Die beraubte Fabel
Es zog die Göttin aller Dichter,
Die Fabel, in ein fremdes Land,
Wo eine Rotte Bösewichter
Sie einsam auf der Straße fand.
Ihr Beutel, den sie liefern müssen,
Befand sich leer; sie soll die Schuld
Mit dem Verlust der Kleider büßen,
Die Göttin litt es mit Geduld.
Mehr, als man hoffte, ward gefunden,
Man nahm ihr alles: was geschah?
Die Fabel selbst war verschwunden,
Es stund die bloße Wahrheit da.
Beschämt viel hier die Rotte nieder,
Vergib uns, Göttin, das Vergehn,
Hier hast du deine Kleider wieder,
Wer kann die Wahrheit nackend sehn?
Das Glück und der Traum
Es lag und schlummerte in eines Hirten Laube
Das Glück, das müde Glück, den meisten Teil der Nacht.
Wenn ein Held gewußt, er hätt' es, wie ich glaube,
Mit hunderttausend Mann bewacht.
Hier flog ein Traum vorbei; und störte seinen Schlummer,
Ihm rief das halberwachte Glück:
Du kommst mir recht erwünscht, bei meinem großen Kummer,
Doch sage mir, woher kommst du so spät zurück?
Ich komme mit dem Morgenwinde,
Versetzt der Schatten, aus der Stadt,
Von einem wohlgestalten Kinde,
Dem meine Gegenwart die Nacht verkürzet hat.
Das Glück hob freundlich an zu lachen
Und sprach:Wenn es dir so gefällt,
So sage mir, was du für Sachen
Ihm diese Nacht durch vorgestellt.
Er sprach: Ich kam mit Kutsch' und Pferden,
Die Türen sprangen, als ich sprach,
Mir trat mit sittsamen Gebärden
Ein Heer vergoldeter Diener nach.
Ich war Baron, und zwar kein neuer,
Ich hatte Geld, ich wollte frein;
Begütert, Herr Baron, und Freier,
Die Wörter gehen durch Mark und Bein.
Geschenke folgten jedem Blicke,
Du weißt, was ein Geschenke tut,
Und dieser Sprache, liebes Glücke,
Sind doch die Mädchen gar zu gut.
Zuletzt fiel ich ihr selbst zu Füßen,
Ich bat sie und erhielt ihr Wort,
Sie gab mir ihre Hand zu küssen,
Da kam der Tag und trieb mich fort.
Indessen wird mein Kind gewiss vergnügt erwachen,
Und sagt sie niemand was von mir,
So wird sie heimlich doch den ganzen Morgen lachen.
Mir geht es nicht so gut wie dir,
Antwortete das Glück mit traurigen Gebärden,
Ich kam vor kurzer Zeit in eines Kaufmanns Haus,
Den ließ ich reich und edel werden,
Es ward ein halber Graf daraus.
Doch gestern wandt' ich ihm den Rücken,
Da hing er sich an einem Baum;
Warum muss es dir besser glücken,
Bin ich nicht so wie du ein Traum?
Phyllis und der Vogel
Es trug Damöt vor wenig Wochen
Zu Phyllis, seiner Schäferin,
Ein Tier, das er ihr längst versprochen,
Ein abgerichtet Vöglein hin.
Ach! sagte Phyllis, mein Damöt,
Es ist recht schön, kann es auch singen:
Ja! Kind, es singt, wie ein Poet,
Ich werde dir nichts schlechtes bringen.
Wie freundlich dankte sie Damöten!
Wer wünschte nicht, Damöt zu sein?
Sie schloß den fliegenden Poeten
In ein vergittert Häuschen ein.
Sie knackt ihm Hanf, sie gab ihm Brot,
Das sie zuvor in Milch erweichte,
Es hieß: der Vogel leidet Not,
So oft sie ihm das Futter reichte.
Der Vogel, dem dergleichen Fülle
Nie vor den Schnabel kommen war,
Genoß sein Futter in der Stille,
Und unterließ das Singen gar.
Ei, sagte Phyllis, sing auch nun,
Sieh, was ich dir vor Guts erzeiget,
Der Vogel hatte mehr zu tun,
Sie häuft sein Futter, Nichts; er schweiget.
Damöt, das will ich nicht vergessen,
Rief Phyllis, daß ich dir geglaubt,
Der Vogel hat so viel zu fressen,
Und singt doch nicht, ist das erlaubt?
Es blieb dabei. Hört, was geschah?
Die Schäferin ging einst zum Schmause,
Und blieb bis an den Abend da,
Der Vogel hungerte zu Hause.
Ergötzt er gleich nicht Phyllis Ohren,
So war ihr doch der Vogel lieb,
Sie schätzt ihn diesmal für verloren.
