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Tagelied oder Wächterlied 2
 
Steinmar
Konrad von Würzburg
Liederbuch der Clara Hätzlerin
Kristan von Hamle
Burggraf von Lienz
Wenzel von Böhmen
Walther von der Vogelweide
Mönch von Salzburg

 

Steinmar
 
 
Ein kneht, der lag verborgen
 
Ein Knecht lag heimlich
 
1.
Ein kneht, der lag verborgen,
bî einer dirne er slief,
unz ûf den liehten morgen.
der hirte lûte rief:
»Wol ûf, lâz ûz die hert!«
des erschrak diu dirne
und ir geselle wert.

2.
Daz strou, daz muost er rûmen
und von der lieben varn.
Er torste sich niht sûmen,
er nam si an den arn.
Daz höi, daz ob im lag,
daz ersach diu reine
ûf fliegen in den dag.

3.
Davon si muoste erlachen,
ir sigen diu ougen zuo.
So suozze kunde er machen
in dem morgen fruo
Mit ir daz bettespil.
wer sach ân geraete
ie fröiden mê so vil!

~0~~0~~0~

 
1.
Ein Knecht lag heimlich
bei einer Magd und schlief
bei ihr bis in den hellen Morgen.
Der rief der Hirte laut:
»Auf, laß die Herde hinaus!"
Darüber erschraken die Magd
und ihr Liebster.

2.
Er mußte das Stroh verlassen
und sich von seiner Liebsten trennen.
Er traute sich nicht, länger zu bleiben.
Er nahm sie in seine Arme.
Das Heu, das auf ihm lag,
sah die Schöne
in den Tag auffliegen.

3.
Darüber mußte sie lachen.
Vergnügt schloß sie die Augen,
so zärtlich konnte er
an diesem frühen Morgen
mit ihr das Liebesspiel spielen.
Wer hat je größeres Glück gesehen,
so ohne jeden Aufwand.

~0~~0~~0~

 
Swer tougenliche minne hât
 
Wer ein heimliches Liebesverhältnis hat
 
1.
Swer tougenliche minne hât,
der sol sich wênig an den lân,
Den man so grôzze missetât
an sînem herren siht begân,
Dem er bewachen guot und êre sol!
lât er den gast ûf schaden în,
wie solt ich dem getrûwen wol?

2.
Waer ich so minneklîch gelegen
bî liebe tougen ûf den lîp,
so wolt ich wênig slâfes pflegen,
dur mich und durch daz reine wîb.
Mir selbem sô wolt ich getrûwen baz,
danne ieman, der mich weken solte.
so wê im, man dâ vergaz!

3.
Die merker und darzuo der slâf,
die könden wênig mir geschaden.
Ich huote ouch vor der merker strâf:
waer ich zuo liebe alsô geladen,
daz ich da hôhe fröide solte hân,
so nüest er sîn ein staeter friunt,
den ich daz wizzen solte lân.

~0~~0~~0~

 
1.
Wer ein heimliches Liebesverhältnis hat,
der darf sich nicht dem anvertrauen,
den man so großes Unrecht an seinem
Herrn verüben sieht, dessen Besitz und Ansehen
er eigentlich beschützen soll. Wenn der den
Besucher zum Schaden seines Herrn hereinläßt,
wie könnte ich dem vorbehaltlos vertrauen?

2.
Läge ich heimlich und unter Lebensgefahr
zärtlich bei meiner Geliebten,
so würde ich mir um meinet- und der schönen
Frau willen keinen Schlaf gönnen.
Ich würde mich lieber auf mich selbst verlassen
als auf irgend jemand, der mich wecken sollte.
Wehe dem, den man dort vergaß!

3.
Die Aufpasser und selbst der Schlaf könnten mir
nichts anhaben. Ich würde mich auch vor den
Anschuldigungen der Aufpasser in acht nehmen.
Wenn ich mich mit meiner Geliebten treffen würde,
um mit ihr höchstes Glück zu genießen,
so dürfte es nur ein zuverlässlicher Freund sein,
den ich dies wissen ließe.

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Konrad von Würzburg
 

 
Swâ tac erschînen sol zwein liuten
 
Wo immer der Tag für zwei Menschen anbricht
 
Swâ tac erschînen sol zwein liuten,
die verborgen inne liebe stunde müezen tragen,
dâ mac verswînen wol ein triuten:
nie der morgen minnediebe kunde büezen clagen.
er lêret ougen weinen trîben;
sinnen wil er wünne selten borgen.
swer mêret tougen reinen wîben
minnen spil, der künne schelten morgen.

~0~~0~~0~

 

Wo immer der Tag für zwei Menschen anbricht, die
die Stunde ihrer Liebe im Verborgenen verbringen müssen,
da wird jede Zärtlichkeit unweigerlich ein Ende haben.
Noch nie konnte der Morgen dem, der sich die Liebe
stehlen muß, die Trauer ersparen. Vielmehr lehrt er
die Augen zu weinen. Niemals wird er den Sinnen Freude
bereiten. Jeder, der schönen Frauen heimlich Liebeswünsche
erfüllt, hat Grund, den Morgen zu schelten.

~0~~0~~0~

 
Ich sihe den morgensternen glesten
 
Ich sehe den Morgenstern glänzen
 
1.
»Ich sihe den morgensternen glesten!«
rief ein wahter überal.
»swer nâch sînes herzen wal
hie minne tougen sunder lougen
ûf dem sal, der scheide sich enzît
von liebe daz im nâhe lît.
vil unverborgen ûf den esten
manec wildiu nahtegal
lûte doenet âne zal.
den tac vermelden in den welden
kann ir schal: dâ warne ich friunde bî,
dur daz in gâch von minnen sî,
ê den palas erliute
daz froelîche mogenrôt.
ein scheiden mich von liebe diute
waeger danne ein grimmeclicher tôt.
diz merke ein ritter, dem ze bitter
al sîn fröude werden mac,
ob er langer ûf den tac
wil spulgen hinne süezer minne:
swer gepflac der mâze an liebe nie,
dem misselanc an minnen ie«

