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August Gottlieb Meißner

geb. 3. November 1753 in Bautzen
gest. 18. Februar 1807 in Fulda

Von Beruf war er Jurist, Lyzeumsdirektor und Professor für Ästhetik.
Er war auch Schriftsteller und gilt als Begründer der deutschsprachigen Kriminalerzählung.
Meißner veröffentlichte in seinen Skizzen über 50 Kriminalgeschichten, die sehr erfolgreich waren.

Was weniger bekannt sein dürfte, ist, dass er auch das Genre der Fabel bediente. Er war ein großer Sammler von diesen, unter anderem Fabeln von Daniel Holzmann, Saadi, Leo Baptista Alberti,
Georg Philipp Harsdörffer und Justus Gottfried Rabner.

1782 erschienen "Fabeln nach Daniel Holzmann" und 1791 seine "Äsopische Fabeln für die Jugend."
Nach verschiedenen Dichtern gesammelt und bearbeitet.

Quelle:
August Gottlieb Meißner/Sämtliche Werke/Band 6 /Wien 1813/In Commission bey Anton Doll
Buch 1
 

Fabeln nach Holzmann
Holzmann lebte um das Jahr 1571 zu Augsburg. Er war Bürger, Kürschner und Meistersänger.
 


Der Adler und die Sonne


Hoch schwang sich ein Adler in heiterer Luft zur Bahn der Sonne, unverwandt auf sie seine Augen
gerichtet. "Wunderbarer Quell des Lichts!" rief er endlich! "Sage, von wem kommt dir diese Zier?"
"Das weiß ich selbst nicht," war ihre Antwort.
"Das weißt du selbst nicht?" — Bist Licht für alle, die dich sehen, und Finsternis für dich selber?
O, so verzeihe, wenn ich bis jetzt dich oft mit geheimen Neide betrachtete: denn der verdient
Neid nicht, so groß sein Glanz auch sein mag, dem Weisheit fehlt."


Der Fuchs und der Rabe

Ein Fuchs, äußerst vom Hunger gequält, lag in seiner Höhle und sah einen Raben steigen, der
sich überall ängstlich nach Raube umzusehen schien. "Wahrscheinlich," dacht' er bei sich selbst,
"leiden er und ich an einer Krankheit; laßt sehen, ob ich ihn berücken kann." Leise schlich er
aus seinem Loche; streckte sich auf den Rücken, verdrehte die Augen, hielt Schweif und Fuß
steif, und lag da, einem Leichnam völlig gleich.

Fast hätt' er den Raben getäuscht; aber noch erinnerte sich dieser zu rechter Zeit der Arglist des
Fuchses; flog näher, doch behutsam herbei, sah das Schlagen seines Herzens; holte sich ein
Steinchen, ließ es senkrecht auf das eine Auge des Betrügers fallen, und schalt ihn, daß er so
viel Blindheit, so viel Unvorsicht ihm zugetraut habe, gleichsam als ob er zu der dümmern
Gattung des Vogelgeschlechts gehöre.

"Zwar hielt ich dich," war Reinekens Antwort, indem er verdrießlich wieder in seine Höhle kroch,
weder für blind, noch dumm; aber wahrlich warst du auch nicht der erste Kluge, den eine
Lockspeise zu beiden gemacht hatte."


Die Maus und die Schnecke

"Da dank' ich schön für die Ehre, mein eignes Haus herumschleppen und durch dessen Schwere
so schleichen zu müssen!" rief eine Maus der Schnecke zu. "Sieh mal, wie schnell ich in
einer einzigen Minute den Raum überfliege, zu dessen Durchkriechung du ganzer Tage bedarfst."

"Es ist wahr, liebe Maus," gab jene zur Antwort, "du bist schnell. Aber schade nur, daß diese
Schnelligkeit die Natur dir nicht ausschlußweise, sondern auch deiner Todfeindin, der Katze,
mitteilte. Wenn du oft ängstlich vor ihr von Winkel zu Winkel fliehst und dich überall nach
einem Schlupfloch umschaust – nicht wahr, dann wünscht du dir auch ein eigenes Haus,
dann würdest du gern eine kleine Unbequemlichkeit, des größeren Nutzens halber, ertragen?"

Der Kraken und der Schiffer

Ein Kraken hob sich allmählich aus dem Meere empor. Ein Schiffer, der in die Nähe kam, hielt ihn
für festes Erdreich und landete auf solchem. Wie erschrak er, als plötzlich dieser Boden unter ihm
entwich, und er sich mühsam durch Schwimmen auf sein Schiffchen rettete.
Kaum war er geborgen, als er sah, was ihn betört hatte; und eine Flut von Flüchen gegen den
betrüglichen Fisch ausstieß.
"Du fluchst mir wirklich sehr zur Unzeit," antwortete dieser, da du mir danken solltest. Ein Mann,
der in ein so unsicheres Element auf schwachem Brette sich wagt, sollte nie dem bloßen Scheine
trauen; oder tut er es ein Mal, so sei er froh, wenn er mit durchnäßten Kleidern und einem
kleinen Schrecken davon kommt, weil er dadurch vielleicht sich Klugheit für die Zukunft holt."

Wirklich gibt es gewisse kleine Betrüger, denen man sich noch obendrein verbunden zu sein
achten sollte, weil sie uns durch nicht allzu schädliche Erfahrung jene Klugheit lehren, die man
nie aus der Theorie allein erlernt.


Der Fuchs und die Ameise

Ein junger Fuchs, mit einem ziemlichen Anteil Stolz begabt, trug sich Holz und Leim zusammen,
um eine Art von Wohnhaus aufzubauen.
"Was machst du da?" fragte ihn eine Ameise. -
"Ich will mir ein Sommerhaus bauen. Meine Bergschlucht gefällt mir nicht mehr." -
"Und an was für Ursachen? War sie dir vielleicht nicht sicher genug?" -
"Die sichersten zehn Meilen in der Runde. Aber auch so dunkel, so traurig! Ich will einen freieren,
geräumigeren Aufenthalt für die Zukunft haben." -
"Aber wenn nun die Bauern dich entdecken, umringen, fangen? Hilft dir dann die Schönheit
deiner neuen Wohnung etwas?" -
"Dann wird mir die Schlauheit meines Kopfes schon durchhelfen. Zudem wer hat denn von dir
Rat verlangt, kleines geringfügiges Tier?" -
"Als ob Klugheit nur in großen Körpern wohnen dürfte! Aber fürwahr, man merkt dir's noch an,
daß du jung bist, weil du selbst das nicht anhören willst, was ein Kluger und Erfahrner nie ganz
verachtet —-freundschaftlichen Rat."

Das Roß und der Ochse

Ein schnelles Roß begegnete einem schwer beladenen Ochsen. "So möcht ich doch wissen,"
sprach es, "warum eben dir deine Klauen gespalten wurden, da du zu so schwerer Arbeit von der
Natur bestimmt bist; du würdest schneller und leichter fortkommen , wären deine Füße unzerteilt."

"Und doch geschah es wahrscheinlich," war des Stiers Antwort, eben dieser schweren Arbeit
willen; denn bei ihr war langsame Bedachtsamkeit nötiger als rasches Feuer, das gewiß schon
öfters dich zum Straucheln, oder gar zum Stürzen brachte."

Feuer des Genies, du kannst Länder glücklich machen und Wissenschaften neue Fackeln
aufstecken. Aber daß es Geschäfte gibt, die du aber deswegen, weil du ein feuriges Genie bist,
ganz verdirbst, das wirst du auch nicht ableugnen!


Der Rabe und die Hühner

Ein Fuchs lag krank und es hungerte ihn. Ein Rabe, der mit ihm in Freundschaft lebte, fühlte
Mitleid und versprach ihm einige nachbarliche Hühner durch List in seine Höhle zu locken. Er flog
daher sogleich zu ihnen und verkündigte mit großem Jubelgeschrei, daß der Fuchs sich nun ganz
vom Bösen gewendet habe und ein andächtiger Büßender geworden sei; ersuchte sie auch
zugleich durch die glattesten Worte, mitzukommen und dies Wunderwerk selbst mit anzusehen.

Die Einfältigen glaubten es und waren schon auf dem Wege, als der Hahn dazu kam, sie fragte,
wo die Reise hingehen solle? Und als er die vorige Nachricht hörte, den Raben, seines Betruges
halber, mit Vorwürfen überhäufte und fortjagte. "Ihr Toren!" wandte er sich darauf zu seinen
Weibern, "wie könnt ihr aber auch dann keine Hinterlist vermuten, wenn ein Dieb den andern preist?" -

"Freilich wohl," verteidigte sich die älteste der Hennen, "freilich wohl ging es mir auch schwer
in den Kopf, aber der Rabe war so wortreich, so schmeichelnd." -
"Unbesonnene, als ob Geschwätzigkeit und Schmeichelei nicht eben die sichersten Kennzeichen
eines Betrügers wären."

Der Löwe, der Esel und die Wölfe

Ein Löwe und ein Esel gingen zusammen über Land. Bald, als sie aus einem Walde hervor ins
Freie traten, erblickte der Esel, der etwas voranging, einige Wölfe; erhob seine Stimme so
gräßlich, als er es nur vermochte; und hoffte sie zu verjagen. Aber sie kannten gar wohl die
Unschädlichkeit dieses Schreiers, spotteten seiner und machten Miene ihn anzufallen, als der
Löwe hervor trat, und mit einem einzigen Blick die Räuber auf die Flucht brachte.

