderung bei ihnen möcht geschehen.
Drauf liefen sie zu Phöbus Tempel hin,
Und baten ihn, Hand an das Werk zu legen.
Apollo, wie man sagt, ließ sich auch gleich bewegen,
Sie kriegten alle drei ein Haupt und einen Sinn,
So daß ein jeder, wie der andre, dachte,
Und es nach dessen Wunsche machte.
Schaut sagen sie, wie ist das Zanken überwunden?
Jawohl, doch war zugleich auch andre Lust verschwunden,
Der Umgang war ganz tot, kein Zeitvertreib mehr da,
Brachet einer etwas vor, so schrieen sie alle: Ja!
Und dieses Ja! Ja! blieb hinfort
Bei ihnen nur das einzige Wort.
Das Mißvergnügen kam, der Freundschaftseifer wich,
Aus großer Einigkeit entzweiten sie sich,
Und suchten, da sie sich nun mußten separieren,
Gesellschaft zum contradicieren.

Die Unterschiedenheit gibt große Lust und Licht,
Wir sind schon, wie wir sind, ganz richtig eingericht.
Wenn alle Menschen gleichen Sinnes wären,
So müßten wir das Salz entbehren,
Das unsern Umgang würzen muß,
Gleichförmigkeit gebar ehemals den Überfluß.

XVI.
Der Friede

Ein großer Streit entstand einst unter den Göttern,
Teils wollten bald ein Volk und Stadt zerschmettern,
Teils sie erretten mit Gewalt.
Zorn, Höhnen, Unvernunft erhob sich dergestalt,
Daß das Geschrei durch Luft und Himmel schallt,
Und wäre bald zum Fechten gekommen,
Weil mancher sein Gewehr schon in die Hand genommen.
Holla! rief Jupiter, ihr Herren haltet ein!
Wie? wollt ihr wieder um einander Troja zanken?
Und laßt die Sterblichen noch stets bei den Gedanken,
Daß ihr müßt närrische Götter sein?
Hat man nicht Torheit genug von uns bericht?
Wo ist der Friede? He! Geht sucht ihn her zu bringen;
Doch Friede war im Himmel nicht.
Hallo! Merkurius, laß deine Flügel schwingen,
Geh! such ihn überall und bring ihn zu Gesicht.

Der Götter Bote flog und kam vor allen Dingen
An eine große Hofstadt,
Von der die Höflichkeit den Namen hat,
Hier dachte er seinen Mann zu finden.
Umarmung, Kompliment, Bedienungen vorn und hinten,
Findet man bei Hof im höchsten Grad,
Jedoch Friede weicht dem innerlichen Grolle,
Es heißt: Geschrei und wenig Wolle.
Kein Mensch meint es redlich gut, man haßt und schadet sich,
Lebt feindlich insgeheim, und schmeichelt öffentlich.

Merkur begab sich zu der Richter Thronen,
Den Frieden sucht er zwar beim Advokaten nicht
Jedoch bei den Gerichtspersonen;
Wo lauter ernste Mienen wohnen,
Scheint Friede im Herz zu sein, sowohl als im Gesicht.
Doch irrt er abermals; der Rechtserklärung wegen
War jeder anderen Sinns, und nur dahingericht,
Die Lage für sich auszulegen,
Die Rechthaberei verkehrte Recht und Licht.

Merkurius lief in die Tempel,
Sprach: hier wird Friede sein, der Priester gut Exempel
Macht meine Hoffnung stark. Sie dürfen sich nicht mühn,
Mein Herr Merkur, hier wird der Neid recht auferzogen,
Affekten, Falschheit, Haß, Verstellung, Eigensinn,
Und Meinungsstreitigkeit gehn hier wie Meeres Wogen,
Ein jeder will gern alles an sich ziehn.

