Fabeln 126 - 150
 

Fabeln 101 - 125
 

Der Mann mit den jungen Bäumen
Der Rauch und die Flamme
Der Lorbeerbaum und die Eiche
Der Fuchs ein verwerflicher…
Das Nashorn mit seinen Jungen
Das Kind und der Frosch
Das Rohr und die Eiche
Der Maulwurf, ein Kinderlehrer
Der Schwan und der Rabe
Das Kind an dem Rheinstrom
Die steinernen Zuhörer
Die Hirsche kündigen den Bären…
Der Nordwind und die Sonne
Die Tulpe und die Maienblume
Der Affe, ein seltsamer Buchdrucker
Der Pfau und der Jupiter
Der Eber und das Reh

 
Der Affe mit einer Mandel
Die Schafe, die läuten und die Hunde…
Der Turteltaube wohlgemeinter Rat
Die unglückliche Heirat des Dornstrauches
Die Schwalbe und die Spinne
Der gereiste Mann, ein wunderlicher Koch
Der Hund auf einem samtenen Kissen
Vergebene Mühe, Böse zu bessern

 


CI.
Der Mann mit den jungen Bäumen

Ein Mann hatte junge Bäume gezogen,
Doch weil er wenig Fleiß erwies
Und sie verwildert wachsen ließ,
So waren sie meist krumm gebogen.
Die Nachbarn zwar ermahnten ihn,
Er möchte sie, weil sie noch grün,
Beschneiden, und gerade ziehn.
Er aber wollte sie nicht hören,
Noch an die Ermahnung kehren.
Die Bäume, sprach er, sind noch jung,
Es hat damit noch Zeit genug,

Doch endlich fiel ihm ein, den Willen
Der treuen Nachbarn zu erfüllen.
Drum steckt er manchen Pfahl ins Land,
Die jungen Bäume dran zu binden,
Daß sie gerade und feste stünden.
Allein vergebens! denn er fand
Nun unverhofft viel Widerstand.
Es waren schon die Stämme und Äste
Zu sehe verwöhnt, steif und feste,
Daß sie nicht mehr Gehorsam zeigten,
Noch sich nach seiner Absicht beugten.
Und bog er sie gleich fleißig um:
Verblieben sie doch immer krumm.

Zuletzt sucht er mit beiden Händen
Sie mit Gewalt herum zu wenden.
Allein sie gaben doch nicht nach,
Und mit Bestürzung seiner Sinnen
Ward er unvermutet innen,
Daß hier und da ein Baum zerbrach.
Die rechte Zeit war schon verstrichen,
Daher nicht Güte und Gewalt
Bei den verstockten Bäumen galt,
Sie brachen eher, als sie wichen.

*  *  *

Ihr Eltern, beuget eure Jugend,
Und prägt den edlen Trieb der Tugend
Gleich anfangs euren Kindern ein,
Weil sie noch zart und biegsam sein.
Wollt ihr in ihren jungen Jahren
Die Aufsicht und Erziehung sparen,
So ist hernach der Fleiß zu spät.
Wenn sie verwildert aufgeschossen
und sie bequeme Zeit verflossen,
Wo man den Lastern widersteht.
Ein junges Gemüt ist leicht zu lenken,
Und nimmt bald alle Formen an.
Das Sprichwort ist wohl zu bedenken:
Wie jung gewohnt, so alt getan.

CII.
Der Rauch und die Flamme

Der Rauch sprach einstens zu der Flamme:
"Wie kommt es, das ich von dir stamme,
Daß doch mein Wesen dunkel ist,
Da du so hell hingegen bist?"

Die Flamme rief: "Du bist ein Zeichen,
Daß nicht die Kinder allezeit,
An Ansehn und Vortrefflichkeit,
Den weitberühmten Eltern gleichen.
Der Sohn verdunkelt manches Mal
Des Vaters hellen Ehrenstrahl."

CIII.
Der Lorbeerbaum und die Eiche

Der Lorbeerbaum sprach zu der Eichen:
"Wie klein und schwach ich gegen dir.
So geh ich dir doch billig für,
Und du mußt mir am Range weichen.
Weil ich manches Siegers Haupt.
Der Städte und Länder umgerissen,
Und tausend Mann ins Grab geschmissen,
Mit meinem grünen Schmuck umlaubt."