"Sonderbar!" rief der Esel, "ich gab mir doch alle mögliche Mühe, und vermochte nicht, was du
ganz ohne Mühe vermochtest. Woran liegt denn das?" – "Daran ohne Zweifel," antwortete der
Löwe mit Lächeln, "daß dies der kraftvolle Blick eines Löwen und jenes nur das leere Geschrei
eines ohnmächtigen Esels war."


Der Kiesel und das Samenkorn


Neben einem Kiesel lag tief in der Erde ein Weizenkorn und schien schon gänzlich vernichtet
zu sein, als ein schöner Keim und bald darauf ein noch schönrer Halm aus ihm aufschoß.
"Wie ist es möglich?" rief der Kiesel verwundert. "Du in meinen Gedanken schon ganz
Verwester lebst mit neuer Jugendkraft wieder auf? Ich hingegen, bin ich einmal zerknirscht,
hab' alsdann auch meine Kräfte verloren für immer!"
"Der gewöhnliche Unterschied der störrischen und sanftmütigen Geschöpfe," versetzte das
Samenkorn. "Jenes widersteht länger einer Gefährlichkeit, aber unterliegt es ihr einmal,
so unterliegt es auf ewig. Der Sanftmütige dauert gelassen die Stunde der Prüfung aus und
tritt, wenn sie vorüber, oft mit verstärktem Glanze hervor."

Der Bär und die Taube

Eine Taube sah, wie der Bär ein Lamm zerriß, und strafte ihn wegen dieser Tat, so wie
überhaupt wegen seiner Grausamkeit.
"Und warum schmähst du mich," entgegnete er, "einer Eigenschaft wegen, die du der Natur,
nicht mir zurechnen mußt? Sie gab mir diese Grausamkeit und diese blutgierige Fresslust; und
ihr muß ich folgen." -
"Eine gewöhnliche Entschuldigung der Bösewichter deinesgleichen!" antwortete die Taube.
"Aber wisse, gab die Natur dir Einsicht genug um zu erkennen, was Grausamkeit und Blutgier sei;
so gab sie dir auch Kraft, ihren ersten Aufwallungen zu widerstreben. Nur das ist unzuzurechnender
Naturtrieb, was uns, indem wir es tun, gut, und unumgänglich scheint."

Der Fuchs und die Schlange

Ein Fuchs traf von ungefähr auf eine Schlange, die schnell auffuhr, ihn gefährlich verwundete und
zur Rache wieder einen tüchtigen Biß von ihm erhielt. So trennten sich beide und eilten ihren
Löchern zu, um sich wieder auszuheilen; jedes voll grimmigen Hasses im Herzen.

Lange Zeit darauf begegneten sie sich abermals, und die Schlange, ihrer alten Wunden
eingedenk, rief ihm mit falscher Freundlichkeit entgegen: "Willkommen, lieber Reineke! Wie
ängstlich hab' ich mich schon allenthalben nach dir umgesehen. Wir schieden das letzte Mal nicht
ganz in Frieden von einander; seitdem hab' ich mein Unrecht erkannt, es herzlich bedauert und
nach Erneuerung unserer Freundschaft mich gesehnt. O komm, daß mein Mund dir den Kuß der
Aussöhnung gebe!"
"Du hast recht, Friede ist ein köstliches Ding, und Versöhnlichkeit eine edle Tugend. Aber da, wo
Erinnerung der vorigen Schmach sich noch findet, scheint es mir besser, ohne Kuß und ohne
Nähe sich auszusöhnen. Der Gedanke: jetzt ist Rache möglich! dürfte zu bald wieder erwachen;
und ein versöhnter Feind — tugendhafte Schlange — gewiß meine Klugheit wäre nicht weit her,
wenn ich diesem traute."


Die Luft und der Erdboden

Die Luft rühmte sich, gegen die Erde wegen ihres höheren Platzes und wegen ihrer tätigen
Geschwindigkeit, da diese hingegen in steter Trägheit unbeweglich ruhe.
"Nicht jede Geschwindigkeit," antwortete diese, "ist tätig; und nicht jede Unbeweglichkeit träge.
Ich bringe Kräuter, Tiere, Menschen, Metalle, Steine, Wälder hervor; du erhabenes, immer
unruhiges Element, was hast du mir entgegen zu setzen? Ungewitter, Sturmwind, und — was ich
nur zu sehr beseufze! — Erdbeben."

Friedlicher Fürst und du Ländereroberer — doch der Moralist darf wohl da die Worte sparen, wo
die Sache sich von selbst ergibt.

Leib und Seele

Einst entzweiten sich Leib und Seele; und zwar so heftig, daß diese jenen auf einige Zeit ganz
verließ. Nach Verfluss eines ziemlichen Raumes kam sie wieder, um zu sehen, wie er sich
befinde, und fand ihn sehr fett und aufgedunsen.
"Siehst du?" rief er ihr schon von weitem entgegen: "Du glaubtest, dein Außenbleiben würde
mich verzehren, und es bekommt mir so wohl, daß ich noch um eins so viel indessen
zugenommen habe."
"Unglücklicher!" versetzte sie: und du merkst nicht, daß diese Geschwulst ein sicherer Bote
baldiger Vernichtung, diese Dicke nicht Gesundheit, sondern Wind und Spuren angehender
Fäulnis sei?"

Nicht äußerer Umfang, sondern innere Kraft ist Vorzug und Bürge des Lebens.

Der Bock und der Igel

Ein durstiger Bock kam an einen Brunnen, trank aus ihm und bespiegelte sich dann mit Wohlgefallen.

"Wie trefflich," rief er, "diese Hörner mir stehen! Furchtbar dem Feind und lieblich meinen
Weibern! Fürwahr zwischen ihnen sollte eine Pfauenkrone und unter diesem ehrwürdigen Barte
ein goldenes Halsband prangen!" -
"Wünsche dir lieber," antwortete ein Igel, der versteckt zugehört hatte, noch zwei Augen auf dem
Rücken, um deinen schändlichen Schwanz und die Unflätigkeit deines ganzen Körpers zu sehen
und zu merken, wie sehr hier Stolz am unrechten Orte stehe."


Der Strauß und die Henne

Ein Strauß stand auf einem Felsen und da er rund um sich eine Menge Vögel aufsteigen sah,
gedachte er: auch ich will das tun und euch sicher eben so an stolzem Fluge übertreffen, als mein
Körper den eurigen an Größe übertrifft.

Eine Henne sah diesen Vorsatz und widersprach ihm. "Deine Fittige," sprach sie, "sind nicht zum
Fliegen gemacht. Hüte dich ihnen zu trauen, du möchtest sonst auch um deine Schenkel kommen.
Wenigstens versuch es auf der Ebene, daß der Schaden beim Mißlingen minder wichtig sei!" —

"Elende Furchtsamkeit!" antwortete der Stolze; wagte den Flug und fiel ins Tal hinab.
"Ist diese Verwegenheit minder elend?" rief nun jene dem Halbzerschmetterten zu: "Wirst du von
nun an dir merken, daß Stärke in einem Dinge oft schädlich sei, wenn Unverstand von dieser
einen Kraft aufs Dasein aller übrigen schließt?"

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Das Streitroß und das Maultier

Das Treffen begann, und ein Streitroß war im Begriff mit seinem Reiter auf den Feind loszueilen.
Sein zorniger Huf schlug ungestüm die Erde; fast zerbrach seine Ungeduld Zügel und Gebiß; und
sein lautes Wiehern schien seinen Herrn selbst zum Kampf aufzumuntern.

Ein Maulesel sah's. "Weist du auch, wonach du so begierig bist? Nach einem Gefechte, das schon
mancher Kühnheit tödlich ward. Vergißt du, daß Spieße und Lanzen tief verwunden, und daß
dein Leib weich und unbewaffnet ist?" —
"Da hört man den Sohn eines Esels! Zermalmen will ich den, der widersteht. Bleib du indes
daheim und schrecke Hasen und Mäuse!"
Jetzt scholl ein neues Angriffszeichen. Der Reiter brach los. Kühn übersprang sein Ross Graben und
Leichen; überall da, wo die Gefahr am größten war. Doch bald traf es das Geschoß von allen Seiten;
tief verwundet sank es zu Boden und so fand es abends, nach geendetem Treffen, das Maultier.

"Wohl mir," rief dieses, "daß ich mich erinnerte, wer mein Vater gewesen sei! Ist dies der Lohn
erhabner Abkunft, so ist eine mittelmäßige besser, und noch besser ein Herz, das keine Gefahr zu
gering achtet, um vorsichtig zu sein."


Das Schaf und der Hirsch

Ein Schaf trug Verlangen, seine Freiheit zu erhalten, stahl sich von der Herde, schlüpfte in den Wald
und traf da auf einen Hirsch, der verwunderungsvoll fragte, woher es so ganz allein komme?
"Ich ward es satt," war seine Antwort, "meine Milch täglich und meine Wolle zwei Mal im Jahre dem
Hirten hinzugeben; auch je nachdem es ihm beliebte, in der Dunkelheit des Stalls der frischen
Luft entbehren zu müssen. Nun bin ich frei und will mein Leben genießen, wie mir's gut deucht." —

"Vortrefflich, gutes Schaf! Aber wirst du es auch mit derjenigen Sicherheit tun können, die
unumgänglich ist, wenn man sich wohl befinden soll? Hast du gar keinen Feind?" —
"O ja! den Wolf, den bösen Wolf!" —
"Und die Waffen, die du gegen ihn anzuwenden gedenkst? Du schweigst, du blickst verlegen zur
Erde? Armes Tier, ohne Hörner, ohne Krallen, ohne Gift und Stärke, nicht wahr, der Schäfer und
sein Hund waren bis jetzt deine Verteidiger? Sieh, ich habe Geweihe und schnelle Läufe, und
kaum schützen beide mich vor Feinden; oft schon wünschte ich meine furchtvolle Freiheit gegen
eine gemäßigte Unterwürfigkeit umtauschen zu können. Soll ich dir also raten" —
"O ich weiß schon im voraus deinen Rat! antwortete traurig das Schaf; machte sogleich sich auf
den Rückweg; gesellte sich wieder zur Herde; gab Milch und Wolle willig seinem Herren, und war
froh, auf seinem unüberlegten Ausfluge keinem Wolfe begegnet zu haben.

