Der Raupenfänger 
					 
					Sie flog vor ihm als Schmetterling einher. Er jagte ihr 
					durch Feld und Flur nach; aber das 
					Volk, das die Erde baute, klagte, er verderbe ihm 
					mit seinem Tun sein Gras und
					sein Korn. 
					Sie kroch vor ihm auf dem wachsenden Kohlstock, auf dem 
					blättervollen Baum und an 
					der grünenden Hecke; er haschte sie wieder; — aber sie starb 
					in seiner Hand, und er 
					warf sie als faulendes Aas weg. 
					Jetzt hing sie am sich entblätternden Baum und an den kahlen 
					Wänden des Hauses — 
					er haschte sie noch einmal und wartet jetzt, bis ihre tote 
					Larve für ihn sicher zum Leben
					erwacht. 
					 
					Der Berg und die Ebene 
					 
					Der Berg sagte zur Ebene: ich bin höher als du. 
					Kann sein, erwiderte die Ebene; aber ich bin alles, und du 
					bist nur eine Ausnahme von
					mir. 
					 
					Schwamm und Gras 
					 
					Der Schwamm sagte zum Gras: Ich schieße in einem Augenblick 
					auf, indessen du einen 
					ganzen Sommer durch wachsen mußt, um zu werden, was ich in 
					einem Augenblick bin. 
					Es ist wahr, erwiderte das Gras, ehe ich etwas wert bin, 
					kann dein ewiger Unwert 
					hundertmal entstehen und hundertmal wieder vergehen. 
					 
					Sonne und Mond 
					 
					Wenn der Mond sich verdunkelt, so ist er dann nur, wie er in 
					sich selbst ist, und du 
					achtest es nicht; aber wenn die Sonne in einen Schatten 
					fällt, so vergißt du ihren ewigen 
					Glanz und achtest nur ihren zeitlichen Flecken. 
					 
					Der Strahl und der Graswurm 
					 
					Die Menschen klagen soviel über mich, und ich nage doch nur 
					an einem armseligen Blatt, 
					du hingegen verbrennst Häuser und Dörfer, also sagte der 
					Graswurm zum schrecklichen
					Strahl. 
					Kleiner Heuchler! donnerte ihm dieser herunter, du verheerst 
					mit stillem Blätterfressen 
					weit mehr, als ich mit meiner lauten gewaltigen Kraft. 
					 
					Der Sturm und die Schneeflocke 
					 
					Der Sturm brach hier und dort einen Ast von den Bäumen, aber 
					da er nachließ, fiel ohne 
					ein Lüftchen ein Schnee, dessen kleine Flocken tausend Äste 
					von den Bäumen brach, 
					gegen einen, den der Sturm abriß. 
					 
					Die Brücke und der Weg 
					 
					Die Brücke sagte zum Weg: Was schönes an dir ist, bin ich. 
					Kann sein, erwiderte der Weg, aber wenn du abgetragen oder 
					weggeschwemmt wirst, 
					bleibe ich und warte ruhig, bis man dich wieder macht. 
					 
					Die Entstehung der Berge 
					 
					Die Erde wunderte sich einmal, wie die Berge sich auf ihr 
					haben bilden können. 
					Diese antworteten ihr: Es geschah nur durch die Verhärtung 
					dessen, was du schon selbst
					bist. 
					 
					Das Feuer und das Eisen 
					 
					Das Feuer sagte zum Eisen: ich bin dein rechtmäßiger Herr. 
					Das Eisen antwortete: Ich kenne deine Gewalt über mich; aber 
					ich achte sie nie weniger 
					für rechtmäßig, als wenn du mich schmelzest. 
					Diese Antwort mißfiel der hochfahrenden Flamme, sie 
					knisterte, rauchte und sprach: 
					der mich schuf, gab mir meine Gewalt über dich. 
					Das Eisen erwiderte: es sind indessen doch nur 
					Menschenhände, die mich in die Esse und 
					in den Tiegel legen. 
					 
