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Prolog 2

Reizt dich ein edler Trieb, nach Art der alten Weisen,
Dem menschlichen Geschlecht die Tugend anzupreisen
So flöße ihm, soll dein Fleiß nicht ohne Wirkung sein,
Zu guten Taten Lust, vor bösen Abscheu ein.
Soll ich die Torheit fliehn, und mich zur Weisheit neigen,
So muß ein kluger Mund davon mich überzeugen,
Wie vor des Narren Tür verdiente Strafen ruhn,
Und Menschen selig sind, die Gutes willig tun.

Du hast allhier die Wahl von zwei verschiednen Wegen,
Der eine Weg ist lang und schwer zurück zu legen,
Dem Pöbel ganz verhüllt und Weisen nur bekannt,
Dem leuchtete Vernunft, der hier den Ausgang fand.
Der andre Weg ist kurz, bequem und jedem helle,
Erfahrung heißt der Weg. Sie führt zur Wahrheitsquelle,
Von ihr wird, was Natur und ihr Gesetz begehrt,
Durch wirklichen Erfolg von Zeit zu Zeit bewährt.

Weil aber oft Geschichte und wahres Beispiel fehlen,
So stand Äsopus auf, uns Fabeln zu erzählen,
Äsopus, Samos Schmuck und Phrygiens Sokrat,
Der mehr als eine Schar von sieben Weisen tat.
Er fand zuerst die Kunst, durch ein Gespräch von Tieren
Das menschliche Geschlecht im Scherz zu überführen.
O Menschen! flieht den Geiz, ruft Thales warnend aus,
Wer goldne Schlösser sucht, verscherzt oft sein Haus.
Wer allzu viel begehrt, hat alles oft verloren,
So spricht der Philosoph, und predigt tauben Ohren.
Er bringt Beweise vor, und niemand achtet drauf;

Jetzt aber tritt Äsop, der Fabeldichter auf.
Hört, hebt er an, ein Mensch, der Vieh zu halten pflegte,
Hatte einst ein seltnes Huhn, das täglich Eier legte;
Allein es legte stets von reinem Gold sein Ei,
Er meint, das ein Schatz in seinem Leibe sei,
Und würgt das gute Huhn. Wie kurz war seine Freude?
Das Huhn war andern gleich, an Fleisch und Eingeweide.
Jetzt bist du überzeugt, der Geiz sei nimmer satt,
Und da er mehr begehrt, verliert er, was er hat.

Nicht Kindern gibt Äsop bloß Fabeln anzuhören,
Er predigt Männern auch, gibt auch den Greisen Lehren:
Und wenn er lächelnd schon der Tiere Tun erzählt,
So redet er von uns, und zeiget was uns fehlt.
Er gibt uns bös und gut begreiflich anzuschauen,
Er redet frei mit uns, und sucht uns zu erbauen,
Hier malt ein redend Bild die Folgen unsres Tuns,
Das Beispiel rührt das Herz, und überzeuget uns
Mehr, als nicht Gründe tun, die in verknüpften Schlüssen
Nur die, die sie verstehn, spät überführen müssen.