Fabelverzeichnis

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Fabeln 4
 
Der Marder
Die Reichsgeschichte der Tiere
Der Schröter, die Schnecke und..
Der Kater
Der Reiger
Die Schwalbe und der Storch

Die Toleranz
Der Fuchs, der Spürhund und..
Die Königswahl
Das Schwein
Der Uhu und die Fledermaus
Die Kanarienvögel
Die Greifen
Das Stinktier und die Bisamratte
Die Bill
Der Bey
Das Wiesel und die Maus
Der Hausherr, der Hund und die Katze

Das Hermelin und der Jäger
Der Käfer

 

Der Marder

Einst ließ der Tiere Großsultan,
Wie es schon oft sich zugetragen,
Durch das Geschrei von einem Hahn,
Sich wie ein feiger Hase jagen.
Die Tiere, die ihn laufen sahn, verhöhnten ihn.
Um diesen Flecken
Auf eine schickliche Manier
Vor seinem Volke zu verstecken,
Befahl der König jedem Tier,
Beim krähen eines Hahns zu fliehen.
"Es zeigt," sprach er, "ein Unglück an,
Das nur die Flucht vermeiden kann." —
"Sir," rief der Marder auf den Knien,
"Wie kann ich dein Gebot vollziehen?
Die Hühner sind mein täglich Brot;
Und statt mich durch sein krähn zu schrecken,
Läßt mich der Hahn ihr Nest entdecken." —
"Rebell," erwidert der Despot,
Mit einem Blick, der Flammen spritzet,
"Fleuch vor dem Hahn! Brot hin, Brot her."

Weh dem, der eine Tugend mehr
Als sein durchlauchter Fürst besitzet.

Die Reichsgeschichte der Tiere

Die Tiere lebten viele Jahre
In friedlicher Demokratie;
Doch endlich kamen sie einander in die Haare,
Und ihre Republik versank in Anarchie.
Der Löwe machte sich den innern Streit zu Nutze
Und bot sich ohne Sold dem kleinen Vieh,
Als dem gedrückten Teil, zum Schutze,
Zum Retter seiner Freiheit an.
Er wollte bloß des Volkes Diener heißen,
Und brauchte weislich seinen Zahn
Im Anfang nur die Räuber zu zerreißen.
Als dies die frohen Bürger sahn,
Ernannten sie zum wohlverdienten Lohne
Den Diener feierlich zum Chan,
Versicherten die Würde seinem Sohne,
Und gaben ihm die Macht die Ämter zu verleihn,
Um kräftiger beschützt zu sein.
Nun sprach der neue Fürst aus einem andern Tone:
Er gürtete sein Haupt mit einer Eichenkrone,
Erhob Tribut, und wer ihm widerstand,
Fiel als Rebell in seine Pranke.
Der Tiger und der Fuchs, der Wolf, der Elephant
Ergaben sich aus List, und jeder ward zum Danke
Zum königlichen Rat ernannt.
Jetzt halfen sie dem Chan die schwächern Tiere hetzen,
Bekamen ihren Teil an den erpreßten Schätzen,
Und raubten endlich trotz dem Chan.

Ha, rief das arme Volk mit tiefgesenkten Ohren
Und mit geschundner Haut, was haben wir getan! —
Allein der Freiheit Kranz war nun einmal verloren,
Der Löwe war und blieb Tyrann;
Er ließ von jedem Tier sich stolz die Pfote lecken,
Und wer nicht kroch, der mußte sich verstecken.

