Der Ochs, das Pferd und der Esel
Ein Ochs, ein Esel und ein Pferd
Gerieten einst in Streit, und zwar des Ranges wegen.
Ein Esel? saget ihr, o, das ist lachenswert;
Der sollte seinen Stolz beiseite legen,
Er ziemt ihn nicht. Ei! Freunde, saget mir,
Wem ziemet wohl der Stolz? Und im gemeinen Leben
Sucht gleichwohl manches Adamskind
Dreist über die sich zu erheben,
Die an Verdienst ihm überlegen sind.
In einem derben Baß, doch fern von Prahlerkünsten,
Sprach Junker Stier zuerst von seiner Löwenkraft
Und von dem Nutzen, den er schafft;
Der Hengst von seinem Mut, von seinen Ritterdiensten,
Von seiner Beine Schnelligkeit.
Herr Langohr pries mit viel Bescheidenheit
Sein stoisches Gemüt und seine Brauchbarkeit.
"Laßt uns," versetzt das Pferd, "den Fall durch Menschen
schlichten;
Dort kommen eben drei; man muß von unserm Streit
Und unsern Gründen sie summarisch unterrichten;
Und stimmen ihrer zwei im Urteil überein,
So soll der Zwist entschieden sein."
Die Männer nahten sich; dem Stier ward vorgeschlagen,
Als Referent die Sache vorzutragen.
Er tat's, indem er sich von dem Triumvirat
Mit Anstand einen Spruch erbat.
Der erste Richter war ein Roßmann. "Kurz zu sagen,"
Rief er, "dem Pferd gebührt der erste Rang im Staat." —
Der zweite war ein Müller. "Darf ich fragen,
Warum dem Esel nicht? der ist kein Biedermann,"
Sprach er, "der ihm den Preis verweigern kann." —
"Ei, ei, was denket ihr? seid ihr bei Sinnen?
Versetzt der dritte, der ein Bauer war;
"Der Stier, das ist doch sonnenklar,
Der Stier muß den Prozeß gewinnen." —
Hier sott das Blut dem stolzen Gaul;
Mit gelbem Schaume vor dem Maul
Fuhr er die Richter an: "Je, daß euch doch die Krätze!
Der Eigennutz schrieb die Gesetze,
Wonach ihr euer Urteil fällt."
"Ei," sprach der Roßmann, "Freund, das ist der Lauf der
Welt."
Das Chamäleon und
die Vögel
"Die schwarze Farbe lebe hoch!"
So rief ein Rabe jüngst am Spiegel einer Quelle,
Als ein Chamäleon vorüberkroch,
Das, wie wir wissen, seinem Felle
Leicht jede Farbe gibt. Der Rabe krähte noch,
So war das Tier schon schwarz. Ein Schwan im nahen Teiche
Gab seinem weißen Wams den Preis,
Und das Chamäleon war weiß.
"Grün ist die schönste Tracht!" so rief aus dem Gesträuche
Ein Zeisig, und das Tier war grün.
"Rot," schrie ein Kardinal vom Wipfel einer Eiche,
"Rot ist der Farben Königin,"
Und das Chamäleon erschien im Scharlachkleide;
Als aus dem duftenden Gestäude
Der Meise Stimm erscholl: "Wen reizt nicht der Lazur,
Der meinen Scheitel schmückt?" Im gleichen Augenblicke
Versetzt ein Goldfasan: "Wer prangt in der Natur,
Wie ich, im reinsten Güldenstücke?"
Flugs färbt sich das Chamäleon
Mit blauen und hierauf mit safrangelben Tinten.
Allein was war des Augendieners Lohn?
Zuerst verlachten bloß die Klügern seine Finten,
Bald aber ward ihm selbst der dümmste Gimpel feind.
Wer jedes Freund sein will, ist niemands Freund.
Der Esel und das
Faultier
Gekitzelt von der Ehre Sporn,
Sprach Junker Langohr einst im Zorn
Zum Vater Zeus. "Schon allzu lange
Heiß ich der Faulheit Ebenbild.
Daß dieser Vorwurf mir nicht gilt,
Beweist das Faultier, das am Gange
Der Schnecke gleicht. Drum bitt' ich dich,
Herr Zeus, dem Menschen zu befehlen,
Hinfort das Faultier, und nicht mich
Zum Spiele seines Spottes zu wählen."
