Die Schnecke
Zum ersten Mal kroch eine Schnecke,
Das schönste Kunststück der Natur,
Aus der verborgnen Fliederhecke,
Die sie gebar auf Tempes Flur.
Hier saß auf weichen Lotusblättern
Der Phönix ihrer jungen Vettern.
Sie stutzt, sie gafft ihn staunend an
Und nickt ihm Dank, als er sie grüßet,
Doch der verruchtere Galan
Rückt näher, kommt und sieht und küsset.
Das Bäschen schaudert und verschließet
Sich schnell in ihr verschanztes Haus.
Allein jetzt schien es ihr zu enge,
Es war als zögen hundert Stränge
Sie aus der finstern Gruft heraus.
Kaum schlüpft sie aus der bunten Schale,
So küßt er sie zum andern Male.
Sie sträubt sich und mit scheuem Blick
Glitscht sie in ihr Kastell zurück;
Doch diesmal nur mit dem Gesichte.
Ihr Busen winkt dem losen Wichte
Noch kühner als zuvor zu sein.
Er war's. — Sie biß ihn doch? — Ach nein!
Sie bebte nur durch alle Glieder,
Und schäumte Zorn, doch bloß zum Schein.
Nach zwei Minuten kam sie wieder.
Zwar grollt noch ihr Gesicht; allein
Der Lecker küßte seine Falten,
Und sie zog bloß die Augen ein,
Die wir getäuscht für Hörner halten.
Bald aber zuckt sie gar nicht mehr,
Und küsset lieber noch als er.
Wär ich ein Schalk, ich würde schwören
Daß junge Mädchen Schnecken wären.
Der Bär und der Löwe
Zur Zeit des alten Chronos blühte
Ein König auf der Tiere Thron,
So zahm, so mild, so voller Güte,
Als je des frömmsten Lammes Sohn.
Nichts, als belohnen und vergeben
War dieses Fürsten Leidenschaft;
Auch ward in seinem ganzen Leben
Kein Frevler mit dem Tod bestraft.
Auf einem Zug durch seine Reiche
Traf einst der tierische Trajan,*
Im Schatten einer hohlen Eiche,
Den ältesten der Bären an.
Man rühmte diesen Eremiten;
Er war die Fackel seiner Zeit,
Von strengen, aber rauen Sitten
Und gar kein Freund von Höflichkeit.
Der Großherr sprach zum finstern Greise:
"Ich habe viel von dir gehört;
Man sagt du seiest der größte Weise,
Und ich erkenne deinen Wert.
Komm, folge mir nach meinem Schlosse;
Der Wechsel wird dich nicht gereun,
Du sollst mein Freund, mein Tischgenosse
Und mein geheimer Staatsrat sein."
"Ich danke dir für deine Gnade,"
Erwidert ihm der Philosoph,
"Denn die genießt in gleichem Grade
Der arge Fuchs an deinem Hof.
Ein Schloß, das Buben in sich fasset,
Hat für den Weisen keinen Glanz,
Und wer nicht ganz das Laster hasset,
Der liebt die Tugend auch nicht ganz."
*eigentlich:
Marcus Ulpius Traianus römischer Kaiser 98-117
Der Gesetzgeber
Der Adler wollte reformieren,
Und schaffte die Polygamie
Bei dem gesamten Federvieh
Auf einmal ab. Den armen Tieren
Mißfiel die strenge Polizei,
Zumal dem Hahn. Er trat herbei,
Um feierlich zu protestieren
Und vor des Königs Majestät
An die Natur zu appellieren.
Er schlug mit Macht, wie ein Prophet,
Dem neuen Solon*
ans Gewissen,
Und sprach mit sanfter Energie
Von seiner Weiber Harmonie.
Hier ward der Sultan hingerissen.
"Wohlan, ich kann nicht widerstehn,"
Rief er, "ich muß dein Harem sehn!"
Er folgt ihm huldreich aus dem Haine
In einen Hof. Der Patriarch
Lockt seine Hennen. Der Monarch
Verschlang sie alle bis auf eine
Und sprach mit höhnischem Gesicht:
"Es ist des weisen Fürsten Pflicht,
Den Untertan vor den Gefahren
Des Ungehorsams zu bewahren."