2.
Ein frouwe schoene von der stimme
sêre und inneclîche erschrac,
dô si liebe nâhe lac;
ir jâmerwunde gar ze grunde
tiefe wac; diu reine sprach: »owê!
nu muoz ich truren aber als ê.
der minne loene sint ze grimme,
wol ich daz erkennen mac:
wande ir fröude ist mir ein slac
sî ich dur dîne glanzen schîne,
leider tac, vermîden sol mîn liep.
du waere ie mînes heiles diep,
der mîn gelücke stôrte
mit unsaelden kumberlich:
swenn ich den morgen nennen hôrte,
sô verbarc mîn hôchgemüete sich.
geselle reine, dem ich eine
ganzer triuwe schuldec bin,
wache und île von mir hin!
der tac ûf dringet unde bringet
leiden sin, der mich an liebe wunt
wil machen ûf des herzen grunt.«

3.
Dem Ritter küene sorge entsperret
wart von jâmer inneclich,
zuo der schoenen twanc er sich;
er sprach: »<trût> herze, bitter smerze
lêret mich daz ich von sender nôt
gelige an hôher wunne tôt.
mîn fröude grüene wirt gederret,
mîde ich unde lâze dich.
herzetroesterinne, sprich:
waz sol mîn werden ûf der erden,
frouwe, ob ich ze lange schiuhen muoz
dich unde dînen werden gruoz?
du solt mir des gelouben,
daz ich kûme dîn enbir.
uns wil der morgen fröuden rouben:
lege mich, trût, ein wênec nâher dir!
an dînen armen lâz erwarmen
mich, vil reine saele wîp,
unde twing ouch dînen lîp
zuo mînem herzen! senden smerzen
dû vertrîp und gib ein küssen mir!
dâ mite scheide ich mich von dir.«

~0~~0~~0~

 
1.
»Ich sehe den Morgenstern glänzen!«
rief ein Wächter laut.
»Wenn jemand tatsächlich hier
in diesem Haus heimlich der Liebe nachgeht,
so wie es sein Herzenswunsch ist,
dann möge er sich bald von
seiner Liebsten trennen, die bei ihm liegt.
Hell und unüberhörbar singen auf den Ästen
bereits unzählige übermutige Nachtigallen.
Ihr Gesang kündigt in den Wäldern
den Tag an. Deshalb warne ich die Liebenden,
damit sie ihr Liebesspiel eilig beenden,
bevor das heitere Morgenrot den Palas erhellt.
Sich von der Geliebten zu trennen
erschiene mir besser als ein furchtbarer Tod.
Dies nehme sich ein Ritter zu Herzen,
dessen ganzes Glück sehr bitter werden kann,
wenn er hier drinnen noch länger
in den Tag hinein
zärtlicher Liebe nachgehen will.
Wer in der Liebe nie maßvoll gewesen ist,
dem ist sie stets zum Verhängnis geworden.«

2.
Eine schöne Dame erschrak zutiefst
über den Ruf des Wächters,
als sie bei ihrem Geliebten lag,
Der große Schmerz erschütterte
ihr Innerstes. Die edle Frau sagte: »Ach!
Nun werde ich wieder wie zuvor traurig sein.
Der Lohn der Liebe bereitet zuviel Schmerz,
das erkenne ich genau, denn ihr Glück
ist für mich ein herber Schlag,
seitdem ich mit meinem Geliebten wegen
deiner hellen Strahlen, verfluchter Tag, nicht
länger zusammen sein darf. Du bist schon
immer der Dieb meines Glücks gewesen,
der es durch schmerzliches Unglück zerstörte.
Sobald ich hörte, daß man den Morgen
ankündigte, verschwand meine Freude.
Edler Freund, dem ich allein
unverbrüchliche Treue schulde,
wach auf und eile von mir fort.
Der Tag bricht an und versetzt mich
in eine traurige Stimmung,
die mich im tiefsten Herzen freudlos macht.«

3.
Der große Schmerz machte den
unerschrockenen Ritter Angst.
Er drückte die schöne Frau fest an sich
und sagte: »Liebste, ein bitterer Schmerz
läßt mich erkennen, daß ich vor
Sehnsuchtsqualen wie tot bin und keinerlei
Freude mehr empfinde. Mein blühendes Glück
verdorrt, wenn ich weggehe und dir fern bin.
Meines Herzens-Zuversicht, sage mir,
was soll aus mir werden auf dieser Welt,
Herrin, wenn ich dich und deinen
lieben Gruß allzu lange meiden muß?
Du mußt mir glauben,
daß ich ohne dich nicht sein kann.
Der Morgen will unser Glück rauben.
Laß uns noch ein wenig näher
zusammenrücken, Liebste.
Wärme mich in deinen Armen,
wundervolle Frau, und dränge auch du dich
ganz nah an mein Herz.
Vertreibe den Sehnsuchtsschmerz und küsse mich.
Auf diese Weise nehme ich Abschied von dir.«

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aus dem
Liederbuch der Clara Hätzlerin

 
 
Lig still meins hertzen trautt gespil
 
Bleib ruhig liegen, mein Herzallerliebster
 
1.
»Lig still meins hertzen trautt gespil,
Wann es ist noch nit morgen,
Der Wächter uns betrügn wil,
Der Mon hat sich verporgen.
Man sicht noch vil der sterne glast
Her durch die wolcken dringen;
Lig still by mir ain weil und rast,
Und lasz den wachter singen.«
Hie ist erfrät ain traurigs hertz!
Ummuot muosz uns entweichen;
Der sich nit kert an senlich schmertz,
Der muosz an fräden reichen.


2.
Sy sprach: »mein hordt, der lieben mer;
Muosz ich bey dir beleiben,
So ist zergangen all mein swär.
Wir wöllen kurtzweil treiben,
Das dich und mich erfräen mag,
Darein will ich mich setzen.«
Sy sprach: »es ist noch nyendert tag,
Wir wöllen uns laids ergetzen.«
Hie ist erfrät ain traurigs hertz!
Ummuot muosz uns entweichen;
Der sich nit kert an senlich schmertz,
Der muosz an fräden reichen.


3.
Sy truckt ain prüstlin an das mein.
Mein hertz wolt mir zerspringen.
Sy sprach: »lasz dir bevolhen sein
Mein Er vor allen dingen,
Und schliüsz uff deine ärmlen planck,
Darynn so will ich rasten.«
Ze hannd der wachter aber sangk:
>Ich sich des tages glaste.<
Hie ist erfrät ain traurigs hertz!
Ummuot muosz uns entweichen;
Der sich nit kert an senlich schmertz,
Der muosz an fräden reichen.