Er schwieg und der Chronide sprach.
"Ich gab dir Kraft, und du bist träge.
Das arme Faultier ist nur schwach,
Sein Los ist Mitleid, deines – Schläge."
Die Löwin und
das wilde Schwein
Zur Löwin sprach die wilde Sau:
"Im ganzen Land kommt keine Frau
An Fruchtbarkeit mir bei."
"Ich habe," sprach mit edlen Hohn
Die Löwin, "zwar nur einen Sohn:
Allein es ist ein Leu."
Der wilde Eber
und die Ferkel
Den Keiler sah'n sein Hauerpaar,
Die Ferkel an der Eiche wetzen,
Und alle riefen mit Entsetzen:
"Wie? Vater, drohet uns Gefahr?"
Der Vater sprach: "Nicht daß ich's wüßte;
Allein, es wäre viel zu spät,
Falls ich, wenn die Gefahr entsteht,
Erst meine Waffen schleifen müßte."
Die Elster,
die Krähe und der Geier
Die Elster und die Krähe lagen
Schon lange Zeit im Zwist;
Vom Schimpfen kam es oft zum Schlagen.
Bald siegte Macht, bald List.
Die Elster, die im letzten Streite
Mit Schmach den kürzern zog,
Sah jüngst den Geier, der nach Beute
Von Baum zu Baum flog.
"Herr Vetter," sprach sie, "wie ich sehe,
So bist du mißvergnügt;
Mir hüpft das Herz. Ich sah die Krähe,
Die in den Wochen liegt.
Versöhnt sind wir, den Lästerzungen
Zum Trotz. Ha, Freund, sie lag,
Voll wie der Mond, mit sieben Jungen,
Die schön sind, wie der Tag."
Hier schied der Geier. Was er hörte
Entflammte seine Wut;
Zur Krähe flog er und verzehrte
Die Mutter mit der Brut.
Glaubt nicht, wer Gutes von uns redet,
Sei immer unser Freund:
Wenn sichrer Lob als Lästern tötet,
So lobt uns unser Feind.
Der Volksrat
Der Tiere mächtiger Regent
Berief die Glieder seiner Staaten
In einen großen Volkskonvent,
Um sich mit ihnen zu beraten.
Ihm lag das Wohl des Reiches an,
Und weil nicht bloß die Herren denken,
So durfte jeder Untertan
Dem Vaterland sein Scherflein schenken.
Der Bienen Fürstin brach die Bahn
Und sprach: "In kleinen Köpfen keimen
Oft große Dinge. Lange schon
Empört mich dieses Heer von Bäumen;
Drum mach ich, Sir, die Motion,
Die dummen Wälder umzuhauen;
Veredle sie zu bunten Auen,
Aus deren Blumen unser Fleiß
Den Honig zu bereiten weis."
Nun kam der Wolf. Mit ernster Miene
Erhob er sich auf seinen Steiß
Und schüttelte den Kopf: "Die Biene
Beliebt zu scherzen; mein Projekt,
Herr König, ruht auf festerem Grunde:
Es zielt auf das Exil der Hunde.
Ihr Ruf ist's, der den Hirten weckt,
Sobald sie uns nur wittern können,
Sie, die aus niedrer Sklavenpflicht
Dem edlen Wolf sein Brot mißgönnen.
Verbannst du dieses Diebsgezücht,
So soll hinfort kein Schäfer wehren,
Daß wir mit Schöpsenfleisch uns nähren." —
"Mit größerem Fug trifft dein Gericht
Die räuberische Brut der Katzen,"
Rief jetzt die Sprecherin der Ratzen.
"Herr König, ich begreife nicht
Warum sie deine Langmut duldet.
Der treue Hund hat nichts verschuldet,
Er schützet bloß des Hirten Gut;
Allein der Katzen wilde Scharen
Bekriegen schon seit tausend Jahren
Mein armes Volk mit frecher Wut.
Wer hat in aller Welt gehöret,
Daß je der Ratzen fromme Brut
Das kleinste Kätzchen aufgezehret?
Drum sei ihr Tod dein erstes Werk." —
"Das sind nur Kleinigkeiten;
Ich werde, Sir, dein Augenmerk
Auf einen höhern Vorwurf leiten,"
Versetzt ein bunter Schmetterling,
Der um den Thron des Löwen tanzte
Und endlich auf sein Ohr sich pflanzte.