					Die Anbetung des Teufels 
					 
					Als einst das Feuer einen Wald stärker als gewöhnlich 
					brandschatzte, sagte ein alter 
					erschrockener Stock zu den übriggebliebenen Tannen: »Ich 
					habe einst gehört, 
					die Menschen beten den Teufel an und dann tue er ihnen 
					nichts. Wie wäre es, wenn wir 
					das Feuer anbeteten, vielleicht wäre es auch dankbar wie der 
					Teufel.« 
					Dieser Vorschlag gefiel den furchtsamen Tannen; aber das 
					Feuer war nicht dankbar; 
					es knisterte von nun an vor Hohnlächeln noch lauter, wenn es 
					die dummen Tannen 
					verzehrte, und forderte jetzt nebst seinem alten Feuerrecht 
					noch als ein Altarrecht einen 
					ewigbrennenden Holzstoß, zum Dienst der ihm versprochenen 
					Anbetung. 
					 
                                                                                                               
					nach oben 
					 
					Der Zyklopen-Schutz 
					 
					In der Zyklopenzeit dachte ein Schwächling: Ich will mich 
					seinem Schutz anbefehlen, 
					er tut mir dann nichts. 
					Das ist wohlgetan, sagte der Zyklop; nimm jetzt nur diesen 
					Faden in die Hand, und ich 
					will dich daran leiten, wo du links oder rechts gehen mußt. 
					Dieses Mitgehen mit dem einäugigen Großen erschreckte den 
					Schwächling; er zitterte am 
					ganzen Leib; doch er nahm den Faden in die Hand, aber schon 
					morgens sagte der 
					Zyklop: Dieser Faden könnte brechen, und bot ihm dafür eine 
					Schnur in die Hand. 
					Wenige Tage darauf sagte ihm der Riese: Der Faden und die 
					Schnur waren nur für die 
					Probezeit, für die Zukunft mußt du dieses Schutzseil in die 
					Hand nehmen, und mir 
					schwören, dasselbe weder bei Tage noch bei Nacht aus den 
					Händen fallen zu lassen. 
					Totenblaß schwor jetzt der Mensch, was nicht möglich war, zu 
					halten. Das Seil fiel ihm 
					bald aus den Händen, und er eilte nur nicht, es von dem 
					Boden, auf den es hinfiel,
					aufzuheben. 
					Darüber zürnte der Wüterich und sagte: Das ist Untreue und 
					Meineid, dem muß man 
					vorbeugen. Mit dem knüttelte er ihm das Schutzseil um beide 
					Hände. Also gebunden 
					seufzte der Mann, selig sind die, die er ohne Schutz frißt, 
					und nagte dann einmal eine 
					Nacht durch mit den Zähnen an diesem Schutzseil, und wollte 
					es durchfressen, aber das 
					Ungeheuer erwachte, ehe er los war, und band ihm jetzt das 
					gefürchtete Seil um den 
					kitzligen Hals mit ernster Bedrohung des schrecklichen 
					Zuknüpfens beim ersten Fehler 
					wider den heiligen Schutz. 
					 
					Zwei Füllen 
					 
					Zwei Füllen fielen in ungleiche Hände, das eine kaufte ein 
					Bauer und gewöhnte es, 
					ohne Rücksicht auf die Veredlung seiner Natur, zum niedern 
					Dienste am Pflug und an den
					Karren. 
					Das andere fiel in die Hand eines Bereiters, dieser baute 
					die Kunst seines Dienstes auf 
					die Veredlung seiner Natur, das ist auf die Erhaltung und 
					Ausbildung seiner Feinheit, 
					seines Anstands und seines Stolzes. 
					Es ward ein edles Geschöpf, indessen das andere das Elend 
					seines Lebens mit der 
					Schlechtigkeit seines Meisters teilte. 
					 
					Die Flamme und die Kerze 
					 
					Ich schäme mich immer, wenn ich, so nahe bei dir, mich 
					erblicke, also sagte die Flamme
					zur Kerze. 
					Diese antwortete: ich glaubte bisher, du schämst dich wenn 
					ich vergehe, indem du dann 
					allemal selber erlöschst. 
					Törichter Schmutz! erwiderte die Flamme: ich glänze freilich 
					nur so lange ich dich fresse, 
					aber ich schäme mich, daß man es sieht. 
					 
					Das Hahnen-Geschrei 
					 
					Meister Erdwust, warum kräht der Hahn allemal, ehe du 
					aufstehst? 
					Knecht Frohmut — damit ich noch einen Augenblick als ein 
					Mensch denken könne, 
					ehe ich als ein Vieh arbeiten muß. 
					 
					Die Affen-Beichte 
					 
					Dieser Ochs weidet so ruhig, indessen wir, die wir doch von 
					einem vornehmem 
					Geschlecht sind, uns so unruhig herumtreiben müssen. 
					Also sagte ein Affe zu seiner Gemahlin, da ein Ochs unter 
					seinem Baum ruhig Gras fraß. 
					Diese antwortete: wir sind freilich von einem vornehmen 
					Geschlecht, aber auch unendlich 
					mehr Affen als vornehm. 
					 