Kommt sucht mit mir bei den Gelehrten;
Ist Friede und Weisheit eins, so finden es die Herren auch.
Doch weit gefehlt, weil Groll und Hader sie betörten,
Schulfüchserei, ihr Zunftgebrauch,
Unendlicher Disput, wie rollet manch Bacchante!
Die Neuen führen mit den Alten Krieg:
Homer war ein Gott; nein, er war ein Pedant.
Schimpf, Schmähen ist der beste Sieg.

Merkurius ging zu den Eheleuten,
In die Familien, er suchte da und fand
Manch ungeratenes Eheband,
Untreue und Eifersucht, Zank, Streit auf allen Seiten,
Des Ehestandes beste Kostbarkeiten
Sind Ekel, Überdruß, Chagrin und Mißverstand.
Geschwister lassen sich durch andern Neid entzünden,
Der Eigennutz fängt Händel an.
Ist Niemand, sprach Merkur, mehr auf der Welt zu finden,
Der friedsam, ruhig leben kann?
Vielleicht die Eltern und die Kinder - - -
Doch neuer Irrtum! neu Vergehn!
Er fand Uneinigkeit nicht minder,
Bei den Eltern Härtigkeit, bei den Kindern Undank stehn.
O Himmel! rief Merkur, ich habe meine Sachen
Vortrefflich ausgericht.  Doch es geschah,
Als er zurück flog, und etwas abwärts sah,
Daß er den Frieden dort, wie es die Nymphen machen,
Bei einem Brunnen erblickt, allwo ein dicker Wald.
Sieh bist du da? rief er.  Dies ist mein Aufenthalt,
Sprach Friede, in den stillen Gründen
Laß ich mich meistens gerne finden.
Ja, sprach Merkur, ich seh es trifft so ein:
Wer dich verlangt, der muß nicht in der Welt herum gaffen,
Man muß ganz still und einsam sein,
Und auch noch mit sich selbst hat man genug zu schaffen.

XVII.
Das Pferd und der Leu

Ihr Sterblichen trotzt nicht so sehr auf eure Lehre,
Und zweifelt lieber was, denn ihr versteht Nichts recht,
Ich lache, wenn ich euch etwas bejahen höre,
Ich lach auch, wenn ihr Nein draufsagt und widersprecht,
Drum zweifelt, zweifelt lieber dran,
Das steht euch viel besser an.
Entscheidet nur nichts bald, ihr habt ein klein Gehirn,
Worin einige Begriffe und Gedanken
Wie Hüpfling hin und wieder wanken,
Und wie ein Irrlicht leicht verwirrn;
Da sich doch sonst darin ein unbegreiflich Meer
Von Wahrheit, die euch noch nicht leuchtend ist, befindet,
Ja, euer Wesen selbst fällt eurer Einsicht schwer,
Indem ihr es zwar fühlt, doch nimmermehr ergründet,
Da nun dem also ist, wie kommt's, daß eure Brust
Doch so viel Hochmut in sich schließet?
Lernt nur, was Socrates gewußt,
Und wisse, daß ihr gar Nichts wisset.
* * * *
Ein Pferd, das in dem kalten Norden,
Nicht weit von Drontheim, jung geworden,
Und große Luft im Reisen fand,
Verließ sein frostiges beschneites Vaterland,
Die Welt recht zu besehn, denn dieses war ihm lieber.
Es ging zuerst nach England über,
Drauf nach Paris, Madrid und immer weiter fort,
Bis gar nach Afrika, just an den warmen Ort,
Wo König Leu das Szepter führte,
Der bloß nach seinem Sinn und Appetit regierte.
Es wußte unser Pferd mit Leuten umzugehn,
Drum sucht es auch bei Hofe wohl zu stehn,
Und macht dem König die Reverenz.
Bei einer solchen Audienz,
Saß Ihro Majestät, der Leu, mit großer Pracht
Auf einem Thron, von Gras und Kräutern aufgemacht.
Der Himmel war von grün geflochtnen Zweigen,
Um welchen ringsherum die große Hofstadt saß,
Die sich an Mienen ihm just suchte gleich zu zeigen.
Willkommen sprach der Fürst, erzähle mir etwas,
Von deinen Reisen sonderlich,
Itzt hab ich gute Zeit, laß hören, vergnüge mich.
Großmächtiger! hub das Pferd drauf an, und bückte sich,
Was großer Unterschied ist nicht zu schauen,
An diesem hier, und meinem Vaterland?
Dort sind die Menschen weiß, hier sind sie schwarz, verbrannt;
Dort glänzen Felder, Bäume und Auen
Von einer weißen Heiterkeit,
Die als wie Wolle von dem Himmel schneit,
Die Flüsse sind so hart, als Marmor, Stein und Stahl,
Man geht zu Fuße drauf, sie können gar manchmal
Die allergrößten Fuhrmanns Wagen,
So schwer sie immer sind, ertragen.
Je leug! du Lügner, leug! fiel ihm der König ein,
Meint du, daß ich so albern werde sein,
Aufschneidern Glauben beizufügen?
Soll man Monarchen so belügen?
Nun wollte sich zwar unser Passagier
Entschuldigen, allein er kam nicht weiter für,
Das Volk schrie: Pack dich fort! und wollt ihn nicht mehr wissen,
Er ward zum Lande raus gestoßen und gebissen.