"Des Jahres ewig gleicher Ring
Ist in vier Zeiten abgeteilet:
Der Lenz ist kühl, der Sommer eilet,
Gleich einem kurzen Traum vorbei,
Dann kommt der Herbst, sein Hauch verödet
Die Fluren, und was er nicht tötet,
Zerstört des Winters Tyrannei.
Zur Hebung dieser Volksbeschwerden
Muß eine Deputation
Vom König und der Nation
Zum Vater Zeus gesendet werden.
Sie fleh' ihn um die Wohltat an,
Aus Phöbus träger Zirkelbahn
Drei raue Viertel wegzustreichen.
Dann schmückt ein steter Sommer nur
Den vollen Busen der Natur,
Und nichts wird unsrer Wohlfahrt gleichen." —
"Gut," rief mit einem hohen Schwur
Der biedre Schach, "an diesen Proben
Genüget mir; statt meinem Reich
Zu raten, sprecht ihr nur für euch.
Die Audienz ist aufgehoben."
Der Fuchs, der Panther
und der Dachs
Einst traf auf seinem Heldengange
Der Fuchs von ungefähr den Panther an.
Er stutzte; doch ein Fuchs besinnt sich nicht lange;
Er trat gebückt zum fleckigen Kumpan.
"Ergebner Knecht, wie leben Ihro Gnaden?"
Sprach er: "Warum so ganz allein?
Sie scheinen mir im Gram versenkt zu sein." —
"Jawohl! allein du kannst mich meines Grams entladen."
Versetzt das Panthertier: "Ein königlicher Fraß,
Ein Dachs, den ich gehetzt, entrann in diese Höhle.
Verschaffst du mir das Rabenaas,
So – du verstehst mich, Freund!"
"Bei meiner armen Seele,"
Erwiderte der Fuchs, "ich bin Ihr Mann!
Sie sollen seh'n, was unser einer kann."
Er schweigt und kriecht auf seinem Bauche
Zum Siedler in sein Loch. "Der König sendet mich,"
Sprach er im Schranzenton zum armen Gauche,
"Und läßt nebst seinem Gruße dich
Aus angestammter Huld zur Mittagstafel bitten;
Er feiert heut sein Namensfest."
Wer schmaust nicht gern am Hof? Der Dachs verläßt sein Nest
Und folgt dem Kammerherrn mit unbesorgten Schritten.
Doch als er kaum den freien Grund betritt,
Bricht ihm der Panther das Genicke.
"Was sagst du," fragt der Fuchs mit einem schlauen Blicke,
Der seinen Sieg und seinen Appetit
Dem hohen Freund empfiehlt, "zu diesem Meisterstücke?"
Der Panther merkt nicht auf ihn
Und stellte grinsend sich zu seinem Raube.
Die Wut, der Neid, die seinem Aug entsprühn,
Erinnerten den Fuchs an jene herbe Traube
Und rieten ihm mit guter Art zu fliehn.
Er trat zurück. "Du gehst?" rief der Magnat. — "Mein Magen
Kann fette Speise nicht vertragen,"
Erwidert ihm der Schelm und kroch
In das vom Dachs verlass'ne Loch.
"Der Blitz erschlage mich," rief er mit voller Kehle
Aus diesem sichern Zufluchtsort,
"Wenn ich noch mehr für andre stehle!"
Er hielt als Ehrenmann sein Wort.
Das Zebra
"Das Ding hab' ich nicht gut gemacht!"
Sprach Langohr auf dem Krankenbette,
Als die geborgte Löwentracht
Ihm bald den Hals gekostet hätte.
"Doch still! ein Anschlag fällt mir ein.
Vortrefflich! o der wird gelingen!
Kann ich mich auf die Beine schwingen,
So muß er flugs vollzogen sein."
Die Hoffnung heilt der Narren Wunden
Geschwinder als ein Podolier.
Kaum hatten sich beim grauen Tier
Die Kräfte wieder eingefunden,
So stieg er vor Chronions Thron
Und sprach: "Mein Kleid gibt lange schon
Den Stoff zu beißenden Satiren,
Indes den Tiger, Leopard
Und Panther bunte Flecken zieren.
Dein Wink, durch den uns frömmern Tieren
Ein graues Fell zu Teile ward,
Kann zum Adonis mich erheben
Und mir ein edler Ansehn geben,
Das deiner Allmacht Ruhm vermehrt."