* * * *

Die ihr immer noch Republik und Freiheit schreit, habt ihr sie auch geprüft, eure Kräfte? Oder habt
ihr auch eines Hirsches nötig, der euch daran erinnere?


Der Wolf, der Bär und der Mensch

Der Wolf begegnete dem Bär und spottete, daß er immer so gebückt sein Haupt trage.
"Überhaupt," fuhr er fort, "fehlt deinem Kopfe noch etwas, was dich sehr zieren würde und was
du, wenn du es recht anfingst, immer noch bekommen könntest." -
"Und was?" -
"Eine Art von Hörnern und Geweih. Hat sie doch der Stier, der Bock, der Hirsch, das Elentier und
hundert andere Tiere mehr, am Wert bei weitem dir nicht gleich." -
"Wie sollte ich es aber anfangen, um sie zu bekommen? -"
"Zum Menschen gehen. Er ist kunstreich in dergleichen Arbeiten; bitte ihn, und er wird dir ganz
gewiß ein stattliches Geweih verfertigen."
Der Bär glaubte es, ging und brachte seine Worte vor. "Warum denn nicht?" antwortete der
Mensch, "aber ganz umsonst kannst du doch meine Mühe nicht verlangen; du mußt mir etwas
dagegen von deinem Leibe geben." -
"Von meinem Leibe?" -
"Ja! aber ich will bescheiden sein. Ich verlange keinen deiner Füße, kein Stück deines Fells,
sondern bloß deine Ohren von dir."
Der dumme Bär willigte ein und gab mit verbissenem Schmerz seine Ohren hin.
Kaum war dies geschehen, als der Mensch eine Menge anderes fürchterliches Handwerkzeug zum
Vorschein brachte. "Was ist das," fragte der Bär wieder, "was willst du damit machen?" -
"Dir zwei Löcher in den Kopf bohren." – "Zwei Löcher in den Kopf? Bist du toll?" – "Muß ich das
nicht tun? Wie soll ich sonst das Geweih befestigen?" -
"O ich dreidoppelter Tor!" rief der Bär und floh davon, "der ich meine schönen Ohren dahin gab,
um eine eitle Zierde zu haben, die ich nun nicht anders, als mit zerstümmeltem Kopfe haben
kann. Verdammt sei der, der diesen Rat gab! Und verdammt ich, der ich ihm glaubte!"


Der Hahn und der Fuchs

Ein Hahn hatte sehr lange auf erhabene Dinge sein Augenmerk und Nachdenken gerichtet; auf
den Lauf der Wolken; auf den Glanz der Sonne und auf die übrigen Körper des Firmaments. Jetzt
glaubte er nun mächtig viel Weisheit erbeutet zu haben; setzte sich auf einen Baum und krähte
vor Freuden, so hell als er es nur immer vermochte. Bald stellte ein Fuchs sich ein und fragte,
worüber er sich so vergnüge? Der Eitle teilte seine sämtlichen Bemerkungen ihm mit: daß die
Sonne nicht im Meere untergehe, daß der Mond nach bestimmten Gesetzen wachse und
abnehme und andere dergleichen Dinge mehr, die allerdings neu für das Hahnengeschlecht und
desto älter für das unsrige sind.

Schnell fing der Fuchs, gleichsam voll entzückten Mutes, zu tanzen an, und rief aus: "Ewig sei es
der schaffenden Natur verdankt, daß sie die Weisheit auch uns Tieren gab, und sie nicht allein
dem stolzen Menschen vorbehielt. Vorzüglich du mein Hahn, vorzüglich, du machst, wie ich höre,
allen unsern Geschlechtern Ruhm. O komme herab, daß ich dein verständiges Haupt mit
Ehrfurcht küssen kann!"
Der Arme glaubte es und flog herab; aber kaum war er dem Fuchs nahe gekommen, als er schon
dessen mörderischen Zahn in seinem Nacken fühlte. Umsonst beklagte er sich. "Es ist billig,"
spottete der Würger, daß der Strafe leide, der den Lauf der Gestirne kennt und den Lauf der
Dinge auf Erden darüber vergißt; vergißt, daß Schmeichelworte Wind, und wir Füchse Feinde
des Hühnergeschlechtes sind."

Der Frosch und der Aal

Ein junger Frosch, der erst seit wenig Tagen seine Stimme bekommen hatte, bediente sich deren
weidlich; überhob sich ihrer und spottete des Aals, daß er so stumm sei.
"Du hättest recht," antwortete dieser, "wenn jede Stimme, sie klinge auch wie sie wolle,
Verdienst wäre. Aber glaube mir, ein bescheidenes Schweigen ist mehr wert, als ein lautes
lästiges Gespräch."

Der Rabe und das Einhorn

Ein Rabe saß auf einem Felsen. Ihn sah das Einhorn da sitzen, und sprach: "Jetzt soll ein Beweis
meiner Stärke dich staunend machen; denn ich will dir zeigen, wie ich Berge umstoße."
Kaum gesagt, lief es gegen den Felsen mit aller Gewalt, aber statt, daß er wankte, zerschellen
an ihm das Horn, und das stolze Tier fiel vor Schmerzen nieder!
"Armes Einhorn!" rief der Rabe, "den Beweis deiner Stärke bleibst du mir schuldig, aber den
Beweis deiner Dummheit und die Wahrheit des Satzes: daß Hochmut alle Dinge zerstöre, gabst
du mir ungebeten.


Die Maulesel

Ein Maulesel prahlte gegen den andern, daß sein Vater eines der trefflichsten Rosse gewesen sei.
"Das würde ich minder laut an deiner Stelle sagen. Denn ein Vater, den niemand uns ansieht, ehe
wir ihn erzählen, und dessen Verdienste wir zwar preisen, aber nie erreichen können, schändet
mehr, als daß er ehrt.

Der Schlehdorn und der Feigenbaum

Ein Schlehdorn verachtete den Feigenbaum, daß er keine Blüte habe.
"Um desto mehr Ehre für mich," erwiderte dieser, "daß ich mehr leiste, als ich verspreche —
honigsüße Früchte. Du hingegen mit deiner prahlenden Blüte, was bringst du anderes hervor,
als äußerst mittelmäßige Schlehen?"

Der Sternenhimmel und Saturn

Der Sternenhimmel warf dem Himmel des Saturns vor, daß zwischen ihnen beiden gar kein
Vergleich statt fände, weil an ihm eine unzählbare Menge von Sternen in größter Pracht und
Ordnung glänzten; an diesem nur ein einziges düsteres Sternchen schimmere.
"Hast du dir, fragte Saturn, diese Pracht selbst gegeben? Oder war es der Schöpfer, der sie dir verlieh?"
"Allerdings der Schöpfer!" -
"Und warum überhebst du dich also eines Vorzugs, der von eines andern Güte dir zu Teil ward?
Er gab dir und mir eine gewisse Bestimmung. Ich erfülle die meinige; und sicher ist dies in seinen
Augen so viel, als wenn du der deinigen Genüge tust."

* * * *

Guter Saturn, wenn du Recht hast, wie du mir es zu haben scheinst, wo bleibt jeder Stolz auf
Vorzüge und Verdienste?


Der Rabe und die Nachtigall

Ein Rabe, der sich überfressen hatte, knurrte auf eine unangenehme Art.
Nahe bei ihm saß eine Nachtigall, und erhob, als er im stärksten Kurren war, um ihn zu
beschämen, ihr reizendes Lied.
Es gelang ihr. Der Rabe unterbrach sein Geschrei, und hörte ihr mit sichtbarem Vergnügen zu.
Kaum merkte dies die Sängerin, als sie wieder verstummte. Umsonst erschöpfte der Rabe
Vorstellung und Bitten; die Nachtigall blieb hartnäckig bei ihrem Schweigen.
"Dank sei den Göttern!" rief endlich unwillig der Rabe. "Dank sei ihnen, die doch fast immer zu
körperlichen Vollkommenheiten geistige Schwächen legten, um dem Neid der Klügeren
vorzubeugen. Deine Stimme ist so schön, daß ich Armer mich bereits über Mangel derselben
beklagte. Jetzt, da ich sehe, mit welchem Eigensinne sie verbunden wurden, schäme ich mich
dieser Klage."

Was würde erst dann der Rabe sagen, wenn er die meisten Künstler unter uns Menschen kennen
würde?

Der Hahn und sein Herr

Ein Haushahn pries überlaut seine Nutzbarkeit, seine Wachsamkeit, die Schönheit seiner Federn
und noch hundert andere gute Eigenschaften.
Warum strafte ihn sein Herr, bringst du dich durch dein Selbstlob um den wahren Ruhm deiner
Verdienste? deren größten Teil auch ich dir zugestehe und die niemand dir bezweifeln würde,
wenn du zu schweigen verständest. Nach unseren menschlichen Gesetzen gilt kein Zeugnis in
eigener Sache; nach dem natürlichen Recht spricht es sogar dagegen. Denn wahre Tugend
überläßt ihr Lob Fremden; aber Anklage wegen begangener Fehler übernimmt ihr eigener Mund.