Ach! sagte sie, du armer Dieb,
Indem ich hier getanzt, wirst du
Vielleicht schon mit dem Tode ringen,
Sie eilt nach ihrer Wohnung zu,
Da höret sie den Vogel singen.
So rief die Phyllis, kam dein Schweigen
Von allzu vielem Futter her,
So wird der Hanf im Preise steigen.
Sie hält ihn knapp. Nun singet er.
Der Vorsicht Weisheit zeiget sich
Vom kleinsten Wesen bis zum größten,
Sie nährt die Dichter kümmerlich,
Warum? da singen sie am besten.
Das Wiesel und die
Hühner
Nach Recht und Urteil, mit dem Prügel
Ward vor dem frohen Hausgeflügel
Ein Dieb und andrer Tullian
Ein schlimmes Wiesel, abgetan.
Ein Hof voll Hühner sah ihn leiden,
Und gackerte vor Freuden.
Nur eine Henne blieb betrübt
Und sprach: Man bricht des Räubers Glieder;
Allein die Tat ist schon verübt:
Wer gibt mir meine Kinder wieder?
Das Reiterpferd
Ein jeder Weiser ist ein Held,
Er läßt sich den Tod nicht schrecken,
Der Tod kommt ja gewiß, er kommt zu aller Welt,
Was sollt er sich vor ihm verstecken?
Es bring ihn Feuer, Wasser, Erde,
Es bring ihm endlich Wind und Luft,
So ist's ein Tod und eine Gruft.
Er zeigt sich überall mit einerlei Gebärde,
Und ist ein unvermeidlich Ding,
Man stürbe doch einmal, und wenn man ewig klagte.
Merkt, was das Reiterpferd zu seinen Freunden sagte,
Als es nunmehr zu Felde ging,
Und bei dem Abschied die Befreundeten
Die Herren Ackergäule weinten.
So sprach es: Ihr beklagt mich wirklich ohne Not,
Ich geh' in einen edlen Tod,
Und sterbe jung mit Ruhm. Mich wird man einst besingen,
Euch wird ein schnöder Tod einst auf den Anger bringen.
* * *
Wie manche schliefen jetzt mit Ehren,
Wenn sie zu früh gestorben wären?
Der Fuchs
Es fand ein Fuchs ein Buch im Grase.
Ein Buch im Grase? sagest du?
Wie kam das Buch ins Gras? Mein Freund, laß mich in Ruh,
Ich sag', er fand es da, trotz deiner spitzen Nase,
So lautet, sag' ich, der Bericht.
Und fand er es im Grase nicht,
Wo hätt' er es denn sonst gefunden?
Das Buch in Leder eingebunden,
Das Meister Fuchs im Grase fand,
War, o beweinenswürd'ger Schade!
Die weltberühmte Vulpiade,
Sonst Reineke der Fuchs genannt.
Es steckte zwar der Fuchs die Nase tief hinein,
Es schien, als hätt' er Lust zu lesen;
Allein, wie konnt' es möglich sein?
Er war auf Schulen nie gewesen.
Der gute Schlucker suchte hier
Ein Pflaster für den leeren Magen,
Er suchte Fleisch und fand Papier.
Er wollte schon den Band zernagen,
Als er im Buche selbst sein Bildnis hier und da
Nicht ohne Schrecken glänzen sah.
Sofort ward es von ihm durchbildert,
Sein liebreich Angesicht befand sich überall,
Bei manchem Glücks- und Unglücksfall,
Recht nach dem Leben abgeschildert.
Besonders rührt' ihn die Gefahr,
Die ihn bis untern Galgen brachte,
Und gar zum armen Sünder machte,
Weil alles so natürlich war.
Man sprach das Urteil über ihn,
Der weiße Stab lag ihm zu Füßen,
Der Galgen stand da und schien
Ihn schon als Hauswirt zu begrüßen.
Der Kater Hinz hielt einen Strick,
Und hieß ihn auf die Leiter treten,
Der Bär hub an mit ihm zu beten;
So nah schien hier sein letzter Augenblick.
Da schimpft' und sprach der Hühnerdieb:
Entweder mein Gedächtniskasten
Hat so viel Löcher als ein Sieb,
Wo nicht, so lügen die Phantasten,
Die dies gemalt, mit allem Fleiß:
Denn nach der Bilder Sinn zu raten,
So stehn hier viel von meinen Taten,
Davon ich keine Silbe weiß.
* * *
Was da der Fuchs spricht, würden wir
Von hundert alten Helden hören,
Wenn sie der Bücher, die wie hier
Von ihnen lesen, kundig wären.
Das Laster und die
Strafe
Die Kinder des verworfnen Drachen,
Die Laster, reisten über Land,
Um anderswo sich was zu machen,
Weil sich zu Hause Mangel fand.