Der Schröter, die Schnecke und der Schmetterling

Ein Schröter*, der mit einer Schnecke
Im Schatten einer Weißdornhecke
Spazieren kroch, geriet mit ihr
In Streit, und zwar der Hörner wegen.
Kaum trägt ein junger Offizier
So stolz den neuen Troddeldegen
Als Junker Schröter sein Geweih.
"Der Hirsch, dem wir am meisten gleichen,"
Sprach er, "muß, ohne Prahlerei,
Mit seinem Kopfputz meinem weichen:
Er dienet mir, du weist es schon,
Zur Hand, und wie dem Krebs, zur Schere,
Im Krieg zum Schutz- und Trutzgewehre,
Und – " — "Alles gut, mein lieber Sohn,
Und doch möcht ich mit dir nicht tauschen;
Auf meinen Hörnern hat die Macht
Des Zeus zwei Augen angebracht,
Wodurch ich die Gefahr belauschen,
Und die ich, rückt der Feind heran,
Schnell, wie mich selbst verbergen kann."
So sprach die Schnecke. Junker Schröter
Bestieg noch einmal den Katheder;
Allein das Lied des Schalentiers blieb
Noch immer auf der alten Weise.

Ein Amor, der auf einer Reise
Als Schmetterling sein Wesen trieb,
Und sich, um auszuruhn, ins Grüne
Herabließ, mußte Schiedsmann sein.
"Ich," sprach er mit gelehrter Miene,
"Bin für die Hörner, die man fein
Verbergen kann; doch dächt ich, wären
Die Augen füglich zu entbehren." —
"Ei," rief die Schnecke, "Freund, wie so?"
Allein der kleine Schelm entfloh,
Anstatt das Rätsel aufzuklären.

*
Schröter, der Hirschkäfer (Scarabaeus cervus)

Der Kater

Ein Kater, welcher sich den Ruhm des Weisen
Bei seinem Volk erwarb, fiel in Melancholie
Und sah durchs Mikroskop der düstern Phantasie,
Wo er nur ging und stand, ein Heer von Fledermäusen.
Umsonst bemühte sich der Freunde treuer Chor,
Von Ärzten unterstützt, den Irrwahn zu besiegen,
Er sah die Tiere nach wie vor
Um seinen Kopf, wie Jesuiten, fliegen:
Oft schoß er als ein Pfeil auf die verwünschte Brut
Und haschte nichts; allein statt sie zu dämpfen,
Vermehrte das nur seine Wut.
Oft schloß er, matt von den erhitzten Kämpfen,
Die Augen zu. Vergebens schloß er sie:
Auch dann noch sah er Fledermäuse.
So trieb er’s lang. Einst jagt ihn die Manie
In eines Kirchturms Uhrgehäuse;
Hier fing er wirklich eine Fledermaus.
"Da sieht man's," rief nun Murner aus,
"Die Narren wollten mir die Wahrheit disputieren,
Nun kann ich sie handgreiflich überführen."

Der Reiger

Ein Meister in der Fischerei,
Ein Reiger, welcher nur Forellen
Und Aale fraß, stund einst im Mai,
Jetzt Wonnemond, um Wild zu fällen,
Vor Phöbus auf. Der Sybarit*
Sah zwanzig Hechte, Karpfen, Schleien
Vorüber ziehn: sein Appetit
Verschmähte diese Lumpereien.
Inzwischen treibt der Sonne Lauf
Der Fische Schwarm in ihre Zellen
Und der Korsar bringt statt Forellen,
Zwei Kressen und ein Krebschen auf.
Er wirft sie weg, wühlt einem Aale,
Den er erblickt, im lauen Bach
Erbost mit seinem Schnabel nach.
Allein umsonst. Vom Mittagsstrahle
Verbrannt, vor Schwäche halb entseelt
Und von des Hungers Wut gequält
Muß er am Ende sich bequemen,
Mit einem Frosch vorlieb zu nehmen.

*
Schlemmer, so genannt nach der reichen (700v.Chr. gegr.)
griech. Kolonie Sybaris am Golf von Tarent.


Die Schwalbe und der Storch

Die Schwalbe

Freund, klappre nicht, und laß uns fliehn
Sieh dort am schwarzen Kirchhoftore
Den Jäger mit gespanntem Rohre,
Ein leiser Druck, so sind wir hin.

Der Storch

Ich flöhe, wär ich eine Lerche,
Ein Rebhuhn oder ein Fasan.
Allein die Jäger sehn uns Störche,
Von alters her, als heilig an.
Mit uns wird, wie das Sprichwort saget,
Die Freiheit aus dem Land gejaget.