Die Taube und der Morast

Eine schöne gefiederte Taube, die auf einem kotigen sumpfigen Boden ein Körnchen Futter erblickte,
holte es sich und beschmutzte sich dabei fast über und über. "Siehst du," spottete der Morast,
"wo ist nun die Schönheit deiner Federn? Du bist geworden, wie ich." -
"Ich schien es nur geworden zu sein; ein wenig Wasser wird diese Farbe wegnehmen, die deine
Bosheit mir lieh. Aber du bleibst stets so, denn es ist ein Bestandteil deiner Natur."

Der Tugendhafte kann eine Zeitlang leiden, wenn man Laster ihm beilegt;
aber dieser nachteilige Schein verschwindet bald wieder.

Der Serophil und das Krokodil

Ein Krokodil lag und schlief am Ufer des Nils mit aufgesperrtem Rachen. Der Vogel Serophilus sah
dies; flog hinein; zerfraß ihm sein Herz und seine lebensführenden Gedärme; eilte dann wieder
heraus und setzte sich auf den nächsten Baum.
Mit dem schmählichsten Schmerzen des Todes erwachte jetzt das Krokodil; sah seinen Feind auf
den Zweigen, und fragte ihn mit klagendem Ton?: Was es ihm je getan hätte, daß er es jetzt so
grausam töte?
"Unersättlicher," antwortete dieser, "der du selbst im Schlafe deinen Rachen offen behältst, um ja
keine Gelegenheit zum Fraße zu versäumen; auch ohne von dir absonderlich beleidigt zu sein, ist
der Gedanke: Wie vieler besseren Geschöpfe Leben erhalte ich durch deinen Tod! mir
Rechtfertigung genug; und noch will ich dich bemitleiden, wenn du mir ein einziges Wesen
nennst, mit dem du jemals Mitleid trugst!" Das Krokodill schwieg und starb.


Der Drache und das Iltis

Ein Drache brüstete sich hoch wegen des kostbaren Edelsteins den die Natur, wie das Gerücht,
- zumal es nach  der Fabel geht, - ihm ins Haupt gelegt habe.
"Fürwahr ein sehr unzeitiger Stolz!" strafte ihn das Iltis. "Was hilft dir dein Reichtum, der
niemals dir, sondern erst nach deinem Tode einem anderen Nutzen bringt, und der obendrein
Ursache ist, daß tausend Feinde dir Strick und Netze legen?"

Eine Antwort, die man den Bewahrern der Geldkästen zurufen könnte!

Der Blutegel und die Ameise

Ein Arzt ließ seinem Kranken Blutegel anlegen. Einer von ihnen sog am gierigsten, hielt sich am
längsten fest und freute sich, als er endlich abfiel, laut des trefflichen Males. Ein kurzes
Vergnügen! das giftige Blut wirkte bald gewaltsam auf ihn; und er zerplatzte mit Flüchen auf den
Menschen, der ihn betrogen habe.

"Dich hat niemand betrogen, als deine eigene Gier;" rief eine Ameise ihm zu, die seine Qual mit
ansah, "und, o daß es allen so ginge, die fremdes Blut saugen, und dadurch Stärke und
Überfluß zu erhalten suchen."


Die Spinne und die Biene

Eine Spinne sah die Biene emsig hin und wieder fliegen. "Wonach bemühst du dich so eifrig?"
befragte sie solche.
"Nach meinem Unterhalte." - "Und wie findest du ihn?" - "Indem ich Honig aus tausend Blumen
sauge." - "Da handelst du wahrlich sehr töricht. In deinem Falle, mit deinem Stachel wollte ich
meine Nahrung mir viel leichter verschaffen. Mach's doch lieber, wie ich, und bekriege minder
mächtige Geschöpfe! Sieh, ich habe nicht deine Stärke, deinen Flug, deinen brennenden Stich,
aber ich sitze hier ruhig und fange im Lauschen Fliegen und Mücken, deren Blut mich nährt."

"Schweig, schändlicher Räuber!" unterbrach sie die Biene. "der Redliche strebt nach keiner
Nahrung, die eines andern Schaden oder Tod verursacht. Mag doch immer mein Honig mir Mühe
kosten! Dafür segnen mich auch die edleren Geschöpfe, die Menschen. Aber von dir wenden sie
mit Ekel ihr Auge, oder zerreißen wohl gar dein mörderisches Gespinste."

Die Luft und das Erdreich

Auf einem dürren Strich Landes fiel ein erquickender reichlicher Regen. Bald nach ihm brach die
Sonne durch und eine Menge feuchter Dünste stiegen in der lauen Luft wieder empor.

"Warum (beschwerte das Erdreich sich gegen die Luft) nimmst du mir wieder, was noch vor
kurzem nur so not und jetzt so wohl tat? Ist es billig, mit der linken Hand zurück zu nehmen,
was man kaum mit der rechten gegeben hat?"
"Allerdings!" antwortete diese, denn auch außer dir gibt es der Notleidenden viele; und du bist
sehr ungenügsam, wenn du von deinem jetzigen Überflusse nicht auch etwas wieder in Umlauf
kommen lassen willst."
"Aber wenn ich dann endlich selbst wieder darben muß?" -
"Dann wird dein Nachbar wieder an dir tun, was du jetzt an ihm tust. Vergißt du, daß der Lauf
der Dinge hienieden ein ewiger Kreislauf ist?"


Der Seidenwurm und sein Besitzer

Ein Seidenwurm, den ein Mensch sich hielt, hatte nun sein Gewebe vollendet und sich fest eingesponnen.
"Lieber Wurm, warum tust du das?" fragte ihn sein Herr, "du hast dich so mild gegen mich bewiesen;
so treulich für mich gearbeitet, und nun entziehst du dich meinem Anblick und meinem Danke?"
"Dann waren sicherlich die Dienste, die ich dir erwiesen," versetzte jener, so klein sie auch sind,
doch noch um zehn Mal kleiner, hätte ich sie deshalb bloß getan, um von dir Widervergeltung
oder Dank zu erhalten. Weißt du denn nicht, daß der nur der wahre Freigebige ist, der seine
Wohltaten bloß der eigenen Beruhigung halber austeilt?"

Die Nacht und die Sonne

"Warum mußt du nun aber dein Licht in so überreichem Maße ergießen?" fragte einst die Nacht
mitten auf ihrer Flucht die aufgehende Sonne. "Könntest du denn nicht bloß die Welt mit einer Art
von Dämmerung erhellen, so daß auch ich einigen Anteil daran behielte?"
"Dann wäre ich nicht wert," lautete die Antwort, daß der Schöpfer diesen Glanz in mich gelegt
hätte, wenn ich allzu karg mit ihm wirtschaftete. Wer das Gute, das er vermag, nicht im höchsten
ihm möglichen Grade tut, der ist mit dem in gleicher Verdammnis, der wirkliche Übeltaten sich zu
Schulde kommen läßt."
                
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Der alte und der junge Affe

Ein junger Affe klagte gewaltig über die Härte der Natur, die ihn so nackend ohne Fell, das vor der Kälte,
ohne Geweih, das vor Feinden schütze, ja sogar ohne Schweif in die Welt geworfen habe.
Umsonst erschöpfte sein Vater alle mögliche Gründe; er blieb bei seinem Unwillen. Endlich schlug
der Alte ihm eine kleine Wallfahrt durch den Forst anzustellen vor, und der Jüngere war es zufrieden.

Nicht lange, so trafen sie im Gehen auf einen Elephanten, der keine Zähne mehr hatte. Der junge
Affe verwunderte sich darüber höchlich und fragte ihn, wie er um solche gekommen sei.
"Ich habe sie selbst abgeworfen," war dessen Antwort, "um nur endlich einmal Ruhe vor einem
Jäger zu haben, der mir ihretwegen nun schon Monate lang überall nachschlich, schon in
tausendfache Lebensgefahr mich brachte. Ich hielt es für besser, zahnlos, als umgebracht zu werden."

Sie gingen weiter und fanden einen Iltis dem waren beide Augen ausgerissen. "Armes Tier!" rief das
Äffchen wieder, "wer hat dich in diesen kläglichen Zustand versetzt?" – "Der Mensch." -
"Und warum?" – "Weil ein fabelhaftes Gerücht unter ihnen, meinen Augen den Besitz eines
Edelsteins zuschreibt." Man beklagte ihn, und wandelte weiter.

Da fanden sie einen Biber, liegen mit dem kläglichsten Wimmern. "Was fehlt dir denn?" –
"Ach nur gar zu viel! Man zwang mich mir mein eigenes Gemächt abzubeißen." -
"Und was konnte dich zu dieser entsetzlichen Tat zwingen?" - "Die Liebe zum Leben.
Schon war ich, so ganz in des Menschen Gewalt, daß ich,
um dem Tode zu entgehen, selbst das hingeben mußte, weshalb man mich verfolgte."

Der junge Affe schüttelte schweigend den Kopf und sie gingen weiter.

"Wo hast du denn deinen schönen Schweif gelassen?" fragte er bald darauf einen Pfau, der traurig
auf einem Baum saß. - "Der Mensch brauchte Fliegenwedel und Federn sich zu schmücken
und er nahm mir, was ich freilich nicht zu beschützen vermochte."

"So ist denn der ganze Wald der Klagen über den Menschen voll?" schrie der junge Affe laut auf.
"Der Ganze! antwortete der Vater. Komm wenige Schritte noch und du sollst die Überreste eines
geschundenen Bären finden, den man seines Fells wegen tötete. Sieh jenen Geier! Er hat fast
keine einzige Feder mehr, man nahm sie ihm, wie dem Pfaue, weil ihre Schönheit dem Menschen
behagte. Sieh dort jenes Schaf! Wie es zittert vor Kälte! Es war seine Wolle gewohnt, der Mensch
nahm sie ihm, um sich Kleider daraus zu weben."
"Was denkst du dabei?" - "Daß der Mensch das schändlichste, unersättlichste, selbstsüchtigste,
gewalttätigste aller Wesen sei."