*athen.
Staatsmann 640 v. Chr. Athen - 560 v. Chr.
Reformer und einer der sieben Weisen.
Der Igel
Der Löwe saß auf seinem Thron von Knochen
Und sann auf Sklaverei und Tod.
Ein Igel kam ihm in den Weg gekrochen;
"Ha, Wurm!" so brüllte der Despot
Und hielt ihn zwischen seinen Klauen,
"Mit einem Schluck verschling ich dich!"
Der Igel sprach: "Verschlingen kannst du mich;
Allein du kannst mich nicht verdauen."
Rezept wider den Krieg
Die Löwen fielen mit den Bären
In einen fürchterlichen Krieg;
Wie Wasser floß in beiden Heeren
Das Blut. Der flatterhafte Sieg
Wand diesem hier, dort jenem Kronen.
Der Kern der beiden Nationen
Lag schon im trunknen Sand verscharrt.
Schach Löwe rief den Leopard
Um Beistand an. Die fernen Zonen
Der Tobolskiten und Huronen
Verstärkten des Zar Bären Macht.
Der schlaue Petz, ein weiser Lappe,
Ward just beim Anfang einer Schlacht
Zum Heer der Bären eingebracht;
"He! Warum kriegt man, Oheim Rappe?"
Sprach er zu einem Grenadier
Aus Polen. "Weil der Fürst der Leuen
Den unsern foppte." — "Läppereien!"
Rief Petz; "ha, Brüder, ihr seid dumm
Wie Menschen! Laßt die Narren sich schlagen
Und kehrt in eure Höhlen um:
Was gilt's, sie werden sich vertragen?"
Die Nachbarn brummten Petzens Rat
Von Glied zu Glied. Im Hui erfuhren
Die Gegner ihn durch die Panduren
Der Vorwacht. Hauptmann und Soldat
Zog ab, bis auf die zwei Monarchen.
Sie mochten bitten, brüllen, schnarchen;
Umsonst! Man ließ sie flehn und drohn,
Und weil sie unter beiden Scharen
Zum Glück die feigsten Memmen waren,
So schlichen sie sich auch davon.
Das Johanniswürmchen
Ein Johanneswürmchen saß
Seines Demantscheins
Unbewusst im weichen Gras
Eines Bardenhains.
Leise schlich aus faulem Moos
Sich ein Ungetüm,
Eine Kröte her, und schoß
All ihr Gift nach ihm.
Ach was hab ich dir getan?
Rief der Wurm ihr zu.
Ei, fuhr ihn das Untier an,
Warum glänzest du?
Das Chamäleon
Zwei Wanderer mit Kennermienen
Sie waren aus Burgund und Kent,
Begegneten im Orient
Sich bei Palmiras Prachtruinen.
Sie saßen matt vom langen gehn
In einer Zeders breiten Schatten,
Und sagten sich, was sie gesehn,
Vielleicht auch nicht gesehen hatten.
Besonders sprach der Frankensohn
Viel von bestandnen Abenteuern,
Von großen und kleinen Ungeheuern,
Und endlich vom Chamäleon.
"Es ist ein drolliges Gemische
Von Fisch und Eider; dieser gleicht
Sein Kopf und Schwanz, der Leib dem Fische,
Und gleichwohl schwimmt es nicht. — Es kreucht
Im zögernden Galopp der Schnecke,
Und seine Haut war himmelblau." —
"Halt Freund, dein Bild ist nicht genau;
Ich fand's in einer Myrtenhecke,"
Rief Master John, "und es war grün." —
"Pardon! Ich sah's mit eignen Augen
Den Hauch des Zephirs in sich saugen,
Von dem es Lebt, und wette kühn,
Blau war es gleich dem Baldachin
Des Himmels, unter dem es speiste." —
"God dam! auch ich nahm, wenn ich reiste,
Die Augen mit: das Tier war grün . . ."
"Blau!" . . . "Grün!" . . . "Du lügst!" — "Ein Bärenhäuter
Sagt das." — Jetzt hätten sich die Streiter
Mit Knütteln kreuzlahm demonstriert,
Hätt' ihr Geschrei nicht einen dritten,
Ein braunes Mönchlein hergeführt.