Die Schwalbe

Verlaß dich nicht auf diesen Wahn,
Mein guter Freund, sonst hieß es immer
Wir Schwalben brächten Glück ins Haus.
Der Junker selbst litt uns im Zimmer,
Und nun hat kaum die Fledermaus
Ein härtres Los. Ich flog beim Küster
Schon sieben Sommer ein und aus.
Da kam sein Enkel, ein Magister,
Von hohen Schulen jüngst zurück,
Und fluchte, trotz Minervens Eule
Mit so viel Kunst und so viel Glück
Auf Barbarei und Vorurteile,
Daß ihm der Alte Vollmacht gab,
Mein Nest, um die Vernunft zu rächen,
Mit sieben Eiern auszustechen,
Und kaum entrann ich selbst dem Grab.

Der Storch

Heißt das, das die Menschheit aufgekläret?
Ha, besser für das Glück der Welt
Ist frommer Irrtum, der erhält,
Als kalte Weisheit, die zerstöret.

Die Toleranz

Der Adler hielt auf der bereiften Spitze
Des himmelhohen Kaukasus
Sein Parlament. Er legte seine Blitze
Voll Huld zu seines Thrones Fuß,
Und wog den Großen und dem Volke
Das Recht in ebnen Schalen aus.
Da fuhr, gleich einem Strahl aus einer Donnerwolke,
Ein Habicht in das Oberhaus.
Er hielt ein fremdes Tier in seinen Krallen
Es war ein alter Kakadu,
Der Indostan verließ, um durch die Welt zu wallen.

"Sir," rief dem Schach der Schnapphahn zu:
"Hier ist ein arger Wicht, der dir dein Erzamt raubet.
Ein Philosoph, der den Olymp zerstört,
Der keinen Zeus und keinen Pluto glaubet,
Und nur bei seinem Brahma schwört.
Ja, was noch ärger ist, er macht sich ein Gewissen,
Die Kost die meinen König nährt,
Das Fleisch der Tiere zu genießen,
Drum halt ich ihn des Todes wert." —
"Da Zeus ihn leben läßt, so laß auch ich ihn leben,"
Versetzt der gute Schach, und winkt ihn los zu geben.
Der Inquisitor barst vor Wut
Allein das Hofgesind, zumal die Papageien,
Der Virtuos aus Calekut,
Und die beredte Gänsebrut
Vergötterten in wilden Melodeien
Des Königs Toleranz und Edelmut.

"Schweigt," rief der Potentat, so derb zur bunten Herde,
Daß ihr der kalte Schweiß entrann,
"Ein Fürst der nicht verfolgt, ist noch kein Gott der Erde,
Ist weiter nichts als kein Tyrann."

Der Fuchs, der Spürhund und der Luchs
An meine Zöglinge

Vor des Chroniden Thron erschienen
Der Fuchs, der Spürhund und der Luchs.
Sie baten ihn mit demutsvollen Mienen
Um ein Gehör. Der Redner war der Fuchs.
"Wir kennen, Herr, den Wert der hohen Gaben
Die wir von deiner Huld empfangen haben.
Kein Adler hat den Blick, den sie dem Luchs verlieh.
Der Spürhund riecht das Wild auf viele tausend Schritte,
Und mich erhobst du zum Genie.

Indessen würden wir, und dies ist unsre Bitte,
Doch alle drei noch weit vollkommner sein,
Wenn jeder unter uns auch das Talent empfinge,
Das die zwei andern schmückt."
"Ich geh den Vorschlag ein,
Erwidert Zeus allein mit dem Bedinge,
So will's des Schicksals ew'ger Schluß,
Daß jeder seinem Freund von seinem eignen Pfunde
Ein gleiches Maß ersetzen muß,
Als er von ihm erhält."