					Was der Affe mit der Schlange gelernt hat 
					 
					Ein junger Affe studierte lange und konnte nicht ergründen, 
					was Bescheidenheit sei, 
					endlich sah er eine Schlange auf dem Bauche kriechen und 
					sagte zu seiner Mutter: 
					»So ohne Hände und Füße sich durch die Welt zu winden, das 
					wird wohl Bescheidenheit
					sein.« 
					 
					Stoffels Brunnen 
					 
					Als des eitlen armen Stoffels Hausbrunnen beinahe abstund, 
					befahl er seinem Knecht: 
					wenn niemand um den Weg ist, so stopfe die Röhre, wenn aber 
					ein Fremder durch den 
					Hof geht, so lasse sie laufen. 
					Der Knecht antwortete: damit wird der Brunnen immer 
					schlechter, und ich kann weder 
					zur rechten Zeit tränken, noch zur rechten Zeit schöpfen. 
					Der Meister erwiderte: ich will für einmal alles lieber, als 
					das man merke, daß mein 
					mein Brunnen nicht lauft. 
					 
					Löwe und Reh 
					 
					Der Löwe meinte, das Reh sollte stehen bleiben, wenn er 
					rufe. 
					Aber das Reh antwortete ihm: der große Jupiter hat das 
					meinem Herzen verboten, 
					wie dir das Gras fressen. 
					 
					Roßfliege und Hornisse 
					 
					Die Roßfliege wollte den Rang vor der Wespe, damit sie ihn 
					erhalte, ging sie zu der 
					Hornisse in Dienst, und leckte dieser den Angel im Leibe, 
					der ihr zu Zeiten weh tut. 
					 
					Kauz und Adler 
					 
					Als die Vögel einen Kauz aushöhnten, sagte ihnen ein 
					zuschauender Mensch: dem 
					Adler, dem Adler solltet ihr euren Unwillen also zeigen. 
					Die Vögel erwiderten: wir wissen, daß der Adler uns frißt, 
					aber er hat doch auch eine 
					Art, wie er uns anschaut. 
					 
                                                                                                               
					nach oben 
					 
					Gauch und Käfer 
					 
					Ein schwarzer Käfer warf dem Gauch vor er stinke, aber 
					dieser antwortete ihm: ich bin 
					doch schöner als du, und wenn mich einer gesehen hat, so 
					bedarf er eben nicht noch, 
					an mir zu riechen. 
					 
					Hirschenhorn 
					 
					Ein Mensch, der noch wenig Tiere gesehen hatte, kam 
					plötzlich in einen Tiergarten, 
					und staunte über die zahllosen wilden Geschöpfe, aber das 
					Horn des Hirsches ging ihm 
					über alles, er sagte zum Wärter: die Natur hat dieses 
					Geschöpf mit seinem Geweih 
					sichtbar zum König der Tiere bestimmt. 
					Aber der Wärter antwortete: sein Geweih ist ein bloßer 
					Auswuchs seines Hirns und 
					Marks, je größer das Horn, je dünner das Tier. 
					 
					Der Luchs 
					 
					Der Luchs rühmte sich vor allen Tieren seiner stillen Kraft 
					und seines starken Auges. 
					Ein Mensch, der es hörte, antwortete ihm: du hast nur zuviel 
					Aug' für deine Kraft, 
					und zu wenig Kraft für dein Aug', du taugst deswegen eben so 
					viel als eine Waage, 
					deren Schalen nicht gleich sind. 
					 
					Der Löwe, die Schlange und der Teufel 
					 
					Der Löwe stritt einst mit der Schlange, wer von beiden eines 
					göttlicheren Geschlechts sei. 
					Der Löwe sagte: der große Jupiter schuf mir hinter meinem 
					Rachen eine sorgenfreie
					Brust. 
					Die Schlange antwortete: und mir gab er eine Kraft zu töten, 
					die keinen Schein hat, 
					und eine Wohnung, zu welcher niemand kommen kann. 
					Der Teufel hörte ihr Gespräch und sagte zu sich selber: bei 
					meiner Hölle, ich habe 
					vor diesen Herren nichts zum voraus. 
					 