"Ihr Herrn, worüber wird gestritten?" —
"Freund, über das Chamäleon;
Könnt ihr uns seine Farbe sagen?" —
"Jawohl," sprach Vater Simeon,
"Ihr braucht euch darum nicht zu schlagen." —
"Der Narr behauptet es sei grün;
Ich sage blau." — "Wo denkt ihr hin?
Laßt eines bessern euch belehren;
Braun ist es, braun, das kann ich schwören;
Erst gestern hab' ich eins gekauft
Und durch mein Glas genau besehen."
Die Kämpen wollten spottend gehen.
"Wenn ihr's nicht sehen wollt, so lauft;
Ich hab' es hier zum größten Glücke
In meinem Schweißtuch," sprach der Greis.
"Weist her!" — Er zog es aus der Ficke,
Und siehe da, das Tier war weiß.
Der Krebs
Ein Krebs, dem eine Fee, an deren Schloß
Ein klarer Bach Vorüberfloß,
Die Tischgesellschaft zu ergötzen,
In seinem roten Wams das Leben wiedergab,
Flog aus der Elfe Hand ins nasse Reich hinab.
Die Brüder grüßten ihn mit freudigem Entsetzen;
Besonders reizte sie sein Kardinalshabit.
"O, wär' uns doch," so rief, halb unzufrieden,
Halb staunend, einer aus, "ein gleicher Schmuck beschieden!"
—
"Dazu gelangt man leicht." -—"Ha, Freund heraus damit!" —
"Man läßt sich nur lebendig sieden."
Du wünschest dir, den blendenden Ornat,
Der deinen Nachbar schmückt, zu tragen.
O! laß zuvor dir im Vertrauen sagen,
Wie viel er ihn gekostet hat.
Der
Schmetterling und die Biene
Die Biene ließ den Schmetterling
Einst ihre fetten Speicher sehen.
"Schön," rief der bunte Gast, "doch muß ich dir gestehen,
Ich tauschte nicht mit dir." —
"Warum nicht dummes Ding,
Was hast denn du? Laß sehn, wir wollen inventieren:
Ich hab ein volles Haus" —
"Und ich — nichts zu verlieren."
Der Maienkäfer
Bathyll, ein kleiner Schäfer,
Fing einen Maienkäfer,
Band ihn an eine Schnur
Und schrie: "Flieg auf, mein Tierchen!
Du hast ein langes Schnürchen
An deinem Fuß, versuch es nur."
"Nein," sprach er, "laß mich liegen:
Was hilft's am Faden fliegen?
Nein, lieber gar nicht frei.
Im vollen Flug empfinden,
Daß uns Despoten binden,
Freund, ist die härteste Sklaverei."
Der Pommer und der
Kater
Ein Pommer ward von einem Schusse lahm,
Der seinem Herrn, den er beschützen wollte,
Verräterisch das Leben nahm.
Unwissend, wie er nun sein Brot gewinnen sollte,
Kroch er betrübt bis in die nächste Stadt,
An deren Tor ein Kater zu ihm trat,
Dem eines Abtes Koch vor wenig Tagen,
Weil er ein Rebhuhn stahl, das Bein zerschlagen.
Bedrängte werden gleich bekannt:
Sie unterhielten sich von ihren Unglücksfällen.
Zuletzt sprach Mauz: "Freund, laß uns durch das Land
Als ein paar treue Spießgesellen
Hausieren gehn." Der Pommer sagte: "Nein;
Wir sind zwar beide lahm; allein
Ich möchte doch nicht gern mit dir verglichen werden."
War dieses Stolz? – Nur ihr könnt Richter sein,
Ihr feinern Seelen. Kann auf Erden
Der Tugend größeres Leiden drohn,
Als Prüfungen, die ihren Wert erhöhen,
Mit des verworfnen Lasters Lohn
Vor aller Welt vermengt zu sehen?
Der Affe und der Löwe
Ein Affe der bei einem Biographen
Als Famulus gedient, zerbrach sein Joch,
Kam an des Löwen Hof und ward wie alle Sklaven
Ein Schmeichler, der im Staube kroch.