"Du magst nicht ganz Unrecht haben: nur wird dieser Gedanke ihn doch nicht bessern.
Befleißige dich daher lieber auf Schlüsse, die auf dich selbst eine heilsame Wirkung haben können.
Warum sind diese hier samt und besonders jetzt in einem so kläglichen Zustande? Nicht wahr, weil sie
sonst blendende Vorzüge besaßen?"
"Freilich wohl"
"Und du Tor klagst so sehr über den Mangel derselben? Wisse, daß es zuweilen zehn Mal besser
als Reichtum sei, keinen Reichtum zu besitzen: denn er hindert uns, Ruhe und Sicherheit, die
Würze des Leben, zu genießen."


Der Adler und der Phönix

Ein Adler sah den Phönix seinen Scheiterhaufen bauen und fragte ihn: Ob ihm denn das Feuer
keine Schmerzen mache.
"Macht es dir denn Schmerzen - war seine Gegenfrage - wenn du deinen Raub erhaschest und ihn
bluten siehst?"
"Keineswegs, denn sein Tod kommt mir zu gut.'' - "Und der meinige einem andern Wesen.
Was wäre aber Tugend anderes als ein Hirngespinst; lehrte sie uns nicht das Gute, was wir
andern erzeigen können, als Vermehrung unsers eigenen Glücks betrachten, und kühlte nicht die
Vorstellung jenes Lebens, das ich einem jungen Phönix gebe, die Flamme, die mich selbst
verzehrt?"

Edle Männer, die ihr für den Staat, für Freunde oder Kinder euch aufopfert! Nicht wahr, ihr wißt
euch diese Fabel zu deuten?


Die gebärende Natter

Eine schwangere Natter empfand unter den grausamsten Schmerzen, daß die Zeit ihres Gebärens
sich nahe: empfand das Nagen der Jungen, die im Begriff sich durchzufressen waren.
"O welche Lastertat! rief sie endlich aus, seid ihr an mir zu begehen willens! Ich gebe euch das
Leben und empfange von euch den Tod. Wißt ihr denn nicht, daß das schwärzeste aller Laster
der Undank sei?" -
"So sind wir," antworteten diese, rein davon; denn wir sind keinen Dank dir schuldig. Nicht aus
Liebe zu uns, sondern aus geiler Lust empfingst du uns. Wir sind dieser Finsternis satt;
geschieht unsere Entledigung durch deinen Tod, je nun, was kümmert er uns?" -
"Ha, Schändliche! Ich glaubte vorhin, meine Verzweiflung könne nicht weiter wachsen; sie konnte
es, da eure Bosheit wuchs; da ihr nicht nur meinen Tod verursacht, sondern auch dessen spottet.
Aber wißt, Elende! auf euch wird der Fluch des Himmels ruhen; auch ihr werdet einst jammern,
wie ich; denn Undank ist eine ausgeliehene Schuld, deren Wiedererstattung niemals fehlt." -

* * * *

"Vortrefflich gesprochen," rief ein Stieglitz, der auf dem nächsten Baume dieser Todesszene
zusah: "Vortrefflich gesprochen, wenn nur nicht der Mund einer Natter spräche." -
"Und warum sollte der dies nicht sprechen können?" zischte die Halbtote." -
"Weil du eigener Schulden wegen dich anzuklagen hast. Denn sprich, wie kamst du einst zur
Welt? Sahst du jemals deine Mutter? Oder auch nur ihren Leichnam?"


Die Katze und das Schwein

Eine Katze saß und putzte sich. "O über die Närrin! rief eine Sau aus ihrer Lache: Was die sich
wäscht und schniegelt! da lob' ich mir dafür ein Bett, wie das meinige." -
"Schweig, Schändliche!" antwortete diese. "Es ist Nachsicht genug, wenn man deine Unflätigkeit
mit Stillschweigen übergeht. Aber sich ihrer zu rühmen, zu spotten derer, die nicht Säue sind,
wie du, das macht deinen Kot noch stinkender; dein ganzes ekles Dasein noch ekelhafter."

* * * *

Daß O nur mit jedem vollen Monde die Nägel sich beschneidet, in Kleidern und Gesichte mit gleichen
Schmutzflecken prangt; das hält man ihm zu gut; denn wer sieht viel auf die O?
Aber wenn er derer spottet, die besser als er zu tragen sich bestreben; dann übers Knie,
du unreinlicher Knabe, daß die Rute dich stäube und wo möglich bessere.


Der Wolf und der Schafhund

Ein Wolf traf einen Schafhund in der größten Sommerhitze bei der Herde liegend an. "Bist du nicht,"
rief er, "ein ausnehmender Tor, daß du so dein ganzes Leben in der schmählichsten Arbeit
zubringst? Hitze des Tages, und Frost des Nachts, Unruhe und Mühseligkeiten an beiden über dich
ergehen läßt! So nimm sie doch auch mit, was man die Wollust des Lebens nennt!
Mache doch auch dir Freistunden, wenn du lange genug dich gequält hast!"

Dieser Vorschlag gefiel dem Hunde; er stand auf, und bat um Urlaub von dem Schäfer.
"Tue, was du willst;" antwortete dieser: aber bedenke, wer diesen Rat dir gab; dein Feind!
Bedenke, daß Gewohnheit der Arbeit die Arbeit selbst zur Hälfte erleichtert; eine Stunde Wollust
hingegen uns auf ganze Wochen kraftlos und unmutig macht; oft selbst die Kräfte entzieht, uns
aufs künftige unsern Unterhalt zu erwerben!"

Traurig hörte dies der Hund und kehrte zu seiner Herde zurück.

Der Fuchs und das Mastschwein

Der Fuchs fragte ein Mastschwein: Wie es ihm ginge und wie es mit seinem Zustande zufrieden
wäre? "Kann nicht anders sagen, als recht wohl. Ich habe einen äußerst willigen und guten Herrn.
Er gibt mir überflüssige Speise und Trank; nötigt mir solche sogar zuweilen über den Hunger ein;
verschont mich mit Arbeit; macht mir des Mittags ein schattiges Lager und ein weiches bei der
Nacht; wehrt selbst die Hunde von mir ab. Kurz! beträgt sich so, daß du sicher keinen einzigen
solchen Freund hast, denn sonst würdest du fetter sen."

"Ja wohl bist du fett am Körper und Verstande, rief lachend der Fuchs. Sehr verbunden wäre ich
für einen Freund, der mich fütterte, um nächstens mich abzustechen. Nur noch ein Paar Wochen
nimm in dieser Untätigkeit zu und deine Schinken werden trefflich die herrschaftliche
Rauchkammer zieren."


Die Mücke und die Biene

Eine Mücke, die aus einem Weinkeller kam, begegnete einer Biene. "Wenn ich nun einmal die
Süßigkeiten so liebte, wie du," redete sie diese an, so würde ich sie wenigstens nicht mit so
großer Mühe suchen. Mach es, wie ich so eben gemacht; suche in die Weinkeller zu schlüpfen!
dort findest du Reichtum in Menge; und was ist süßer als Wein? Was köstlicher denn er?" -
"Du hast recht; er ist köstlich und süß. Aber er berauscht auch und mein Honig ist eine Arznei.
Zudem, gute Mücke, man hört dir es an, daß du das Vergnügen der Arbeit nie kanntest. Eben dies
mühsame Zusammensuchen meines Honigs macht mir ihn doppelt süßer."

Die Lampe

Man goß in eine Lampe Öl und Wasser. Das Öl stieg mit Ungestüm empor,
schied sich vom Wasser und verspottete dieses wegen seines untersten Platzes.

"Spotte doch nicht so früh!" war dessen ganze Antwort: Errate ich anders unsere Bestimmung, so
wird auch diese oberste Stelle ihre Unbequemlichkeit haben." Indem sie noch sprachen, ward ein
Docht angezündet. "Siehst du, rief das Öl, welch ein helles Licht ich von mir gebe! Würde ich das,
wäre ich mit dir vermischt geblieben" - "Das würdest du freilich nicht! Aber schau einmal, wie du
abnimmst: Auch das geschehe dann nicht, denn ich würde dem Feuer abzuwehren wissen."
"Und mein Glanz würde wegfallen."
"Sei es! Ein so schädlicher, ein so verzehrender Glanz gefalle, wem er wolle; mir ist der unterste
Platz und eine sichere Dunkelheit zehn Mal lieber."
Wenige Stunden darauf war das Öl verzehrt; aber das Wasser blieb und der Docht verlosch, als
er an dieses sich wagen wollte.

Die ihr der Großen Glanz beneidet; tröstet euch das nicht: daß auch jede Gefährlichkeit, daß
auch dieser Glanz selbst sie eher, als euch, aufreibt?


Der Pfau und der Igel

Ein Pfau trat daher in seiner größten Pracht mit aufgeschlagenem Rade, sich selbst vor Eitelkeit
kaum kennend. Ein Igel, der ihm begegnete, sah dies; machte sich, wie den Igeln eigen zu sein
pflegt, kugelrund, und verbarg sein Haupt unter seinen Stacheln.
"Was bedeutet dies? rief das schöne dumme Tier, dadurch beleidiget, ihm zu. Verdient meine
Gestalt nicht, daß man sie betrachte?"
"Diese wohl! Ich verliere sogar auf der einen Seite, indem ich sie nicht sehe; aber mehr gewinne ich
noch auf der anderen; denn ich sehe auch das nicht, was die größte Schönheit schändet deinen Stolz."