Das Gras erstarb, wo sie gegangen,
Der Wald ward kahl, die Felder wild,
Die Straße war mit Molch und Schlangen,
Die Luft mit Eulen angefüllt.
Itzt sahen sie ungefähr zurücke,
Es folgte jemand nach, und wer?
Die Strafe hinkte mit der Krücke
Ganz langsam hinter ihnen her.
Du holst uns diesmal, rief der Haufen,
Gewiß nicht ein; doch diese sprach:
Fahrt ihr nur immer fort zu laufen,
Ich komm' oft spät, doch richtig nach.
Boreas und die Erde
Matt vom Blasen und vom Heulen
Warf der wilde Boreas
Sich bei Herkuls alten Säulen,
An dem Ufer, in das Gras.
Kaum sieht ihn die Erde schlafen,
Als sie bei sich selber spricht:
Eile deinen Feind zu strafen,
Beßre Muße hast du nicht.
Er ist's, der in deinen Locken
Öfters wie ein Wüterich schwärmt,
Und oft Häuser, Türme, Glocken
Dir am Hals wirft, wenn er lärmt.
Tellus*
war entzündet worden,
Es entbrannt der alte Haß,
Sie zerreißt von Süd in Norden,
Und verschlingt den Boreas.
Boreas erwacht mit Schrecken,
Und ist aufzustehn bemüht,
Als er sich mit Sand bedecken
Und in den Abgrund stürzen sieht.
Er schwillt für Zorn und Rasen,
Bläst sich auf, pfeift, saust und brüllt,
Bis das Schnauben seiner Nase
Die verschloßnen Grüfte füllt.
Also mag der Ätna brüllen,
Wenn er, nach des Himmels Schluß,
Erd' und Luft mit Glut erfüllen
Und die Welt erschrecken muß.
Selbst die Erde seufzt und zittert,
Bis der Nordwind stärker drängt,
Einen halben Wald zersplittert,
Und das Herz der Erde sprengt.
Boreas fuhr ohne Schonen,
Über Berge, Wald und Stadt,
Nach dem Lande der Ciconen,
Wo er seine Wohnung hat.
Darauf bekam die Erde ein Zucken
Und erbebte dann und wann,
Niemand soll mehr verschlucken,
Als er darauf verdauen kann.
*die
Erde, der Erdboden
Der Affe und der Bär
Ein Aff und Bär, zwei nahe Vettern,
Gleich groß, gleich näschig und gleich alt,
Auch gleich geschickt im Steig' und Klettern,
Durchstrichen eifrig Feld und Wald,
Um ihrer Magen Zorn zu stillen.
Der Bär ging langsam, traurig, krumm,
Als wie ein Schuldner, und fing Grillen.
Der Affe sah sich munter um;
Der Hunger macht ihm leichte Glieder,
Ein Luftsprung kostet ihm nicht viel;
Jetzt steht er auf, jetzt vor sich nieder,
Ein Affe lebt und stirbt im Spiel.
Was nützen diese Fleischergänge,
Rief hier der Affe mit Verdruß
Wenn ich auf einen Baum mich schwänge,
Darauf sich alles zeigen muß,
So dürften wir nicht länger suchen.
Sofort bemerkt' er einen Baum,
Die Königin der hohen Buchen,
Er kroch hinauf, man sah ihn kaum.
Drauf setzt er sich, beroch das Wetter,
Guckt endlich wieder in den Wald:
O Vetter, schrie er, lieber Vetter,
Du bist ja wie ein Zwerg gestalt.
Was ist dir immer widerfahren?
Du bist wie eine Erbse groß,
Da wir sonst gleicher Länge waren.
O Vetterchen, dich hör' ich bloß,
Antwortete der Bär erbittert.
Und nun ward das Gezänke scharf,
Bis, da sie endlich ausgewittert,
Der Affe sich herunter warf.
Wie nun? rief Petz, so bald er drunten;
Wie nun? versetzt der Pavian,
Warst du denn oben? und du unten?
Sie sahen sich verwundert an.
Du bist ein Bär: Und du ein Affe,
Fiel Aff' und Bär einander ein,
Hier ist nichts, das uns Nutzen schaffe,
Die Buche muß verzaubert sein.
* * *
Wenn du einmal an Ehren steigst,
Und deinen Freunden und Verwandten,
Die dich als ihresgleichen kannten,
Ein fremd und stolzes Auge zeigst,
So geh in dich, und untersuche
Der Fabel Sinn: Er weist auf dich,
Denn glaube mir nur sicherlich,
Du bist das Äffchen auf der Buche.
Der Roßkäfer
Im innern Teil des Fabelreichs,
Wohin, kraft ewigen Vergleichs,
Nur Dichteraugen sich erstrecken,
Liegt eine trefflich große Stadt,
Die Käfer zu Besitzern hat,
Die sie wie schwarze Wolken decken.