"Herr König," sprach er einst im Ton des Patrioten,
"Wie kommt es, daß kein Annalist,
Kein Sammler großer Anekdoten,
In deinem Reich bestellet ist?
Wie manchen schönen Zug von Tapferkeit und Treue,
Von Weisheit, Großmut, edler Reue,
Von Mutterpflicht, Geduld und stiller Frömmigkeit
Verschlingt der Ozean der Zeit!
Auf deinen Wink bin ich bereit,
Die hohen Tugenden, die Krieg und Frieden
In unserm Staat erzeugt, vom libyschen Alciden,
(Hier bückte sich der Biograph)
Bis zum bescheidnen, frommen Schaf,
In tierischen Ephemeriden,
Der grauen Ewigkeit zu weihn." —
"Kerl," fiel der Großsultan ihm ein,
"Du schwatzest wie ein Mensch aus den polierten Staaten
Des Okzidents, wo gute Taten
So selten sind, daß man sie zählen kann;
Rührt deine Faust hier nur den Griffel an,
So laß ich dich lebendig braten."
Der Adler und der Weih
Beim Adler ward ein Weih verklagt,
Daß er vom Straßenraube lebe.
Beklagter wird zitiert und scharf befragt,
Was er hierauf zur Antwort gebe?
"Herr König, ich bekenne frei,"
Erwiderte der Schalk und strich die Segel,
"Das ich ein großer Freund vom Wildbret sei."
"Wie unverschämt!" rief der Monarch der Vögel.
Das Kompliment verdroß den Weih.
"Was soll," sprach er, "die tote Ringeltaube
In deinem Nest? Die Curialien
Beiseite, Sire, lebst du nicht auch vom Raube?"
"Ha, Bösewicht! Das sind Regalien,"
Versetzt der Aar, "die mir allein gebühren;"
Und hieß den Wilddieb strangulieren.
Die Bärin
In Samogitien genas
Der Ehschatz eines edeln Bären,
Der mit im Parlamente saß,
Von einem Sohn. Die Jäger lehren:
Ein Bär, der aus der Mutter Schoß
Hervorkriecht, sei ein roher Kloß,
Der erst durch Lecken Form und Schöne
Bekommt. Das wußte die Mama
Noch besser als wir Menschensöhne,
Und schwur, als sie das Bübchen sah,
Von Lust berauscht, beim großen Petze
Des Firmaments, ihr kleiner Götze
Sollt' ein Adonis sein. Sie feilt,
Sie hobelt mit der rauhen Zunge
Ihn bis aufs Blut. Der arme Junge!
Er brummt, er windet sich, er heult;
Umsonst, sie bleibt bei ihrer Mode,
Und leckt ihn endlich gar zu Tode.
Das Pferd und das
Maultier
Wer bist du? sprach ein stolzes Maul
Zu einem braven Ackergaul.
Der dürre Hengst, aus dessen Samen
Du stammst, lief mit dem plumpsten Farren
Bald vor dem Pfluge, bald im Karren.
Mein Vater trug Achillens Namen
Und war Achill, das Lieblingspferd
Des Kaisers tausend Kronen wert.
Nur an der Spitze seiner Heere,
Nur bei Triumphen ritt er ihn.
Doch deine Mutter, sprach die Mähre,
War die nicht Fräulein Eselin?
Der Pfau
Der Juno stolzer Vogel bat
Den Jupiter im Götterrat,
Ihn zum Monarchen zu erheben.
"Ein Pfau," sprach er, "was meinest du,
Schickt noch so gut, bei meinem Leben,
Als jener Adler sich dazu.
Selbst die Natur hat mich erkoren,
Von Gold und Purpur und Saphir
Glänzt mein Gewand, und — sieh nur hier,
Ein Krönchen ist mir angeboren."
"Wohlan," sprach Zeus, der oft die Toren
Zum Spaß erhört, "magst König sein."
Er sprach's.
Mit rauschendem Gefieder
Fuhr plötzlich in den Zedernhain
Der neue Großsultan hernieder
Und nahm den Thron des Adlers ein.
