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Mädchenlieder
 

Traditionelle Minnelieder

 

Ir vil minneclîchen ougenblicke
(Minnelied)

Minneklage, die traditionelle Topoi (Redensart, Gemeinplatz) kombiniert wie die Wirkung der Dame auf den Sänger (Str.1) und den Kummer ihretwegen (Str.2), jeweils verbunden mit einem Wunsch:
sie zu sehen, mit ihr Tag und Nacht zu verbringen.

 

1.
Ir vil minneclîchen ougenblicke
rüerent mich alhie, swanne ich si sihe,
in mîn herze. owê, sold ich si dicke
sehen, der ich mich für eigen gihe!
eigenlîchen diene ich ir,
daz sol si vil wol gelouben mir.

2.
Ich trage in mînem herzen eine swære,
der ich von ir lâzen niht enmac,
bî der ich vil gerne tougen wære
beide naht und ouch den liehten tac.
des enmag nû niht gesîn,
ez enwelle diu liebe frouwe mîn.

3.
Sol ich mîner triuwe alsust engelten,
sô ensol niemer man getrûwen ir;
si vertrüege michels baz ein schelten
danne ein loben, daz geloubent mir.
wê, war umbe tuot si daz,
der mîn herze treit vil kleinen haz?

 

1.
Ihre so liebreichen Blicke
treffen mich gerade hier – wenn immer ich sie sehe -
in mein Herz. Ach, könnte ich sie oft
sehen, der ich mich zu eigen gebe!
Wie ein Leibeigener diene ich ihr,
das soll sie mir gar wohl glauben.

2.
Ich trage in meinem Herzen einen Kummer,
ich, der ich von der nicht lassen kann,
bei der ich so gerne heimlich wäre
sowohl des Nachts als auch am hellen Tag.
Das kann nun nicht sein,
es sei denn, meine liebe Herrin wünsche es.

3.
Soll ich für meine Treue so belohnt werden,
dann soll ihr nie mehr ein Mann vertrauen:
Sie nähme viel eher einen Tadel hin
als ein Lob, das glaubt mir.
Ach, warum tut sie das,
der mein Herz ganz geringen Haß entgegenbringt?

 

Ich bin nû sô rehte frô
(Minnelied)

 
1.
Ich bin nû sô rehte frô,
daz ich vil schiere wunder tuon beginne.
swenne ez sich gefüeget sô, daz ich erwirbe
mîner frouwen minne, seht,
sô stîgent mir die sinne hôher danne
der sunnen schîn, genâde, ein küniginne!

2.
Ich ensach die guoten nie sô dicke,
daz ich daz gen ir verbære, mirne spilten
diu ougen ie.
der kalte winter was mir gar unmære: ander
liute dûhte er swære, mir was die wîle,
als ich enmitten in  dem meien wære.

3.
Disen wünneclîchen sanc
hân ich gesungen mîner frouwen ze êren.
des sol si mir wizzen danc,
wan ich will iemer durch si fröide mêren.
wol mag si mîn herze sêren, waz danne,
ob si mir leide tuot? daz kan si wol verkêren.

4.
Dar zuo enkunde nieman mir gerâten,
daz ich schiede von dem wâne.kêrt ich
mînen muot von ir, wâ funde ich danne eine
so wol getâne, diu sô wære valsches âne?
si ist schœner unde baz gelobt denne
Helêne und Dyâne.

5.
Hœrâ Walther, wie ez mir stât,
mîn trûtgeselle von der Vogelweide:
helfe suoche ich unde rât, diu wol
getâne tuot mir vil ze leide.
kunden wir gesingen beide, daz ich mir ir
müeste brechen bluomen an der liehten heide!

 
1.
Ich bin jetzt so richtig froh,
dass ich schon fast anfange, Wunder zu tun.
Wenn es sich so fügen wird,
dass ich die Minne meiner Herrin gewinne, seht,
dann steigen mir die Gedanken höher als der
Schein der Sonne. Seid gnädig, Königin!