					Das Gras unter der Eiche 
					 
					Das Gras unter der Eiche, sagte einst zu seinem stolzen 
					Obdach: ich gedeihe in Feld und 
					Wiese, nirgends so schlecht als unter dir. 
					Sein Baum antwortete ihm: darum bist du auch Eichengras, und 
					es geht dich gar nichts 
					an, wie das Feld – und das Wiesengras aussieht. 
					Nun doch, sagte das Eichengras: wenn einmal der Bauer dich 
					umhaut, so kann er dann 
					wenn er will, mich doch auch zu Feld –und Wiesengras machen. 
					 
					Wieder die Eiche und das Gras 
					 
					Gleich morgens sagte die Eiche zu ihrem Bodengras: du bist 
					undankbar, daß du den 
					Segen meiner Herbstblätter, die ich alle Jahre wie ein 
					Winterkleid auf dich lege, 
					nicht anerkennest. 
					Aber das Gras antwortete ihr: du nimmst mir mit Stamm und 
					Gipfel mein Recht an 
					Sonne, Tau und Regen, und mit deinen Wurzeln meinen Anspruch 
					an die Nahrung des 
					Bodens in welchem ich stehe; laß jetzt das genug sein und 
					plaudere mir nicht noch von 
					dem Almosen des Winterkleides, das du um deiner Wurzeln 
					willen, auf mein Elend zu 
					legen, genötigt bist. 
					 
					Zwei Weiden 
					 
					Die eine war gut, aber des Tages kränkten grinsende Affen 
					die weidenden Tiere, und des 
					Nachts lauerten braune Füchse auf ihr Leben. 
					Die andere war mager und schlecht, aber kein Affe kränkte 
					die weidenden Tiere, und kein 
					Fuchs lauerten auf ihr Leben. 
					Als die Schafe beides erfahren, baten sie den Hirten: lieber 
					Vater! führ uns doch nie mehr 
					auf diese fette Weide, wenn wir sicher und ungekränkt sein 
					können, so wollen wir wahrlich 
					lieber ein wenig hungern, als unter Unsicherheit 
					und Kränkung uns täglich
					vollfressen. 
					 
					Hühner, Adler und Mäuse 
					 
					Die Hühner rühmten ihr Gesicht und sagten selber zum Adler: 
					auch das kleinste Korn 
					liegt heiter vor unsern Augen; arme Hühner! erwiderte 
					dieser, das erste Kennzeichen 
					eines guten Gesichts ist dieses: von allem dem nichts zu 
					sehen, was euch in die Augen 
					fällt. Also sagten auch die Maulwürfe: die schreckliche 
					Sonne ist der Tod allen Lichts und 
					es ist nur unter dem Boden recht heiter; alle Mäuse gaben 
					ihnen Beifall, und eine jede 
					betet täglich zum großen Jupiter: bewahre uns vor dem 
					Blendwerk der Sonne und erhalte 
					uns die große Wahrheit unserer Löcher, jetzt und in alle 
					Ewigkeit. 
					 
					Der Bär auf der Tanne 
					 
					Nun, wann willst du uns einst ins Honigland führen, also 
					sagte eine Schar junger Bären 
					zu einem alten. 
					Dieser erwiderte: das will ich gleich tun, aber vorher sollt 
					ihr noch sehen und erkennen, 
					was ich für ein Bär bin; seht diese Tanne, so weit sie 
					geschunden ist, haben sie vorher 
					schon andere Bären erklommen, ich aber will ihren obersten 
					Gipfel erklimmen. 
					Also sprach er und kletterte die hohe Tanne hinan. So weit 
					sie geschunden war, ging es 
					wie nichts, aber da er höher kam, schwankte der Baum mit 
					jedem Schritte mehr auf 
					beide Seiten, doch er strengte sich an und klammerte die 
					wunden Tatzen in den 
					schwankenden Baum. So ging es langsam, doch eine Weile immer 
					höher hinan; 
					aber jetzt wehte der Sturm; der Bär bohrt seine blutenden 
					Klauen mit äußerster Kraft in 
					den schwankenden Baum. Also überlebt er den Sturm, aber 
					seine Kraft ist dahin, er kann 
					die eingebohrten Klauen nicht mehr aus dem erklimmten Holz 
					herausbringen; er fühlt, 
					daß sein Leben dahin ist und ruft von seiner Höhe hinab den 
					jammernden Bären: 
					meine große Tat ist mein Tod; ich führe euch nicht ins 
					Honigland, aber das seht ihr und 
					das könnt ihr zeugen, daß ich auf dieser Tanne als der 
					allerhöchste Bär v ** bin. 
					 
