Fabelverzeichnis
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Den vordantz hat man mir gelan
Danñ jch on nutz vil bűcher han
Die jch nit lyß / vnd nyt verstan
Im Narrentanz voran ich gehe
Da ich viel Bücher um mich sehe,
Die ich nicht lese und verstehe.
I.
Von vnnutzē buchern
Das jch sytz vornan jn dem schyff
Das hat worlich eyn sundren gryff
On vrsach ist das nit gethan
Vff myn libry ich mych verlan
Von bűchern hab ich grossen hort
Verstand doch drynn gar wenig wort
Vnd halt sie dennacht jn den eren
Das ich jnn wil der fliegen weren
Wo man von künsten reden důt
Sprich ich / do heym hab jchs fast gůt
Do mit loß ich benűgen mich
Das ich vil bűcher vor mir sych /
Der künig Ptolomeus bstelt
Das er all bűcher het der welt
Vnd hyelt das für eyn grossen schatz
Doch hat er nit das recht gesatz
Noch kund dar vß berichten sich
Ich hab vil bűcher ouch des glich
Vnd lys doch gantz wenig dar jnn
Worvmb wolt ich brechen myn synn
Vnd mit der ler mich bkümbren fast
Wer vil studiert / würt ein fantast
Ich mag doch sunst wol sin eyn here
Vnd lonen eym der für mich ler
Ob ich schon hab eyn groben synn
Doch so ich by gelerten bin
So kan ich jta sprechen jo
Des tütschen orden bin ich fro
Danñ jch gar wenig kan latin
Ich weyß das vinū heysset win
Gucklus ein gouch / stultus eyn dor
Vnd das ich heyß domne doctor
Die oren sint verborgen mir
Man sæh sunst bald eins mullers thier
1.
Von unnützen Büchern
Daß ich im Schiffe vornan sitz'
Das hat fürwahr besondern Witz;
Ohn Ursach kam ich nicht dahin:
Nach Büchern trachtete mein Sinn,
Von Büchern hab' ich großen Hort,
Versteh' ich gleich drin wenig Wort',
So halt' ich sie doch hoch in Ehren:
Es darf sie keine Flieg' versehren.
Wo man von Künsten 13 reden tut,
Sprech' ich: »Daheim hab' ich sie gut!«
Denn es genügt schon meinem Sinn,
Wenn ich umringt von Büchern bin.
Von Ptolemäus 14 wird erzählt,
Er hatte die Bücher der ganzen Welt
Und hielt das für den größten Schatz,
Doch manches füllte nur den Platz,
Er zog daraus sich keine Lehr'.
Ich hab' viel Bücher gleich wie er
Und les' doch herzlich wenig drin.
Zergrübeln sollt' ich mir den Sinn,
Und mir mit Lernen machen Last?
Wer viel studiert, wird ein Phantast!
Ich gleiche sonst doch einem Herrn
Kann einen halten, der für mich lern':
Wenn ich auch habe groben Sinn
Und einmal bei Gelehrten bin,
Kann ich doch sprechen: »Ita! – So!«
Des deutschen Ordens bin ich froh,
Dieweil ich wenig kann Latein.
Ich weiß, daß vinum heißet »Wein,«
Cuculus Gauch, 15 stultus, ein Tor,
Und daß ich heiß': »Dominus doctor!«
Die Ohren sind verborgen mir,
Sonst säh' man bald des Müllers Tier.
Wer sich vff gwalt jm radt verloßt
Und henckt sich wo der wint har bloßt
Der selb die suw jnn kessel stoßt
Wer auf Gewalt im Rat sich stützt
Und dem Wind folgt, der grade nützt,
Der stößt die Sau zum Kessel itzt.16
II.
Von guten reten
Vil sint den ist dar noch gar not
Wie sie bald kumen jn den rot
Die doch des rechten nit verston
Vnd blintlich an den wenden gon
Der gůt Cusy ist leyder dot
Achytofel besytzt den rodt /
Wer vrteln sol vnd raten schlecht
Der dunck vnd folg alleyn zů recht
Vff das er nit ein zunsteck blib
Do mit man die suw in kessel trib
Worlich sag ich es hat kein fůg
Es ist mit duncken nit genůg
Do mit verkürtzet würt das recht
Es durfft das man sich baß bedecht
Vnd witer fragt / was man nit wust
Danñ wirt das recht verkürtzet sust
So hast kein wœrwort gegen got
Gloub mir / fürwor es ist kein spot
Wann yeder wüst / was volgt har noch
Im wer zů vrteiln nit so goch /
Mit sœlcher moß / wirt yederman
Gemessen / als er hat gethan
Wie du richtst mich / vnd ich richt dich
Als wirt er richten dich vnd mich /
Eyn yeder wart noch synem dot
Der vrteil die er geben hat
Wer mit sym urteil bschwæret vil
Dem ist gesetzet ouch sin zyl
Do er ein gwalttig vrteil fyndt
Der stein der felt jm vff den grindt
Wer hie nit halt gerechtikeit
Der fyndt sie dort mit hertikeit
Keyn wisheyt / gwalt / fűrsichtikeit /
Keyn ratt / got wider sich verdreit
2.
Von guten Räten
Viel sind, die trachten früh und spat,
Wie sie bald kommen in den Rat,
Die doch vom Rechte nichts verstehn
Und blindlings an den Wänden gehn.
Den guten Chusi man begrub,
Zum Rat man Ahitophel 17 hub.
Wer richten soll und raten schlecht, 18
Der rat' und stimm' allein nach Recht,
Auf daß er nicht ein Zaunpfahl bleibe,
Der nur die Sau zum Kessel treibe.
Fürwahr, sag' ich, es hat nicht Fug:
Es ist mit Raten nicht genug,
Womit verkürzet wird das Rechte;
Das Bessere billig man bedächte
Und forscht' nach dem, was man nicht weiß.
Denn wird verdreht des Rechts Geleis,
So stehst du wehrlos da vor Gott,
Und glaube mir, das ist kein Spott!19
Wenn jeder wüßt', was folgt darnach,
Wär' er zu urteilen nicht zu jach;
Denn mit dem Maß wird jedermann
Gemessen, wie er hat getan.
Wie du mich richtest und ich dich,
So wird Gott richten dich und mich.
Ein jeder wart' in seinem Grab
Der Urteil', die er selbst einst gab,
Und wer damit verdorben viel,
Dem ist gesetzet auch sein Ziel,
Wo er ein kräftig Urteil find':
Es fällt der Stein ihm auf den Grind!
Wer hier nicht hält Gerechtigkeit,
Dem droht sie dort mit Härtigkeit:
Denn Vorsicht nicht, Gewalt noch Rat
Noch Witz vor Gott Bestehen hat.
Wer setzt sin lust vff zyttlich gůt
Vnd dar jnñ sůcht sin freyd vnd můt
Der ist eyn narr jnn lib vnd blůt
Wer setzt die Lust in zeitlich Gut,
Sucht darin Freud' und Mut,
Der ist ein Narr mit Leib und Blut.
III.
Von gytikeit
Der ist eyn narr der samlet gůt
Vnd hat dar by keyn fryd noch můt
Vnd weyß nit wem er solches spart
So er zům finstren keller fart
Vyl narrechter ist der verdůt
Mit üppykeit vnd lichtem můt
Das so jm got hat geben heyn
Dar jnn er schaffner ist allein
Vnd dar vmb rechnung geben můß
Die me gilt dan ein hand vnd fůß
Ein narr verlæßt sin fründen vil
Sin sel er nit versorgen wil
Vnd vœrcht jm brest hie zitlich gůt
Nit sorgend / waß daß ewig důt /
O armer narr wie bist so blindt
Du vœrchst die rud / vnd findst den grindt
Mancher mit sunden gůt gewynt
Dar vmb er jn der hellen brynt
Syn erben achten das gar klein
Sie hülffen jm nit mit eym stein
Sie lœßten jnñ kum mit eym pfundt
So er dieff ligt in hellen grundt /
Gib wil du lebst durch gottes ere
Noch dym dot wirt ein ander here /
Eß hat keyn wyser nye begerdt
Das er mœcht rich syn hie vff erdt
Sunder das er lert kennen sych
Wer wys ist / der ist me dann rich /
Crassus das golt zů letzst vßtrangk
Noch dem jnn hat gedürstet langk /
Crates syn gelt warff jn das mer
Das es nyt hyndert jnn zůr ler /
Wer samlet das zergenglich ist
Der grabt sin sel jn kott vnd mist
3.
Von Habsucht
Der ist ein Narr, der sammelt Gut
Und nicht dabei hat Fried noch Mut
Und weiß nicht, wem er solches spart,
Wenn er zum finstern Keller fahrt.
Ein größrer Narr ist, wer vertut
Mit Üppigkeit und leichtem Mut
Das, was ihm Gott gab als das Seine,
Darin er Schaffner 20 ist alleine,
Wovon er Rechnung geben muß,
Die mehr einst gilt als Hand und Fuß.
Ein Narr läßt seinen Freunden viel,
Die Seel' er nicht versorgen will;
Er bangt, ihm mangle zeitlich Gut,
Fürs Ewige er nicht sorgen tut.
O armer Narr, wie bist du blind:
Die Räude scheust du – findst den Grind!
Ein andrer sündigem Gut nachrennt,
Wofür er in der Hölle brennt:
Das achten seine Erben klein, 21
Sie helfen nicht mit einem Stein,
Sie spendeten kaum ein einzig Pfund, 22
Und läg' er tief im Höllengrund.
Gib, weil du lebst, zu Gottes Ehr,
Stirbst du, so wird ein andrer Herr.
Ein Weiser hat noch nie begehrt
Nach Reichtum hier auf dieser Erd',
Wohl aber, daß er selbst sich kenne:
Den Weisen mehr als reich du nenne!
Zuletzt geschah's, daß Crassus 23 trank
Das Gold, wonach ihn dürstet lang;
Doch Krates 24 warf sein Geld ins Meer,
Das hindert' ihn beim Lernen sehr.
Wer sammelt, was vergänglich ist,
Vergräbt die Seel' in Kot und Mist.
Wer vil nüw fünd macht durch die land
Der gibt vil ærgernyß vnd schand
Vnd halt den narren by der hand
Wer neue Moden bringt durchs Land,
Der gibt viel Ärgernis und Schand'
Und hält den Narren bei der Hand.
IV.