2.
Ich erblickte die Edle nie so häufig,
als dass ich es vor ihr hätte vermeiden können,
dass mir die Augen stets aufleuchteten.
Der kalte Winter war mir ganz gleichgültig:
anderen Leuten dünkte er beschwerlich -
mir war derweil, als ob ich mitten im Mai wäre.

3.
Dieses freudige Lied habe ich zu Ehren
meiner Herrin gesungen.
Dafür sollte sie mir Dank wissen, denn ich möchte allzeit
um ihretwillen Freude vermehren. Wohl kann sie mein
Herz verwunden, was soll's, wenn sie mir Leid zufügt?
Das kann sie wohl ins Gegenteil verkehren.

4.
Dazu könnte mir niemand raten,
dass ich von der Hoffnung ablasse.
Würde ich meinen Sinn von ihr abwenden,
wo fände ich dann eine schöne Frau,
die so ohne Falsch wäre? Sie ist schöner und
lobenswerter als Helena und Diana.

5.
Höre doch, Walther, wie es um mich steht,
mein trauter Freund von der Vogelweide:
Hilfe und Rat suche ich,
die Schöne fügt mir viel Leid zu.
Könnten wir beide doch singen, dass ich mit ihr
dürfte Blumen brechen auf der Heide!

 
Weder ist ez übel oder guot
(Minnelied)

 

1.
Weder ist ez übel oder guot
daz ich mîn leit verhelen kan?
man siht mich dicke wol gemuot,
so trûret manig ander man,
der mînen schaden halben nie gewan.
so gebâre ich dem gelîche,
als ich sî maniger fröiden rîche.
nû muoz ez got gefüegen sô,
daz ich von wâren schulden müeze werden frô.

2.
Wie kumet, daz ich sô manigem man
von sîner nôt geholfen hân,
sît ich mich selben niht enkan
getrœsten, mich entriege ein wân?
ich minne ein wîb, diu ist guot und wol getân,
diu lât mich aller rede beginnen,
ich kan aber endes niht gewinnen.
dar umbe wære ich nû verzaget,
wan daz si ein wênig lachet sô si mir versaget.


3.
Si sehe, daz si innen sich bewar
- si schînet ûzen fröidenrîch, -
daz si an den siten iht irre var,
sô wart nie wîp sô minneclîch,
sô tuot ir lop vil frouwen lobes entwich.
ist si nâch ir wirde gefurrieret,
die schœne, die si ûzen zieret:
kann ich ir denne gedienen iht,
des wirt bî solchen êren ungelônet niht.

4.
Swie noch mîn fröide an zwîvel stât,
den mir diu guote mag vil wol
gebüezen, ob sis willen hât,
sôn ruoche eht, waz ich kumbers dol.
si fraget des mich nieman fragen sol,
wie lange ich welle bî ir belîben:
si ist mir iemer vor allen wîben
ein wernder trôst ze fröiden mir.
nû müeze mir geschehen alz, daz ich gloube an ir.

5.
Genuoge kunnen deste baz
gereden daz si bî liebe sint.
swie dicke ich ir noch bî gesaz,
sô wesse ich minner danne ein kint:
ich wart an allen mînen sinnen blint,
des wære ich anderswâ betœret.
si ist ein wîb diu niht gehœret,
und guoten willen kann gesehen.
den hân ich, sô mir iemer müeze liep geschehen.

 

1.
Ist es schlecht oder ist es gut,
dass ich mein Leid verbergen kann?
Man sieht mich oft wohlgemut,
dagegen ist manch anderer Mann traurig
der nie auch nur die Hälfte meines Unglücks erfuhr.
Dagegen verhalte ich mich so,
als sei ich voll mannigfacher Freude.
Nun möge es Gott so fügen,
dass ich mit vollem Recht froh werden möge.