Ihr Schönen, die ihr diesem Pfaue gleicht, aber still, meine Feder hat für euch keine Tinte. Ihr lest es
doch wohl nicht.

Der Rabe und der Fuchs

Ein Rabe saß mit einer nachdenkenden traurigen Miene auf einem Baume. "Was fehlt dir? Worauf
sinnst du?" fragte ihn ein Fuchs.
"Ich sinne nach, woher es doch kommen muß, daß ich in der langen Zeit meines Lebens, trotz
aller nur gegebenen Mühe, nie einen Freund finden konnte, der meinen vielen guten Handlungen
das verdiente Lob gegönnt hätte." -
"Eitler Geck," rief der Fuchs, sprich lieber: das Unverdiente! Hättest du wirkliche gute Taten verübt;
du wärest sicher nicht nach Winde so hungrig; würdest ihr Bewußtsein höher, als fremden Lobspruch
achten. Und Schmeichelei für Tugenden, die nie da waren? Weißt du denn noch nicht,
daß dies unter allen Spöttereien die beißendste sei?"

Die doch manche Fürsten so eifrig suchen.


Die Spinne und die Mücke

Eine Spinne verfertigte ihr Netz. "Was machst du da?" fragte sie eine Mücke, die sehr lange ihr zu
gesehen hatte.
"Ein Gewebe, das mir meinen Unterhalt bringen soll. Denn das Insekt, das herein fällt,
wird schwer sich loswickeln, dient mir daher zur Speise." -
"Aber oft währt es wohl ziemlich lange, ehe eines sich täuschen läßt?" -
"Allerdings; doch wer müßte nicht je zuweilen warten, wenn es auf Erwerbung seines Unterhalts
ankommt? und selbst bei diesem Warten weiß ich mir der Beschäftigung genug zu machen." -
"Und die besteht?" -
"Im Nachdenken über meine Kunst und in Erfindung mancher Regel, die dem Unvorsichtigen wohl
nicht unnütz sein dürften." -
"Wolltest du mir wohl einige davon mitteilen?" -
"Warum denn nicht? — Mein erster Satz ist, daß das Leben hier überall mit Todesgefahr umgeben sei;
daß man daher seine Augen auf jede Seite haben, nie beide zugleich schließen müsse,
um Unfall von uns abzuwenden. Meine zweite Regel ist: daß man nie zu rasch mit seinen Füßen sei;
nie mit zwei Schritten tue,
was einer verrichtet; nie durch den Fuß das Auge, sondern stets durchs Auge unsern Fuß führen
lasse. Die dritte Warnung sei: da nie sicher zu sein, wo die größte Sicherheit zu regieren scheint.
Wer achtet meine Fäden viel? und doch haben sie schon manchen allzu sicheren getötet." -
"Du sprichst sehr weise," liebe Spinne! unterbrach sie die Mücke: für heute habe ich genug und
danke dir." – "Handle danach, und du wirst noch weiser sein!"

Indem diese letzten Worte die Spinne noch sprach, flog die Mücke hoch auf; und siehe! sie hing
im Netze der Spinne, die schnell herbei eilte und sie noch fester verwickelte. Umsonst berief die
Gefangene sich auf ihr bisheriges freundschaftliches Gespräch.
"Eben dies vergrößert nur die Schuld deiner Unvorsichtigkeit. Ich warnte dich genug. Büße nun
dafür! So sprach die Spinne und zog den Faden zu, der jene würgte.


Das Auge und der Spiegel

Ein Auge blickte in den Spiegel, und der Spiegel überhob sich dessen, rühmte seine Klarheit und
behauptete: alle die Dinge, die er darstelle, und der Glanz, in dem er sie darstelle,
befänden sich wirklich in ihm.
Nicht doch, erwiderte jenes, diese Dinge leihen dir nur ihre unwesentlichste Eigenschaft, den
Schein ihrer Gestalt; und deine Klarheit? Blicke nur hinter dich und du wirst finden, daß der
Grund derselben Finsternis sei.


Das Kamel und die Stiere

Ein Kamel sah zwei Stiere aufs erbitterte miteinander kämpfen. Schon waren ihre Hörner halb
zerbrochen, von allen Teilen ihres Körpers floß Blut; und mit jedem vergossenen Blutstropfen
mehr schien auch ihre Wut sich noch zu mehren. Mitleidig kam das Kamel näher herbei und
fragte sie, als sie einen Augenblick verschnauften, um bald sich noch stärker anzufallen:
Was denn wohl die Ursache eines so erbitterten Streites sei?

"Ein junges, so eben erst mannbar gewordenes Kuhkalb;" gab der eine zur Antwort.
"Und ist es denn wirklich eines solchen Kampfes wert?"
"Ganz gewiß! denn es ist das schönste Tier, das je geboren ward."
"Wozu sollte aber wohl ihrem ersten Zwecke nach die Schönheit von der Natur bestimmt worden
sein? Nicht wahr, um uns daran zu ergötzen?"
"Allerdings!"
"O ihr Toren, die ihr also ganz ihrem Endzwecken entgegen handelt, und das, was euch Vergnügen
machen sollte, zur Quelle eurer Schmerzen macht!"

* * * *

Indem dies und mehrers dem ähnlich das Kamel noch sagte, hatten die Stiere wieder Atem geschöpft
und zerfleischten sich von neuem. "Und o, ich eigener Tor!" fuhr das Kamel fort, "konnte ich mir
es nicht einbilden, daß meine Moral vergebens sein würde, da ich sie Stieren predigte!"

* * * *

"Nun! Nun!" fiel dem Kamele der Hirt der Herde ins Wort, der auch diesem Kampfe, den er doch
einmal nicht verhindern konnte, von weitem zusah; "Nun! Nun! Es ist freilich wahr, je dümmer das
Geschöpf, je tauber für vernünftige Gründe! Aber doch zweifle ich, daß auch der Klügste unter uns viel
auf Raisonnement achten sollte, sobald es ihm mit seiner Liebe Ernst ist.


Der Phönix und die Natter

Eine Natter sah den Phönix und bedauerte ihn spöttisch: weil er als der einzige seines Geschlechts
die süßeste aller irdischen Ergötzlichkeiten, die Wollust der Liebe, nicht kenne,
und ohne Gatten und Kinder leben müsse.
"Es gibt Tiere," erwiderte dieser, die allerdings mit einigem Scheine des Rechts mich bemitleiden könnten;
aber wenigstens gehörst du nicht darunter, die du Kinder empfängst, welche dich selbst durchfressen.
Mutter zu sein, kann sein Verdienst haben; aber Mutter einer solchen Frucht? Fürwahr, da ist eheloser
Stand und Unfruchtbarkeit besser.

Der Affe, der Fuchs und der Mond

Es war Vollmond; und ein Affe saß, sah ihn an, und freute sich laut.
"Worüber freust du dich so sehr?" fragte ihn ein vorbeigehender Fuchs."
"Über diese treffliche lichte Scheibe!''
"Tor," war die Antwort, "man merkt es dir an, daß du dem Geschlecht der Menschen dich näherst;
weil du über ein Ding so innig dich freuen kannst, das nicht nur weit von dir, ganz außer deinem
Wirkungskreise liegt, sondern auch mit jedem Tage seine Gestalt verändert."

Der Rabe und der Frosch

Ein Rabe, der bei einem Menschen einige Worte recht vernehmlich aussprechen gelernt hatte,
bediente sich deren auch manchmal noch dann und wann, als er seinem Herrn davon geflogen war.
Einst saß er an einem Teiche, und hörte ganz geduldig dem lärmenden unaufhörlichen Geplauder
eines Frosches zu, der nicht nur prahlte, daß er trotz seines vielen Sprechens alles von sich
selber gelernt habe, sondern auch endlich den Raben höhnisch fragte: Wozu es ihm nun helfe,
daß er reden erlernt, da er so wenig rede?
"Eben dazu hilft mir es, daß ich es so wenig tue;" gab dieser zur Antwort: "denn ich habe
einsehen gelernt, daß wenig Worte, gut gesprochen, mehr wert sind, als ein ganzer Schwall von
unbesonnenen und schlechten.


Der Sperling und die Biene

Ein Sperling nahm sich vor, ein Einsiedler zu werden, und flog in eine Wüstenei.
"Warum tust du das?" fragte ihn eine Biene. -
"Das Verderbnis der Menge ist allzu groß; mir ekelt davor. Auch ist alles, was gut ist, einzig in
seiner Art. Ein Gott und eine Sonne!" -
"Sei das Verderbnis," strafte ihn jene lächelnd, "auch noch so groß; wenigstens ist deine Güte
nicht so vorzüglich, daß sie allzusehr davon abstäche. Und ein Gott? eine Sonne? armer Spatz,
wie lächerlich so große Namen im Munde eines Spatzen klingen!" -
"Auch dann, wenn der Spatz Wahrheit redet?" -
"Er redet sie nicht! denn selbst diese zwei erhabenen Wesen entziehen sich der Welt nicht, die sie
erhalten und verherrlichen. Siehst du denn nicht, daß es lächerliche Hoffart, die gewöhnliche
Triebfeder jedes Sonderlings ist, was du für Weisheit hältst, und was sehr zur Unzeit dich zum
Einsiedler macht?"