Hier war, wo ich nicht irrig bin,
Vor Zeiten eine Käferin:
Das Wort scheint neu; doch dort ist Käfer
Und Käferin so sehr gemein,
Als etwa Schäferin und Schäfer
Auf den Parnaß gewöhnlich sein.
Rubin und Gold wich ihrem Spiegel,
Der Pfauen Pracht dem bunten Flügel,
Das Sittiggrün der schönen Brust,
Die Käfer sahen sie mit Lust.
Vor andern einer, schwarz von Leibe,
Begehrte sie für sich zum Weibe,
Der letzte Zweig von seinem Stamm;
Er führte, sagt man, einen Rappen
In seinem angebornen Wappen,
Ein sehr verliebter Bräutigam.
Was half's das allzu spröde Kind
War taub, und ließ sich nicht erbitten,
So hielt der Maienkäfer Sitten,
Die Feinde von den Schwarzen sind.
Sie sprach: Hör auf, mir liebzukosen,
Dich reizt ein Stall, ich liebe Rosen,
Ich suche Gärten, du das Feld,
Du wirst mir nimmer beigestellt.
Verschiedner Sinn, ungleiche Triebe,
Lust, Unlust gatten sich nicht fein;
Wenn du verabscheust, was ich liebe,
So wollen wir geschieden sein.
Der Strauß und die
Vögel
Die Völker der Lüfte, das leichte Geschlechte,
Die Vögel verglichen die streitigen Rechte,
Und setzten, als sie sich in Sicherheit sahn,
Zum Reichstag den ersten des Maimonats an.
Kaum wichen die Schatten dem steigenden Lichte,
Kaum zeigte sich Phöbus mit heiterem Gesichte,
Als tausend Geschlechter vom bergigen Hain
Erschienen, um bei der Versammlung zu sein.
Die Adler, die Fürsten der fliegenden Scharen,
Die mächtigen Kondors erschienen zu Paaren,
Der Phönix kam, den Heliopolis kennt;
Der Vogel, der vom Paradiese sich nennt.
Dann ließen sich Uhus, mit Kranich und Pfauen,
Dann ließen sich Geier und Habichte schauen,
Darauf kamen die Reiher, der reinliche Schwan,
Die Kropfgans, der Falke, der indische Hahn.
Die Sperber, die Raben, der Kuckuck, die Störche,
Und endlich die kleinen, darunter die Lerche,
Der Gimpel, die Wachtel, der schwätzige Star,
Der Fink, der Grünitz,*
die Nachtigall war.
Wer möchte die mancherlei tausende kennen?
Wer könnte die mancherlei tausende nennen?
Das Heer des Geflügels, so selbigen Tag
Zusammen von Reichswegen kommen sein mag.
Es ward auch bei solcher ungezählten Menge
Beinahe der Raum der Versammlung zu enge,
Inmitten erhob sich ein plötzlich Geschrei,
Daß außer den Schranken ein Reisender sei,
Der doch seinen Stand nicht bescheinigen könne,
Und sich einen Strauß aus Afrika nenne.
Gleich machten sich einige Vögel hinaus,
Und fragten den Reisenden eigentlich aus.
Was? ließ sich der Fremde mit Unwillen hören,
Will man einen Reichstand den Zutritt verwehren?
Verlangt man von Straußen unnötigen Beweis?
Bin ich nicht ein Vogel? Beseht mich mit Fleiß.
Mein Ursprung berechtigt mich, Federn zu tragen,
Was brauch ich von Schnabel und Klauen zu sagen?
Ich habe ja Flügel, dies schützt mich genug.
Verwarf man den Vogel, der Fittige trug?
Die Vögel versetzten nach kurzem Bedenken,
Du gleichst einem Vogel, das will man dir schenken,
Doch kann auch dein Einlaß nicht eher geschehn,
Als bis wir zu den Wolken dich fliegen gesehn.
Denn das ist kein Vogel, den muntere Schwingen
Empor von der Erde zu den Lüften nicht bringen,
So sagten die Vögel dem trotzigen Strauß,
Doch dieser schlug ihre Bedingungen aus.
Und ging von den Vögeln zum Reiche der Tiere.
Was helfen dem Edelmann Helm und Paniere,
Was nützen ihm Feder, und Wappen und Geld,
Wenn ihm seine Trägheit zum Pöbel gesellt.
*auch
Kreuzvogel genannt.
Das schlechte Tuch
Wer kauft ein neues Modetuch?
Ihr Herren! sagt, wer kauft drei Ellen zum Versuch?
Verlangen sie mein Tuch, ihr Gnaden?
So rief von Morgen bis zur Nacht,
Ein Kaufmann, der das Tuch vom Jahrmarkt mitgebracht,
Und rief sich heisch in seinem Laden.