Von nuwen funden
Das ettwan was eyn schantlich dyng
Das wygt man yetz schlecht vnd gering
Eyn ere was ettwan tragen bert
Jetzt hand die wibschen mañ gelert
Vnd schmyeren sich mit affen schmaltz
Vnd důnt entblœssen jren halß
Vil ring vnd grosse ketten dran
Als ob sie vor Sant lienhart stan
Mit schwebel / hartz / büffen das har
Dar in schlecht man dan eyer klar
Das es jm schusselkorb werd kruß
Der henckt den kopff zům fenster vß
Der bleicht es an der sunn vnd für
Dar vnder werden lüse nit dür
Die trűgen yetz wol in der welt
Das důt all kleider sindt vol felt
Rœck / mentel / hembder vnd brustdůch
Pantoffel / Styffel / hosen / schůch
Wild kappen / mentel / vmblouff dran /
Der jüdisch syt wil gantz vffstan
Dann ein fundt kum dem andern wicht
Das zeygt / das vnser gműt ist licht
Vnd wanckelbar in alle schand
Vil nüwrung ist jn allem land
Kurtz schæntlich vnd beschrotten rœck
Das einer kum den nabel bdœck
Phfuch schand der tütschen nacion
Das die natur verdeckt wil han
Das man das blœst / vnd sehen lat
Dar vmb es leider übel gat
Vnd wurt bald han ein bœsern stand
We dem der vrsach gibt zů schand
We dem ouch der solch schand nit strofft
Im wurt zů lon das er nit hofft
4.
Von neuen Moden
Was sonst wohl war ein schändlich Ding,
Das schätzt man schlecht jetzt und gering:
Sonst trug mit Ehren man den Bart,
Jetzt lernen Männer Weiberart
Und schmieren sich mit Affenschmalz
Und lassen am entblößten Hals
Viel Ring' und goldne Ketten sehn,
Als sollten sie vor Lienhart 25 stehn.
Mit Schwefel und Harz pufft man die Haar'
Und schlägt darein dann Eierklar,
Daß es im Schüsselkorb' 26 werd' kraus.
Der hängt den Kopf zum Fenster 'raus,
Der bleicht das Haar mit Sonn' und Feuer,
Darunter sind die Läus nicht teuer.
Die können es jetzt wohl aushalten,
Denn alle Kleider sind voll Falten:
So Rock wie Mantel, Hemd wie Schuh,
Pantoffel, Stiefel, Hos' dazu,
Wildschur und die Verbrämung dran:
Der Juden Sitt' man sehen kann.27
Vor einer Mod' die andre weicht,
Das zeigt, wie unser Sinn ist leicht
Und wandelbar zu aller Schande,
Viel Neuerung ist im ganzen Lande.
Der Rock – wie kurz und wie beschnitten! –
Reicht kaum bis zu des Leibes Mitten!
Pfui Schande deutscher Nation,
Daß man entblößt, der Zucht zum Hohn,
Und zeigt, was die Natur verhehlt!
Drum ist es leider schlecht bestellt
Und hat wohl bald noch schlimmern Stand:
Doch weh, wer Ursach' gibt zur Schand'!
Dem wird, der solche Schande leidet,
Ein unverhoffter Lohn bereitet!
Wie wol jch vff der grůben gan
Vnd das schyntmesser jm ars han
Mag jch myn narrheyt doch nit lan
Schon steh' ich an der Grube dicht,
Des Schinders Messer mich schon sticht,
Doch – meine Narrheit lass' ich nicht!
V.
Von alten narren
Myn narrheyt loßt mich nit sin grys
Ich byn fast alt / doch gantz vnwys
Eyn bϧes kynt von hundert jor
Den jungen trag ich die schellen vor
Den kynden gib ich regiment
Vnd mach mir selbst ein testament
Das mir leydt würt noch mynē dot
Ich gib exempel vnd bœss rodt
Vnd trib was ich jung hab gelert
Mynr boßheit wil ich syn geert
Vnd gtar mich rűmen myner schand
Das ich beschissen hab vil land
Vnd hab gemacht vil wasser tryeb
In boßheit ich mich allzyt yeb
Vnd ist myr leydt / das ichs nit mag
Volbringen me / myn alten tag
Aber was ich yetz nym mag thůn
Wil ich entpfellen heyntz mym sůn
Der würt thůn / was ich hab gespart
Er kopt yetz mir noch jn die art
Eß stat jm dapferlichen an
Lebt er / eß würt vß jm eyn man
Man můß sprechen / er sy myn sůn
Dann er dem schelmē recht würt thůn
Vnd wirt sich in kein dingē sparen.
Vnd in dem narren schiff ouch faren
Das wirt mich nach mym dot ergetzē
Das er mich wirt so gantz ersetzen
Do mit důt alter yetz vmb gan
Alter will gantz kein witz me han
Susannen richter zeigten wol
Waß man eim alten truwen sol
Ein alter nar synr sel nit schont
Swær jst recht thůn / ders nit hat gewont
5.
Von alten Narren
»Die Narrheit läßt mich nicht sein greis;
Ich bin sehr alt, doch ganz unweis,
Ein arges Kind von hundert Lenzen
Läut' ich die Schell' der Jugend Tänzen.
Den Kindern geb' ich Regiment 28
Und mach' mir selbst ein Testament,
Das wird nach meinem Tod mir leid.
Mit schlechtem Beispiel und Bescheid
Treib' ich, was meine Jugend lernte;
Daß meine Schlechtigkeit Ehre ernte
Wünsch' ich und rühm' mich meiner Schande,
Weil ich betrogen viele Lande
Und hab' gemacht viel Wasser trübe;
Im Schlechten ich mich allzeit übe,
Es ist mir leid, daß ich nicht mehr
Mich so kann rühren wie vorher;
Doch was ich jetzt nicht mehr kann treiben,
Soll meinem Heinz empfohlen bleiben;
Mein Sohn wird tun, was ich gespart,
Er schlägt mir wohl nach in die Art;
Es stehet ihm recht stattlich an
Und lebt er, wird aus ihm ein Mann.
Er sei mein Sohn, muß man einst sagen;
Dem Schelme wird er Rechnung tragen
Und wird in keinem Ding sich sparen
Und in dem Narrenschiff auch fahren!
Es soll mich noch im Grab ergetzen,
Daß er mich wird so ganz ersetzen!« –
Nach solchem jetzt das Alter trachtet,
Die Weisheit es gar nicht mehr achtet.
Susannens Richter 29 zeigten wohl,
Was man dem Alter trauen soll:
Ein alter Narr der Seel' nicht schont;
Der tut schwer recht, wer's nicht gewohnt.
Wer synen kynden übersicht
Irn můtwil / vnd sie stroffet nicht
Dem selb zů letzst vil leydes geschicht
Wer seinen Kindern übersieht
Mutwillige Lust und sie nicht zieht,
Dem selbst zuletzt viel Leid geschieht.
VI.
Von ler der kind
Der ist in narheyt gantz erblindt
Der nit mag acht han / das syn kyndt
Mit züchten werden vnderwißt
Vnd er sich sunders dar vff flyßt
Das er sie loß jrr gon on straff
Glich wie on hirten gœnt die schaf
Vnd jn all můtwil vbersicht /
Vnd meynt sie dœrffen stroffens nicht /
Sie sygen noch nit by den joren
Das sie behaltten jn den oren
Was man jn sag / sy stroff vnd ler /
O grosser dor / merck zű vnd hœr
Die jugent ist zů bhaltten gering
Sie mercket wol vff alle ding /
Was man jn nüwe hæfen schitt
Den selben gsmack verlont sie nit /
Ein junger zwyg sich biegen lot /
Wann man ein altten vnderstat
Zű biegen / so knellt er entzwey
Zymlich stroff / brīgt kein sœrglich gschrey
Die rüt der zücht vertribt on smertz
Die narrheit vß des kindes hertz
On straffung seltten yemens lert
Alls übel wechßt das man nit wert
Hely was recht vnd lebt on sünd
Aber das er nit strofft sin kynd
Des strofft jn got / das er mit klag
Starb / vnd syn sűn vff eynen tag /
Das man die kind nit ziehen wil
Des findt man cathelynen vil
Es stünd yetz vmb die kynd vil bas
Geb man schůlmeister jnn / als was
Phenix / den peleus synem sůn
Achilli sůcht / vnd zů wolt důn
Philippus durch sůcht kriechē landt
Biß er sym sůn ein meister fandt
Dem grœsten kunnig jn der welt
Wart Aristoteles zů geselt
Der selb Platonē hort lang jar
Vnd Plato Socratem dar vor
Aber die vætter vnser zitt
Dar vmb das sie verblent der gyt
Nemen sie vff sœlich meister nůn
Der jn zům narren macht ein sůn
Vnd schickt jn wider heym zů huß
Halb narrechter dann er kam druß
Des ist zů wundern nit dar an
Das narrē narrecht kynder han
Crates der allt sprach / wân es jm
Zů stůnd / wolt er mit heller stym
Schryē / jer narrē vnbedacht
Ir hant vff gůtsamlē groß acht
Vnd achtē nit vff vwer kind
Den jr sœlich richtum samlen sindt
Aber vch wirt zů letst der lon
Wann uwer sűn jn rott sœnt gon
Vnd stellen zücht vnd eren nach
So ist jn zů dem wesen gach
Wie sie von jugent hant gelert
Dann wirt des vatters leydt gemert
Vnd frist sich selbst das er on nutz
Erzogen hat ein wintterbutz
Ettlich důnt sich in bůben rott
Die læstern vnd gesmæchen gott
Die andren hencken an sich sæck
Dise verspielen roß vnd rœck
Die vierden prassen tag vnd nacht
Das würt vß solchen kynden gmacht
Die man nit jn der iugent zücht
Vnd (mit) eim meister wol versycht
Dann anfang / mittel / end / der ere
Entspringt allein vß gůter lere
Ein lœblich ding ist edel syn
Es ist aber frœmbd / vnd nit din
Es kumbt von dynen eltern har /
Ein kœstlich ding ist richtum gar
Aber des ist des gelückes fall
Das vff vnd ab dantzt wie ein ball /
Ein hubsch ding der weltt glory ist /
Vnstantbar doch / dem alzyt gbrist /
Schonheit des libes man vyl acht
Wert ettwan doch kum vbernacht /
Glich wie gesuntheit ist vast liep
Und stielt sich ab doch wie ein diep
Groß sterck / acht man für kœstlich hab
Nymbt doch von kranckheit / altter ab /
Dar vmb ist nützt vndœttlich mer
Vnd bliblich by vns dann die ler
Gorgias frogt / ob sellig wer
Von Persia der mæhtig her
Sprach Socrates / ich weiß noch nüt
Ob er hab ler vnd tugent üt /
Als ob er sprech / das gwalt vnd golt
On ler der tugent nützet solt
6.