Mit frohem Munde und einem tiefen Knicks nahm das Triumvirat
Die Klausel an und Zeus mit Schöpfersblicke
Bestätigte den Tauschtraktat.
"Nun," sprach er, "kehrt zur Brüderschar zurücke,
Und sagt ihr, was der Vater der Geschicke
Für euern kühnen Ehrgeiz tat."

Das Kleeblatt küßt entzückt dem Gotte die Sandale.
Und wie ein junger Arzt, der sich zum ersten Male
Dem Volk als Doktor zeigt, so steif, so naseweis
Drängt jeder sich in seiner Brüder Kreis
Und predigt seine mystische Geschichte.
Erstaunt vernahmen sie die prahlenden Berichte.
Doch ehe noch ein Tag verstrichen war,
Hieß es, der Fuchs ist vor den Kopf geschlagen,
Der Spürhund taugt nicht mehr zum Jagen,
Und Argus Luchs bekommt den Star.

Geliebte, die Ihr teils mit fröhlichem Getümmel,
Wie holde Scherze mich umschwebt,
Teils weit von mir zerstreut, auch unter fremdem Himmel
Noch stets in meinem Herzen lebt.
Glaubt Eurem besten Freund auf Erden,
Wer alles werden will, wird nie was Rechtes werden.

Die Königswahl

Das Reich der Affen ist, wie Polen,
Ein Wahlreich; nur daß Kapriolen
Der Pavianen Thron verleihn.
Am Kurtag ziehn die Kandidaten
In einen lichten Palmenhain.
Hier weist das Volk und die Magnaten
Den Werbern eine Kokosnuß,
Die der im Sprunge pflücken muß,
Der sich zum Rang des Autokraten
Erheben will. Vor kurzem starb

Schach Matz der vierte, groß an Taten;
Er fraß für drei. Sogleich bewarb
Ein Trupp von sieben Exzellenzen
Mit blauem Bart und falben Schwänzen
Sich um den Thron. Zuletzt erschien
Auch noch ein achter Paladin,
An den man nicht im Traume dachte.
Es war ein missgeschaff'ner Zwerg,
Mit einem Höcker wie ein Berg
Und einem Stelzfuß. Alles lachte,
Er lachte mit. Der Kampf begann.
Die Streiter sprangen Mann für Mann,
Wie Flöhe nach dem schlanken Aste,
An dem der Völker Schicksal hing.
Sie taten Wunder; jeder faßte
Den Preis. Doch von den sieben fing
Ihn keiner; wie ein Aal entging
Die Nuß, die stets zu fallen drohte,
Des Haschers ausgestreckter Pfote,
Nur eine Faser hielt sie noch,
Als der Äsop an seiner Krücke
Auf den verlassnen Kampfplatz kroch.
Von Hoffnung und vom blinden Glücke
Beflügelt, wagt er einen Satz,
Der freilich nur die Luft bewegte,
Und doch dem schiefen Junker Matz
Das Königreich zu Füßen legte.
Man hob ihn schwebend auf den Thron
Und aus dem bunten Chor der Zünfte
Erscholl der laute Jubelton:
Es lebe König Matz, der fünfte.

Das Schwein

Ein Affe kam ins Reich der Tiere
Aus Josephs Reich zurück. "Was neues, Freund, aus Wien?"
So frug im Klub der Esel und der Stiere
Ein feistes Schwein den Paladin.
"Mein Tagebuch," sprach er, "liegt fertig für die Presse;
Indessen hört was ich gesehn:
Ich sah, wie Hand in Hand die Welschen in die Messe,
Die Sachsen in die Predigt gehn,
Und wie bei einem Glas mit Ofner Weine
Ein Jud in froher Harmonie,
Mit Christen Schinken aß." — "Ha," riefen Groß und Kleine,
"Es ist ein herrlich Ding um die Philosophie!"
"Mag sein," versetzt die Sau, der Herz und Knie
Beim Worte Schinken sank, "nur nicht für fette Schweine."