Dergleichen stolzer Witz hält sich für unbetrüglich,
Und leugnet alles frei, was er bewundern muß;
Das Ding begreif ich nicht, drum ist es auch unmöglich,
Ist ein recht Ignoranten Schluß.

XVIII.
Die Komödie der Tiere

Die Tiere stellten einst ein Schauspiel an,
Der Schauplatz war ein grün erhabner Plan
Von künstlich durchgeflochtnen Zweigen.
So bald ein Akt aus, sang ein ganzer Vögel Chor
Und Nachtigallen, Statt der Geigen,
Den Spektateribus viel schöne Stückchen vor,
Es klang so hin, weil keines die Harmonie recht hilte.
Das beste und artigste davon
War, daß ein jedes Tier diejenige Person,
Zu der es ausgesucht, die von Natur wohl spielte.
Der Leu war ein Monarch und dazu ist er eben
Von der Natur bestimmt.  Er wird der Majestät
Gewiß leichte Nichts vergeben,
Schon seiner Sprache Ton macht ihm Autorität,
Der Stier war ein geschickter Amante.
Mit adeliger Art und Sitten angetan,
Dem Geist und Feuer aus den Augen brannte,
Und der die Liebsperson sehr wohl agieren kann.
Der kluge Hund war sein vertrauter Rat,
Weil er treu, wachsam und verschwiegen,
Das sich wohl schickt zu Liebesintrigen,.
Die junge weiße Kuh in ihrem lichten Staat
War die Prinzessin hier.  Sie sah den Stier-Galan
Mit ziemlich stolzen Blicken an.
Der Tiger, um das Reich dem Leuen zu entwenden,
Schloß eine Allianz geheim mit den Ständen,
Tat wie ein Erzrebell.  Und daß Nichts fehlte dran,
So half der Fuchs ihm ohne ermüden
Die schlimmsten Staatsintrigen schmieden.
Dies Schauspiel war vollkommen schön,
Und die Akteure auserlesen,
Die Stellung konnte recht nachdem Naturtrieb gehn,
Als wenn es nichts erdichtetes wär gewesen,
Und die Komödianten Bande
Ward ungemein berühmt im ganzen Lande.
Doch fand ein Affe sich, bei dem die Mißgunst grollte,
Der sprach: ei! schaut mir nur die armen Spieler an!
Und setzte Geld zur Wette dran,
Daß er sie alle im Spiel weit übertreffen wollte.
Man faßt ihn gleich beim Wort, er spielt und es geschah,
Er tat den andern zwar, doch unnatürlich nach,
Was sollten hier die wunderlichen Mienen,
Sein krumm gezerrtes Maul und närrisches Springen dienen?
Als König trat er hoch auf seine Hinterbeine,
Sah sauer, ganz erzürnt, fing trotzig an zu schreien,
Anstatt der Majestät war's nur ein falsches Zieren.
Er war verliebt, doch ohne Annehmlichkeit,
Vertraut, ohne Eifer und Bescheidenheit,
Als er nun die Prinzessin sollte agieren,
Pflegt er sehr affektiert, und läppisch sich zu stellen,
Und bei dem Tiger, dem Rebellen,
Schien er ganz kindisch, stolz, und auch in Furcht gebracht.
Und kurz: anstatt geschickt sich aufzuführen,
Ließ er von sich nur Dummheit spüren,
Drum ward er auch verspottet und veracht,
Hätt er sich die Person des Skaramutz erlesen
In einem Possenspiel, da wär er recht gewesen.