Von rechter Kinderlehre
Der ist vor Narrheit wohl ganz blind,
Wer es verachtet, daß sein Kind
In guter Zucht man unterweist,
Und sich insonderheit befleißt,
Daß er sie irrgehn läßt ohn' Strafe,
Wie ohne Hirten gehn die Schafe;
Der ihrem Übermut nicht wehrt
Und sie zu strafen nicht begehrt,
Dieweil er meint, sie sei'n zu jung,
Es hafte nicht Erinnerung
In ihrem Ohr, nicht Straf' noch Lehre. –
O großer Tor, merk' auf und höre:
Der Jugend ist nichts zu geringe,
Sie merket wohl auf alle Dinge.
Der neue Topf hält vom Gericht
Geschmack und Duft und läßt ihn nicht.
Ein junger Zweig sich dreht und schmiegt,
Doch wenn man einen alten biegt,
So knackt und bricht er bald entzwei. –
Gerechte Straf' bringt kein Geschrei,
Der Rute Zucht vertreibt ohn' Schmerzen
Die Narrheit aus des Kindes Herzen.
Ohn' Strafe selten man belehrt,
Das Übel wächst, dem man nicht wehrt.
Eli war brav und lebte rein,
Doch straft' er nicht die Kinder sein,
Drum straft' ihn Gott, daß er mit Klage
Samt ihnen starb an einem Tage.
Weil man der Kinder Zucht nicht will,
Drum trifft man Catilinen 30 viel.
Es stände besser um manches Kind,
Gäb' man ihm Lehrer wohlgesinnt,
Wie Phönix, den einst aufgesucht
Peleus zu des Achilles Zucht.
Philipp durchsuchte Griechenland,
Bis er dem Sohn den Meister fand:
Zum größten König 31 in der Welt
Ward Aristoteles zugesellt,
Der hörte Plato manches Jahr,
Dem Sokrates einst Lehrer war.
Jedoch die Väter unsrer Zeit,
Die gehen blind vor Geiz so weit
Und nehmen solchen Lehrer schon,
Der ihnen zum Narren macht den Sohn,
Und schickt ihn wieder heim nach Haus
Halb närrischer, als er kam daraus.
Drum ist zu wundern nichts daran,
Wenn närrische Kinder ein Narr gewann.
Der alte Krates sprach, wenn ihm
Es zuständ, wollt' mit lauter Stimm'
Er schreien: Narren unbedacht!
Um Gut zu sammeln habt ihr acht
Und achtet nicht auf Euer Kind,
Für das ihr doch auf Reichtum sinnt.
Aber euch wird zuletzt der Lohn,
Wenn in den Rat soll gehn der Sohn
Und trachten Zucht und Ehre nach,
Dann ist zu solchem Ding' ihm jach,
Das man von Jugend ihn gelehrt;
Dann wird des Vaters Leid gemehrt,
Der sich verzehrt, weil er ohn' Nutzen
Erzogen einen Winterbutzen. 32
Die einen gehn zu der Buben Rott'
Und lästern dort und schmähen Gott;
Die andern hängen sich an Säcke, 33
Die dritten verspielen Ross' und Röcke;
Die vierten prassen Tag und Nacht.
Das wird aus solchen Kindern gemacht,
Die man nicht in der Jugend zieht
Und mit einem Meister wohl versieht.
Denn Anfang, Mittel, Schluß der Ehre
Entspringt allein aus guter Lehre.
Ein löblich Ding ist Adligsein,
Doch hast du's nicht erworben allein:
Er kommt von deinem Elternpaar;
Ein köstlich Ding ist Reichtum gar,
Aber er ist des Glücks Zufall,
Das auf und ab tanzt wie ein Ball;
Der Ruhm der Welt sich schön anläßt:
Doch schwankt er und ist voll Gebrest;
Ein schöner Leib steht hoch in Acht
Und währt etwa bis über Nacht;
So ist Gesundheit uns sehr lieb
Und stiehlt sich weg doch wie ein Dieb;
Der Stärke Größe, die man schätzt,
Schwindet vor Krankheit und Alter zuletzt:
Drum ist unsterblich nichts so sehr
Und unvergänglich als gute Lehr'.
Einst fragte Gorgias, 34 ob wohl Heil
Ward Persiens großem Herrn zuteil.
Drauf Sokrates: »Ich weiß noch nicht,
Ob er gelernt der Tugend Pflicht!«
Als spräch' er, was Gewalt und Gold
Ohne Tugendlehre nützen sollt'?
Wer zwischen stein vnd stein sich leit
Vnd vil lüt vff der zungen dreit
Dem widerfert bald schad vnd leidt
Wer zwischen Stein und Stein sich legt
Und viel Leut' auf der Zunge trägt,
Den Trübsal bald und Schaden schlägt.
VII.
von zwytracht machen
Mancher der hat groß freüd dar an
Das er verwirret yederman
Vnd machen künn diß hor vff das
Dar vß vnfrüntschafft spring vnd haß
Mit hynder red vnd lyegen groß
Gibt er gar manchem einen stoß
Der das erst vberlang entpfindt
Vnd machet vß dem fründ ein findt
Vnd das ers wol besyglen mœg
Lůgt er / das er vil dar zů leg
Vnd wills jn bichts wiß han geton
Das nit verwissung kum dar von
Vnd das ers vnder der rosen hett
Vnd jn din eigen hertz geredt
Meynen do mit gefallen wol
Die welt ist sœlcher zwytracht voll
Das man eins vff der zungen trag
Wyter dann vff eim hangenden wag
Als Chore det / vnd Absolon
Das sie groß anhang mœchten han
Aber es flytzt jn vbel vß
In allem land ist Alchymus
Der fründ zertrag vnd hynder lieg
Vnd finger zwüschen angel dieg
Die werden offt geklembt dar von
Als der / der meynt entpfohen lon
Vmb das er Saul erslagen hett
Vnd die do dœttent Hißboseth
Als dem der zwischen mülstein lyt
Gschicht / wer vil zwytraht macht all zyt
Man sicht gar bald jn gberden an
Was er sag vnd sy für ein man
Bürg man ein narren hynder thür
Er streckt die oren doch har für
7.
Von Zwietrachtstiftern
Gar mancher hat viel Freude dran,
Daß er verwirren jedermann
Und bürsten kann dies Haar auf das,
Daraus dann Feindschaft kommt und Haß.
Mit Afterred' und Lügen groß
Gibt er gar manchem einen Stoß,
Den der erst lang nachher empfindet,
Wenn aus Freundschaft Haß sich zündet;
Und daß er's wohl besiegeln möge,
Lugt er, wie viel er noch zulege,
Und will es nur beichtweise sagen,
Um nicht Verweis davonzutragen;
Ja, unter der Rose 35 – beteuert er –
Es dir ans Herz geleget wär',
Und meint, damit gefall' er wohl.
Die Welt ist solcher Zwietracht voll,
Daß man einen auf der Zunge tragen
Kann weiter als im Hängewagen. 36
Wie Korah tat und Absalon,
Sie wünschten Anhang sich und Kron'
Und holten sich nur Schimpf und Schande.
Ein Alcimus in jedem Lande
Die Freund' entzweit, mit Lüg' umringt
Und die Finger zwischen die Angeln bringt;
Die werden oft geklemmt davon,
Wie dem, der wollt' empfahen Lohn,
Dieweil er Saul erschlagen hätt',
Und denen, so schlugen Isboseth.
Wie zwischen zwei Mühlsteinen liegt,
Wer stets an Zwietracht sich vergnügt.
Man sieht ihm an Gebärden an,
Welch' Wort' es sind und welch' ein Mann:
Man berg' den Narren hinter der Tür,
Er steckt die Ohren doch herfür.
Wer nit kan sprechen ja vnd neyn
Vnd pflegen ratt vmb groß vnd kleyn
Der hab den schaden jm allein
Wer nicht kann sprechen ja und nein
Und pflegen Rat um groß und klein,
Der trag' den Schaden ganz allein.
VIII.
Nit volgen gutem ratt
Der ist ein narr der wys will syn
Vnd weder glympf / noch moß důt schyn
Vnd wenn er wyßheit pflegen will
So ist ein gouch syn fæderspyl /
Vil sint von worten wyse vnd klůg
Die ziehen doch den narren pflůg
Das schafft das sie vff ir wyßheit
Verlossen sich vnd bschydikeit
Vnd achten vff kein frœmden ratt
Biß jn vnglück zů handen gat
Syn sůn Thobias allzyt lert
Das er an wysen ratt sich kert /
Dar vmb das nit folgt gůttem rott
Vnd den veracht die husfrow Loth
Wart sie geplagt von got dar von
Vnd můst do zů eim zeichen ston /
Do Roboam nit volgen wolt
Den altten wysen / als er solt
Vnd volgt den narren / do verlor
Er zehen gslecht / vnd bleib ein dor /
Het Nabuchodonosor Daniel ghœrt
Er wer nit jnn ein dier verkœrt
Machabeus der sterckest man
Der vil groß tugent hat getan
Hett er gefolget Jorams rott
Er wer nit so erschlagen dot /
Wer allzytt volgt sym eygnen houbt
Vnd gůttem rott nit folgt vnd gloubt
Der acht vff glück vnd heyl gantz nüt
Vnd will verderben ee dann zytt
Ein fründes ratt nieman veracht
Wo vil rætt sint / ist glück vnd macht
Achitofel sich selber dot
Das Saul nit volget synem rott
8.
Gutem Rat nicht folgen
Der ist ein Narr, der weis' will sein
Und hält nicht Glimpf 37 noch Maße ein,
Und wenn er Weisheit pflegen will,
So ist ein Gauch sein Federspiel.
Viel sind mit Worten weis' und klug
Und ziehen doch den Narrenpflug.
Das macht, weil sie zu jeder Zeit
Für klug sich halten und gescheit.
Und achten nicht auf fremden Rat,
Bis ihnen sich das Unglück naht.
Tobias stets den Sohn belehrt,
Daß er an weisen Rat sich kehrt;
Man riet der Hausfrau Lots wohl gut,
Doch voll Verachtung war ihr Mut,
Drum ward von Gott sie heimgesucht
Und ward zur Säule auf der Flucht.
Rehabeam nicht folgen wollte
Den alten Weisen, wie er sollte;
Den Narren folgt' er, da verlor
Er Stämme zehn und blieb ein Tor.
Hätt' Nebukadnezar auf Daniel gehört,
Er wäre nicht in ein Tier verkehrt;
Und Makkabäus, der stärkste Mann,
Der durch Taten Ruhm gewann,
Hätt' Jorams Rat er zu Herzen genommen,
Er wäre nicht ums Leben gekommen.
Wer allzeit folgt seinem eignen Haupt
Und gutem Rat nicht folgt und glaubt,
Der lässet Glück und Heil beiseit'
Und will verderben vor der Zeit!
Freundes Rat drum niemals veracht',
Wo Räte viel – dort Glück und Macht.
Ahitophel sogar getötet sich hat,
Weil Saul nicht folgte seinem Rat.