					Zwei Schäfer 
					 
					Der eine hütete die Schafe mit einem Hunde der ohne Not 
					keinen Laut gab, aber stark 
					war und Wolf und Fuchs bis in ihre Höhlen verfolgte. 
					Der andere hütete sie mit einem, der wenn sein Meister 
					flötete, ihm tanzte, und wenn er 
					schlief, unter der Herde herumsprang und die Zucht und 
					Unzucht aller ihrer Ecken und 
					Winkel auskundschaftete. 
					Das war freilich für die Kurzweile und die Trägheit des 
					Schäfers gut ausgedacht; aber die 
					Herde hielt diesen Hund für ihren Teufel, und Fuchs und Wolf 
					sagten untereinander: 
					uns ist ein großes Heil widerfahren, denn wir haben auf Erde 
					keine besseren Tage als 
					da, wo die Hirten Tänzer und Verleider zu Unterbeamteten 
					machen. 
					 
					Von Zäunen mit faulem Holz 
					und mit faulen Menschen 
					 
					Man zäunte im Berge mit Holz, weil man Holz hatte, und im 
					Tale weil man Holz hatte, 
					das antwortete mir ein Bauer, als ich ihn fragte, warum sein 
					Junker, Esel und Schurken 
					zu Vorgesetzten mache. — Aber wozu dient denn ein Zaun, wenn 
					sein Holz faul ist? 
					erwiderte ich, und der Bauer antwortete: die Sache hat 
					dennoch mehr Vorteile als man 
					denken sollte; denn erstlich versieht ein solcher Zaun was 
					ein guter, so lang kein Stier 
					sein Horn daran stößt und kein Wind bläst. Zweitens: was 
					dumm unter dem Vieh ist, 
					ahnt nicht einmal, daß faules Holz dasteht, wo es einen Zaun 
					sieht; und dann drittens: 
					glauben die faulen Zaunstöcke, solange sie immer noch 
					stehen, sie seien gutes Holz, 
					und dieser Glaube an sich selbst macht ihnen Freude. 
					 
					Der unbekannte Ausweg 
					 
					Wir sind doch unglücklich, daß aus diesem mageren Tale kein 
					Ausweg statt findet; 
					also jammerten Schafe und Kühe in einer elenden Bergtale. 
					Ein Reh, das ihre Klagen hörte, sagte zu ihnen: Es hat 
					freilich Auswege aus eurem Tale, 
					aber Hirt und Metzger werden sie euch freilich nicht zeigen, 
					und um sie selber zu finden, 
					muß man weder Kuh noch Schaf sein. — 
					 
					Stoffel und seine Uhr 
					 
					Wenn du gehst, so schleifst du dich aus; wenn ich dich 
					aufziehe so kannst du 
					zerspringen, also sprach Stoffel, der blinde Erbe der Uhr, 
					und machte nach reifem 
					Bedenken der Sache ihr endlich das Urteil: Steh still — und 
					meinethalben verroste. 
					 
					Die Linde und der König 
					 
					Als ein König einsam unter seiner Linde an ihren Gipfel 
					emporstaunte, sagte er zu sich 
					selbst: wenn meine Untertanen auch an mir hingen wie deine 
					Blätter an dir! 
					Die Linde antwortete ihm: ich treibe den Saft meines Stammes 
					mit weit mehr Gewalt in 
					meine Blätter, als ich denselben in mich selbst zurücksauge. 
					 
					Faule Eichen und junge Tannen 
					 
					Du hast deine Könige und Edle niedergemacht, jetzt hast du 
					ein elendes Volk, — 
					also sagten mistfaule Eichen, da sie in ihrem Falle junge 
					Tannen zu tausenden 
					niederschlugen, zum Bauer, der sie umhieb; aber die 
					übergebliebenen, unbeschädigten 
					trösteten ihn und sagten: das Elend welches ihr Fall über 
					uns verbreitet, ist eigentlich 
					noch kleiner als dasjenige, welches ihr Leben über uns 
					verhängte, und wir werden von 
					nun an sicher aufhören, das elende Volk zu sein, das wir um 
					ihretwillen immer waren, 
					und in diesem Augenblicke auch um ihretwillen sichtbarer als 
					sie sind. 
					 
					
					                                                                                                                
					nach oben 
					 
					 
					 
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