Der Pfau und die Henne

Ein Pfau überhob sich seiner Federn gegen die übrigen Hoftiere.
"Jawohl, hast du viel Grund, obgleich nicht so viel davon zu sprechen;" warf eine Henne ihm ein.
"Du Armer! dem die sparsame Natur Verstand, Stimme, jede Nutzbarkeit, selbst die Genießbarkeit
des Fleisches versagte. Was hättest du mit deinem Schlangenhaupte, deinen ungestalten Füßen und
deinem Eigendünkel, wenn du nicht wenigstens deine Federn hättest?"

Und man will es manchem Adeligen noch für Übel halten, wenn sie stolz auf ihren Stammbaum sind?


Das Goldgebirge

Ein talentvoller, aber nur zu geiziger Jüngling hörte von einigen Bergen Indiens, deren Erdreich
Gold und deren Steine Juwelen sein sollten. Er verkaufte sogleich alles, was er hatte; machte sich
auf den Weg; kam nach Indien; forschte dies Gebirge wirklich aus, und gelangte bis auf eine
Tagreise weit von solchem, wo er sein Nachtquartier bei einem edlen, Ehrfurcht einflößenden
Greise aufschlug. Gespräche brachten sie bald näher zusammen; der Greis gewann seinen Gast lieb;
fragte ihn, wohin er zu reisen gedenke? erfuhr seine Absicht; lobte sie gleichfalls; fragte aber auch
von neuem: Wo er denn die Gewehre habe, deren er sich zu bedienen willens sei

"Was für Gewehre?" entgegnete der Jüngling stutzig. "Die, welche dich vor den Greifen schützen sollen."
"Vor den Greifen? Was meinst du damit?"
"Wie? du weißt nicht, was Greife sind, und wagst dich hierher? Wilde unverwundbare fleischfressende
Vögel von ungeheurer Größe sind es, die zur Zeit noch jeden töteten, der dem Gebirge sich nahte.
Ich glaubte, du besäßest ein Geheimnis, sie zu bezwingen." -
"O ich Unglücklicher!" rief der Jüngling, "so habe ich also nicht nur die Hoffnung meines künftigen
Reichtums, sondern auch selbst den Besitz meines bisherigen unwiederbringlich verloren!" -
"Nicht ganz verloren! denn du hast zwei wichtige Wahrheiten dafür eingetauscht." -
"Und welche?"
"Daß der Geiz ein Übel sei, das selbst Verständige oft blind zu machen pflege, und daß man nie
nach etwas Ungewissem streben soll, ohne die Mittel dazu ganz zu kennen, noch weniger etwas
Gewisses deswegen hinzugeben."


Der Kürbis und der Palmbaum

An einem Palmbaum schlang sich eine Kürbispflanze empor, und stieg in wenig Wochen bis an
seinen Gipfel.
"Wie alt bist du wohl?" fragte sie ihn eines Tages.
"Volle hundert Jahre."
"Hundert Jahre und nicht höher? Sieh, so bin ich in weit minderen Tagen, als du Jahre zählst, dir
schon nachgekommen."
"Und wirst welken, wie du wuchsest - schnell! Ehe der Winter kommt, bist du fahl und tot."
"Woher weißt du das, Unglücksprophet?"
"Aus der Erfahrung. Denn ich sah schon so manchen Winter, und so mancher Kürbis kletterte
schon an mir empor; stolz, wie du, und wie du vergänglich."

Der Wolf und der Stier

"Da wäre ich doch ein rechter Narr," rief der Wolf einem Stiere zu, den er im Pflüge arbeiten sah;
wenn ich mit deiner Stärke und deinen Hörnern dem Menschen dienstbar sein wollte.
Bekriegen würde ich ihn; Zittern vor mir sollte er! noch mehr, als sie es jetzt schon oft tun."
"Und ich wieder zittern vor ihnen, wie du jetzt vor jedem Jäger, jedem Hunde tun mußt? Nicht?
Nein Wolf, für meine Arbeit füttert er mich wieder; und ein sicheres Futter, nebst der Überzeugung
etwas Gutes geschafft zu haben, ist besser als eine gewisse Zügellosigkeit, wo man zwar dann
und wann gefürchtet wird; aber noch öfter für sich selber fürchten muß."


Die Nachteule und die Sonne

Eine diebische Nachteule überraschte der Tag auf ihrem Ausflug nach Raube.
Zu weit von ihrem Neste entfernt und vom Lichte geblendet, saß sie auf einem Dache, wußte nicht,
wo aus, noch ein; und fluchte der Sonne, als einem schädlichen bösen Wesen und als ihrem Verderber.
"Fürwahr," erwiderte diese, "seit langer Zeit hat kein Segen mir lieblicher, als dein Fluch geklungen.
Denn nichts ist mir rühmlicher als das Schmähen eines Bösewichts; und ihn entdecken,
ihn der Strafe Preis geben, ist Verdienst."

Sie sprach's noch, als eine Schar von Vögeln, die Nachteule sahen, über sie herstürzte und sie zerriß.

Die Königswahl der Tiere

Die Tiere versammelten sich, einen König zu wählen, und wählten, die Vögel den Raben, die vierfüßigen
Tiere den Fuchs zu ihrem Oberhaupte; beide, weil sich schon in vielen Stücken ihre Klugheit
bewährt hatte.
"O ihr Törichten!" rief ein Elephant, der zu spät kam, um die Wahl verhindern zu können.
"O ihr Törichten! die ihr List und Klugheit miteinander verwechselt; und das erste aller Herrschertalente,
Treue und Werthalten, an euern Regenten überseht! Habt ihr das von den Menschen gelernt,
Schein für das Wesen selbst zu nehmen; so hoffe ich, werdet ihr auch bald wie sie, dafür büßen."
Eine Weissagung, die der Erfolg bestätigte!


Der Wolf und der Haushund

Ein Hund war von seinem Herrn sehr hart geschlagen worden, so daß er da lag und überlaut vor
Schmerzen heulte. Ein Wolf hörte dies, kam herzu; fragte, was ihm fehle? und brach, als er es
erfahren, in die spöttischen Worte aus:
"Da siehst du, was man von den Menschen erwarten darf! du bewachst ihm Haus und Hof, Herd und
Güter; bist des Tags um ihm, des Nachts an seiner Kette; leidest seinetwegen Hitze und Frost,
Mühe und Drangsal; und doch schlägt er dich! Führwahr, du hast dir an ihm einen schönen Freund erwählt."
"Und doch muß ich, eben weil ich sein Freund bin, ein kleines Ungemach verschmerzen, muß mich,
wenn er zuweilen mir Unrecht tut, des vielen Guten erinnern, daß ich zu anderer Zeit von ihm
empfing. Denn der ist ein Miesmacher, nicht ein Freund, der nur stetes Wohl tun fordert, nicht auch
Zorn und Schmähen zu ertragen weiß. Du aber packe dich! denn ich kenne dich schon als einen
Anrater zum Bösen; kehren meine Kräfte zurück, so sollst du die Mittelsperson sein, mich bei meinem
Herrn auszusöhnen."

Man kann sich's denken, wie eilig hier der Wolf davon zu fliehen geruhte.

Die Wolke und die Erde

Eine Wolke, die soeben erst aus der Erde empor gestiegen war und sich gesammelt hatte,
überhob sich ihrer Höhe und ihres Glanzes. Aber ihr antwortete lächelnd ihre Mutter; "Du bist
ausgegangen von mir, und wirst hoffentlich bald wieder zu mir zurück kehren. Steige so hoch,
wie du willst, du wirst Ungewitter, Sturm und Wind nicht entgehen; und sie alle, ja schon allzu
starker Sonnenschein selbst, werden dich, als Regen, bald von deiner luftigen Höhe stürzen."

Große dieser Welt, und ihr Beherrscher der Erde, es hat keine Not, so sehr ihr glänzt und braust,
ihr werdet doch wieder Erde werden!


Die Donau und das Weltmeer

"Wird denn nun und nimmermehr dein rauschender beschwerlicher Wasserguß sein Ende erreichen?"
So fragte verdrießlich das Weltmeer einst die Donau.
"Da möchte ich wohl mit mehrerem Recht," erwiderte jene, "dich fragen: Wird denn nie durch mich
dein unermeßlicher Abgrund ausgefüllt werden, du Unersättlicher?"

* * * *

"Wann hältst du mit lästigen Ermahnungen einmal inne?" So fragt zuweilen ein verderbtes Publikum
den satyrischen oder moralischen Dichter.
Und wann besserst du dich? Könnte ihm dieser entgegnen.

Der Strauß und die Vögel

Der Strauß erschien unter einer Menge Vögel, die noch nie einen seines Gleichen gesehen hatten;
und seine Größe erwarb ihm Ehrfurcht bei allen. Aber er überblickte viele von ihnen mit Verachtung,
vorzüglich einen Raben, wegen seines schwarzen Gefieders. Beleidigt hierdurch, dachte der listige
Rabe auf Rache und fand sie leicht. Denn er schlug der Versammlung der Vögel einen Wettflug vor,
von dem niemand sich ausschließen sollte; alle willigten ein, der Strauß mit ihnen.
Der Arme! jetzt erst ward, wie der Rabe gehofft hatte, seine Schwäche offenbar; denn der kleinste
Zaunkönig überflog ihn bei weitem; ihn den seine kraftlosen Fittiche bald zur Erde fallen ließen,
und der von nun an die Achtung aller Vögel verlor.

Ihr Strauße unter den Menschen! dummköpfige Reiche oder Edle! Was hättet ihr oft darum gegeben,
um den Mann nicht beleidigt zu haben, der im unansehnlichen Rabengefieder Mut und Kraft genug euch
zu verspotten und zu entlarven verbarg?