Wer hat bϧ sitten vnd geberd
Vnd guckt wo er zům narren werd
Der schleyfft die kappen an der erd
Wer schlecht an Sitte und Gebärde
Und schaut, wo er zum Narren werde,
Der schleift die Kappe an der Erde.
IX.
Von bosen sytten
Vil gandt gar stoltz jn schuben har
Vnd werffent den kopff har vnd dar
Dann hyn zů tal / dann vff zů berg
Dann hyndersich dann vberzwerg
Dann gont sie bald / dann vast gemach
Das gibt ein anzeig vnd vrsach
Das sie hant ein lichtferig gműt
Vor dem man sich gar billich hűtt
Wer wyß ist / vnd gůt sitten hatt
Dem selb syn wesen wol an stat
Vnd was der selb anfaht vnd důt
Das dunckt ein yeden wysen gůt
Die wor wysheit voht an mit scham
Sie ist züchtig / still / vnd fridsam /
Vnd ist ir mit dem gůten wol
Des füllt sie got genaden vol
Besser ist haben gůt geberd
Dann alle richtum vff der erd
Vß sytten man gar bald verstat
Was einer jn sym hertzen hat
Mancher der sytten wenig schont
Das schafft / er hatt sin nit gewont
Vnd ist gezogen nit dar zů
Des hatt geberd er / wie ein ků
Die best gezierd / vnd hœhster nam
Das sint gůt sitten / zucht / vnd scham
Zů gůttem sydt sich Noe zoch
Doch flůg jm Cham syn sůn nit noch
Wer einen wysen sůn gebert
Der sytt / vernunfft / vnd wyßheit lert
Der soll des billich dancken got
Der jn mit gnad versehen hat
Syns vatters nase Albinus aß
Das er jn nit hatt gzogen baß
9.
Von schlechten Sitten
Viel gehn in Schauben 38 stolz daher
Und werfen den Kopf bald hin, bald her,
Dann hin zu Tal, dann auf zu Berg,
Drauf hinter sich und überzwerch, 39
Bald gehn sie rasch, dann sehr gemach;
Das zeigt als Zeichen und Ursach',
Daß leichtsinnig sie von Gemüte,
Wovor man sich gar billig hüte.
Wer klug nach guter Sitte späht,
Dem auch sein Wesen wohl ansteht,
Und was er auch beginnt und tut,
Das dünket jeden Weisen gut.
Die echte Weisheit zeigt erst Scham,
Ist züchtig, still und friedesam,
Es ist ihr in dem Guten wohl,
Drum füllt sie Gott der Gnaden voll.
Viel besser hat man gute Gebärde,
Denn allen Reichtum auf der Erde,
Weil aus den Sitten man entnimmt,
Wie einer im Herzen ist gestimmt.
Gar mancher nur wenig Sitte zeigt,
Das macht, er ist ihr nicht geneigt
Und ist erzogen nicht dazu,
Drum hat er Sitten wie eine Kuh.
Die beste Zierde, der höchste Nam'
Sind gute Sitten, Zucht und Scham.
Noah wohl guter Sitten pflag,
Doch schlug ihm Ham, sein Sohn, nicht nach.
Wer einen weisen Sohn gebärt,
Den man Vernunft, Sitt', Weisheit lehrt,
Der danke Gott doch früh und spat,
Der ihn mit Gnad' versehen hat.
In des Vaters Nase biß Albin, 40
Weil der ihn nicht ließ gut erziehn.
Wer vnrecht / gwalt / důt einem man
Der jm nye leydes hat gethan
Do stossend sich sunst zehen an
Wer Gewalt und Unrecht einem Mann
Antut, der Leid ihm nie getan,
Da stoßen sich zehn andre dran.
X.
von worer fruntschafft
Der ist ein narr / vnd gantz dorecht
Der einem menschen důt vnreht
Dan er dar durch gar manchen trœwt
Der sich dar nach syns vnglücks frœwt
Wer synem frund üt vbels důt
Der all sin hoffnung / trüw / vnd můt
Allein gesetzet hat vff jnn
Der jst ein narr vnd gantz on synn
Man findt der fründ / als Dauid was
Gantz keinen me / mit Jonathas
Als Patroclus vnd Achilles
Als Horestes vnd Pilades
Als Demades vnd Pythias
Oder der schyltknecht Saulis was
Als Scipio / vnd Lelius
Wo gelt gbrist do jst früntschafft vß
Keiner so lieb syn nechsten hat
Als dan jm gsatz geschriben stat
Der eigen nutz vertribt all recht
All früntschafft lieb sipschafft / geschlecht
Kein fyndt man Moysi jetz gelich
Der andre lieb hab / als selbst sich
Oder als was Neemias
Vnd der gotzvorchtig Thobias
Wem nit der gmein nütz jst als werd
Als eigen nutz des er begert
Den halt jch für ein nærschen gouch
Was gmeyn ist / das ist eigen ouch
Doch Cayn ist in allem stat
Dem leid ist was glücks Abel hat
Früntschafft wann es gat an ein not
Gant vier vnd zweintzig vff ein lot
Vnd well die besten meynen syn
Gant siben wol vff ein quintin
10.
Von wahrer Freundschaft
Der ist ein Narr mit Torenmut, 41
Der einem Menschen Unrecht tut,
Weil er dadurch gar manchem dräut,
Der sich dann seines Unglücks freut.
Wer einem Freund ein Leid antut,
Der seine Hoffnung, Treu und Mut 42
Allein gesetzet hat auf ihn,
Der ist ein Narr und ohne Sinn. –
Es gibt nicht mehr ein Freundespaar,
Wie Jonathan und David war,
Patroklus und Achill dabei,
Orest und Pylades, die zwei,
Wie Demades 43 und Pythias
Oder der Schildknecht Saulis was, 44
Und Scipio, Laelius, die beiden. –
Wo Geld gebricht, muß Freundschaft scheiden;
Die Nächstenliebe so weit nicht geht,
Wie im Gesetz 45 geschrieben steht:
Der Eigennutz vertreibt das Recht,
Die Freundschaft, Lieb', Sippschaft, Geschlecht;
Es lebt jetzt keiner Moses gleich,
An Nächstenlieb' wie dieser reich,
Oder wie Nehemias im Land
Und der fromme Tobias waren bekannt. –
Wem nicht der gemeine Nutzen ist wert
Wie der eigene Nutzen, den er begehrt,
Den halt' ich für einen närrischen Gauch:
Denn was gemeinsam, ist eigen auch.
Doch Kain lebt in jedem Stand,
Dem leid ist, wenn Glück Abel fand.
Es gehen Freunde in der Not
Wohl vierundzwanzig auf ein Lot,
Und die am besten wollen sein,
Gehn sieben auf ein Quentelein.
Wer yedem narren glouben will
So man doch hœrt der gschrifft so vil
Der schickt sich wol jns narren spil
Wer jedem Narren glauben will,
Da man doch hört von Schrift soviel,
Der schickt sich wohl ins Narrenspiel.
XI.
Verachtūg der gschrift
Der ist ein narr der nit der geschrifft
Will glouben die das heil antrifft
Vnd meynet das er leben sœll
Als ob kein got wer / noch kein hell
Verachtend all predig vnd ler
Als ob er nit sæh noch hœr
Kem einer von den dotten har
So lieff man hundert mylen dar
Das man von jm hort nuwe mer
Was wesens jn der hellen wer
Vnd ob vil lut fůrend dar jn
Ob man ouch schanckt do nuwen win
Vnd des glich ander affen spil
Nůn hat man doch der gschrifft so vil
Von alter vnd von nuwer ee
Man darff kein zugniß furter me
Noch sůchen die kappel vnd klusen
Des sackpfiffers von Nickelshusen
Got redt das vß der worheit sin
Wer hie sünd dűt / der lidt dort pin
Wer hie sin tag zů wißheit kert
Der wirt jn ewikeit geert
Gott hat geschaffen das ist wor
Das sæh das oug / vnd hœrr das or
Dor vmb ist der blindt vnd ertoubt
Der nit hœrt wißheit vnd jr gloubt
Oder hœrt gern nuw mær vnd sag
Ich vœrcht / es kumen bald die tag
Das man me nuwer mær werd jnn
Dann vns gefall vnd syg zű synn
Theremias der schrey vnd lert
Vnd wart von nyeman doch gehœrt
Des glichen ander wisen me
Des ging harnoch vil plag vnd we
11.
Verachtung der hl. Schrift
Der ist ein Narr, der nicht der Schrift
Will glauben, die das Heil betrifft,
Und meint, daß er mit Fuge lebe,
Als ob's nicht Gott noch Hölle gebe,
Verachtet Predigt sowie Lehre,
Als ob er gar nicht säh' noch höre. –
Stünd' einer von den Toten auf,
Man liefe hundert Meilen drauf,
Damit man hörte neue Märe,
Welch Wesen in der Hölle wäre;
Ob viele Leut' dort führen ein,
Ob man auch zapfte neuen Wein
Und ander ähnlich Affenspiel.
Nun hat man doch der Schrift soviel
Vom Alten und vom Neuen Bund,
Kein ander Zeugnis zu der Stund'
Braucht man, noch Kapell' und Klausen
Des Sackpfeifers von Nickelshausen. 46
Denn Gott spricht nach der Wahrheit sein:
»Wer hier gesündigt, hat dort Pein,
Und wer sich hier zur Weisheit kehrt,
Der wird in Ewigkeit geehrt.«
Gott gab, das leidet Zweifel nicht,
Gehör dem Ohr, dem Auge Licht;
Darum ist blind der und betäubt,
Der nicht hört Weisheit und ihr gläubt
Und lauscht auf neue Mär' und Sage.
Ich fürcht', es kommen bald die Tage,
Daß man mehr neuer Mär' werd' inne,
Als uns gefall' und sei nach Sinne.
Jeremias schrie und hat gelehrt
Und ward von niemand doch gehört,
Desgleichen andre Weise mehr,
Drum kam viel Plage hinterher.
Wer nit vor gürt / ee danñ er rytt
Vnd sych versicht vorhyn by zyt
Des spott man / falt er an eyn sytt
Wer nicht recht gürtet 47 vor dem Reiten,
Nicht weise Vorsicht übt beizeiten,
Des spottet man, fällt er zur Seiten.
XII.