Dies unser Leben wird dem Schauspiel gleich geacht,
Wobei wir allein Stücke für uns zu spielen haben,
Und die Natur gibt uns dazu die nötigen Gaben,
Wer dann ein anders spielt, wird dumm und ausgelacht.

XIX.
Der veränderte Tyrann

Das alles was wir sehn, es sei auch noch so klein,
Muß unser Prediger und Sittenlehrer sein.
Man kann sich über alle Sachen
Erbauliche Gedanken machen.
Auch alles, was geschieht, gereicht zu unser Lehr,
Man muß nur jeglichem recht nachzusinnen wissen,
Und selber mit Vernunft eins aus dem andern schließen;
Sonst seh ich keinen Unterscheid nicht mehr,
Der zwischen Vieh und Menschen schwebe,
Daß man nicht Stück für Stück, eins um das andre gäbe.
Auf fremden Unterricht muß man sich nicht verlassen,
Es wird nur meist dadurch Zorn und Verdruß erregt,
Wer sich schon aufs zensieren legt,
Des Predigt pfleget man zu hassen;
Was man sich selber sagt, geht nicht so widrig ein.
Will man ein guter Schüler sein,
Sei man sein Lehrer selbst.  Warum das? fragt man;
Die Ursach, glaub ich, liegt daran,
Wenn uns ein andrer straft, so fühlt man nur die Schande,
Daß man so offenbar im Unrecht steht, allein,
Weil unseren Seelen doch die Schmerzen in dem Stande,
So überaus empfindlich sein.
Hingegen wenn man sich selbst zuzureden pfleget,
Daß man an die Vernunft durchaus verpflichtet sei,
Kehrt man mit Ehren um, und hat die Lust dabei,
Daß man Niemand, als sich selbst, weicht und widerleget.
Was uns ein andrer sagt, wird meist in den Wind gesprochen,
Was man sich selber sagt, das bleibt in Erz gestochen,
So ist der Menschen Geist bestellt,
Wie meine Fabel hier vermeldet.
* * * *
Ein sehr tyrannischer verhaßter Potentat
Plagte Land und Volk, und war desselben Schrecken,
Ihr Elend, Tod, Ruin konnt ihm nur Lust erwecken.
Krieg, Hunger, Pest und was es sonst für Strafen hat,
Die können einen Staat unmöglich so beschweren
Als dieser böse Fürst es pflegte zu verheeren.
Jedoch ganz unverhofft fing sechs an auszuklären;
Der Wüterich änderte sein Herz und Brust,
Und wurde ein gütiger Wohlberater,
Nero ward Titus, und das Volk kriegt einen Vater,
Vor war er seine Angst, itzt wurd er seine Lust,
Ein Hofmann fragt ihn um die Ursach dieses Dinges,
Das die Veränderung so bald gemacht;
So seltsam, als sie ist, sprach er, ganz was geringes
Hat sie im Augenblick zu Wege bracht.
Einst war ich auf die Jagt befließen,
Da sah ich einen Fuchs, der ward ein Huhn gewahr,
Und fing's, und fraß es ohn Gewissen;
Doch lief ein Wolf herzu von eben gleichem Haar,
Von diesem ward der Fuchs zerrissen,
Drauf kam ein Tiger in der Wut
Auch übern Wolf, und wurde sein Besieger,
Und kühlte seinen Grimm in dessen Blut.
Nach der Zerfleischung fiel der Tiger
Nicht weit davon in meiner Leute Hand.
Hier dachte ich das Portrait zu finden
Von meinem wütenden Tyrannenstand.
Ich überlegte mir, wie endlich allen Sünden
Ein angemessner Lohn der Rache zuerkannt:
Das Gut und Böse wird man ernten,
Nachdem man Gutes oder Böses sät.
Woraus, dann meine Sinne vieles lernten,
Und ich ward gänzlich umgedreht.