~0~~0~~0~

 
1.
»Bleib ruhig liegen, mein Herzallerliebster,
denn es ist noch nicht Morgen.
Der Wächter will uns betrügen,
es hat sich nur der Mond verborgen.
Man sieht noch überall den Glanz der Sterne
durch die Wolken dringen.
Bleib noch eine Weile ruhig bei mir liegen
und ruh dich aus und laß den Wächter singen.«
Nun ist ein unglückliches Herz wieder froh.
Traurigkeit sei fern von uns.
Wer sich Sehnsuchtsschmerz nicht zu Herzen
nimmt, der wird immer glücklicher.


2.
Sie sagte: »Mein Schatz, schenk mir noch mehr
von deiner Liebe. Kann ich bei dir bleiben,
so löst sich mein ganzer Schmerz in nichts auf.
Wir wollen uns so vergnügen,
daß wir unsere Freude daran haben.
Das will ich mir vornehmen.«
Sie sagte: »Es ist noch keineswegs Tag.
Wir wollen gemeinsam das Leid vergessen.«
Nun ist ein unglückliches Herz wieder froh.
Traurigkeit sei fern von uns.
Wer sich Sehnsuchtsschmerz nicht zu Herzen
nimmt, der wird immer glücklicher.


3.
Sie drückte ihre kleine Brust an die meine,
mein Herz wollte mir zerspringen.
Sie sagte: »Laß dir vor allen Dingen
mein Ansehen anvertraut sein.
und öffne deine nackten Arme.
Darin will ich ausruhen.«
In diesem Augenblick sang der Wächter erneut:
>Ich sehe den Glanz des anbrechenden Tages.<
Nun ist ein unglückliches Herz wieder froh.
Traurigkeit sei fern von uns.
Wer sich Sehnsuchtsschmerz nicht zu Herzen
nimmt, der wird immer glücklicher.


~0~~0~~0~

 
Ich will gen dieser vasennacht
 
Ich will an diesen Fastnachtstagen
 
1.
Ich will gen dieser vasennacht
Frisch und frey beleiben,
He und will auch als mein ungemach
Gar frölich von mir treiben,
Des hab ich guoten willen.
Ich hett ain puolen, hiesz Hille;
He sy batt mich, das ich zu ir käm
Dörtt oben uf die dillen.

2.
Da ich uff die dillen tratt,
Da vand ich die guoten,
Ich viel in die vederwat,
Das mir mein kny ward pluoten.
Ich lebet in der wunne,
Die vederwat was dünne,
Ich ruofft an crist von himel,
Das ich ir entrunne.

3.
Die nacht verharrt ich ganz by ir,
Sy schmuckt mich zu ir schone,
Ain rippeln, kratzen das ward mir
Von der lieben ze lone.
Sy legt sich an den ruggen,
Sy gund sich kratzen und iucken
He die gantzen nacht. der wantzen macht,
Die lews pissen mir lucken.

4.
Sy muost fruo in die kirchen
Und bat mich umb ain gabe:
Siben tag für ain wochen
Die müst sy von mir haben.
Da lebt ich in der wunne,
Die vederwat was dünne,
Ich ruoft an crist von himel,
Das ich ir entrunne.

5.
Des morgens, als nu taget es,
Die sunn schain an die wende,
Ich ergraiff da all mein hesz
Und entran ir in aym hemde.
Da schied ich von der cluogen
Gar hoflich mit fuogen;
got danck den lieben füssen mein,
Die mich von danen trugen!

~0~~0~~0~

 
1.
Ich will an diesen Fastnachtstagen
fröhlich und ungebunden bleiben,
und will auch meinen ganzen Kummer
vergnügt loswerden.
Das habe ich mir fest vorgenommen.
Ich hatte eine Liebste, die hieß Hille.
Hei! Sie bat mich, zu ihr oben
auf den Dachboden zu kommen.

2.
Da ich auf den Dachboden kam,
fand ich die Gute dort schon.
Ich ließ mich in das Federbett fallen,
daß mir meine Knie anfingen zu bluten.
Ich erlebte das reinste Glück.
Das Federbett war dünn.
Ich flehte Christus im Himmel an,
daß ich ihr entkäme.

3.
Die ganze Nacht blieb ich bei ihr.
Sie drückte mich eng an sich.
Zum Lohn erhielt ich von der Liebsten
Kratzen und Scheuern.
Sie legte sich auf den Rücken
und begann sich zu kratzen und zu jucken,
hei! die ganze Nacht lang. Eine Unmenge
von Wanzen und Läusen zerbissen mich völlig.

4.
Sie mußte früh in die Kirche
und bat mich um eine Gabe.
Sieben Tage für eine Woche
kann sie allenfalls von mir haben.
Dort erlebte ich das reinste Glück.
Das Federbett war dünn.
Ich flehte Christus im Himmel an,
daß ich ihr entkäme.

5.
Gegen Morgen, als der Tag anbrach,
beschien die Sonne die Wände.
Da packte ich all meine Kleider
und machte mich im Hemd davon.
Formvollendet, wie es sich gehört,
nahm ich so Abschied von der Feinen.
Gott lohn es meinen lieben Füßen,
die mich davontrugen.

~0~~0~~0~

 
Kristan von Hamle
 

 
Ich bin der lieben liebiu maere singet
 
Ich bin der, der zwei Liebenden Angenehmes ankündigt
 
1.
»Ich bin der lieben liebiu maere singet
und der lieb von liebe dicke unsanfte bringet.
swaz ich sol, daz leiste ich in mit triuwen gar:
bringe ich lieb ze liebe, ist beiden lieb al dar,
singe ab ich ein scheiden, nement sies vil kleine war.«

2.
>Wahtaer, wie mag dich sô kurzer wîle erlangen,
sît ich hân den lieben man zuo mir gevangen,
der mir an dem arme und in dem herzen lît
unde mir für sende sorge spilnde fröide gît?
wahtaer, bekennest dû des mânen schîn für tages zît?<

3.
»Frouwe, ich kan ze hulden iu niht wol gesingen:
got der lâze iu beiden iemer wol gelingen!
iedoch klag ich den edeln werden süezen man;
mir ist leit, sol ich im helfen niht von dan.
wol im der bî liebe leides sich behüeten kan!«