Von vnbesintē narren
Der ist mit Narheyt wol vereynt
Wer spricht / das hett jch nit gemeint
Danñ wer bedenckt all dyng by zyt
Der satlet wol / ee danñ er rytt
Wer sich bedenckt noch der gedat
Des anslag gmeynklich kumbt zů spat /
Wer jnn der gdat gůt ansleg kan
Der můß syn ein erfarner man
Oder hat das von frowen gelert
Die syndt sollchs rates hochgeert /
Het sich Adam bedocht vor baß
Ee dann er von dem appfel aß
Er wer nit von eym kleynen biß
Gestossen vß dem Paradiß /
Hett Jonathas sich recht bedacht
Er hett die goben wol veracht
Die jm Tryphon jn falscheit bot
Vnd jn erschlůg dar noch zů dot /
Gut anschleg kund zů aller zyt
Julius der keiser / jn dem strit /
Aber do er hat frid vnd glück
Sumbt er sich an eym kleynen stuck
Das er die brieff nit laß zů hant
Die jm jn warnung worent gsant /
Nycanor vberschlůg geryng
Verkoufft das wyltpret / ee ers fyng
Sin anschlag doch so grœplich fælt
Zung / handt / vnd grynt man jm abstrælt
Gůt anschlæg die sint allzyt gůt
Wol dem / der sy by zyten důt
Mancher ylt / vnd kumbt doch zů spot
Der stoßt sich bald / wem ist zů not /
Wer Asahel nit schnell gesyn
Abner hett nit erstochen jn
12.
Von unbesonnenen Narren
Der ist mit Narrheit wohl geeint,
Wer spricht: »Das hätt' ich nicht gemeint!«
Denn wer bedenkt all Ding beizeiten,
Der sattelt wohl, eh er will reiten.
Wer sich bedenkt erst nach der Tat,
Des Anschlag kommt wohl oft zu spat;
Wer in der Tat sich raten kann,
Muß sein ein wohlerfahrner Mann,
Oder es haben's ihn Frauen gelehrt,
Die solchen Rats sind hochgeehrt.
Hätt' Adam zuvor bedacht sich baß, 48
Bevor er von dem Apfel aß,
Er wär' nicht um den kleinen Biß
Gestoßen aus dem Paradies.
Hätt' Jonathas sich recht bedacht,
So nahm der Gab' er wenig acht,
Die Tryphon ihm in Falschheit bot
Und ihn darnach erschlug zu Tod.
Guten Anschlag wußte alle Zeit
Der Kaiser Julius 49 in dem Streit,
Doch, als er hatte Fried' und Glück,
Versäumte er ein kleines Stück,
Als er den Brief nicht las zur Hand, 50
Den man zur Warnung ihm gesandt.
Nikanor überschlug gering,
Verkaufte das Wildbret, eh er's fing,
Drum fiel sein Anschlag grob genug:
Zung', Hand und Haupt man ab ihm schlug. –
Ein weiser Plan allzeit gut paßt,
Wohl dem, der ihn beizeiten faßt.
Gar mancher eilt und kommt zu spät,
Der stößt sich bald, der zu rasch geht.
Asahel, einst als schnell bekannt,
Sank hin, durchbohrt von Abners Hand.
An mynem seyl ich draffter yeich
Vil narren / affen / esel / geüch
Die ich verfűr betrüg vnd leych
An meinem Seil' ich nach mir zieh'
Viel' Affen, Esel und Narrenvieh:
Ich täusche, trüge, verführe sie.
XIII.
Von buolschafft
Frow Venus mit dem strœwen ars
Byn nit die mynnst jm narren fars
Ich züch zů mir der narren vil
Vnd mach ein gouch vß wem ich wil
Myn kunden nyemans nennet all
Wer hat gehœrt von Circes stall /
Calypso / der Syrenen joch
Der gdenck / was gwaltes ich hab noch
Welcher meynt das er wytzig sy
Den dunck ich dieff jnn narren bry /
Wer eyn mol wurt von mir verwunt
Den macht keyn krütter krafft gesunt /
Dar vmb hab ich ein blynden sůn /
Keyn bůler sicht was er soll tůn /
Myn sůn ein kindt ist / nit eyn man
Bůler mit kintheit důnt vmbgan /
Von jnn wurt seltten dappfer wort
Glych wie von eynem kindt gehœrt /
Myn sůn stat nackt vnd bloß all tag
Dann bůlschafft nyeman bergen mag /
Bœß lieb die flügt / nit lang sie stat
Dar vmb myn sůn zwen flügel hat /
Bůlschafft ist licht zů aller frist
Nüt vnstætters vff erden ist /
Cupido treit syn bogen bloß
Vff yeder sytt / ein kocher groß /
In eym / hat er vil hocken pfil
Do mit trifft er der narren vil /
Die sint scharpff / guldē / hockecht / spitz
Wer troffen würt / der kumbt von witz /
Vnd dantzt har noch am narren holtz /
Im andern kœcher / vogelboltz
Sint stumpf / mit bly beswert / nit lücht
Der erst macht wunt / der ander flücht
Wæn trifft Cupido / den entzyndt
Amor syn brůder / das er bryndt
Vnd mag nit leschen wol die flam
Die Didoni jr leben nam
Vnd macht das Medea verbrant
Ir kind / den brůder dot mit jr handt
Tereus wer ouch keyn wydhopff nit /
Pasyphae den stier vermitt /
Phedra Theseo fűr nit nach
Noch sűcht an jrem styeff sůn smach /
Nessus wer nit geschossen dott /
Troy wer nit kumen jn solch not /
Scylla dem vatter ließ syn hor
Hyacinthus wer keyn ritter spor /
Leander nit syn schwymmen dæt
Messalina wer jn küscheit stæt
Mars ouch nit jnn der ketten læg
Procris der hecken sich verwæg
Sappho nit von dem berg abfiel
Syræn vmb kerten nit die kyel
Circe ließ faren wol die schiff
Cyclops vnd pann nit leidtlich pfiff
Leucothoe nit wyhrouch gbær
Myrrha wer nit Adonis swær
Byblis wer nit jrm brůder holt
Danæ entpfing nit durch das golt
Nyctimine flűg nit vß by nacht /
Echo nit wer ein stym gemacht /
Tysbe ferbt nit die wissen bœr
Athalanta keyn lœwin wer
Des leuiten wib wer nit gesmæcht
Vnd drumb erschlagen eyn geschlecht
Dauid ließ weschen Bersabe
Samson vertruwt nit Dalide
Die abgœt Salmon nit anbæt
Amon wer an synr swester stæt
Joseph würd nit verklagt vmb suß
Als Bellerophon Hyppolitus
Der wiß man als eyn roß nit gyng
Am thurn Virgilius nit hyng
Ouidius hett des keysers gunst
Hett er nit gelert der bůler kunst
Es kæm zů wißheit mancher me
Wann jm nit wer zůr bůlschafft we
Wer mit frowen hat vil credentz
Dem würt verbrennt syn conscientz
Vnd mag gæntzlich nit dienen got
Wer mit jnn vil zů schaffen hat
Die bůlschafft ist eym yeden stand
Gantz spœtlich / nærrisch / vnd eyn schand
Doch vil schæntlicher ist sie dann
So bůlen důnt allt wib vnd mann /
Der ist eyn narr / der bůlen will
Vnd meynt doch haltten maß vnd zil /
Dann das man wyßheit pfleg vnd bůl
Mag gantz nit ston jn eynem stůl /
Eyn bůler würt verblænnt so gar /
Er meynt / es næm nyeman sin war /
Diß ist das krefftigst narren krutt
Diß kappen klæbt lang an der hütt
13.
Von Buhlschaft
Ich, Venus mit dem strohernem Steiß 51
Bin nicht die letzte des Narrenbreis;
Ich lock' zu mir der Narren viel
Und mach' zum Gauche, wen ich will,
Meine Kunden Niemand nennet all.
Wer je gehört von Circes Stall,
Kalypso, der Sirenen Joch,
Bedenk, welch Macht ich habe noch.
Denn wer meint, daß er weise sei,
Den tauch' ich tief in Narrenbrei,
Und wer einmal von mir wird wund,
Den macht kein kräftig Kraut gesund.
Ich habe einen Sohn, der blind:
Kein Buhler sieht, was er beginnt;
Mein Sohn ein Kind ist, nicht ein Mann:
Und kindisch ist der Buhler Plan;
Sie kennen Worte von Gewicht
Gleich einem kleinen Kinde nicht;
Mein Sohn steht nackt und bloß voran,
Denn Buhlschaft niemand verbergen kann;
Böse Lieb' entfliegt, nicht lang sie steht,
Daher mein Sohn geflügelt geht.
Buhlschaft ist leicht 52 zu aller Frist,
Nichts weniger stet auf Erden ist;
Cupido trägt den Bogen bloß,
An jeder Seit' einen Köcher groß,
In einem hat er Hakenpfeile,
Damit trifft er viel Narrn in Eile,
Sie sind scharf, hakig, gülden, spitz
Und wen sie treffen, verliert den Witz 53
Und tanzt darnach am Narrenholze;
Im andern Köcher die Vogelbolze
Sind stumpf, nicht leicht, beschwert mit Blei,
Macht einer wund, so scheuchen zwei.
Wen traf Cupidos sich're Hand,
Den setzet Amor rasch in Brand,
Daß er nicht löschen kann die Flamm',
Die Dido einst das Leben nahm,
Durch die Medea einst verbrannt
So Kind wie Bruder mit eigner Hand.
Kein Wiedehopf ward Tereus je,
Den Stier vermiede Pasiphae,
Phädra führ' nicht dem Theseus nach,
Sucht' nicht bei ihrem Stiefsohn Schmach;
Nessus wär' nicht geschossen tot,
Troja gekommen nicht in Not;
Es ließe Scylla dem Vater das Haar,
Hyazinth wär' keine Blume fürwahr:
Leander durchs Meer nicht schwimmen tät,
Messalina wäre in Keuschheit stet;
Mars läg' nicht in Ketten um sein Lieben,
Und fern wäre Prokris der Hecke 54 geblieben.
Es stürzte nicht Sappho vom Felsenhang,
Keinen Kiel versehrte Sirenengesang;
Es ließe Circe wohl fahren die Schiffe,
Und Zyklops mit Pan nicht kläglich pfiffe;
Leukothea nicht Weihrauch wär',
Myrrha fiel' nicht Adonis schwer.
Byblis wär' nicht ihrem Bruder hold,
Es empfinge nicht Danae durch Gold,
Nyctimene flöge nicht aus bei Nacht,
Zur Stimme nicht wäre Echo gemacht;
Es färbte nicht Thisbe die Beeren rot,
Atalante schüfe als Löwin nicht Not.
Des Leviten Weib wäre nicht geschwächt
Und darum erschlagen ein ganz Geschlecht;
David ließe baden die Bathseba,
Und Samson nicht traute der Delila;
Nicht betete Salomo Götzen an,
Der Schwester hätt' Amon nichts Böses getan;
Ohn' Grund wär' Joseph verklaget nit
Wie Bellerophon und Hippolyt;
Der Weise 55 wie ein Roß nicht ginge,
Am Turm Virgilius 56 nicht hinge,
Ovidius hätte des Kaisers Gunst,
Wenn er nicht gelehrt der Buhler Kunst. –
Es würde weise mancher Mann,
Doch Buhlschaft hindert ihn daran.