Was ruft ihr? sagte man, das Tuch mögt ihr vergraben,
Und der ist auf sein Geld ergrimmt,
Der es euch einst vom Halse nimmt.
Ich möchte es nicht geschenkt haben.
Der Kaufmann sitzte das Gesicht.
Geht, sprach er bei sich selbst, ich laß euch diesmal
laufen;
Allein, ihr müßt die Tücher kaufen,
Ihr mögt sie wollen oder nicht.
In einer Zeit von vierzehn Tagen
Bringt es der Kaufmann selbst so weit,
Daß von des Ortes Obrigkeit
Dem Volk verboten wird, dergleichen Tuch zu tragen,
Ja die Verordnung ist so scharf,
Daß man es nicht einmal im Hause haben darf.
Kaum ward es kund, so kamen alle,
Und alle forderten etwas.
Dem Kaufmann nützte dieser Spaß,
Er sprach: er dürfte nicht. Das war die rechte Falle,
Man bot zwei Taler bares Geld
Für einen kleinen Rest; als er sich furchtsam stellt,
Kommt es in einem Atemholen
Erst zu Dukaten, dann Pistolen.
So ward dies schlechte Tuch ein Heiligtum der Stadt,
Man wies es Reisenden: Hört, sprach man im Vertrauen,
Hier könnt ihr von dem Tuch ein echtes Stückchen schauen,
Das unser Rat verboten hat.
Der Löwe und der Wolf
Am Fuß der wüsten Parther Felder
Schlug König Löw' und Meister Bär
Den Richtstuhl auf; das Volk der Wälder
Stand nach der Ordnung um sie her.
Die Kuh erschien zuerst und klagte
Mit heißen Tränen, wie man glaubt,
Ihr Kind, das Kalb, hab', eh' es tagte,
Ein unbekannter Dieb geraubt.
Der Löwe sah umher, zu hören,
Wem sonst davon was wissend sei.
Ich, sprach der Wolf, kann heilig schwören,
Herr König, ich war nicht dabei.
Und wer verklagt dich? sprach der König.
Verleumder, fiel ihm jener ein,
Ich bin jetzt krank und esse wenig
Und kann es nicht gewesen sein.
Schweig, rief der Löwe, das Gewissen
Läßt einen Buben nirgends ruhn,
Du hast der Kuh ihr Kalb zerrissen,
Der Bär soll dir desgleichen tun.
So starb der Wolf, und wie man saget,
Verriet sein Bauch, was er getan.
Wer sich entschuldigt, eh man klaget,
Der gibt sich selbst zum Täter an.
Das aus der
Erde wachsende Lamm
Als die Natur den Pflanzen und Tieren
Das Dasein gab, so fiel ihr ein,
Von Zwitterart eins aufzuführen,
Halb soll es Tier, halb Pflanze sein.
Um dieses Unding auszubrüten,
Wuchs aus der Erde ein kurzer Stamm,
Der Frühling gab ihm Laub und Blüten,
Im Herbst statt der Frucht ein Lamm.
Nichts war an ihm vom Kopf zum Schwanze,
Das nicht dem Wollvieh glich,
Von unten blieb es eine Pflanze,
Doch Haupt und Hals bewegten sich.
Es zeigte sich die Lust zur Weide,
Zwei Feldgewächse standen da,
Das Schaf ergriff und fraß sie beide,
Daß man auch ihre Spur nicht sah.
Vernimm, daß es dich reuen werde,
Rief ihm allhier ein Kohlhaupt zu,
Sind wir nicht Kinder einer Erde,
Und wurzeln, wachsen, blühn wie du?
Genieße mäßig unsrer Blätter,
Nur friß uns nicht mit Stumpf und Stiel.
Das Schaf war taub, es fraß den Vetter,
Den Vetter, der ihm auch gefiel.
Was um ihn stand, das ward verheeret,
Die Strafe folgte auf seinen Schmaus,
Als es das Land um sich verheeret,
So dorrt es selbst vor Hunger aus.
* * *
Man sollte ja beinahe schwören,
Daß die Tyrannen Lämmer wären.
Der Mohr und der Weiße
Ein Mohr und Weißer zankten sich,
Der Weiße sprach zu dem Bengalen:
Wär ich wie du, ich ließe mich
Zeit meines Lebens niemals malen.
Besieh dein Pechgesichte nur,
Und sage mir, du schwarzes Wesen,
Ob dich die spielende Natur
Nicht uns zum Scheusal auserlesen?
Gut, sprach der Mohr, hat denn ihr Fleiß
Sich deiner besser angenommen?
Die Tafel ist bei dir noch weiß,
Der Maler soll erst drüber kommen.
Die Welt, darin wir Menschen sind,
Gleicht einem ungeheuren Baume,
Darauf bist du, mein liebes Kind,
Unstreitig die unreife Pflaume.