2.
Wie kommt es, dass ich so manchem Manne
aus seiner Not geholfen habe,
da ich mich doch selbst nicht kann trösten,
es sei denn, eine trügerische Hoffnung täuscht mich?
Ich liebe eine Frau, die ist so edel und schön,
die lässt mich mit jedmöglicher Rede beginnen,
ich kann aber nicht damit zu Ende kommen.
Darüber wäre ich nun verzweifelt, wenn sie nicht
ein wenig lachte, sooft sie sich mir entzieht.

3.
Sie möge zusehen, dass sie sich im Innern bewahre
- denn sie erscheint äußerlich reich an Freuden -,
damit sie die höfischen Sitten nicht verletze, dann
war keine andere Frau jemals so begehrenswert,
dann bringt ihr Ruhm den Ruhm vieler Frauen zum
Verschwinden. Ist sie gemäß ihrem inneren Wert
beschaffen – die Schönheit -, die sie äußerlich ziert:
Kann ich ihr dann vielleicht dienen, wird das bei
solchen Auszeichnungen nicht ungelohnt bleiben.

4.
Wie immer meine Freude noch im Zweifel ist,
den mir die Edle sehr wohl kann zerstreuen, wenn sie
dazu willens ist, so ist es mir wirklich gleichgültig,
was ich an Kummer leide.
Sie fragt, wonach mich niemand fragen sollte,
wie lange ich um sie bleiben wolle: Sie ist mir
stets vor allen anderen Frauen eine langwährende
Hoffnung auf Freude. Jetzt möge mir alles zuteil
werden, was ich von ihr erhoffe.

5.
Viele können um so besser reden,
wenn sie bei der Geliebten sind.
Wie oft ich auch bei ihr gesessen bin,
wusste ich weniger als ein Kind:
Mir wurden alle meine Sinne verworren,
deswegen wäre ich anderswo als Narr erschienen.
Sie ist eine Frau, die auf Worte nichts gibt, aber gute
Absichten erkennen kann. Die habe ich:
deshalb sollte mir stets Angenehmes beschieden sein.
 

Wol mich der stunde, daz ich si erkande
(Minnelied)

Ein Minnelied, das Glück und Hoffnung des Liebenden angesichts der Vollkommenheit seiner Dame ausspricht.
 

1.
Wol mich der stunde, daz ich si erkande,
diu mir den lîp und den muot hât betwungen,
sît deich die sinne sô gar an si wande,
der si mich hât mit ir güete verdrungen,
daz ich gescheiden von ir niht enkan.
daz hât ir schœne und ir güete gemachet
und ir rôter munt, der sô lieblîchen lachet.

2.
Ich hân den muot und die sinne gewendet
an die vil reinen, die lieben, die guoten.
daz müez uns beiden wol werden volendet,
swes ich getar in ir huldengemuoten.
swaz ich ie fröiden zer werlde gewan,
daz hât ir schœne und ir güete gemachet
und ir rôter munt, der sô lieblîchen lachet.

 

1.
Gepriesen sei mir die Stunde, als ich die kennenlernte,
die mir Sein und Fühlen bezwungen hat,
seit ich meine Gedanken so ganz ihr zuwandte,
deren sie mich durch ihre Vollkommenheit beraubt hat,
daß ich von ihr mich nicht trennen kann.
Das hat ihre Schönheit und ihre Vollkommenheit bewirkt
und ihr roter Mund, der so lieblich lacht.

2.
Ich habe Fühlen und Denken gerichtet
auf die so Reine, die Liebe, die Vollkommene.
Das möge uns beiden zum Guten ausschlagen,
was immer ich von ihrer Gunst zu begehren wage.
Was ich jemals an Freuden auf der Welt erfuhr,
das hat ihre Schönheit und ihre Vollkommenheit bewirkt.
und ihr roter Mund, der so lieblich lacht.