Wer viel mit Frauen hat Kredenz, 57
Dem wird verbrannt sein Konszienz; 58
Es dienet Gott nicht früh noch spat,
Wer viel mit ihnen zu schaffen hat,
Die Buhlschaft wird einem jeden Stande
Zu Spott und Narrheit und zu Schande;
Noch schändlicher ist sie alsdann,
Wenn buhlt im Alter Weib und Mann.
Der ist ein Narr, der buhlen will
Und meint zu halten Maß und Ziel;
Denn daß man Weisheit pfleg' – und buhle,
Verträgt sich nicht auf einem Stuhle.
Ein Buhler wird verblendet gar:
Er meint, es nähm' ihn niemand wahr.
Dies ist das kräftigste Narrenkraut,
Die Kappe klebt lang an der Haut.
Wer spricht das gott barmhertzig sy
Alleyn / vnd (nit) gerecht dar by
Der hat vernůnfft wie genß vnd sü
Wer spricht, daß Gott barmherzig sei
Allein, und nicht gerecht dabei,
Der hat Vernunft wie Gäns' und Säu'.
XIV.
vō vermessenheit gotz
Der schmyert sich wol mit esels schmaltz
Vnd hat die büchsen an dem halß
Der sprechen gtar / das gott der herr
So bærmyg sy / vnd zürn nit ser
Ob man joch ettwann sund volbring /
Vnd wygt die sünden also gering
Das sünden ye sy gantz menschlich
Nůn hab doch gott das hymelrich
Den gensen ye gantz nit gemacht
So hab man allzyt sünd volbracht
Vnd vohe nit erst von nuwem an /
Die Bybel er erzelen kan
Vnd ander sunst hystorien vil /
Dar vß er doch nit mercken will
Das allenthalb die stroff darnach
Geschriben stat / mit plag vnd rach /
Vnd das gott nye die leng vertrűg
Das man jn an eyn backen schlűg /
Gott ist keyn bœhem / oder Datt
Ir sprochen er doch wol verstat /
Wie wol syn bærmung ist on moß /
On zal / gewiecht / vnnentlich groß /
So blibt doch syn gerechtikeyt
Vnd strofft die sünd jn erwikeyt
An allen den / die nit dűnt recht
Gar offt / biß jnn das nünd geschlecht
Barmhertzigkeyt die leng nit stat
Wenn gott gerechtikeyt verlat /
Wor ist / der hymel ghœrt nit zů
Den gensen / aber ouch keyn ků
Keyn narr / aff / esel / oder schwyn
Kumbt yemer ewiklich dar jn /
Vnd was ghœrt jn des tüffels zal
Das nymbt jm nyeman vberal /
14.
Von Vermessenheit gegen Gott
Der schmiert sich wohl mit Eselsschmalz
Und hat die Büchse an dem Hals,
Wer sprechen darf, daß Gott der Herr
Barmherzig sei und zürn' nicht sehr,
Wenn man auch etwa Sünd' vollbringe,
Und wägt die Sünden so geringe,
Daß er sie für ganz menschlich nimmt.
Den Gänsen sei doch nicht bestimmt
Von Gott des Himmelreiches Pracht,
Auch hat man allzeit Sünd' vollbracht
Und fang' nicht erst von neuem an.
Die Bibel er erzählen kann
Und andere Historien viel,
Daraus er doch nicht merken will,
Daß Strafe überall darnach
Geschrieben steht mit Plag' und Rach',
Und daß es Gott nie lang' vertrug,
Wenn man ihn auf den Backen schlug.
Gott ist kein Böhme und Tatar,
Doch ihre Sprache ist ihm klar;
Ist sein Erbarmen noch so groß,
Ohn' Zahl, Gewicht und Maße los,
So bleibt doch die Gerechtigkeit
Und straft die Sünd' in Ewigkeit
An allen, die nicht tuen recht,
Gar oft bis in das neunte Geschlecht.
Barmherzigkeit nicht lang' besteht,
Wenn Gottes Gerechtigkeit vergeht.
Wahr ist's, der Himmel kommt nicht zu
Den Gänsen; doch auch keine Kuh,
Kein Narr, Aff', Esel oder Schwein
Kommt je ins Himmelreich hinein;
Denn was gehört in des Teufels Zahl,
Das nimmt ihm niemand überall.
Wer buwen will / der schlag vor an
Was kostens er dar zů můß han
Er würt sunst vor dem end abstan
Wer bauen will, der schlage an,
Was ihm der Bau wohl kosten kann,
Sonst sieht er nicht das Ende an.
XV.
Von narrechtem anslag
Der ist eyn narr der buwen wil
Vnd nit vorhyn anschlecht wie vil
Das kosten werd / vnd ob er mag
Volbringen solchs / noch sym anschlag
Vil hant groß buw geschlagen an
Vnd mœchtent nit dar by bestan
Der kunig Nabuchodonosor
Erhůb jn hochfart sich entbor
Das er Babylon die grosse statt
Durch synen gwalt gebuwen hatt
Vnd kam jm doch gar bald dar zů
Das er jm feld bleib / wie eyn ků
Nemroth wolt buwen hoch jn lufft
Eyn grossen thurn für wassers klüfft
Vnd schlůg nit an das jm zů swær
Sin buwen / vnd nit mœglich wær
Es buwt nit yeder so vil vß
Als vor zyten dett Lucullus
Wer buwen will / das in nit ruw
Der bdenck sich wol / ee dann er buw
Dann manchem kumbt sin ruw zů spat
So jm der schad jnn seckel gat /
Wer ettwas groß will vnderstan
Der soll sin selbst bewerung han
Ob er mœg kumen zů dem stat
Den er jm für genomen hatt
Do mit jm nit eyn gluck zů fall
Vnd werd zů spot den menschen all /
Vil weger ist / nüt vnderstan
Dann mit schad / schand / gespœt ablan /
Pyramides die kosten vil
Vnd Labyrinthus by dem Nyl /
Doch ist es als nůn langst do hyn /
Keyn buw mag lang vff erd hye syn /
15.
Von törichtem Planen
Der ist ein Narr, der bauen will
Und nicht zuvor anschlägt, wieviel
Es kosten kann, und ob er mag
Vollbringen es nach dem Anschlag.
Groß Werk hat mancher ausersehn
Und konnte nicht dabei bestehn.
Der König Nebukadnezar
vermaß sich einst, zu sagen gar,
Dass Babylon die große Stadt
Durch seine Macht gebaut er hat,
Und doch kam es gar bald dazu,
Daß er im Feld lag wie 'ne Kuh.
Nimrod wollt' bauen in die Luft
Einen Turm, stärker als Wassers Kluft,
Und schlug nicht an, daß ihm zu schwer
Sein Bauen und nicht möglich wär'.
Es baut nicht jeder so geschickt,
Wie es Lucullus einst geglückt.
Wer nicht gern Reu' beim Bau gewinnt,
Bedenk' sich wohl, eh' er beginnt,
Denn manchem kommt die Reu' zu spät,
Dann, wenn es ans Bezahlen geht.
Wer großes Werk zu tun begehrt,
Muß selber erst recht sein bewährt,
Daß er gelangen mög' zum Ziel,
Das er für sich erreichen will,
Damit ihn nicht des Glückes Fall
Mach' zum Gespött den Menschen all'.
Viel besser ist es, nichts beginnen,
Als Schaden, Schand' und Spott gewinnen.
Die Pyramiden kosten viel,
Das Labyrinth auch dort am Nil,
Und mußten doch schon längst vergehn:
Kein Bau der Welt kann lang' bestehn!
Billich jn kunfftig armůt feltt
Wer stæts noch schleck vnd füllen stelt
Vnd sich den brassern zů geselt
In künftige Armut billig fällt
Wer Völlerei stets nachgestellt
Und sich den Prassern zugesellt.
XVI.
von fullen vnd prassen
Der důt eym narren an die schů
Der weder tag noch nacht hat růw
Wie er den wanst füll / vnd den buch
Vnd mach vß jm selbs eyn wynschluch
Als ob er dar zů wer geboren
Das durch jn wurd vil wyns verloren
Vnd er wer eyn tæglicher riff
Der ghœrt wol jn das narren schiff
Dann er zerstœrt vernunfft vnd synn
Das würt er jn dem altter jnn
Das jm würt schlottern kopff vnd hend
Er kürtzt syn leben vnd syn end
Eyn schædlich ding ist vmb den wyn
By dem mag nyeman witzig syn
Wer freüd vnd lust dar jnn jm sůcht
Eyn drunckner mēsch gar nyemâs růht
Vnd weiß keyn moß noch vnderscheit /
Vil vnkusch kumbt vß trunckenheyt /
Vil vbels ouch dar vß entsprinckt /
Eyn wiser ist / wer syttlich drinckt /
Noe mœcht lyden nit den wyn
Der jnn doch fand vnd pflantzet jn /
Lotth sündt durch wyn zůr andern fart /
Durch wyn der toüffer kœppfet wart /
Wyn machet vß eym wysen man
Das er die narren kapp streifft an /
Do Israhel sich füllet wol /
Vnd jnn der buch was me dann vol /
Do fyngen sie zů spyelen an
Vnd můsten do gedantzet yan /
Gott gbot den sűnen Aaron
Das sie syn soltten wynes on /
Vnd alles das do truncken macht
Des priesterschafft doch wenig acht
Do holofernes truncken wart
Verlor den kopff er / zů dem bart /
Thamyris riecht zů spiß vnd tranck
Do sie den künig Cyrum zwang /
Durch wyn lag nyder Bennedab /
Do er verlor noh all sin hab /
All ere vnd tugent gar vergaß
Allexander / wann er truncken was /
Vnd dett gar offt in trunckenheit
Das jm wart selber darnoch leit /
Der rich man tranck als eyn gesell
Vnd aß des morndes jnn der hell /
Der mensch wer fry / keyn knecht gesin
Wann drunckenheit nit wer / vnd wyn /
Wer wyns vnd feißt dings flysset sich
Der wurt nit selig oder rich /
Dem we vnd synem vatter we
Dem wurt krieg / vnd vil vnglucks me
Wer stædts sich fullet wie eyn ků
Vnd will eym yeden drincken zů
Vnd wartten / als das man jm bringt /
Dann wer on not vil wyns vßtrinckt
Dem ist glich / als der vff dem mer
Entschlofft / vnd lyt on synn / vnd wer
Als důnt die vff den praß hant acht
Schlēmen vnd demmen / tag vnd nacht
Den dreit der wirt noch kuntschafft zů
Eyn bůg vnd viertel von eynr ků
Vnd bringt jnn mandel / figen / riß /
So bzalen sie jn vff dem yß
Vil würden bald vast witzig syn
Wann wyßheit stecket jnn dem wyn
Die jnn sich giessen spat vnd frů
Je eyner drinckt dem andren zů /
Ich bring dir eins / ich kützel dich /
Das gbürt dir / der spricht / so wart ich /
Vnd wer mich / biß wir beid sint vol
Do ist den narren yetz mit wol
Eins vff den becher / zwey für den mund
Ein strick an hals wer eym gesundt
Vnd wæger dann sollich füllery
Triben / es ist eyn groß narry /
Die Seneca zittlich für sach
Dar vmb er jnn syn bűchern sprach
Das man würd ettwann geben mer
Eym druncknen / dann eim nűhtern ere
Vnd man wurd wellen gerűmet syn
Das eyner druncken wer von wyn /
Die biersupper ich dar zů meyn
Do eyner drinckt eyn tunn alleyn
Vnd werden do by allso vol
Man lieff mit eym eyn tür vff wol /
Eyn narr můß vil gesoffen han
Eyn wiser mæßlich drincken kan
Vnd ist gesünder vil dar mit
Dann / der mit kübeln jn sich schüt
Der wyn ist gar senfft am jngang
Zů letzst sticht er doch wie eyn schlang
Vnd güßt syn gifft durch alles blůt
Glich wie der Basiliscus důt /
16.