4.
>Sît dîn rât mit triuwen vert, wahtaere guote,
sô gang von der wer her umbe an dise huote.
ja getorste ich dir mîn leit wol geklagen ê:
owê liebes mannes und mîns herzen wê!
wahtaere, nim mîn golt und hilf im hin, swiez mir ergê.<

~0~~0~~0~

 
1.
»Ich bin der, der zwei Liebenden Angenehmes ankündigt
und sie doch häufig auch unerbittlich voneinander trennt.
Was meine Aufgabe ist, das erledige ich in treuer Ergebenheit für sie.
Bringe ich den Geliebten zu seiner Liebsten, so freuen sich beide sehr.
Kündige ich mit meinem Singen aber den Abschied an, so wollen sie das nicht wahrhaben.«

2.
>Wächter, wie kann dir die kurze Zeit so lang vorkommen,
die vergangen ist, seit ich meinen Geliebten eng umschlungen habe,
der in meinen Armen liegt und in meinem Herzen ist
und der mir meinen Sehnsuchtsschmerz mit vergnüglichen Freuden vertreibt?
Wächter, hältst du etwa den Schein des Mondes für den anbrechenden Tag?<

3.
»Herrin, ich kann Euch nichts singen, was mir Euer Wohlwollen einbringen würde.
Gott möge dafür sorgen, daß es euch beiden immer gut geht.
Allerdings klage ich um Euren vortrefflichen, edlen Geliebten.
Es betrübt mich, wenn ich ihm nicht helfen kann, von hier fortzukommen.
Wohl dem, der sich in der Liebe vor Leid bewahren kann.«

4.
>Da dein Rat, lieber Wächter, aufrichtiger Trauer entspringt,
so komme vom Wehrgang herunter an diesen geschützten Platz.
Ich habe es wirklich nicht gewagt, dir meinen Schmerz früher zu klagen.
O weh über den Schmerz des Geliebten und den meines eigenen Herzens.
Wächter, nimm mein Gold und hilf ihm fort, wie auch immer es mir dabei ergehen mag.<

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Burggraf von Lienz
 

 
Ez gienc ein juncfrou minneclîch
 
Eine hübsche junge Dienerin
 
1.
Ez gienc ein juncfrou minneclîch
zem wahter an die zinne stân:
»wahtaer, wis hôhes muotes rîch:
sehst ieman tougen zuo dir gân,
sô sprich vil lîse >wer gêt dâ?<
und ouch niht frevenlîche gar.
sprech er dann balde zuo dir >jâ,<
sô wizzest daz er rehte var.
du winke im an daz vensterlîn;
des lônet dir diu frouwe mîn.«

2.
Diu wîle was niht lanc dar nâch,
der hôchgelopte der kam sâ.
dem wahter was zer miete gâch,
er sprach vil balde »wer gêt dâ?«
>daz bin ich der der minne gert:
wachtaer, du hüete hôh embor.<
»ir mügt wol sîn der minne wert.
stêt eine wîle noch dâ vor.«
ein in verlâzen wart im kunt.
er kuste ir rôsenrôten munt.

3.
»Der morgen niht erwinden wil«,
sô sanc ein wahter alsô wol,
»swer langer slâfet, dest ze vil.
ich warne als ich von rehte sol.
unschuldic wil ich sîn dar an,
sol zwein gelieben iht geschehen.
den tac nieman erwenden kan.
ich sihe den morgenstern ûf brehen
vil liehte als er noch dicke tuot.
nu wache, ein ritter hôchgemuot!«

4.
Diu saelderîche sêre erschrac,
dô sî vernam diu maere alsô.
»Nu wol ûf, ritter, ez ist tac!«
sô sprach diu minneclîche dô.
»du lâ mich dir bevolhen sîn
als dû mir bist für alle man:
bî mir hân ich daz herze dîn,
des mînen ich dir vil wol gan.
dem hôhsten gote bevilhe ich dich:
ein scheiden von dir riuwet mich.«

5.
Urloup der ritter dô genam
von der vil lieben frouwen sîn
als ez den senelîchen zam,
den wart von minnen jâmer schîn.
ein lieplîch wehsel dâ geschach.
mit mangem kusse de ergienc.
ir herze im durch daz sine brach,
mit armen er sî umbevienc.
nâch liebe kumt et dicke leit.
von danne schiet der helt gemeit. —


6.
Ez nâhet daz ich scheiden muoz:
wie sol ich mich der friunde erwegen,
ich 'nbiute in allen mînen gruoz:
daz ir der hôhste müeze pflegen!
ich hân gedingen in daz lant
dâ got vil menschlîch inne gie.
wer seit in wider ûf den Sant
dâ ich die lieben alle lie,
und ich kein urloup von in habe?
mîn wille stêt ze Kristes grabe.

~0~~0~~0~

 
1.
Eine hübsche junge Dienerin stieg hinauf zum
Wächter auf die Zinne. »Wächter, zeige deine
höfische Gesinnung und sei großzügig.
Wenn du jemanden heimlich auf dich zukommen
siehst, so frage ganz leise und keineswegs in
verletzender Weise: >Kommt da jemand?<
Wenn er dir darauf sogleich mit >ja< antwortet,
so weißt du, daß er zu Recht kommt.
Winke ihn an das kleine Fenster.
Dafür wird dich meine Herrin belohnen.«

2.
Kurze Zeit später
kam der vielgepriesene Mann.
Der Wächter war auf die Belohnung erpicht.
Er fragte sogleich: »Wer kommt da?«
>Ich bin es, der nach Liebe verlangt.
Wächter, halte du hoch oben Wache für uns.<
»Ihr seid gewiß der Liebhaber.
Wartet noch einen Augenblick vor dem Tor.«
Man zeigte ihm, wo er Einlaß finden konnte.
Er küßte ihren rosenroten Mund.