Sie zankten sich noch lange Zeit,
Und weil sich keiner geben wollte,
Beschlossen sie, daß ihren Streit
Ein kluger Richter schlichten sollte.
Als nun der Weiße recht behielt,
Da sprach das schwarze Kind der Mohren:
Du siegst, ich habe hier verspielt,
In Tunis hättest du verloren.
* * *
So manches Land, so mancher Wahn,
Es kommt bei allen Nationen
Der Vorzug auf den Ort mit an,
Schön ist, was da gilt, wo wir wohnen.
Phöbus und sein Sohn
Der Mond trat zwischen Sonne und Erde,
Sein Schatten deckte Höhe und Grund,
Und auch die Trift, wo bei der Herde
Ein Hirt und Sohn des Phöbus stund.
Der Hirte rief voll Furcht und Zagen:
Mein Vater, du verlierst den Schein,
Wie kann der heitern Gottheit Wagen
Des Lichtes Quell und dunkel sein?
Du irrst, sprach Phöbus, deine Hürden
Sind bloß der Ort, der dunkel ist,
Du suchst mir Fehler aufzubürden,
Womit du selbst umnebelt bist.
* * *
Zwischen Gott und unsern Sinnen
Steht die Menschheit mitten innen,
Und verbirgt vor uns sein Licht:
Wir sind dunkel, und Gott nicht.
Der Riese und der Zwerg
Es traf auf seinem Gange
Ein Ries' ein Zwerglein an
Und sprach: Ich suchte lange
So was für meinen Zahn.
Dies ist ein seltner Bissen,
Der Lust zum Trunk erweckt,
Und der auf mein Gewissen
Auch ohne Tunke schmeckt.
Herr! sagte hier der Kleine,
Ich bin in deiner Hand,
Was hilfts mir, wenn ich weine?
Wer tut dir Widerstand?
Doch eh ich armer Knabe
Dein Abendessen sei,
So stelle mir zur Gabe
Nur eine Bitte frei,
Und schwör, sie zu erfüllen.
Er schwört, der Kleine spricht:
So höre meinen Willen,
Ich bitte, friß mich nicht.
Der Zwerg ging schon zurücke
Und eilte durch das Land,
Als er an dem Genicke
Des Riesen Faust empfand.
Ach! schrie er, Wald und Wiese,
Ihr Zeugen meiner Not,
Hier schwur mir dieser Riese,
Hier gibt er mir den Tod.
Der Ries, ein schlimmer Spötter,
Sprach: Das bin ich gewohnt,
Der fürchtet keine Götter,
Der keines Menschen schont.
Der Wandersmann
und der Kolibri
Ein Mensch, der sich die Welt nie überdrüßig sah,
Der hinter Nubien, zu London und Surate,*
In Lappland, Tripoli und Japan Brüder hatte,
Kam endlich nach Amerika.
Dergleichen lange Fahrt pflegt Schiffer abzumatten,
Er warf sich unter einen Baum,
Um unter dessen kühlen Schatten
Ein wenig auszuruhn; allein, er schlummerte kaum,
Als ihn ein stark Geräusch erwecket,
Davon er keinen Grund entdeckt.
Indem er um sich sieht, so fliegt ein Vögelein
Aus dem belaubten Ast, in dessen bunten Flügeln
Sich Gold und Iris Farben spiegeln.
Der Vogel selbst war wunderklein,
Und kaum von Maienkäfers Dicke.
Kannst du so rauschen, o du Mücke?
Rief hier der Wandersmann. Ja, sprach der Kolibri,
Hierüber darfst du dich nicht härmen,
Es heißt bei Menschen wie beim Vieh:
Der Kleinste macht den größten Lärmen.
*Surate,
einstmals Distrikt in der britisch-indischen Präsidentschaft
Bombay, grenzt westlich an das Persische Meer.
Der Diamant
und der Bergkristall
Ein heller Bergkristall und roher Diamant,
Die ein verfolgter Dieb verloren,
Gerieten auf ein Häufchen Sand,
Und warteten, für wen das Schicksal sie erkoren.
Der Diamant ward getrost: Ich denke, sprach er, hier
Gewiß nicht allzu alt zu werden,
Ich habe meinen Wert in mir,
Der erste der mich sieht, der nimmt mich von der Erden.
Ja, sagt der Kristall, den Wert räume ich dir ein,
Allein dabei befürchte ich immer,
Du wirst niemand sichtbar sein,
Denn, unter uns geredet, es fehlt dir noch der Schimmer.
Itzt fiel der Bergkristall schon Einem ins Gesicht,
Der ihn mit Sorgfalt zu sich steckte,
Den guten Diamanten sah er nicht,
Den kurz darauf der Sand bedeckte.