Von Völlerei und Prassen
Der zieht einem Narren an die Schuh,
Der weder Tag noch Nacht hat Ruh',
Wie er den Wanst füll' und den Bauch
Und mach' sich selbst zu einem Schlauch,
Als ob er dazu wär' geboren,
Daß durch ihn ging viel Wein verloren,
Als müßt' ein Reif 59 er täglich sein, –
Der paßt ins Narrenschiff hinein,
Denn er zerstört Vernunft und Sinne,
Das wird er wohl im Alter inne,
Wenn ihm dann schlottern Kopf und Hände;
Er kürzt sein Leben und sein Ende.
Ein schädlich Ding ist's um den Wein,
Bei dem mag niemand weise sein,
Wer nach der Freud' in ihm getrachtet.
Ein trunkner Mensch niemandes achtet
Und weiß nicht Maß noch recht Bescheid.
Unkeuschheit kommt aus Trunkenheit,
Viel Übeles aus ihr entspringt,
Und weis' ist nur, wer mäßig trinkt.
Noah vertrug selbst nicht den Wein,
Der ihn doch fand und pflanzte ein,
Lot ward durch Wein zweimal zum Tor,
Durch Wein der Täufer den Kopf verlor.
Wein machet, daß ein weiser Mann
Die Narrenkapp' aufsetzen kann.
Als Israel sich fühlte wohl
Und ihm der Bauch war mehr als voll,
Begann es übermütig Spiel,
Gottloser Tanz ihm wohlgefiel.
Darum gebot Gott Aarons Söhnen,
Sie sollten sich des Weins entwöhnen
Und alles, was da trunken macht,
– Doch haben's Priester wenig acht!
Als Holofernes trunken ward,
Verlor den Kopf er samt dem Bart;
Thamyris brauchte Speis' und Trank,
Als sie den König Cyrus zwang;
Durch Wein lag nieder Bennedab, 60
Als er verlor all seine Hab';
Der Ehr' und Tugend ganz vergaß,
Alexander, wann er trunken was;
Er tat gar oft in Trunkenheit,
Was ihm darnach ward selber leid;
Der Reiche trank wie ein Zechgeselle
Und aß des Morgens in der Hölle;
Der Mensch könnt' frei, kein Knecht mehr sein,
Wenn Trunkenheit nicht wär' und Wein.
Wer Weins und feisten Dings 61 sich fleißt,
Den niemand reich noch selig heißt,
Ihm Weh und seinem Vater Weh'!
Dem wird nur Streit und Unglück je,
Wer stets sich füllt wie eine Kuh
Und jedermann will trinken zu
Und Zuspruch tut dem, was man bringt.
Denn wer ohn' Not viel Wein austrinkt,
Ist dem gleich, welcher auf dem Meer
Entschläft und liegt ohn' Sinn und Wehr:
So tun, die nur auf Praß bedacht,
Schlemmen und demmen Tag und Nacht.
Trägt denen der Wirt als Kunden zu
Einen Bug und Viertel von einer Kuh
Und bringt ihnen Mandeln, Feigen und Reis:
So bezahlen sie ihn wohl auf dem Eis. 62
Viel würden bald sehr weise sein,
Wenn Weisheit steckte in dem Wein,
Die in sich gießen spat und fruh.
Je einer trinkt dem andern zu:
»Ich bring' dir eins! – Ich kitzle dich! –
Das kommt dir zu!« – Der spricht: »Wart', ich
Will wehrn mich, bis wir beid' sind voll!«
Damit ist Narren jetzo wohl!
Eins auf den Becher, zwei vor den Mund,
Ein Strick an den Hals, wär' einem gesund
Und besser, als so Völlerei
Zu treiben; das ist Narretei,
Wie Seneca schon sah vorher,
Als in den Büchern geschrieben er,
Daß man würd' einmal geben mehr
Dem Trunknen als dem Nüchternen Ehr',
Und daß der würd' berühmet sein,
Der da trunken wär' vom Wein.
Die Biersupper dazu ich meine,
Wenn einer trinkt eine Tonn' alleine
Und wird dabei so toll und voll, –
Man stieß mit ihm die Tür' auf wohl.
Ein Narr muß saufen erst recht viel,
Ein Weiser trinkt mit Maß und Ziel
Und ist dabei doch viel gesunder
Als wer's mit Kübeln schüttet 'runter.
Der Wein geht ein – man merkt es nicht,
Zuletzt er wie die Schlange sticht
Und gießt sein Gift durch alles Blut
Gleichwie der Basiliskus 63 tut.
Wer gůt hat / vnd ergetzt sich mit
Vnd nit dem armen do von gytt
Dem wurt verseit / so er ouch bitt
Wer Gut hat, sich ergötzt damit
Und teilt es nicht dem Armen mit,
Dem wird versagt die eigne Bitt'.
XVII.
Von vnnutzem richtum
Die grœsßt torheit jn aller welt
Ist / das man eret für wißheit gelt /
Vnd zücht harfür eyn richen man
Der oren hat / vnd schellen dran
Der můß alleyn ouch jn den rat
Das er vil zů verlieren hat /
Eym yeden gloubt so vil die welt
Als er hat jnn sinr tæschen gelt
Her pfenning der můß vornen dran
Wer noch jn leben Salomon
Man ließ jn / jnn den rat nit gon
Wann er eyn armer weber wer
Oder jm stünd sin seckel ler /
Die richen ladt man zů dem tisch
Vnd bringt jnn wiltpret / vogel / visch /
Vnd důt on end mit jnn hofiern
Die wile der arm stat vor der tűren
Vnd switzet / das er mœcht erfrieren /
Zům richen spricht man / essen herr /
O pfening / man dűt dir die ere
Du schaffst / daß vil dir günstig sint
Wer pfening hat / der hat vil fründ
Den grűßt vnd swagert yederman /
Wolt eyner gern eyn ee frow han /
Die erst frag ist / was hat er doch /
Man fragt der erberkeyt / nym noch
Oder der wißheit / ler / vernunfft
Man sůcht eyn vß der narren zunfft
Der jnn die mylch zů brocken hab
Ob er joch sy eyn kœppels knab
All kunst / ere / wißheit / ist vmb sunst
Wo an dem pfening ist gebrust
Wer syn or / vor dem armen stopfft
Den hœrt got nit / so er ouch klopft
17.
Von unnützem Reichtum
Die größte Torheit in der Welt
Ist, daß man ehrt vor Weisheit Geld
Und vorzieht einen reichen Mann,
Der Ohren hat und Schellen dran;
Der muß allein auch in den Rat,
Weil er viel zu verlieren hat.
Einem jeden glaubt soviel die Welt,
Als er trägt in der Tasche Geld:
»Herr Pfennig!« der muß stets vornan.
Wär' noch am Leben Salomo,
Man ließ ihn in den Rat nicht so,
Wenn er ein armer Weber wär'
Oder ihm stünd' der Seckel leer.
Die Reichen lädt man ein zu Tisch
Und bringt ihnen Wildbret, Vögel, Fisch
Und tut ohn' Ende ihnen hofieren,
Dieweil der Arme vor der Türen
Im Schweiß steht, daß er möcht' erfrieren.
Zum Reichen spricht man: »Esset, Herr!«
O Pfennig, man gibt dir die Ehr';
Du schaffst, daß viel dir günstig sind:
Wer Pfennige hat, viel Freund' gewinnt,
Den grüßt und schwagert jedermann.
Hält einer um eine Ehfrau an,
Man fragt zuerst: »Was hat er doch?«
Wer fragt nach Ehrbarkeit denn noch
Oder nach Weisheit, Lehre, Vernunft?
Man sucht einen aus der Narrenzunft,
Der in die Milch zu brocken habe,
Wenn er auch sei ein Köppelknabe. 64
Man achtet Kunst, 65 Ehr', Weisheit nicht,
Wo an dem Pfennig es gebricht.
Doch wer sein Ohr vor dem Armen stopft,
Den hört Gott nicht, wenn er auch klopft.
Der vocht zwen hasen vff ein mol
Wer meynt zweyn herren dienen wol
Vnd richten vß me dann er sol
Der setzt zwei Hasen sich zum Ziel,
Wer zweien Herren dienen will
Und ladet auf sich allzuviel.
XVIII.
Vō dienst zweyer herrē
Der ist eyn narr der vnderstot
Der welt zů dienen / vnd ouch got
Dann wo zwen herren hat eyn knecht
Der mag jn nyemer dienen recht
Gar offt verdürbt eyn hantwercksman
Der vil gewærb vnd hantwerck kan
Wer jagen will / vnd vff eyn stund
Zwen hasen vohen / mit eym hund
Dem wurd ettwan kum eyner wol
Gar dick würt jm gantz nůt zůmol
Wer schiessen vß vil armbrust will
Der trifft kum ettwan wol das zil
Wer vff sich selbst vil æmpter nymbt
Der mag nit tůn das yedem zymbt
Der hye můß syn vnd anderswo
Der ist reht weder hie noch do
Wer tůn will das eym yeden gfalt
Der můß han ottem warm vnd kalt
Vnd schlucken vil das jm nit smeckt
Vnd strecken sich noch der gedeckt
Vnd künnen pfulwen vnderstrowen
Eym yeden vndern ellenbogen
Vnd schmyeren yedem wol syn styrn
Vnd lůgen das er keynen erzürn
Aber vil æmpter schmecken wol
Man wermbt sich bald by grossem kol
Vnd wer vil wyn versůchen důt
Den dunckt doch nit eyn yeder gůt
Dann schlæcht gesmydt / ist bald bereit
Dem wisen liebt eynfaltikeyt
Wer eynem dient / vnd důt jm recht
Den halt man für eyn truwen knecht
Der esel starb / vnd wart nie satt
Der all tag nuwe herren hatt
18.