Man hat ihm tausendmal mit Lehr und Unterrichte
Vorher umsonst die Ohren angefüllt;
Jedoch die Predigt brachte schleunig Früchte,
Sobald er sie ihm selber hielt.

XX.
Das Opfervieh

Als einst das Heidentum den Göttern Opfern wollte,
Erwählte man mit Fleiß dazu
Die allerschönste weiße Kuh.
Der Gott, der sich dadurch versöhnen lassen sollte,
Kriegt einen solchen fetten Bissen
Zum ersten Male zu genießen.
Die Kuh war um die Stirn mit heiligem Band geziert,
Von trefflicher Couleur, auch andern Raritäten,
Auf's prächtigste heraus staffiert.
Beim Marche blies man die Trompeten,
Die herrlichste Musik ließ sich von vielen Chören,
Als sie in den Tempel kamen, hören.
Mit was für Gepränge holt man mich hier ein;
Draus kann ich, sprach die Kuh, nichts anderes schließen,
Als daß ich eine Göttin müsse sein.
Ich glaube, weil man mich solch Ehre läßt genießen,
Daß man mich wirklich dafür hält,
Und glaub es mit, weil's andern so gefällt.
Bei den Gedanken ward sie in den Tempel gebracht,
Hier setzt es wieder noch mehr Ehre,
Man führte sie mit aller Pracht
Zum Altar hin, zündet Feuer und Lichter an,
Und hieraus schloß sie klar, daß sie vergöttert wäre.
Ich, sprach sie, fühle es selbst, ich zweifle nicht mehr dran,
Die Leute beten mich ja wirklich an;
Drum schwör ich bei dem Styx, ich will auch meinen Segen
Zur Mühvergeltung auf sie legen.
Hier ließ sich eine Fliege hören,
Das grobe Tier flog summend um die Kuh,
Halt ein! schweig! rief ihr gleich die neue Göttin zu,
Dein Summen pflegt den Gottesdienst zu stören,
Geh, summe sonst zu andrer Zeit,
Nicht jetzt, da man mich zur Göttin weiht,
Verzeih mir's, sprach die tückische Fliege,
Wenn meine Gegenwart dir hier zuwider ist,
Ich warte nur, bis du geopfert bist,
Daß ich dein Blut zu kosten kriege,
Das werd ich mit Begierde lecken.
Die Herren haben nicht gefehlt,
Daß sie zum Opfer dich erwählt,
Du wirst den Göttern mehr, denn hundert Farren schmecken.
Die Fliege redete noch, als unsre Kuh schon fiel,
Das heilige Beil nahm ihr das Stolzieren.

So wissen Toren sich mit ihren Ehren viel,
Diese doch geradewegs hin zum Verderben führen.