Der Uhu und die Fledermaus

Gehüllt in seinen krausen Schleier
Saß einst auf einem Klosterdach
Ein Uhu, sann in stiller Feier
Der Quadratur des Zirkels nach,
Und orgelte mit dumpfer Kehle
Just sein entzücktes Heurika!
Als eine Speckmaus in der Höhle
Des Glockenturms, den Cynthia
Versilberte, vom Durst der Seele
Nach Licht, gedrängt, ihr Nest verließ
Und auf das Dach herunter tauchte.
Er packte sie so fest beim Vlies,
Daß sie nur einen Druck noch brauchte
Um tot zu sein.

"Was!" rief er aus,
"Darf eine schnöde Fledermaus
Die Zirkel Archimeds zerstören!
Stirb, Frevlerin!" — Das Mäuschen schrie:
"Gestrenger Herr! laß meine Zähren
Im Namen der Philosophie
Dich um Barmherzigkeit beschwören!
Auch meinen Geist beschäftigt sie;
Mein Auge späht den Gang der Sphären:
Kurz, ehe mich dein Zorn geschreckt,
Hab ich im Bild des kleinen Bären
Heut einen neuen Stern entdeckt."
"Ich sehe wohl, wir sind Kollegen."
Versetzt der Kauz, "nun, meinetwegen,
Schon dieser Titel reizet mich,
Der Fakultät zu Ehren, dich
In meinen Magen zu begraben:

Du weist ja, daß zu aller Zeit
Die Philosophen ungescheut
Einander aufgefressen haben."

Die Kanarienvögel

Ein falber Zeisig, dessen Ahnen
Des Piko dürrer Fuß gebar,
Und der im Lande der Germanen
Der größte Virtuose war,
Fand Mittel, sich von seinen Ketten
In einen grünen Hain zu retten.
Hier sang er der vereinten Schar
Der Vögel seine Minnelieder.
Ihr Zauber war ihr unbekannt;
Allein, kaum hörten ihn die Brüder,
So wird der selt'ne Musikant
Bis an das Firmament erhoben:
Und kurz, der schalste Gratulant
Kann keinen Midas dreister loben,
Als ihn die bunte Herde pries.
Doch der bescheidne Kanaride
Entwich, der Last des Beifalls müde,
Noch eh' der Hahn zum Abzug blies,
Und sang auf einem öden Anger
Jetzt, unbeklatscht von Spatz und Specht,
Sein schönstes Lied. Er hatte recht,
Das Lob ist des Verdienstes Pranger.

Die Greifen

Der wilde Kaukasus gebar
Zur Zeit des Altertums in seinen Schlünden
Die Brut der Greifen, eine Räuberschar
Mit Flügeln, die wir nicht bei dem Linnaeus* finden.
Sie stahlen nach dem strengsten Recht,
Indem sie, wo sie nur auf einen Vogel stießen,
Dem Adler wie dem Spatz, dem Strauße wie dem Specht,
Die Federn aus den Schwingen rissen.

Ein biedrer Faun, der einst den Unfug sah,
Trug Mitleid mit den armen Tieren.
"Banditen," rief er aus, "was macht ihr da?"
"Ei nun," versetzten sie, "wir reformieren."

*
schwedischer Naturwissenschaftler 1707-1778

Das Stinktier und die Bisamratte

Es fand auf einem Rasenplatze
Ein Stinktier eine Bisamratte.
Sie hatten sich noch kaum erblickt,
So hielten sie sich um die Wette
Die Nase zu. "Bist du verrückt?"
Sprach endlich zu der armen Frette
Die Ratte voller Bitterkeit.
"Du stinkst gleich einem alten Aase
Auf eine Viertelmeile weit
Und doch verstopfst du dir die Nase
Vor mir, die selbst der Zimmetstrauch
Um ihren Duft beneiden möchte." —
"Gut," sprach die Frette, "doch ich dächte,
Wer zu wohl riecht, der stinket auch."