Er schwieg. Chronion war gerade
Bei guter Laune. Grauchen fand
Vor ihm mit seiner Bitte Gnade
Er legte seine Schöpferhand
Kaum auf des Supplikante Rücken,
So deckt ihn schon ein Schneegewand,
Das glänzend schwarze Streifen schmücken,
Und kurz, das Zebrapferd entstand.
Mit wildem, gaukelndem Entzücken
Stürzt der gescheckte Seladon
Sich vor des Weltbeherrschers Thron
Und küsset die saphirne Schwelle.
Dann hüpft er, leicht wie die Gazelle,
In ein besonntes Wiesental,
Und spiegelt sich in einer Quelle.
Kein Lord, wenn er zum ersten Mal
Sein Hosenband dem Hofe zeiget,
Kein Domherr, der im Pluvial
Das erste Mal zu Chore steiget,
Bewundert sich mit süßerem Stolz
Und weiß sich dicker aufzublasen.
Nun trabt er in das nahe Holz
Und präsentiert den Ochsen, Hasen
Und Schöpsen sich im neuen Putz.
Er ward bejauchzt, begafft, berochen.
Das Windspiel kam herbei gekrochen
Und warb um seinen hohen Schutz.
Sogar der Fuchs, der, wie wir wissen,
Nicht heuchelt, machte sich herbei,
Dem fremden Herrn den Rock zu küssen,
Auf einmal stand er still: "Ei, ei!
Wie schön sind Euer Wohlgeboren!"
Rief er; "doch soll ich's frei gestehn?
Herr Zeus hat eines übersehn." —
"Und was?" – "Die Ohren, Freund, die Ohren!"
Der Hecht im Meere
Vom Ister* fortgerafft, erschien ein Hecht im Meere.
Die Vettern riefen ihn im Reiche des Neptuns
Entzückt zum Bürger aus. "Ich danke für die Ehre;
Die salzig bittre Flut ist," sprach er, "Gift für uns." —
"Du träumst, Freund," erwiderten die Vettern;
"Wir hausen schon seit ewig langer Zeit
Im Schoß des Meeres und schwören bei den Göttern,
Es führt weder Salz noch Bitterkeit."
Der Fremdling schwieg und schwamm in seinen Ister;
Er merkte, wo der Knoten stak.
Gewohnheit wird Natur, nur ein Magister
Zankt über den Geschmack.
*Ister
(latein. Hister, griech. Istros (῎Iστρος)
war eine in der Antike verbreitete Bezeichnung für den
Unterlauf der Donau.
Das Glück des Esels
Ein Esel zog in kurzem Trab
Mit faulem Dünger durch die Straßen;
Der Dunst, den dieser von sich gab,
War eine Pest für alle Nasen.
Die ekle Fracht war kaum erblickt,
So trat ein jeder auf die Seite.
"Ei, ei!" sprach Langohr hoch entzückt.
"Wie ehren mich die guten Leute!"
Er trug an einem andern Tag
Den Raub von zwanzig Blumenbeeten,
Der bunt in seinen Körben lag.
Die süßen Balsam von sich wehten.
Er ward umringt. Der Nasen Schmaus
Hat jung und alt herbeigetrieben.
"Ha!" rief das Tier mit Tränen aus,
"Wie mich die guten Leute lieben!«
Beglückte Dummheit! sollte sie
Nicht selbst des Weisen Neid erregen?
Was auch geschieht, weis ihr Genie
Zu ihrem Vorteil auszulegen.
Der Truthahn und der
Affe
Ein Affe nahm vom Putztisch der Klimene
Einst ihren Spiegel weg. Das war ein Spaß!
Er guckt hinein und stutzt; er lächelt, blökt die Zähne
Und küßt zuletzt den schönen Herrn im Glas.
Jetzt lief er in den Hof, wo sich im Sonnenlichte
Ein fetter Mönch mit kupfrigem Gesichte,
Ein Truthahn badete: "He, schwarzer Kavalier!"
Rief Matz dem Landmann zu, "willst du mit Haut und Haaren
Dich selber sehn, so komm zu mir."
Der Truthahn, ein Stylit, der seit den Kinderjahren
Nicht seinesgleichen sah, tritt zu dem Pavian
Voll Neugier hin. Kaum blickte er in die Scheibe,
So keuchet er vor Wut, an seinem ganzen Leibe
Sträubt jede Feder sich bergan.