Der Gimpel und der Star hofieret
Ihm in gereimten Schmeichelein.
Minervens Kauz philosophieret
Ob der Verwandlung. Aber schnell
Erhascht der Geier ihn beim Fell
Und schleudert ihn von seinem Throne
In einen Sumpf. Der plumpe Strauß
Kommt auch und reißt aus seiner Krone
Ein ganzes Büschel Federn aus.
"Respekt, ihr Schurken," rief erbittert
Der Opernschach, "vernehmt und zittert:
Ich bin" . . . "Ein eitler Narr bist du"
"Der König Pfau von Gottes Gnaden."
"Ho, ho, wer machte dich dazu?"
Chronion . . .Possen! Gaskonaden!*
Versetzt die wilde Schar und lacht.
Es ist schon lange nicht mehr Mode,
Daß Jupiter Monarchen macht.
Und hackt nun vollends ihn zu Tode.
*Prahlereien
Der Mond
Der volle Mond, der stillen Tugend Bild,
Der längst nicht mehr mein Herz mit Wonne füllte,
Hing als ein diamantner Schild
Am Firmament. Sein holder Schimmer hüllte
In Silberflor den Busen der Natur.
Ein Schäferhund, der Zerberus der Flur,
Erblickte das Gestirn; In seiner Galle kochte
Geheime Wut, er hob den Kopf empor
Und bellte, was er bellen mochte.
Schon eine Stunde trieb der Tor
Den wunderlichen Krieg; schon glühte seine Lunge,
Schon war er matt und heiser, als ihn des Nachbars Hahn
Im Toben unterbrach. "Ei," rief er, "armer Junge!
Was wandeln dich für Grillen an?
Du haderst mit dem Mond, daß uns die Ohren gellen,
Und brüllst umsonst dir deine Kehle wund;
Er höret dich ja nicht." — "Ei was!« versetzt der Hund,
Man hört sich selber gerne bellen."
Die Beschreibung
des Jupiters
An Schlosser
Den Zeus ersuchte sein Trabant,
Der Adler, einst um das Vergnügen
Ein bißchen in sein Vaterland
Auf Abenteuer auszufliegen.
Schnell, wie der Sturm aus Äols Mund,
Fuhr er von des Olympus Küste
Hernieder auf das Erdenrund
Und setzte sich in einer Wüste,
Die das Athen der Affen war,
(Nun heißt die Gegend Zanguchar,)
Um auszuruhen. Ha! wie lauschte
Der Pavianen muntres Chor,
Als er, gleich einem Meteor,
In ihren Kreis herunter rauschte.
Der Rektor der Akademie,
Ein Doktor der Mythologie,
Erkannte gleich am goldnen Schnabel
Des Donnergottes Leibkonstabel.
"Heil, dir," so rief der Musensohn,
"Du Hüter von Kronions Waffen.
Was treibt er nun auf seinen Thron?
Gibt's noch mit Riesen viel zu schaffen?
Darf ich den Vorwitz dir gestehn,
Ich möchte gern ihn einmal sehn.
Spricht er auch öfters von uns Affen?" —
"O ja," lacht ihm der Adler zu,
"Sitz auf, du sollst in einem Nu
Den König der Natur erblicken." —
Der kecke Doktor Sapajou*
Springt jauchzend auf des Knappen Rücken.
Schnell, wie die Blitze, die er hält,
Durch die geteilten Wolken zücken,
Trägt er ihn durch die Oberwelt
Und stellt ihn zu des Thrones Füßen,
Um welchen sich die Sphären drehn:
Starr, unbewusst wie ihm geschehn
Umwölkt von Todesfinsternissen
Fiel er auf seine Stirne hin,
Und hätte Jupiter im Fliehn
Nicht seinen Hauch noch aufgefangen,
Er wäre wie in Dunst vergangen.
Doch kaum erblickt er neues Licht,
So birgt er, wie der Aberglaube
Vor Josephs Throne, sich im Staube
Und schlägt die Pfoten vors Gesicht.
"Wohlan,"
sprach Zeus, "man bring ihn wieder
Hinab in seine Wüstenei!
