Fabelverzeichnis
zurück


Frauenlieder
 

Kreuzlied 1
 
 

1.
Durch daz ich fröide hie bevor ie gerne pflac,
sô wundert die liute allz mîns trûrens sêre.
Dem ist nu sô, daz ich baz niene mac.
kæme aber iemer mir ein lebender tac,
ich kann noch, daz ich ie kunde oder mêre.
Des geswîgte ich durch die gotes êre,
der mir sælden hât gegeben sô vil,
ich gouch, als ich des niht erkennen wil.

2.
Hiure ist fröide manigem man harte unwert:
Daz ist iedoch entriuwen âne schulde.
Wir sollten hiure sîn frôer danne vert.
Jô mac ein man erwerben, des er gert,
lop und êre und doch dar zuo gotes hulde.
Got helfe im, swer daz mit sorgen dulde.
Jâ enwirt ein dienest niemer guot,
den man sô rehte trûrecliche tuot.

3.
Meniger swüere wol, der nu hie bestât,
er hete allen sînen willen mit den wîben.
Geloube er mir, daz ez sô lîhte niht ergât,
wil er die, diu sinne und êre hât,
von den beiden alsô lîhte vertrîben.
Ir dekeiner darf ûf den trôst belîben.
Weiz got, guotes wîbes vingerlîn,
daz sol niht senfte nu zerwerbenne sîn.

 

1.
Weil ich Freude hier vormals immer gerne genoß,
deshalb verwundert die Leute freilich mein Trauern sehr.
Dem ist nun so, daß ich anders keineswegs kann.
Käme für mich jemals wieder ein lebensvoller Tag -
ich kann noch, was ich immer konnte und sogar mehr.
Damit hörte ich auf der Ehre Gottes wegen,
der mir so viel Seligkeit gegeben hat.
Ich Narr, daß ich dies nicht erkennen will.

2.
In diesem Jahr ist Freude für manchen Mann sehr
wenig wert. Das ist jedoch wahrlich ohne Grund.
Wir sollten heuer fröhlicher sein als im vergangenen Jahr.
Fürwahr, es kann ein Mann erreichen, was er begehrt:
Preis und Ehre und überdies Gottes Huld.
Gott helfe dem, der dies mit Furcht erduldet.
Fürwahr, ein Dienst wird niemals gut,
den man so recht traurig leistet.

3.
Mancher schwöre wohl, der nun hier zurückbleibt,
er erreiche seinen vollen Willen bei den Frauen.
Er möge mir glauben, daß es so leicht nicht gelingt,
will er diejenige, die Verstand und Ehre besitzt,
aus diesen beiden so leichthin vertreiben. Keiner
von ihnen braucht in dieser Hoffnung zurückzubleiben.
Weiß Gott, der Ring einer rechtschaffenen Frau,
der darf nicht einfach zu erwerben sein.

 

Kreuzlied 2
 
 

1.
Des táges dô ích daz kriuze nam,
dô huote ich der gedanke mîn,
als ez dem zeichen wol gezam
und als ein rehter bilgerîn.
Dô wânde ich sie ze gote alsô bestæten, daz
si íemer vuoz ûz sîme dienste mêr getræten.
nu wellent si áber ir willen hân und ledeclîche
varn als ê. diu sorge diu ist mîn eines niet,
si tuot ouch mêre liuten wê.


2.
Noch vüere ich aller dinge wol,
wan daz gedanke wellent toben.
Dem gote dem ich dâ dienen sol,
den enhelfent si mir niht sô loben,
als ichs bedorfte und ez mîn sælde wære.
si wellent noch allez wider an diu alten mære
und wænent, daz ich noch fröide pflege, als
ich ir eteswenne pflac. daz wende, muoter
unde maget, sît ichs in niht verbieten mac.

3.

Gedanken nu wil ich niemer gar
verbieten des ir eigen lant,
in erloube in eteswenne dar
und aber wider sâ zehant,
Sô si unser beider friunde dort gegrüezen,
sô kêren dan und helfen mir die sünde büezen,
und sî in allez daz vergeben, swaz si mir haben
her getân. doch fürhte ich ir betrogenheit,
daz si mich dicke noch bestân.


4.
Sô wol dir fröide und wol im sî,
der dîn ein teil gewinnen mac.
Swie gar ich dîn sî worden frî,
doch sach ich eteswenne den tac,
daz du über naht in mîner pflege wære. des
hân ich aber vergezzen nu mit maniger swære.
die stîge sint mir abe getreten, die mich dâ
leiten hin an dich. mirn hulfe nieman wider ze wege,
ern hete mînen dienest und ouch mich. ouch mich.

 

1.
An dem Tag, an dem ich das Kreuz nahm,
da wachte ich über meine Gedanken,
wie es diesem Zeichen wohl anstand
und wie ein rechter Pilger.
Damals glaubte ich, sie so auf Gott zu verpflichten,
daß sie nie mehr einen Fußbreit aus seinem Dienst träten.
Nun wollen sie wieder ihren Willen haben und
sich frei bewegen wie früher. Diese Sorge, die ist die
meine nicht allein, sie tut noch mehr Leuten weh.

2.
Noch ginge es mir in allen Dingen gut, wenn
nicht die Gedanken sich unsinnig benehmen wollten.
Den Gott, dem ich da zu dienen verpflichtet bin,
den helfen sie mir nicht so zu preisen,
wie ich es nötig hätte und es mein Heil wäre. Sie wollen
noch immer zurück zu den alten Geschichten und glauben,
daß ich mich noch der Freude hingeben wolle, wie ich mich
ihr einstmals hingab. Das wende ab, Mutter und Jungfrau,
nachdem ich es ihnen nicht verwehren kann.

3.
Den Gedanken will ich nun niemals gänzlich
deshalb ihr eigenes Land verbieten
und ihnen etwa nicht erlauben, zuweilen dorthin zu gehen,
dann jedoch sofort wieder zurückzukommen,
wenn sie unser beider Freunde dort gegrüßt haben,
dann mögen sie umkehren und mir helfen, die Sünden zu
büßen, dann sei ihnen alles das vergeben, was sie mir
bisher angetan haben. Jedoch fürchte ich ihre Torheit,
daß sie mir noch oft zur Last fallen.

4.
Heil dir, Freude, und Heil auch ihm,
der von dir ein wenig erlangen kann.
Wie sehr ich auch von dir getrennt worden bin,
so habe ich doch einstmals den Tag erlebt,
an dem du über Nacht in meiner Obhut warst. Das habe
ich nun aber vergessen über mancher Beschwernis.
Die Pfade sind mir nicht mehr zugänglich, die mich damals
führten zu dir. Mir wird wohl niemand wieder auf diesen Weg
helfen, es sei denn, er hätte meinen Dienst und auch mich.