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Buch 1
 

Magnus Gottfried Lichtwer

geb. 1719 in Wurzen gest. 1783 in Halberstadt
Dichter, Jurist. Preußischer Regierungsrat in Halberstadt.

Fabeldichter der Aufklärung.
Galt lange Zeit als der bedeutendste Fabeldichter nach Gellert.
Durch die Originalität seiner Stoffe, wusste er sich große Geltung zu verschaffen.
Goethe zählte ihn unter "die besten Köpfe".


Quelle:
Magnus Gottfried Lichtwer/Fabeln in vier Büchern/Dritte Auflage
Berlin 1762/bey Gottlieb August Lange

 
Prolog 1

O Muse! die du weißt, was Tier' und Bäume sagen,
Wovon der Vogel singt, was Fisch und Wurm beklagen,
Ich bitte, sage mir, wie reden Löw' und Maus?
Wie drückt sich eine Gans, und wie ein Adler aus?
Wovon schwatzt Schneck' und Frosch? wie sprechen muntre Pferde?
Was denkt der volle Mond? worüber seufzt die Erde?
Wie redet die Natur? Es läßt ja ungereimt,
Wenn roher Sänger Witz von Wut der Lämmer träumt,
Die Löwen weinen läßt, die Hasen drohen lehret,
Gewächsen Flügel dreht, und die Natur verkehret.
Aesopus dichtete natürlich, ohne Zwang,
Aesop, der von der Maus bis an die Löwen sang,
Und ohne der Natur was falsches aufzubürden,
Die Tiere reden ließ, wie Tiere reden würden,
Die Wölfe dürsteten nach feiger Lämmer Blut,
Der Hirsch pries sein Geweih, der Uhu seine Brut,
Der Panther drohte, der Stier sprach von dem Stalle,
Der Sperling plauderte, der Fuchs belog sie alle.
So sang der Phrygier; nichts, so sich widersprach,
Floß jemals in sein Lied, ihm sang ein Phädrus nach,
Und alle, die nach ihm das Fabelreich durchstrichen,
Erhoben ihren Ruhm, so weit sie jenen glichen.
Mein Mund versucht ihr Lied. Wie, wenn es nicht gelingt?
Wer zweifelt, hat gewählt. Es sei gewagt, er singt.