"Verräter!" kollert er, "glaubst du mich zu betören;
Wie kann der rote Kopf mir zugehören,
Mir, der ich ja nichts Rotes sehen kann?"
"Wie darf," so hörten wir schon manchen Truthahn schreien,
Der keine Federn trug, "wie darf mich Ehrenmann
Die böse Welt solch eines Fehlers zeihen,
Mich, der ihn nicht an andern leiden kann!"
Das Möpschen
Ein Mops, der sich zum ersten Mal
Aus Vorwitz von dem Schloße stahl,
Wo er das Licht erblicket hatte,
Geriet an eines Baches Rand,
Der über eine grüne Matte
Wie flüssiger Kristall sich wand.
Er guckt hinein und stutzt. Er fand
Ein Möpschen, das im Hintergrunde
Der Flut ihm gegenüber stand.
Entzückt bringt er die große Kunde
Nach Hause: "Denke nur Mama,
Auch in dem Wasser wohnen Hunde." —
"Du träumst mein Sohn." — "Ich werde ja
Doch wissen, was ich selber sah!" —
"Der Schein," sprach sie, "hat dich betöret."
Umsonst, er widerbellt, er schwöret
Und zwingt die Mutter mitzugehn.
"Nun," rief er, "hab ich recht gesehn?
Hier ist er noch zum größten Glücke." —
"Ein Spiegel täuscht deine Blicke;
Du wirst dein eignes Bild gewahr." —
"Nein, nein, Gottlob! mein Augenpaar
Ist noch gesunder als die Deinen,
Und . . . aber wie? nun seh ich gar
Des Möpschens Mutter auch erscheinen.
Wie drollig! doch der Aufenthalt
Dort unten wäre mir zu kalt.
Du schweigst? sagst du noch, ich habe
Den Star?" — "Ich sage, dummer Knabe,
Du sehest nichts." — "Ich bin kein Kind,
Und weiß doch auch, was Hunde sind,
Frau Mutter! Wenn ich mich betrüge,
So" . . . —"Du sollst sehen, ob ich lüge;
Die Probe wird so schwer nicht sein."
Jetzt warf sie nach den beiden Hunden
Im Wasser einen Kieselstein,
Und plötzlich waren sie verschwunden.
Der Haberecht stand wie verstört
Und senkte die gestutzten Ohren.
Die ganze Weisheit junger Toren
Ist keinen Tag Erfahrung wert.
Der Schwan, die Taube
und der Truthahn
Auf seinem Bett von grünem Laube
Lag ein betagter Schwan und sang
Sein frohes Sterbelied; es durchdrang
Den Busen einer frommen Taube.
Sie flog herbei, sie sah den Greis
Voll Andacht in das Aug'; es lächelt
Sie brechend an; sie wischt den Schweiß
Ihm von der heitern Stirn und fächelt
Ihm mit dem Fittig Kühlung zu.
Ein fetter Truthahn, der in Ruh,
Um nicht die Dauung zu verderben,
Von ferne zusah, sprach zu ihr:
"Pfui, Schwesterchen, was machst du hier?" —
"Ich," rief das Täubchen, "lerne sterben."
Der Pelikan und der
Weih
Ein schlimmer Weih, ein Ausbund frecher Diebe,
Traf einst den edlen Pelikan
Auf einer hohen Zeder an.
Er sah erstaunt das Vorbild frommer Liebe,
Umringt von seiner Kinder Schar,
In seine Brust sich eine Wunde ritzen,
Und froh sein Blut in ihre Kehle spritzen.
"Was tust du?" rief der Weih — er war zu sehr Barbar,
Um eine schöne Tat zu schätzen und zu ehren —
"Wer wird denn seine Kinder gar
Mit seinem eignen Blute nähren?
Beim Adler Jupiters! Du bist auch allzu gut,
Laß durch mein Beispiel dich belehren:
Ich ätze mein Gezücht mit fremdem Blut,
Und sind die Bälge dick, erwacht ihr Mut,
So fang ich an im Jagen sie zu üben." —
"Du," sprach der Pelikan, "ziehst eine Mörderbrut;
Ich lehre meine Kinder lieben."