Vom Dienst zweier Herren
Der ist ein Narr, dem es gefällt,
Daß Gott er diene und der Welt;
Denn wo zwei Herren hat ein Knecht,
Der kann ihnen dienen nimmer recht.
Gar oft verdirbt ein Handwerksmann,
Der viel Gewerb' und Künste kann.
Wer jagen will zu einer Stund
Und fahn zwei Hasen mit einem Hund,
Dem wird kaum einer wohl zuteil
Und oft gar nichts – trotz aller Eil'.
Wer mit viel Bogen schießen will,
Der trifft wohl kaum einmal das Ziel;
Und wer viel Ämter auf sich nimmt,
Der kann nicht tun, was jedem 66 ziemt;
Wer hier muß sein und doch auch dort,
Ist weder hier noch dort am Ort;
Wer tun will, was einem jeden gefällt,
Des Odem sei warm und kalt bestellt,
Der schlucke viel, was ihm nicht schmecke,
Und strecke sich nach jeder Decke,
Der möge Pfühle unterschieben
Dem Arme jedes nach Belieben,
Und salben jedem wohl die Stirne
Und sehen, daß ihm keiner zürne.
Aber viel Ämter schmecken gut,
Man wärmt sich bald bei großer Glut,
Und wer der Weine viel erprobt,
Darum noch nicht jedweden lobt.
Ein schlicht Geschmeid ist bald bereit,
Der Weise lobt Einfältigkeit; 67
Wer einem dient und tut dem recht,
Den hält man für den treusten Knecht.
Der Esel stirbt und wird nie satt,
Der täglich neue Herren hat.
Wer syn zung vnd syn mundt behűt
Der schyrmt vor angst / sel / vnd geműt
Eyn specht sin jung mit gschrey verriet
Wer Zung' und Mund nimmt in die Hut,
Der schirmt vor Angst sich Seel' und Mut: 68
Ein Specht verrät sein eigen Blut.
XIX.
Von vil schwetzen
Der ist eyn narr der anden wil
Dar zů sunst yederman swigt still
Vnd wil on not verdienen haß
So er mit ere mœcht schwigen baß
Wer reden wil / so er nit sol
Der fügt jn narren orden wol
Wer antwurt / ee man froget jn
Der zeigt sich selbs eyn narren syn
Mancher hatt von sym reden freid
Dem doch dar vß kumbt schad vnd leid
Mancher verlaßt sich vff syn schwætzen
Das er eyn nuß redt von eynr hætzen
Des wort die sindt so starck vnd tieff
Das er eyn loch redt jn eyn brieff
Vnd richtet zů eyn gschwætz gar licht
Aber wenn er kumbt zů der bicht
Do es jm gyltet ewig lon
So will die zung von stat nit gon /
Es sindt vil Nabal noch vff erd
Die schwætzen me dan (jn) gůt werd /
Mancher für witzig würd geschetzt
Wann er sich nit hett selbst verschwætzt
Eyn spæcht verradt mit syner zung
Das man syn næst findt / vnd die jung
Mit schwigen man veranttwurt vil
Schaden entpfocht / wer schwætzen wil /
Es ist die zung eyn kleyn gelyd
Bringt doch vil vnrů / vnd vnfrid
Befleckt gar dick den gantzen lib
Vnd macht vil zancken / krieg / vnd kyb
Vnd ist eyn wunder groß jn mir
Das man macht zam eyn yedes thier
Wie hert / wie wild / wie grymm das ist /
Keyn mensch synr zungen meister ist
Zung ist eyn vngerűwigs gůt
Vil schaden sy dem menschen důt /
Durch sie so důnt wir scheltten gott
Den næchsten gschmæhen wir mit spot
Mit flůchen / nochred / vnd veracht
Den gott noch sym bild hat gemacht /
Durch sie / verrotten wir vil lüt
Durch sie / blibt vnuerschwigen nüt /
Mancher durch gschwætz sich so begot
Er darff nit kouffen wyn noch brot
Die zung die brucht man in das recht
Durch sie würt krū das vor was schlecht
Durch sie / verlűrt manch armer man
Syn sach / das er můß bettlen gan /
Schwætzer ist nüt zů reden vil
Er kitzt sich / vnd lacht wann er wil
Vnd redt keym menschen üt gůts noch
Er sy joch nyder oder hoch /
Welch machen groß geschrey vnd braht
Die lobt man yetz vnd hat jr acht
Vor vß welch kœstlich jnhar gant
Vil grosser rœck vnd ring an hant
Die fűgen yetz wol für die lüt
Eyns dünnen rocks acht man yetz nüt /
Wer noch vff erd Demosthenes
Tullius oder Eschynes
Man geb jn durch jr wißheyt nüt
Wann sie nit kündent bschissen lüt
Vnd reden vil geblűmter wort
Vnd was eyn yeder narr gern hort /
Wer vil redt / der redt dick zů vil /
Vnd můß ouch schiessen zů dem zil
Werffen den schlegel verr vnd witt
Vnd rinckengyessen zů widerstrit
Vil schwætzen ist seltten on sünd
Wer vil lügt / der ist nyemans fründ
Wer herren vbel redet üt
Das blibt verschwygen nit lang zit
Ob es joch ver geschæh von jm
Die vogel tragen vß din stym
Vnd nymbt die leng nit wol gůt end
Dann herren hant gar lange hend /
Wer vber sich vil howen wil
Dem fallen spæn jn die ougen vil
Vnd wer syn mundt jnn hymel setzt
Der würt offt mit sym schad geletzt /
Eyn narr syn geist eyns mols vff schytt
Der wis schwigt vnd beit kunfftig zytt
Vß vnnütz red / keyn nutz entspringt
Schwætzē me schad dañ frommē bringt
Dar vmb vil wæger ist geschwygen
Dann schwætzen reden oder schryen
Sotades durch wenig wort
Gekerckert wart als vmb eyn mort /
Es sprach alleyn Theocrytus
Das einoygig wer Antigonus /
Vnd starb drumb jn sym eygnen huß
Als Demosthenes vnd Tullius
Schwigen ist loblich / recht / vnd gůt
Besser ist red / der jm recht důt
19.
Von vielem Schwatzen
Der ist ein Narr, wer tadeln will,
Wozu sonst jedermann schweigt still,
Und will unnötig haben Haß,
Wo er doch könnte schweigen baß.
Wer reden will, wo er nicht soll,
Der taugt zum Narrenorden wohl;
Wer ohne Frage gibt Bescheid,
Der zeiget selbst sein Narrenkleid.
Von solcher Red' wird mancher ergötzt,
Die in Schaden ihn und Leid versetzt,
Und mancher verläßt sich auf sein Schwätzen,
Daß er eine Nuß red' von einer Hätzen, 69
Des Worte sind so stark und tief,
Er schwatzt ein Loch in einen Brief 70
Und richtet an ein Geschwätz gar leicht.
Doch wenn er kommt dann zu der Beicht',
Wo man doch ewigen Lohn verheißt,
Geht ihm die Zunge nicht so dreist.
Noch sind viel Nabal auf der Erde,
Die schwätzen mehr, als gut ihnen werde,
Und mancher würde für klug geschätzt,
Wenn er nicht selbst sich hätte verschwätzt:
Ein Specht verrät mit seiner Zungen
Das eigne Nest mitsamt den Jungen.
Im Schweigen liegt oft Antwort viel,
Und Schaden hat, wer schwatzen will.
Oft trägt die Zunge, ein Glied so klein,
Unruhe und Unfrieden ein,
Befleckt gar oft den ganzen Mann
Und stiftet Streit, Krieg, Zanken an;
Ein großes Wundern ist in mir,
Daß man bezähmt ein jedes Tier,
Wie hart, wie wild, wie grimm es ist:
Doch keiner seiner Zunge Meister ist!
Sie ist ein unruhiges Gut,
Das Schaden oft dem Menschen tut;
Durch sie wird oft gescholten Gott,
Den Nächsten schmähen wir mit Spott,
Mit Fluchen, Nachred' und Veracht,
Den Gott nach seinem Bild gemacht;
Gar mancher wird durch sie verraten,
Sie offenbart geheimste Taten.
Durch Schwatzen mancher sich so nährt,
Daß Wein und Brot er nicht mehr begehrt;
Die Zunge braucht man in dem Recht,
Daß krumm wird, was zuvor war schlecht; 71
Manch armer Narr verliert die Habe
Durch sie und greift zum Bettelstabe.
Dem Schwätzer kostet das Reden nicht viel,
Er kitzelt sich, lacht, wann er will,
Und redet Gutes in der Welt
Von keinem, wie der auch gestellt.
Wer viel Lärm und Geräusch jetzt macht,
Den lobt man und hat seiner acht,
Zumal wer köstlich geht einher
Mit dicken Röcken und Ringen schwer;
Die taugen jetzt wohl für die Leute,
Man achtet dünnen Rocks nicht heute.
Wenn noch auf Erden Demosthenes
Oder Tullius wäre und Aeschines,
Man schätzte nicht ihre Weisheit heute,
Wenn sie nicht könnten bescheißen die Leute,
Und reden viele Worte geschmückt,
Welche zu hören Narren entzückt.
Wer vieles spricht, sagt oft zu viel,
Und muß auch schießen nach dem Ziel,
Werfen den Schlägel fern und weit
Und Ränke schmieden im Widerstreit. 72
Viel Schwätzen sündigt und betrügt,
Und keines Freund ist, wer viel lügt,
Und wer vom Herren Übles spricht,
Das bleibt verschwiegen lange nicht,
Wenn es auch fern geschäh' von ihm:
Die Vögel tragen aus die Stimm',
Es nimmt zuletzt kein gutes Ende,
Denn Herren haben lange Hände.
Wer über sich viel hauen will,
Dem fallen Spän' ins Auge viel,
Und wer seinen Mund in den Himmel setzt, 73
Der wird mit Schaden oft geletzt.
Ein Narr den Geist auf einmal zeigt,
Der Weise Besseres hofft und – schweigt.
Unnützes Wort keinen Nutzen bringt,
Und aus Geschwätz nur Schad' entspringt.
Darum ist besser Stillesein
Als Schwatzen, Reden oder Schrein.
Sotades ward um wenig Wort'
Einst eingekerkert wie um Mord.
Es sprach nur dies Theokritus:
Einäugig sei Antigonus,
Da war's mit ihm im eignen Haus
Wie mit Tullius und Demosthenes aus.
Schweigen ist löblich, recht und gut,
Wer weise spricht, stets besser tut.