3.
»Der Morgen läßt sich nicht aufhalten«,
sang ein Wächter laut.
»Wenn jemand noch länger schläft, ist das zuviel.
Ich warne, wie es meine Pflicht ist.
Ich will unschuldig daran sein,
wenn zwei Liebenden etwas zustößt.
Den Tag kann niemand aufhalten.
Ich sehe den Morgenstern ganz hell aufgehen,
wie er es noch häufig tun wird.
Nun wach auf, edler Ritter.«

4.
Die anmutige Frau erschrak sehr,
als sie diese Worte vernahm.
»Auf jetzt, Ritter, es ist Tag!«
sagte die Liebliche.
»Laß mich dir anvertraut sein, so wie du
mir vor allen anderen Männern anvertraut bist.
Dein Herz behalte ich bei mir
und überlasse dir gern meines.
Dem höchsten Gott vertraue ich dich zum Schutz an.
Die Trennung von dir schmerzt mich.«

5.
Darauf nahm der Ritter Abschied
von seiner geliebten Dame,
wie es Verliebte voller Sehnsucht tun,
denen ihre Liebe Leid gebracht hat.
Ein lieblicher Austausch fand dort statt,
der sich mit vielen Küssen vollzog.
Ihr Herz durchdrang seines,
er nahm sie fest in seine Arme.
Auf Liebe folgt nun einmal häufig Leid.
Der edle Held ging fort.

6.
Die Zeit naht, daß ich Abschied nehmen muß.
Wie soll ich meine Freunde verlassen?
Ich lasse allen durch einen Boten meinen Gruß übermitteln.
Möge sie der Höchste beschützen!
Ich will in das Land ziehen,
in dem Gott ganz als Mensch gelebt hat.
Wer bringt meinen Gruß in die Heimat,
wo ich die Freunde alle zurücklassen
mußte und keinen Abschied von ihnen nehmen konnte?
Mich zieht es zu Christi Grab.

~0~~0~~0~

 
Wenzel von Böhmen
 

 
Ez taget unmâzen schône
 
Es bricht ein außergewöhnlich schöner Tag an
 
1.
»Ez taget unmâzen schône,
diu naht muoz abe ir thrône,
den sî ze Kriechen hielt mit ganzer frône:
der tac wil in besitzen nuo.
der trîbet abe ir vesten
die naht mit sîner glesten.
dest wâr, si mac niht langer dâ geresten,
wan es ist zît und niht ze fruo
daz man ein scheiden werbe,«
sus sanc der wahter, Ȑ daz sich geverbe
der tac mit sîner roete.
wol ûf, wol ûf, ich gan iu niht ze blîben bî der noete.
ich fürhte daz der minne ir teil verderbe.«

2.
Daz hôrte in tougener schouwe
ein êren rîche frouwe,
und ouch ir minnen dieb, der durch ein ouwe
was ritterlîchen dar bekomen.
si sprach »friunt mîner wunnen,
der wahter wil niht gunnen
uns liebes, wan er wolte sîn bespunnen
mit miete, daz hân ich vernomen:
ez ist dem Tage unnâhen.«
diu frouwe stuont ûf und begunde gâhen
hin zuo dem wahter eine.
si sprach »nim, wahter, silber golt und edel rîch gesteine,
lâ mich den zarten lieben umbevâhen.«

3.
Er sprach »ich bin gemietet:
gêt wider unde nietet
iuch fröiden, wan ich wolt daz ir berietet
mich: daz habt ir ûf ende brâht.
ich warne iuch, swenne ez zîtet,
daz er mit fröiden rîtet.
swenn ich iu sage, sô hüet daz ir iht bîtet,
ir lât in dar er habe gedâht.«
si wart sâ umbevangen,
er kuste ir rôten munt, ir klâren wangen.
daz was der minne lêhen.
lîp unde lust die liezen sich dô wênic ieman flêhen.
dâ daz ergienc, dâ ist ouch mê ergangen.

~0~~0~~0~

 
1.
»Es bricht ein außergewöhnlich schöner Tag an.
Die Nacht muß von ihrem Thron herabsteigen,
den sie in Griechenland mit großer Macht besetzt hielt.
Der Tag will ihn jetzt besteigen.
Der vertreibt die Nacht
mit seinem Glanz aus ihrer Burg.
Sie kann wahrhaftig nicht länger dort ausruhen,
denn es ist Zeit und keineswegs zu früh dafür,
um mit dem Abschiednehmen zu beginnen,«
So sang der Wächter, » bevor der Morgenhimmel
sich rötlich färbt.
Auf, auf, notgedrungen kann ich euch nicht erlauben, länger zu verweilen.
Ich fürchte, daß die Liebe sonst zu Schaden kommt."

2.
Dies hörten bei ihrem heimlichen
Rendezvous eine angesehene Dame
und ihr Liebhaber, der nach
Ritterart über eine Wiese zu ihr gekommen war.
Sie sagte: »Gefährte meines Glücks,
der Wächter will uns unsere Liebe nicht gönnen,
denn er möchte mit einer
Belohnung bestochen sein, wie ich gehört habe.
Der Tag ist noch fern.«
Die Dame stand auf und suchte eilends allein
den Wächter auf.
Sie sagte: »Wächter, nimm dir Silber, Gold und kostbare Edelsteine
und laß mich meinen zärtlichen Geliebten umarmen.«

3.
Er antwortete: »Einverstanden.
Geht wieder zurück und genießt Euer Glück,
denn ich wollte nur, daß Ihr mir etwas
zukommen läßt. Das habt Ihr nun getan.
Ich werde Euch warnen, wenn es Zeit ist,
damit er unbesorgt fortreiten kann.
Wenn ich Euch benachrichtige, so hütet Euch davor
zu zögern und laßt ihn gehen, wohin er will.«
Sie wurde sogleich umarmt. Er küßte ihren
roten Mund und ihre schönen Wangen.
Das war das Geschenk der Liebe.
Liebe und Lust braucht dort niemand lange erflehen.
Wo das geschah, ist auch noch mehr geschehen.