 

Ich minne si nû lange zît
(Minnelied. Einzelstrophe)

 

Ich minne si nû lange zît,
versinnete Minne sich,
wie si schône lône mîner tage.
nû lône schône, sô ist mîn strît,
vil kleine meine mich,
niene meine kleine mîne klage,
unde rihte
grôz unbilde,
daz ein ledic wîp
mich verderbet
gar âne schulde.
zir gesihte
werde ich wilde.
mîch enhabe ir lîp
fröide enterbet,
noch ger ich ir hulde.
wære mære stæter man,
sô solte, wolte si, mich an
eteswenne denne ouch sehen,
sô gnuoge fuoge kunnen spehen.

 

Ich liebe sie nun seit langer Zeit,
möge die Minne sich darauf besinnen, wie sie
auf höfische Weise meine Dienstzeit belohne.
Nun, möge sie höfisch lohnen, das ist mein Begehren:
Sehr wenig möge sie an mich selbst denken, nicht
dagegen möge sie meine Klage gering achten,
und möge richten über
große Unbill,
dass eine nicht gebundene Frau
mich zugrunde richtet
ganz ohne Schuld.
Ihrem Anblick
werde ich ferngehalten.
Wenn sie mich nicht
von Freude ausschließt,
begehre ich weiterhin ihre Huld.
Wäre ein beständiger Mann anerkannt,
dann sollte sie, wollte sie, mich
gelegentlich dann auch ansehen, da genügend Leute
höfisches Verhalten an mir wahrnehmen können.

 

Mir ist lieb, daz si mich klage
(Minne-[Abschieds-]Lied)

Die beiden Strophen gestalten Abschiedsgedanken eines ausziehenden Mannes: Str.1 vor allem im Hinblick auf die zurückbleibende Dame. Str.2 mehr hinsichtlich des eigenen Gewinns nach glücklicher Rückkehr.

 

1.
Mir ist lieb, daz si mich klage
- ze mâze, als ir schœne stê, -
ob mân ir mære von mir sage,
daz ir dâ von sî sanfte wê.
si sol iemer durch den willen mîn
ungefüege swære unde fröide lâzen sîn:
daz stêt senenden frouwen wol,
als ichz meine.
dar ahtent jene vil kleine,
die sich des flîzent,
daz si den munt sô sêre bîzent,
. . . . . . . . . . . . . .

2.
Nû bîtet, lât mich wider komen,
ich weiz der wîbe willen wol:
ich hân eine mære von in vernomen,
dâ mit ich manige erwerben sol.
ich will lîp und êre und al mîn heil verswern,
wie kunde sich deheiniu danne mîn erwern?
nein ich! weiz got, waz ich sage!
got der solde
rihten ob er wolde,
über die sô swüeren,
daz in diu ougen ûz gefüeren,
daz si sich stiezen doch einest an dem tage.

 

1.
Mir ist angenehm, dass sie mich beklagt
- maßvoll, wie es ihr gut ansteht -,
wenn man ihr Kunde von mir bringen wird,
so dass sie davon sanftes Weh verspürt.
Sie soll, nach meinem Willen, stets unpassenden
Kummer und unpassende Freude unterdrücken:
Das steht sehnsüchtigen Damen wohl an,
wie ich es verstehe.
Darauf achten jene sehr wenig,
die sich so benehmen,
dass sie sich auf die Lippen beißen,
. . . . . . . . . . . . . .

2.
Nun wartet, lasst mich wiederkehren,
ich kenne der Frauen Wünsche wohl:
Ich habe eine Auskunft über sie erhalten,
womit ich manch eine erobern kann.
Ich will Leben, Ehre und all mein Heil verschwören,
wie könnte sich danach eine meiner erwehren?
Nein! Um Gottes Willen, was sage ich!
Gott sollte richten,
wenn er geruhte, über jene,
die so schwören, dass ihnen die Augen
hervorquellen, so dass sie sich daran stoßen
mögen – wenigstens dereinst, am Jüngsten Tag.