XXI.
Die Sperlinge

Das Herz in uns will stets in voller Freiheit leben,
Was schon dem Zwange ähnlich scheint,
Dem ist es recht von Herzen feind.
So eifrig kann kein Fürst nach Macht und Ansehn streben,
Das Herz will gleichfalls sich im mindesten Nichts vergeben.
Gefällt mir etwas wohl, gleich macht es mir Verdruß,
Wenn mir's aus Pflicht gefallen muß.
Kommt ein Befehl zu dem, was ich sonst gerne tu,
Vergeht mir gleich die Lust dazu.
Wie aber komts, daß ich den Zwang so scharf empfinde,
Der meinen Lustrieb doch noch weiter spannt?
Das macht, daß ich dabei nicht mehr die Anmut finde,
Die ich vorhin im freien Wählen fand.
Bei diesem schein ich ganz allein,
Ein souveräner Fürst und Eigenherr zu sein.
Sobald man mir gebeut, so bin ich es nicht mehr,
Das Szepter fällt mir aus den Händen,
Da such ich gleich das Joch vom Halse abzuwenden,
Und mich verlangt nach Nichts so sehr,
Als wiederum recht frei zu werden.
Was mir vor Lust gebar, das macht mir itzt Beschwerden,
Weil ich dran soll gebunden sein.
Nur sachte! wendet man hier ein,
Was ihr hier vorbringt, hat den Schein,
Daß ihr die Schuld und Pflicht für Sklaverei wollt achten,
Und des Gesetz und Zwang uns große Unruh machten.
Nein! sag ich, das Gesetz hat hier der Schönheit Brauch,
Es reizt die Weisen recht es näher zu betrachten,
Wer es nun liebt, der wählt es auch.
* * * *
Es war ein großer dicker Wald,
Des leichten Federvolkes geraumer Aufenthalt,
Da hielten sich mit Liebesflammen
Zwei schöne Sperlinge zusammen,
Die liebten sich allzeit mit neuer Liebespflicht,
Und schieden voneinander nicht.
Die Liebe recht zu unterstützen,
Sah man sie halbe Tage auf einem Zweige sitzen,
Sie flogen stets zugleich dem Mittagsfutter nach,
Und tranken auch zugleich aus einem Bach,
Denn sangen sie manch Liebesliedchen ab,
Worauf der Widerschall von fern die Antwort gab.
Sie hatten ihr Quartier an einem Felsenstein,
Und schliefen ungetrennt in angenehmer Ruh,
Eins, ohne das andere, ganz alleine,
Tat durch die ganze Nacht kein Auge zu.
Und also nährten sie mit gleichzufriednen Triebe,
In tausend Lust und Scherz, das Wachstum ihrer Liebe,
Und suchten sich, war eines nicht zu Haus,
Bald unter allen Vögeln aus.

Einst, als das liebe Paar zugleich auf's Futter ging,
Geschah es, daß man sie in einem Netze fing,
Und sperrte sie zusammen in einen Bauer.
Ihr Kinder, lebt vergnügt! vertreibt euch hier die Zeit,
Weil ihr schon längst gepaart, und Herzensfreunde seid,
So liebt euch hier recht auf die Dauer.
Doch als der erste Tag kaum hinterleget war,
Ließ unser eingesperrtes Paar
Schon in der Liebe nach, sie liebten sich nicht mehr,
Wie vor in freier Luft, so sehr.
Den andern Tag wünscht jedes weit zu scheiden,
Den dritten ging es schon auf Hieb und Stich,
Sie hackten, bissen, pflockten sich,
Und konnten sich vor Haß durchaus nicht weiter leiden.
Nun sangen sie nicht mehr, als nur zum Trutz und Hohne,
Und die Musik ging ganz aus einem andern Tone,
Der Zank währt immerfort, und ließ sie gar nicht ruhn,
Drum mußte man sie nur von dannen tun.
In Freiheit ohne Zwang wär ihr vergnügtes Leben
Von ewig fester Dauer blieben.

Hingegen treiben Zwang und Muß
Vertreibt die Lust, und macht Verdruß.