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Walther von der Vogelweide
 

 
Friuntlîchen lac ein rîter
 
Zärtlich lag ein stattlicher Ritter
 
1.
Friuntlîchen lac
ein rîter vil gemeit
an einer frouwen arme.
er kôs den morgen lieht,
dô er in durch diu wolken
sô verre schînen sach.
diu frouwe in leide sprach:
»wê geschehe dir, tac,
daz dû mich lâst bî liebe
langer blîben nieht.
daz sî dâ heizent minne,
dâst niewan sende leit.«

2.
ꞋFriundinne mîn,
dû solt dîn trûren lân.
ich wil mich von dir scheiden,
daz ist uns beiden guot.
ez hât der morgensterne
gemachet hinne lieht.Ꞌ
»mîn friunt, nû tuo des nieht,
lâ die rede sîn,
daz dû mir iht sô sêre
beswaeret mînen muot.
war gâhest also balde?
ez ist niht wol getan.«

3.
ꞋFrowe mîn, nû sî,
ich wil belîben baz.
nû rede in kurzen zîten
allez daz dû wil,
daz wir unser huote
triegen aber als ê.Ꞌ
»mîn friunt, daz tuot mir wê,
ê ich dir aber bî
gelige, mîner swaere
derst leider alze vil.
nû mît mich niht lange:
vil liep ist mir daz.«

4.
ꞋDaz muoz alsô geschehen,
daz ich es niene mac.
sol ich dich, frowe, mîden
eines tages lanc:
sô enkumt mîn herze
doch nie mêr von dir.Ꞌ
»mîn friunt, nû volge mir.
dû solt mich schiere sehen,
ob dû mir sîst mit triuwen
staete sunder wanc.
owê der ougenweide,
nû kiuse ich den tac.«

5.
ꞋWaz helfent bluomen rôt,
sît ich nû hinnen sol?
vil liebiu friundinne,
die sint unmaere mir,
reht als den vogellînen
die winterkalten tage.Ꞌ
»friunt, dêst ouch mîn klage
und mir ein wernde nôt.
jôn weiz ich niht ein ende,
wie lange ich dîn enbir.
nû lige eht eine wîle,
son getaet dû nie sô wol.«

6.
ꞋFrouwe, ez ist zît:
gebiut mir, lâ mich varn.
jâ tuon ichz dur dîn êre,
daz ich von hinnen ger.
der wahter diu tageliet
sô lûte erhaben hât.Ꞌ
»friunt, wie wirt es rât?
dâ lâze ich dir den strît.
owê des urloubes,
des ich dich hinnen wer!
von dem ich habe die sêle,
der müeze dich bewarn.«

7.
Der ritter dannen schiet,
dô sente sich sîn lîp,
und liez ouch sêre weinde
die schoenen frowen guot.
doch galt er ir mit triuwen,
dâzs ime vil nâhe lac.
si sprach: »swer ie gepflac
ze singen tageliet,
der wil mir wider morgen
beswaeren mînen muot,
nû lige ich liebes âne,
reht als ein senende wîp.«

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1.
Zärtlich lag
ein stattlicher Ritter
in den Armen einer Dame.
Er bemerkte das helle Morgenlicht,
als es in der Ferne durch die
Wolken leuchtete.
Die Dame sagte voller Schmerz:
»Weh dir, Tag,
weil du mich nicht
länger beim Geliebten bleiben läßt.
Was sie da Minne heißen,
das ist nichts als sehnsüchtiges Leid."

2.
ꞋLiebste Freundin
du sollst nicht länger traurig sein.
Ich will Abschied von dir nehmen,
das ist gut für uns beide.
Durch den Morgenstern
ist es hier drinnen bereits hell gewordenꞋ.
»Liebster Freund, tu das nicht,
und sprich nicht so,
damit du mir nicht
mein Herz so schwer machst.
Wohin willst du so eilig gehen?
Das ist nicht recht.«

3.
ꞋHerrin, es sei, wie du willst,
ich will noch länger bleiben.
Nun sage mir schnell alles,
was du dir wünschst,
damit wir unsere Aufpasser
wieder wie zuvor täuschen.Ꞌ
»Liebster Freund, das tut mir weh.
Bis ich dir wieder nah sein kann,
wird mein Sehnsuchtsschmerz
zu meinem Unglück unerträglich sein.
Bleibe nicht zu lange fort.
Das wünsche ich mir.«

4.
ꞋSelbst wenn ich dir, Herrin,
ohne es verhindern zu können,
einen Tag lang fern sein muß,
so kommt mein Herz
doch niemals los von dirꞋ.
»Liebster Freund, glaube mir,
du wirst mich bald wiedersehen,
wenn du mir, ohne wankelmütig zu werden,
in beständiger Treue ergeben bist.
Ach, was muß ich sehen!
Nun erkenne ich,
daß der Tag anbricht.«

5.
ꞋWas habe ich von roten Blumen,
wenn ich nun von hier fort muß?
Die sind mir verhaßt,
liebste Freundin,
genau so wie den kleinen Vögeln
die kalten Wintertage.Ꞌ
»Liebster, das macht auch mich traurig
und bereitet beständig Schmerz.
Ich weiß wahrhaftig nicht,
wie lange ich auf dich werde verzichten müssen.
Nun bleibe doch noch eine Weile liegen.
Wenn du das tust, hast du nie etwas Lieberes getan.«

6.
ꞋHerrin, es ist Zeit,
verabschiede mich, laß mich gehen.
Ich will doch wahrhaftig nur um deines Ansehens willen,
von hier fort.
Der Wächter hat bereits begonnen,
laut das Tagelied zu singen.
»Liebster, was soll ich tun?
Ich gebe dir nach.
Ach, daß ich dir die Erlaubnis geben muß,
Abschied von mir zu nehmen.
Möge dich der, von dem ich meine Seele habe,
der möge dich beschützen.«

7.
Der Ritter nahm Abschied von ihr.
Sehnsucht quälte ihn,
und seine schöne edle Herrin ließ er
tränenüberströmt zurück.
Doch dankte er ihr durch Treue dafür,
daß sie sich ihm hingegeben hatte.
Sie sagte: »Jeder, der einmal,
Tagelieder gesungen hat,
macht mir gegen Morgen
mein Herz schwer.
Nun liege ich ohne meinen Geliebten
voller Sehnsucht hier allein.«

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Mönch von Salzburg
 

 

Das taghorn
 

Das Taghorn
 

Das taghorn, auch gut zu blasen, und ist sein pumhart
dy erst note und yr underoctava slecht hin.

 

Das Taghorn, auch gut zu blasen. Die erste Note ist der Ton
des Pumharts sowie ihre untere Oktave.

 

Der pumhart ist ein altes Blasinstrument und ein Vorläufer des Fagott.
 

1.
Gar gar leis
in senfter weis
wach, libste fra!
plik durch dy pra
und scha,
wy tunkel gra
so gar fein pla
ist zwischen dem gestirn.
nu wach, mein mynnikliche dirn,
in liber süzz
und grüzz
dein aigenz hercz bey mir,
seind ich enpir
der stymm von dir,
daz mir gar still
dein rainer will
wünsch liben guten tag,
den mir hëut sag
tugentlichen,
mynniklichen
dein güt mit mangem liben plik,
so daz mein hercz in freüden schrik
zu trost der libsten zuversicht,
der mir dein weiblich güt verjicht,
bis das geschicht,
daz mir wünsch guten tag dein mund.