Die Aufklärung
Auf seiner langen Wanderschaft
Durch halb Europa sah und hörte
Ein Löwe viel von Wissenschaft
Und Kunst. Als er nach Hause kehrte,
Erhob das treue Volk zum Lohn
Für das, was er in fremden Landen
Als Kriegsgefangener ausgestanden,
Ihn auf den väterlichen Thron.
Er glaubte – hier wird mancher lachen –
Er müsse bei der Nation
Sich nun durch Wohl tun Ehre machen,
Und faßte den Entschluß, sein Reich,
Dem großen Kaiser Peter gleich,
Durch Künste zu zivilisieren.
Frohlockend lobte der Senat
Den schönen Plan; auch bei den Tieren
Will nur ein Ochs deliberieren*,
Wenn der Monarch gesprochen hat,
Und damals saßen diese Herren,
Die gern dem Licht das Tor versperren,
Noch nicht in dem geheimen Rat.
Der König ließ durch sein Mandat
Die Kandidaten aller Stufen
Gar huldreich zum Konkurs berufen.
Zuerst erschien ein großer Bär,
Der aufrecht vor den Thron sich pflanzte,
Und bald ins Kreuz bald in die Quer
Auf polnisch und kosakisch tanzte.
Mit Jauchzen ward der Postulant
Zum Doktor seiner Kunst ernannt.
Jetzt nahte sich dem Königsstuhle
Die Nachtigall. Kaum spielte sie
Ihr Lied voll Geist und Melodie,
So übergab man ihr die Schule
Der Tonkunst und der Poesie.
Das Lehramt der Philosophie
Ward einem Affen aufgetragen;
Sein allumfassendes Genie
Glich einem bodenlosen Magen;
Er wusste das Warum und Wie
Von jedem Dinge. Kurz zu sagen,
Er diente vormals in Paris
Bei einem Enzyklopädisten,
Der keine Müh sich dauern ließ
Mit seiner Kunst ihn auszurüsten.
Nun war der Unterricht im Gang,
Schon ward es aller Orten helle;
Schon wechselten Konzert und Bälle
Am Hof; das Licht der Wahrheit drang
In jeden Kopf; bei allen Tieren
Verschwanden Vorurteil und Wahn;
Sogar die Schöpse fingen an
Von Zeit und Raum zu disputieren.
Indessen fand der Großsultan
Das Volk nicht um ein Härchen besser;
Der Fuchs war stets ein Hühnerfresser
Und von des Wolfes Mörderzahn
Ward, nach wie vor, das Schaf zerrissen;
Nur daß er oft in frechen Schlüssen
Bewies, er habe recht getan.
So ging es bald im ganzen Lande,
Und konnte nicht wohl anders gehn.
Ha! rief der Schach, zu meiner Schande
Bekenn ich, daß ich falsch gesehn.
Den Irrtum hab ich zwar vertrieben,
Allein die Laster sind geblieben.
Anstatt in meiner Monarchie
Gelehrte Bürger ziehn zu wollen,
Hätt ich vor allen Dingen sie
Zu guten Bürgern machen sollen.
*bedenken,
beraten
Die Elephanten
Ein Kaiser von Byzanz ließ einst aus Afrika
Ein Pärchen Elephanten kommen,
Die schönsten, die man noch in unserm Weltteil sah.
Von dem Gedanken eingenommen,
Die Zucht vermehrt zu sehn, schloß er in einem Hain,
Von Quadern hoch umringt und Bäumen dicht beschattet,
Die fremden Kolonisten ein.
Daß dieses Tier sich nicht begattet,
Wenn es gefangen ist, war seiner Majestät,
Und selbst der Universität
Des neuen Roms, zu jener Zeit verborgen.
Ein Jahr verstrich, nach ihm das zweite Jahr,
Und immer blieb die Riesin unfruchtbar.
Nun kam an einem schönen Morgen
Der Kaiser in den Park, er sah das zahme Paar
Auf seines Wächters Blick vor ihm die Knie beugen.
Voll Güte sprach der Fürst: "Wie kommt's, ihr mehrt euch
nicht." —
"Ei," rief der Elephant mit traurigem Gesicht,
"Wir wollen keine Sklaven zeugen."
Der Star und die
Ringeltaube
Der Pfau bekam in seiner Laube
Vom Star und von der Ringeltaube,
Als Schutzherr, einen Staatsbesuch.
Der Pfau begegnete dem Paare
Mit vieler Huld, zumal dem Stare.