Der Fuchs und das Schwein

Ein Fuchs war so dürr, daß eine Menge von Tieren seiner spotteten, daß er selbst auf Mittel seinen
körperlichen Umfang zu vergrößern dachte, und daß er einst nicht ganz ohne Neid ein großes dickes
Schwein, das ihm entgegen grunzte, ansehen konnte. Doch dieser Neid ward zur Verwunderung,
als es sich wandte und er ein großes tiefes Stück Fleisch an seinem Hinterteile mangeln sah.
"Wer hat dir das getan?" fragte er. "Eine Maus."
"Eine Maus?" du mit deiner Stärke und Kraft, läßt dir so etwas von einer Maus antun?"
"Weil ich es erst zu spät empfand. Eben das Fett, mit dem die Natur mich so gütig begabt hat,
macht den Ort, wo es am stärksten ist, ein wenig unempfindlich."
"Ein wenig? Nur ein wenig? Ich danke dir, gute Maus, du ersparst meinem Herzen einen törichten Neid.
Verdammt! und wenn noch zehn Vorurteile sie himmelhoch erhöben! verdammt sei eine Eigenschaft,
die das erste Gut des Lebens, die Empfindung, uns entzieht! und der Willkür weit geringerer Geschöpfe
uns zum Preis hingibt! Behalte deine Fette, angefressener bei lebendigem Leibe!
Ich will meine Dürre und mein Bewußtsein behalten."

Der Fuchs und der Affe

Ein Fuchs beklagte spöttisch einen Affen, daß die Matur ihn so gar karg bedacht habe,
ohne dichten Balg, ohne Schwanz sogar.
"Und ist denn dein Balg wirklich so schön, so viel wert?"
"Ob er es ist; mich deucht, das lehrt der Augenschein dir schon; und wäre das nicht, so höre nur,
wie wert ihn die Menschen schätzen."
"So danke ich dem Himmel, daß er mir ihn versagt. Ich mag Vorzüge nicht, die mich den Nachstellungen
mächtigerer Wesen bloß stellen, gegen die nichts mich völlig sichern kann.


Der Affe und der Mensch

Nicht lange blieb der Affe bei dieser weisen Genügsamkeit. Seine Blöße ward ihm wirklich lästig und
zumal der Mangel des Schweifes. Traurig saß er, dachte nach, wie dem abzuhelfen sei und fand
nirgends Rat.
Von ungefähr sah er einen Menschen vorbei gehen. Sie sind klüger als wir, dachte er,
vielleicht weiß er ein Mittel. Ich will ihn anreden, will meine Not ihm klagen.
Er tat's, und zu seinem Unglück traf er eben auf einen von der gefährlichsten Gattung. "Du hast recht,"
versetzte er mit dem freundschaftlichsten Tone: deine Blöße ist allerdings ein häßlicher Übelstand.
Doch dem ist abzuhelfen. Komm mit mir; ich will dir Kleider schenken; will dir zeigen,
daß du dich an einen wahren Freund gewandt habest."
Der Einfältige glaubte es und ging mit. Sein neuer Freund gab ihm ein buntes Wams, ein vollständiges
Gewand und leckere Speise noch obendrein. O wie der Affe sich freute; wie unzählige Mal er sich im
Spiegel besah, aufsprang, lachte und seinem Wohltäter liebkoste.

Mensch: "Hättest du wohl Lust in diesem Gewande, bei dieser Kost dein Leben mit mir zuzubringen?"
Affe: "O daß ich dürfte!"
Mensch: "Du darfst. Aber wirst du auch dankbar, für das sein, was ich an dir tue?"
Affe: "Ganz gewiß."
Mensch: "Es gibt eine einzige Feindin, die je zuweilen auch den Dankbarsten undankbar macht,
allzu große Freiheit. Willigst du wohl ein, daß ich diese Kette dir anlege? Sie ist klein, nicht schwer,
vergoldet obendrein; dient mehr zum Schein, als in der Tat. Willst du sie tragen, so sind wir Freunde
auf lebenslang."
Im Taumel der Lust willigte der Affe ein und bereute es auf sein ganzes Leben; denn er war nun
Sklave und fühlte es bald. Ein Spott der Kinder, mußte er Spaß machen, nicht wenn er wollte,
sondern wenn man es ihm befahl; und weigerte er sich bei dem geringsten Winke zu tun, was man
begehrte, so ward schon des zweiten Tages eine Rute unweit seines Lagers aufgehangen.
Oft ward sie nun seine herbe Züchtigung, oft ließ sie nun blutige Striemen an eben den Teilen zurück,
um deren Bekleidung er alles hingegeben hatte; und er schätzte sich glücklich, wenn man nur
zuweilen an Feiertagen sein buntes Wams ihm wieder gab.


Der Affe und der Fuchs

Einige Zeit nachher sah der Affe den Fuchs von weitem. Dort geht er, dachte er, der Urheber
meines ganzen Unglücks! Wenn ich wenigstens ihn auch mit hinein verwickeln könnte! Er rief ihn
und der Fuchs kam näher.
"Sieh," hob der Affe an, ich habe deinem neulichen Gespräche nachgedacht, habe gefunden, daß du
doch wohl Recht haben könntest und meinem Mangel abzuhelfen gesucht. O wie vortrefflich mir
dies gelang! Jetzt ist mein Glück auf seiner höchsten Stufe. Gekleidet, gespeist, geliebkost.
Und das alles für ein Paar nichts bedeutende Schmeicheleien." -
"Das heißt allerdings etwas viel bedeutendes gewonnen haben! und ich wünsche dir Glück dazu."
"Fuchs, du bist so ein kluges Tier; war es nicht dieser Klugheit gemäß, wenn du durch
überdachten Schritt erlangtest, was mir ein Ungefähr verschaffte? Geh zum Menschen! Erbiete
dich, sein Freund zu sein, und er setzt dich sicher auf eben den glänzenden Fuß wie mich."

"Sehr wahrscheinlich! ich will mir es überlegen. Aber Freund, was ist denn das gelbliche, deinen
Bauch umgebende Ding?" -
"O auch dies, ist ein allerliebster Zierrat, welchen diese sonderbaren Tiere, die Menschen, ihren
Freunden, als einen Orden zu erteilen pflegen. Sieh nur, wie artig es läßt, wenn man sich damit im
Sonnenschein bewegt!"
Er sprang hier auf und ab; doch hütete er sich sorgfältig, so weit zu springen daß man merken könne,
die Kette hindere ihn.
"Es ist wahr," fing der Fuchs wieder an, "es steht dir allerliebst. Weißt du was, Freund? Erst eine
einzige kleine Gefälligkeit, und ich eile dann zum Menschen, um zu werden, was du bist.
Nun diese Gefälligkeit ist, daß du nur eine Stunde lang mit mir in den nächsten Wald kommen und den
Tieren dort dich zeigen mögest. Es ist doch billig, sie zu überführen, daß wir unsere gegründeten Ursachen
haben, wenn wir uns von ihnen trennen.
Du schweigst? du bleibst sitzen? Ha! Ha! Ha! armer Affe, keine Entschuldigung erst glaubst du,
daß ich nicht unterscheiden könne, was ein Zierrat und eine Kette sei? Behalte deinen Orden,
sowie die Geißel, die ich hier hängen sehe, und die sich manchmal recht nachbarlich mit dir beschäftigen
mag. Die Bosheit, mit der du auch mich verstricken wolltest, macht dich ihrer wert.
Aber mit Verlust seiner Freiheit erkauft kein Fuchs sich Kleid und Fraß."


Die geflügelte Ameise

Eine Ameise bat die Götter um Flügel, und ihre Bitte ward erhört. O wie freute sie sich dessen,
glaubte nun auch ein Vogel zu sein, und spottete ihrer ehemaligen Gefährten. Wirklich wollte ihr das
Glück so wohl, daß sie den ganzen Sommer durch den Nachstellungen derjenigen Vögel, die von
Insekten sich nähren, entging. Aber als jetzt der Herbst zu Ende sich neigte, Regen und Kälte
einbrachen, und keine Frucht mehr auf dem Felde zu finden war; da begann der Hunger sie bald zu
ängstigen, und sie flog zur Erde und zu ihrer ehemaligen Höhle zurück.
"Wer ist da?" fragte die Türhüterin trotzig, als sie hinein wollte.
"Kennst du denn mich nicht mehr? deine Schwester, kommt von der Luft herunter, und bringt Flügel mit."
"So laß dich diese wieder von dannen tragen! zu uns gehört nichts, was Flügel hat. Niemand, der den
Sommer uns nicht sammeln half, ist berechtigt im Winter von dem gesammelten mit zu zehren.
Weg also von hier!"
Jetzt erst sah die Unglückliche die Torheit ihres vorigen Wunsches ein; Trotz Bitten und Flehen blieb ihr
der Eingang verschlossen, und die nächste kalte Nacht rieb die halb Verhungerte auf.

* * * *

Wirklich, Herr v. P. Sie, erster ihres Stammes mit dem Federhute, sind sie klug genug, nach vermehrtem
Vermögen sich wieder zum Bürger-Pöbel gesellen zu wollen? Nur Schade, daß dieser auch so klug ist,
die zugedachte Ehre sich zu verbitten!

Der Schwertfisch

Ein gemeiner Fisch sah den Schwertfisch und wünschte sehnlichst, daß die Natur auch solche Waffen
ihm gegeben haben möge.
"Und wozu würdest du sie anwenden?"
"Aufzureiben meine Feinde! Von den Mindermächtigen mich zu nähren, und durch Raub und Kampf das
Schrecken aller Gewässer zu werden."
"Da gibst du ja selbst den Grund an, warum du nicht mir gleich wurdest. Denn du würdest zur Hoffart und
zur Grausamkeit anwenden, was mit nur zu einer Notwehr gegeben ward."



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