2.
Erwach
in liber sach!
dein ärmlin rek,
dein füzlin strek,
ich wek
dich auz der dek,
dein hercz enplek
und brüstlin wolgestalt,
dy dem armen tun dy nacht gewalt.
dein haup enpör
und hör
das wunderlich geschell,
wy dein gesell
dich weken well.
frau, ich betracht
all tag und nacht
den libsten anevang,
wy mich betwang
liblich scherczen
in dem herczen,
da ich den libsten wechsel traib,
so daz mein hercz pey dir belaib:
des wechsels ich her wider wart
von dir, mein libstez freülin zart,
und han all vart
dich pey mir in meins herczen grund.

3.
Lib zeit,
dy gancz frëud geit,
sey dein gelait
mit sälikait.
berait
mich, frau gemait,
wy dein will sait,
das wil ich täglich mern,
wann ich getet ny ding so gern.
wurd mir das hail
zu tail,
dich täglich sehen an,
auf erd ny man
sölch freüd gewan:
wenn so ich dich,
traut frau, an sich,
so han ich freüd genug;
wann du pist chlug
mit gelympfen,
frölich schympfen
zu tratz, den dein gepërd missvelt.
gib urlaub mir, frau auzerwelt:
gedenk an mich und hab dein ru
und slaf mie freüden wider zu,
ez ist noch fru.
tu dein genad mir all zeit kund.

~0~~0~~0~

 

1.
Wach ganz leise
und behutsam auf,
liebste Freundin!
Blinzle durch deine Wimpern
und sieh,
wie sich das dunkle Grau
zwischen den
Sternen hellblau färbt.
Nun wach auf süße,
angenehme Weise auf,
meine Liebste,
und begrüße dein Herz,
das bei mir ist,
seit ich auf deine Stimme
verzichten muß.
Mögest du mir in Gedanken
ohne jede Falschheit ganz still
einen angenehmen guten Tag wünschen,
wie du ihn mir in deiner
Güte heute noch mit vielen
liebevollen Blicken zärtlich wünschen wirst,
so daß mein Herz vor Freude zusammenzuckt
und voller Zuversicht ist, wie sie
mir deine Güte nach Frauenart schenkt,
bis mir endlich
dein Mund selbst einen guten Tag wünscht.

2.
Wach
voller Liebe auf!
Reck deine kleinen Arme,
streck deine kleinen Füße.
Ich wecke dich,
indem ich dir die Decke wegziehe.
Entblöße dein Herz
und deine schönen Brüste,
die mich Armen nachts um den Verstand bringen.
Heb den Kopf
und höre
die seltsame Musik,
mit der dein Freund
dich wecken will.
Liebste, ich denke
Tag und Nacht
an den Anfang
unserer Liebe und daran,
wie das zärtliche Liebesspiel
mein Herz gefangennahm,
als wir voller Liebe unsere Herzen tauschten,
so daß mein Herz bei dir blieb.
Im Gegenzug erhielt ich
deines von dir, liebste Freundin,
und trage dich auf diese Weise
überall tief im Innersten bei mir.

3.
Ich wünsche dir
eine angenehme Zeit,
in der vollkommene Freude
und höchstes Glück
dich stets begleiten mögen.
Laß mich wissen, Liebste,
was du dir wünscht.
Das will ich täglich für dich tun,
denn ich habe nie etwas lieber getan.
Hätte ich das Glück,
dich täglich sehen zu können,
so gäbe es keinen Mann
auf der ganzen Welt,
der jemals größere Freude empfunden hätte.
Dich, liebste Freundin,
anzusehen genügt mir,
um glücklich zu sein.
Denn alles an dir ist
voller Anmut, mögen die
auch übermütig spotten,
denen dein Verhalten mißfällt.
Laß mich gehen, Liebste,
denk an mich und mach dir keine Sorgen.
Schlaf glücklich wieder ein,
es ist noch früh.
Bleib mir immer in Liebe verbunden.

~0~~0~~0~

 

Das nachthorn
Das nachthorn, und ist gut zu blasen.
 

Das Nachthorn
Das Nachthorn, es ist gut zu blasen.
 

1.
Zart libste frau in liber acht,
wünsch mir ain liblich, frölich nacht,
wann so mein hercz dein treü betracht,
das freüet all mein kraft und macht
auf stäten syn,
so ich nu pin
dahin,
ellend und ain,
und nymand main
zu trösten mich
wenn dich.
mit senen ich den slaf bekrenk,
daz ich dy nacht gar vil an dich gedenk;
süzz trëum dy machent mich so gail,
daz ich mir wünsch das hail,
daz ich slaffen
solt an straffen
in sölcher liber sach an end.

2.
Dich lät nicht ain meins herczen gir,
dar umb so wünsch ich me wenn zwit,
daz dir sol traumen auch von mir,
wy ich gar frölich sey bey dir
und doch in gut
nach deinem munt
behut,
an herz gesmukt
und schon gedrukt
inärmlin weiz
mit fleiz,
und daz du, mynnikliche dirn,
in süzzen slaf dy herczen libsten pirn
umbvingest nach dem willen mein,
als ich da selb solt sein:
in den sachen
sold entwachen,
mein hercz, sold frölich sein behend.

3.
Enczuket wird ich oft so hart,
daz ich wën an der selben vart,
ich seh dich, libstez frëulin zart,
vor mir gepildet schon von art
gar weiblich stan,
daz ich denn han
den wan,
ym sey also,
und pin gar fro
in herczen grund:
zu stund,
so mir entwischet dein figur,
das wirdt dem armen herczen vil ze sur,
ez mant mich an dy libsten zeit,
y herter ez ym leit;
wann dein belangen
hat gevangen
mich, bis du tröstest mein ellend.

~0~~0~~0~

 

1.
Wünsch mir, allerliebste Freundin,
eine angenehme, unbeschwerte Nacht.
Wenn mein Herz an deine treue Liebe denkt,
erfüllt mich das mit großer Freude
und läßt mich durchhalten
in dieser Zeit, in der ich
unglücklich und einsam
fern von dir bin
und niemand mich zu
trösten vermag außer du.
Die Sehnsucht
läßt mich nicht schlafen,
da ich nachts sehr viel an dich denke.
Süße Träume wecken meine Begierde,
so daß ich mir wünsche,
ich hätte das Glück,
sorglos eine Liebesnacht
ohne Ende verbringen zu können.