Kein Wunder; wie ein Ritterbuch
Sprach dieser zum Kumpan der Götter,
Dem er verschmitzt den Kuzen strich.
Die Taube schwieg. Das Paar entwich;
Der Star warf noch dem hohen Vetter
Zehn Knickse zu. Dann wandt' er sich
Zum Täubchen: "Gott behüte mich!
Der Pfau ist doch nicht anzustehen.
Ich kann nicht ohne stillen Graus
Des Gecken ekle Füße sehen;
Und fängt er vollends an zu krähen,
So bricht mir gar der Angstschweiß aus." —
"Ich habe nicht darauf geachtet,"
Versetzt die Taube; "stumm entzückt
Hab ich den edlen Wuchs betrachtet,
Womit ihn die Natur beglückt.
Und wer wird sein Gewand nicht loben?
Der Iris und der Flora Roben
Sind kaum so prächtig ausgeschmückt."
Hier unterbrach die gute Seele
Sich selber. Fort war Junker Star.
Die Bosheit nimmt nur unsre Fehler,
Die Unschuld nur das Gute wahr.
Der Strauß
Einst hielt der Adler großen Rat,
Da zeigte sich der Strauß im Kreis der Mandarinen.
"Ich bin," sprach er, "der Vögel Goliath,
Und wohl der Ehre wert, dem Vaterland zu dienen.
Darum dächt' ich, Sir, du nähmst mich gleich dem Schwan,
Dem Kauz, dem Raben und dem Hahn,
Zu deinem Staatsminister an."
Der Adler fragte die Magnaten
Um ihren Rat. Zuerst nahm Junker Star,
Als des erhabnen Potentaten
Bestallter Hofnarr und Kanzler,
Das Wort und sprach: "Du darfst ihm keck das Amt vertrauen,
Er kann gut schlucken und verdauen."
Das Wasserhuhn und
die Maus
Ein Wasserhuhn fand eine Maus
Am schilfigen Ufer einer Pfütze,
Und kramte mit pathetischer Hitze
Ihr seine Wundergaben aus:
"Kein Jäger wird so bald mich kriegen,
Denn ich kann schwimmen, tauchen, fliegen
Und" . . . Plötzlich fiel ein donnernder Schuß
Der ihm den Schnabel weghalbierte.
Es tauchte sich; mit flinkem Fuß
Sprang ihm der Schütze nach und spürte
Die Pfütze durch; doch barg zum Glück
Das Schilf es seinem gierigen Blick.
Der schaurige Spuk war kaum vorüber,
So nahm nun auch die Maus das Wort:
"Das war ein garstiger Nasenstüber,
Er störte dich; doch fahre fort
Mit dem Register deiner Gaben.
Du schweigst? Wir armen Mäuse haben
Nur Ein Verdienst; doch das allein
Ist mir seit dem verwünschten Knalle
Weit lieber als die Deinigen alle,
Das, keinen Schuß Pulver wert zu sein."
Der Wetterhahn
Auf einem Turme stand ein neuer Wetterhahn,
So flink, so zahm, daß ihn ein Hauch des Zephyrs lenkte,
Und, freilich oft zum Spiel, gleich einer Feder schwenkte.
Das kroch ihm in den Kopf: "Ein schnöder Untertan
Des schwächsten Wind zu sein, ist Schimpf für unser einen;
Von nun an folg' ich bloß dem mächtigen Orkan,"
Er sprach's und klemmte sich mit seinen Beinen
So fest in seiner Angel an,
Daß ihn der West nicht mehr von seiner Stelle rückte.
Nun sehnt er sich so lang mit dreister Ungeduld
Nach einem Sturm, bis die verschmitzte Huld
Des Äolus ihm endlich einen schickte.
Schnell wirbelt er auf seinem lockern Fuß
Bald rechts, bald links, trotz einem Feuerrade.
Am Anfang kam der Tanz ihm schnakisch* vor,
Bis er zuletzt das Gleichgewicht verlor.
Nun stemmt er sich umsonst, umsonst kreischt er um Gnade;
Entwurzelt und gelähmt, stürzt er herab vom Turm
In einen tiefen Pfuhl.
Merkt's euch, ihr Nationen!
Und sehnet euch nach keinem Sturm;
Es ist fürwahr kein Spaß um Revolutionen.
*altes
Wort für spaßig
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