Die Bill

Einst fiel dem Löwen ein, es wäre
Doch gegen eines Königs Ehre
Und gegen das jus publikum,
Daß er sich selbst sein Futter schaffe.
Sein weises Ministerium,
Der Fuchs, der Büffel und der Affe
Trat des Monarchen Meinung bei.
Sogleich gebot er allen Tieren,
Ihm einen Schoß von Korn und Heu
Und Wildbret jährlich abzuführen.
Der Esel mußte das Edikt,
Als Wappenherold bunt geschmückt,
An allen Ecken ausposaunen.

Das Volk vernahm es mit Erstaunen:
Es drang sich in Prozession,
Wie dort in Vater Noahs Kasten,
Vereint vor des Monarchen Thron
Und wollte von den neuen Lasten
Befreiet sein. Der Elephant
Sprach männlich als Repräsentant:
"Wie, Herr, was konnte dich bewegen,
Uns diese Steuer aufzulegen?" —
"Schweig," fiel ihm der Despot hier ein,
"Uns Könige darf Zeus allein
Zur Rechnung ziehen." — "Loser Spötter!"
Versetzt der Bär, "erst gestern noch
Sprachst du, es gebe keine Götter."
Nun ward man laut. Der Menge kroch
Das Ding zu Kopfe. Schließlich machte
Das Volk mit reifem Vorbedachte
Die Bill:* Daß, weil ein Großsultan
Den höchsten Richter unsrer Taten
Verachten oder leugnen kann,
Man vor der Hand den Autokraten
Verpflichten soll, der Nation
Von seiner Wirtschaft auf dem Thron,
Mit unter auch von seinem Leben
Genaue Rechenschaft zu geben.

*
Gesetzesentwurf, Urkunde. Der Begriff kommt aus dem englischen.

Der Bey

Der Löwe schuf den Stier zum Bey.*
Der ganze Troß der Tiere
Rief mit des Aufruhrs Feldgeschrei:
"Weg mit dem dummen Stiere!" —
"Wohlan," versetzte gnadenvoll
Der Herrscher, "die Gemeinde soll
Selbst einen Bey so wählen."

"Nun," rief die frohe Schar ihm zu,
"Herr Sultan, sollst du sehen,
Daß wir weit besser uns als du
Auf das Verdienst verstehen."
Stracks macht sich der Kongreß bereit,
Und wählt ich weiser Einigkeit
Zu seinem Bey – den Esel.

*
oder Bei, türkisch: Stammesanführer, Statthalter.

Das Wiesel und die Maus

Ein Wiesel fing auf seiner Jagd
Ein fettes Mäuschen. "Ach, ich Arme!"
Rief es: "Erbarme dich, erbarme,
Gestrenger Herr, dich deiner Magd!"
"Das Mitleid, Bäschen, schmelzt nur Toren,
Mich nicht," versetzt der Wüterich;
"Mich hungert, und ich habe dich
Zu meinem Frühstück auserkoren,
Und dabei bleibt es." –"Willst du mich,
Mein trauter Ohm, in Freiheit setzen,
So weis' ich dir ein Hamsternest,
Wo sich ein Schatz von vielen Metzen
Des besten Korns erbeuten läßt."
"Laß sehen." Mit getroster Miene
Zeigt ihm die Maus die Kolonie.
Der Bösewicht vertilget sie
Und inventiert die Magazine.
Nun gab er seinen Einstandsschmaus;
Das Bäschen ließ sich's wohlbehagen:
Beim Nachtisch nahm er es am Kragen
Und sprach: "Ich schließe meinen Magen
Von alters her mit einer Maus."

Gestatten mächtige Korsaren
Der schwachen Unschuld ihren Schutz,
So tun sie's bloß aus Eigennutz
Und um zum Nachtisch sie zu sparen.

Der Hausherr, der Hund und die Katze

Der edle Ritter Pharamund
Hielt Tafel. Greif, sein Tigerhund,
Trat schnell herbei ihm aufzuwarten.
Dafür erhielt er vom Fasan
Das Schenkelbein. Die fetten Schwarten
Des Schinkens, selbst den Ortolan*
Bekam sein leckrer Mund zu schmecken.