Fahr wohl und lehre deine Brüder,
Wer der Monarch der Götter sei."
Er winkt dem flüchtigen Trabanten,
Und eh sich Matz besinnen kann,
Langt er im Schoß der Anverwandten
Von kaltem Schweiße triefend an.
Schon taumelt jauchzend, wie Bacchanten,
Der ganze Rudel bunt und kraus
Den Pilger an. "Sei uns willkommen!
Wie lebt sich's in dem Oberhaus?
Was hast du neues dort vernommen?
Wie sieht der Gott der Götter aus?"
So hört er hundert Stimmen fragen.
"Wie
wird er aussehn? — Wie ein Gott;
Ja, wie ein Gott, das kann ich sagen,"
Versetzt der raue Don Quixott
Und strich sich seinen Rektorskragen.
"Gut,"
sprach ein junger Kandidat;
"Allein, wie ist ein Gott beschaffen?" —
"Ha, Freund!" rief Matz, "er ist . . . er hat . . .
Er hat . . . kein Härchen von uns Affen."
Bald, Lieber glaub ich in der Tat
Den Traum von der Metempsychose,*
Den du uns jüngst in Platons Prose
Mit Platons Geist erzählet hast.
Denn, sagen mächtige Doktoren
Uns nicht, wiewohl in mehr Bombast,
Im Tone der Reformatoren,
Noch jetzt, dem Menschensinn zum Spott,
Just was mein Pavian, von Gott?
*Sapajou
ist ein Kapuzineraffe
*Seelenwanderung
Die Turteltaube
und der Papagei
Ein Turteltäubchen, dessen Gatte
Durch eines Jägers Tyrannei
Den frühen Tod gefunden hatte,
Zog durch sein banges Klaggeschrei
Vom nahgelegnen Rittersitze
Den Papagei des Junkers Fritze
Aus seinem weichen Nest herbei.
"Mein Kind, hör auf dich so zu grämen,"
Sprach er in gnadenreichem Ton,
"Ich will in meinen Schutz dich nehmen
Und, hier gesagt, beim Herrn Baron
Gelt ich weit mehr, als Frau und Sohn:
Mein Rang ist gleich nach der Maitresse;
Ein Zöfchen dient mir, wenn ich esse,
Und mein Gebauer ist ein Thron.
Komm, Freundin, ihn mit mir zu teilen
Verlaß das düstre Land der Eulen,
Sei guten Mutes und schäme dich,
Mein Kind; so deutsch, so bürgerlich,
Um nichts, — um einen Mann zu heulen."
Das Täubchen sprach: "Ich danke dir,
Der Schmerz ist nun mein Los auf Erden,
Und du — du bist, vergib es mir,
Zu glücklich, um mein Freund zu werden."
Die Beförderung
Des Leuen rauher Majestät
Ward von der weisen Fakultät
Einst eine Kur von Eiern angeraten,
Des Tags ein Schock. Die Kur schlug trefflich an,
Doch eh die Herren sich's versahn,
Gebrach es an Arznei. Dem siechen Potentaten
Ging dieser Mangel nah. Als dies der Fuchs erfuhr,
Erbot er sich mit einem hohen Schwur,
Ihn bis zum Überfluß mit Eiern zu versehen;
Und wie man leicht erachten kann,
Bedachte sich der Großsultan
Nicht einen Augenblick, den Vorschlag einzugehen.
Nun streifte Reineke mit Paß durch Stadt und Land,
Und wo er eine Henne fand,
Verschlang er sie. Dem hohen Patienten
Bracht er den Eierstock. "Vortrefflich, lieber Sohn,"
Rief der Monarch, "was geb' ich dir zum Lohn?
Wohlan! ich mache dich zum Kammerpräsidenten."
Das Duell
Um eine Ziege balgten sich
Zwei Böcke, warm von Herz und Stirne.
Der Kampf war lang und fürchterlich.
Zum Glück erschien zuletzt die Dirne,
Und rief: "Ihr Herrn, berichtet mich,
Weswegen rauft ihr euch?" — "Um dich." —
"Um mich? den Streit kann ich entscheiden:
Ich liebe keinen von euch beiden."
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