* * *
Der Weltmann steigt empor, und der Pedant bleibt sitzen;
Die Sitten können mehr, als die Gelehrtheit nützen.
Die Schlange
In Afrika war eine Schlange,
Die alle Tiere ohne Ursach biß,
Und was sie biß, das trieb es nicht lange,
Die Wunde schwoll, es starb gewiß.
Das ging ihr lange Zeit von statten,
Bis, da sie einst im Grase spielt,
Sie endlich ihren eigenen Schatten
Für eine fremde Schlange hielt.
Da biß sie, weil sie es nicht wußte,
Mit einer solchen Wut nach sich,
Daß sie sofort verrecken mußte,
Daran, Verleumder, spiegle dich.
Die Katzen und der
Hausherr
Tier und Menschen schliefen feste,
Selbst der Hausprophete schwieg,
Als ein Schwarm geschwänzter Gäste
Von den nächsten Dächern stieg.
In dem Vorsaal eines Reichen
Stimmten sie ihr Liedchen an,
So ein Lied, das Stein’ erweichen,
Menschen rasend machen kann.
Hinz, des Murners Schwiegervater,
Schlug den Takt erbärmlich schön,
Und zwei abgelebte Kater
Quälten sich, ihm beizustehn.
Endlich tanzten alle Katzen,
Poltern, lärmen, daß es kracht,
Zischen, heulen, sprudeln, kratzen,
Bis der Herr im Haus erwacht.
Dieser springt mit einem Prügel
In den finstern Saal herum,
Schlägt um sich, zerstört den Spiegel,
Wirft ein Dutzend Schalen um.
Stolpert über ein'ge Späne,
Stürzt im Fallen auf die Uhr
Und zerbricht zwei Reihen Zähne:
Blinder Eifer schadet nur.
Die Tulipane
Ein Beet, der Farben Wunderspiel,
Darin der Lenz sich selbst gefiel,
Trug eine Tulpiane,
Ihr Schmuck wies Iris Farbenstrich,
Und ihr erhöhter Purpur glich
Dem Mund der Mariane.
Der West hielt selbst den Hauch zurück,
So oft er dieses Meisterstück
Zu küssen sich erkühnte,
Sie stahl des Gärtners Herz und Sinn,
Der sie als seine Königin
Mit Zärtlichkeit bediente.
Nichts mag so schön, so kostbar sein,
Das Schicksal reißt es wieder ein.
Warum? das ist die Frage.
Die Tulpe war kaum aufgeblüht,
Als sich der Himmel schwarz umzieht
An einem heißen Tage.
Der Nordost brüllt und mehrt die Nacht,
Das Wetter rauscht, der Donner kracht,
Kaum aber schweigt er wieder,
So fällt ein Hagel, scharf wie Glas,
Schlägt Zweig und Pflanze, Laub und Gras,
Und auch die Tulpe nieder.
Der Gärtner läuft nunmehr herbei,
Und findet Graus und Wüstenei,
Den Grund gerechten Schmerzens,
Er sieht sein Unglück ein, und schweigt,
Bis sich der Tulpe Leichnam zeigt,
Der Blume seines Herzens.
Hilf Flora! hilf, wie lärmt der Mann,
Und tut die Schloßen in den Bann,
Daß sie die Tulpe erschlagen!
Grimm und Verzweiflung zeigt sein Blick,
Er schilt halb kindisch auf das Glück,
Und hört nicht auf zu klagen.
Ein Birnbaum, den des Wetters Macht
Um Knospen, Blüte und Laub gebracht,
Der konnte es nicht verdauen,
Ein Blümchen, rief er, bricht dein Herz,
Wie rührt dich nicht ein größrer Schmerz,
Uns Bäume bloß zu schauen?
Wie? daß du nicht in Tränen rinnst,
Daß unsre Knospen, dein Gewinnst,
Dein Brot, zu Wasser worden.
Uns klagst du nicht, und hast es Fug,
Um eine Blume, die nichts trug,
Willst du dich gar ermorden.
* * *
So war der Mensch zu allen Zeiten,
So ist er jung, so bleibt er alt:
Heiß ist er gegen Kleinigkeiten
Und gegen große Dinge kalt.
Der Hirte und die Herde
Der Wolf naht sich von dem Gebirge,
Auf, Hirte! laß die Hunde los,
Daß er nicht Damons Herde würge,
So riefen ängstlich Klein und Groß.
Der Hirte ließ die Herde im Stiche,
Und lief an einen sichern Ort,
Mit ihm, gewohnt der alten Schliche,
Lief eine Kuppel Hunde fort.
Der Wolf fiel in die arme Herde,
Und mancher Bock gab Haare her,
Was er nicht fraß, fiel wund zur Erde,
So zog er fort, vom Raube schwer.