Der Kater Mauz schlich auch heran
Und wollte bloß die Teller lecken.
Greif biß ihn mit erbostem Zahn
Vom Schmause weg. Der Junker lachte
Und gab ihm einen Tritt dazu.
"Ei," heulte Mauz im Fliehn, "ich dachte
So gut als Greif zu sein." — "Wie, du
Verwegner, kennst du Greifs Talente.
Er hetzet mir durch Feld und Hain
Den Fuchs, das Haselhuhn, das Schwein
Und holt mir aus dem Teich die Ente.
Als Wächter hütet er mein Tor,
Als Knapp folgt er mir auf der Reise
Durch Blitz und Schnee, durch Staub und Moor.
Und du, Herr Mauz, was fängst du? – Mäuse –
Was hütest du? zur höchsten Not
Den Speicher. Heißt das nicht sein Brot
Im Schoß des Müßiggangs verdienen?"

Der Kater kroch mit blöden Mienen
Und leisem Schritt zum Saal hinaus.
Er sonnte murrend auf dem Dache
Sein graues Fell und schnaubte Rache.
Von nun an fing er keine Maus
Und lebte bloß vom marodieren.
Auch sah man bald im ganzen Haus
Die Mäuse frei herumspazieren.
Ihr Dasein war ein steter Schmaus,
Gewürzt mit Tänzen und Turnieren.
Der Kater sah in stolzer Ruh
Den frechen Räubereien zu,
Die bald die Speisekammer leerten,
Bald ganze Berge Korns verheerten.
"Ich merke wohl," sprach Pharamund
Und zog die braune Stirn in Falten,
"Ein Hausherr braucht zwar einen Hund,
Doch muß er sich auch Katzen halten."

Mit Recht belohnt ein Fürst den Freund,
Die Edlen, die sich Ruhm erwarben.
Doch läßt er kleine Diener darben,
So ist er seines Landes Feind.

*Ammer-Finkenvogel.

Das Hermelin und der Jäger

Ein Jäger fing ein Hermelin,
Das Krieg und Hunger zwang auf deutschen Grund zu fliehn.
"Verräter, willst du mir das Leben nehmen?" —
"Ach nein, ich will dir bloß die Haut vom Leibe ziehn,
Des Fürsten Mantel zu verbrämen.
Den hohen Vorzug hast nur du." —
"O, schönen Dank, den will ich mir verbitten.
Warum nimmt er nicht deine Haut dazu?" —
"Ei, die verhandelt er den Briten."

Der Käfer

Ein Käfer, den der Lenz zur Welt gebar,
Ward ihrer satt, eh' noch von seiner Krone
Der Ceres Haupt entblößet war.
Er kroch in eine wurmige Melone
Und lebte hier wie Paul, der Eremit,
Vier Monden lang so tief verborgen,
Daß auch kein Sonnenstrahl in seine Zelle glitt.

An einem trüben Wintermorgen,
Da seinen Leichnam schon des Alters Rost zerfraß,
Verließ er sein Quartier, um frische Luft zu schöpfen.
Ein Flor von blankem Eis lag auf dem fahlen Gras;
Die Berge zeigten sich mit weißen Köpfen,
Und kein Konzert belebte mehr die Flur.
Der Siedler staunt und schweigt, und als er sich besinnet,
Ruft er: "Mich wundert nicht, daß meine Kraft zerrinnet;
Ich teile bloß das Schicksal der Natur.
Sie ist dem Ende nah, ich will mit ihr zerstäuben;
Wie schlimm wär' ich daran, müßt ich so ganz allein
Im öden Weltschutt übrig bleiben."
Nun zog er in sein morsches Nest sich ein
Und starb am dritten Tag. Allein der Lenz kam wieder,
Sein Finger schmückte Feld und Hain
Und auch des Käfers Grab. – Wie mancher unsrer Brüder

Wähnt stolz, daß auch mit ihm die Welt vergeht.
Er stirbt, und siehe da, die Welt besteht!