2.
Meine Sehnsucht läßt dich nicht los.
Deshalb wünsche ich mir oft,
auch du würdest von mir träumen,
davon, daß ich ganz
unbeschwert
bei dir wäre,
so, wie du es magst,
ans Herz gedrückt
und immer wieder
von deinen weißen Armen zärtlich umarmt,
und laß du, Liebste,
im Schlaf deine herzallerliebsten Brüste
streicheln
wie ich es mir wünsche und so,
als ob ich selbst da wäre.
Auf diese Weise
würde ich gern erwachen,
und mein Herz wäre sofort vergnügt.

3.
Oft bin ich soweit,
daß ich geradewegs glaube,
dich zu sehen, liebste Freundin,
als ob du leibhaftig in deiner ganzen
Schönheit vor mir stehen würdest,
so daß ich meine, es sei wirklich so,
und außer mir vor Freude bin.
Sobald deine Gestalt
sich jedoch verflüchtigt,
bereitet das meinem armen Herzen
bitteren Schmerz.
Je unglücklicher ich bin,
desto mehr muß ich an
die schönste Zeit
mit dir denken.
Denn die Sehnsucht nach dir
hält mich gefangen,
bis du mich aus meiner Einsamkeit erlöst.

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Das kchühorn

Untarn ist gewonlich reden ze Salzburg und bedëutt,
so man izzet nach mittem tag über ain stund oder zwo.
 
Das Kuhhorn

Untarn ist ein in Salzburg gebräuchlicher Ausdruck und bezeichnet
die Essenszeit mittags zwischen ein und zwei Uhr.

 
a

1.
Untarn slaf
tut den sumer wol,
der an straf
liblich ruen sol
pey der diren
auf dem stro:
in der stiren
macht es fro.

2.
Dy mit lust
dem gesellen gut
drukt sein brust —
hey, wy wol ez tut! —
der ist zoren,
wer sey wekt
mit dem horen
und erschrekt

3.
In dem lauzz,
so der herter schreit:
ho, treib auzz!
hoho, des ist zeit!
sy erwachet
nach der mü:
unbesachet
sint dy kchü.

b

1.
Sy:
Ich muzz hyn, mein traut gesell,
ich hab ze lang geslaffen hy pey dir.
Er:
Traut gespil, ge, wy got well,
ich laz dich schaiden nicht so pald von mir.
Sy:
Ja sint dy kchü noch ungemolchen,
darumb ist mir gach:
gespottet wurd mir von den volchen,
sold ich treiben nach.
ain frische, wolgemute diren
kan und waiz gelympf:
dar umb sorg nyman umb dy yren:
ez ist nür yr schympf.


2.
Er:
Herczen Trost, wy wol ich spür,
daz du mir pist ain ungetrëuez weib!
Sy:
Dinst und lon ich gar verlür,
wizz got! nit, daz ich lenger hy beleib.
gehab dich wol, ich küm her wider,
so ich peldist kan,
und leg mich wider zu dir nyder,
herczen libster man.
ain frische, wolgemute diren
kan und waiz gelympf:
dar umb sorg nyman umb dy yren:
ez ist nür yr schympf.


3.
Das fügt wol ainem armen knecht,
dem gut und mut stet all zeit in dem saus;
gold und vechs ist ym nit recht,
ym fügt vil paz dy dyren in dem haus:
wenn sy des morgens fru wil haiczen,
so wekt sy yn vor;
sein hercz kan sy zu freüden raiczen,
daz ez swebt enpor.
ain frische, wolgemute diren
kan und waiz gelympf:
dar umb sorg nyman umb dy yren:
ez ist nür yr schympf.


~0~~0~~0~

 
a

1.
Ein Mittagsschlaf
im Sommer tut gut,
wenn einer
ohne Sorgen zärtlich
bei der Magd
auf dem Stroh
liegen kann.
Das bereitet Vergnügen.

2.
Diese umarmt
ihren Liebsten leidenschaftlich
drückt seine Brust —
hei, wie gut das tut! —
Wer sie mit
dem Horn weckt
und erschreckt,
dem ist ihr Zorn sicher.

3.
Als der
Hirte ruft:
Hoho, treib aus!
Hoho, es ist Zeit!
schreckt sie in ihrem
Versteck nach dem Liebesspiel
hoch, denn ihre Kühe
sind noch nicht versorgt.

b

1.
Sie:
Ich muß fort, liebster Freund, ich habe
schon zu lange hier bei dir geschlafen.
Er:
Geh es, wie Gott will, Liebste,
ich laß dich nicht so schnell fort.
Sie:
Die Kühe sind doch noch nicht gemolken,
deshalb habe ich es so eilig.
Die Leute würden über mich spotten,
wenn ich als letzte hinterher käme.
Eine junge, aufgeweckte Magd
weiß genau, was sich schickt.
Deshalb kümmere sich niemand darum,
wie sie sich vergnügt.


2.
Er:
Liebster Schatz, ich spüre genau,
daß du mir untreu bist.
Sie:
Ich würde Arbeit und Lohn sicherlich verlieren,
weiß Gott, es geht nicht, daß ich noch länger
hier bleibe. Leb wohl, ich komme zurück,
so schnell ich kann,
und leg mich wieder zu dir,
herzallerliebster Freund.
Eine junge, aufgeweckte Magd
weiß genau, was sich schickt.
Deshalb kümmere sich niemand darum,
wie sie sich vergnügt.


3.
So geht es einem armen Knecht,
der jederzeit nur auf sein Vergnügen aus ist.
Auf Gold und Hermelin kann er verzichten,
ihm ist die Magd im Haus viel lieber.
Wenn sie früh am Morgen das Feuer anmachen
muß, weckt sie ihn zuvor.
Sie kann ihn so zur Liebe verführen,
daß er sich wie im siebten Himmel fühlt.
Eine junge, aufgeweckte Magd
weiß genau, was sich schickt.
Deshalb kümmere sich niemand darum,
wie sie sich vergnügt.


~0~~0~~0~

 
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