Der Hirte kam nunmehr geschlichen,
Als weiter nichts zu fürchten war,
Warum bist du von uns gewichen?
Schrie die noch übriggebliebne Schar.
Der Hirte sprach: Ich wollte bleiben;
Allein der Wolf schien damals mir
Viel größer, als es zu beschreiben,
Wie groß denn? Wie ein junger Stier.
Pfui! sagten die betrübten Tiere,
Schämst du dich nicht, verzagter Tor?
Die Furcht stellt Wölfe groß als Stiere,
Geschwader groß, wie Heere vor.
Der Vater und die
drei Söhne
Von Jahren alt, an Gütern reich,
Teilt einst ein Vater sein Vermögen,
Und den mit Müh erworbnen Segen
Selbst unter die drei Söhne gleich.
Ein Diamant ist's, sprach der Alte,
Den ich für den von euch behalte,
Der mittels einer edlen Tat
Dazu den größten Anspruch hat.
Um diesen Anspruch zu erlangen,
Sieht man die Söhne sich zerstreun,
Drei Monde waren schon vergangen,
Da stellten sie sich wieder ein.
Darauf sprach der Älteste der Brüder:
Hört! es vertraut ein fremder Mann
Sein Gut ohne eigenen Schein mir an,
Dem gab ich es getreulich wieder.
Sagt, war die Tat nicht lobenswert?
Du tatest, Sohn, wie sich's gehört,
Ließ sich der Vater hier vernehmen,
Wer anderes tut, der muß sich schämen.
Denn ehrlich sein heißt uns die Pflicht,
Die Tat ist gut, doch edel nicht.
Der andere sprach: Auf meiner Reise
Fiel einst in ganz unachtsamer Weise
Ein armes Kind in einen See,
Ich aber zog es in die Höh',
Und rettete dem Kind das Leben;
Ein Dorf kann davon Zeugnis geben.
Du tatest, sprach der Greis, mein Kind,
Was wir, als Menschen, schuldig sind.
Der Jüngste sprach: Bei seinen Schafen
War einst mein Feind fest eingeschlafen
An eines tiefen Abgrunds Rand,
Sein Leben stand in meiner Hand.
Ich weckte ihn, und zog ihn zurücke.
O! rief der Greis mit holdem Blicke,
Der Ring ist dein, welch edler Mut,
Wenn man dem Feinde Gutes tut.
Der Uhu und die Lerche
Es saß ein Uhu lange Zeit
Im Schatten einer hohlen Eiche,
Der höchsten in dem deutschen Reiche,
In einer öden Traurigkeit.
Hoch über ihn ließ sorgenfrei
Sich eine muntre Lerche hören,
Und meldete der Sänger Chören,
Daß jetzt der Frühling nahe sei.
Ihr Lied dringt aus den heitern Lüften
Ins grüne Tal, belebt die Triften.
Der Uhu horcht, und ächzt dabei,
Daß er nicht auch so fröhlich sei.
Die Ungeduld ermuntert ihn,
Sich aus dem Neste zu bemühen,
Die feige Lerche wollte entfliehen,
Sie wollte noch, als er erschien.
Doch war der armen Lerche bange,
So dauerte die Angst nicht lange,
Als sie zu ihrem Trost vernahm,
Daß er in Friede zu ihr kam.
Es schien dem Uhu zweifelsfrei
Das Lerchenfleisch noch nichts zu taugen,
Er schwur bei seinen großen Augen,
Daß er jetzt nicht hungrig sei.
Die Neugier, sprach er, dich zu fragen,
Hat mich an diesen Ort getragen.
Bekenne, was die Ursach ist,
Daß du beständig fröhlich bist?
Monarch der Eulen, sagte sie,
Wer stets gesunde Tage zählet,
Und fliegen kann, wohin er wählet,
Wie kann er trauern? Fragst du, wie?
Fiel ihr der Uhu in die Rede,
Du scheinst ja sonst mir ziemlich blöde,
Gedenkst du niemals an den Tod,
Noch was dir Herbst und Winter droht?
Ich denke, sprach sie, wohl daran,
Allein der Tod ist unvermeidlich,
Die Herbst und Winternot noch leidlich,
Und jetzt geht ja der Frühling an.
Ich lebe indessen nach der Lehre,
Die ich von jenem Schäfer höre,
Der dort im Grünen vor uns liegt,
Ein Weiser sei nie mißvergnügt.
Geh nur, du kleine Närrin du!
Fiel der Bescheid aus, das sind Lehren,
Die für die Lerchen nur gehören;
Die Lerche flog dem Schäfer zu,
Und sang ganz heimlich auf der Reise:
Wer fröhlich sein will, der sei weise.
* * *
Merkt Freunde, was die Lerche spricht,
Und kehrt euch an die Uhus nicht.
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