"Und ich," ließ sich die Eiche hören,
"Flocht diesem einen Kranz zu Ehren,
Der seine Bürgerschaft erhielt,
Und keine Länder umgewühlt.
Drum weis ich nicht, ob jemand glaubt,
Daß du dein Urteil recht gefällt.
Du zierst den, der das Leben raubt,
Und ich schmücke den, der es erhält."

*  *  *

Alle großen Weltbezwinger
Sind viel schlechter und geringer,
Als ein Mann, der eine Stadt
Für Gefahr erhalten hat.
Nicht der plündert, sengt und schlachtet,
Sondern, der ein Volk bewahrt
Und das Blut der Menschen spart,
Wird des Vorzugs wert geachtet.

CIV.
Der Fuchs ein verwerflicher Kinderlehrer

"Ihr Kinder, nehmet euch in acht,
Und hütet euch vor Mord und Rauben,
Erhaltet allzeit Treu und Glauben,
Und seid auf Recht und Pflicht bedacht!"
So sprach der Fuchs zu seinen Söhnen,
Sie zu der Tugend zu gewöhnen.

Allein ein anders war das Tun,
Ein anders wiederum das Sagen;
Er selbst bracht' eine Gans getragen,
Die er vom Felde weggeraubt.
Der junge Fuchs stahl drauf ein Huhn,
Das er an einem Zaune fand.
"Du machst mir," schrie der Vater, "Schande,
Wer hat dir, Bösewicht, erlaubt,
Daß du das arme Huhn gestohlen?
Weißt du nicht mehr, was ich befohlen?"

"Erzürnt euch, Vater, nicht so sehr,
Ich bin euch eifrig nachgekommen,
Denn ihr habt eine Gans genommen
Und ich ein Huhn, was ist es mehr?
Wollt ihr das Stehlen mir verbieten,
So müßt ihr euch erst selber hüten;
Ihr geht mir vor, ich folg' Euch nach."
Dies war es, was der Junge sprach.

*  *  *

Die Eltern sollen nicht allein
Den Kindern gute Lehren geben;
Sie müssen auch mit ihrem Leben
Denselben ein Exempel sein.
Wo Wort und Tat sich widersprechen,
Gerät die Kinderzucht nicht gut.
Wer straft mit Recht des Kinds Verbrechen,
Wenn es der Vater selber tut?


CV.
Das Nashorn mit seinen Jungen

Das Nashorn hat den Brauch,
Die Jungen vor sich herzutreiben,
Und stößt sie, wenn sie stehen bleiben,
Und stößt sie, wenn sie gehen, auch,
So, daß sie endlich nicht mehr wissen,
Wenn sie jetzt stehn, wenn laufen, müssen.
Drum tun sie das, was sie ergötzt,
Weil es doch allzeit Stöße setzt.

*  *  *

Dies habt ihr bei der Kinderzucht
Ihr Eltern, fleißig zu erwägen.
Dies sei euch Lehrern angelegen,
Die ihr mit Schelten oder Schlägen
Die Kinder stets zu strafen sucht,
Und sie mit Stock und Fluche schreckt,
Wenn euch sonst was im Kopfe steckt.
Die Strafe zwar ist recht und gut,
Doch dann nur, wenn sie nötig tut.
Hingegen ist sie zu verwerfen,
Wenn wir sie zur Unzeit schärfen.
Durch Schläge, Fluchen, Sturm und Streit,
Und mit tyrannischen Gesichtern
Macht man die Kinder blöd und schüchtern,
Ja bringt sie endlich mit der Zeit
Zur kalten Unempfindlichkeit,
Daß sie so wenig nach dem Schlagen
Als schelten und ermahnen fragen,
Und zwar Böses unterlassen,
Doch auch nichts Gutes fassen.
Glaubt, daß ihr mehr den Zweck erreicht,
Wenn ihr dem Nashorn nicht gleicht.

CVI.
Das Kind und der Frosch

Ein Kind hatt einen Frosch gefangen,
Komm, sprach es, laß dir gütlich tun,
Du bist zum Glück dem Sumpf entgangen
Und sollst auf Samt nun mehr ruhn.
Drauf legt' es dessen kalte Glieder
Auf einen Pfuhl von Samte nieder,
Und trug ihn fröhlich hin und her.
Allein der Frosch sah ungefähr,
Im Hingehen eine trübe Pfütze.
Gleich sprang er von dem weichen Sitze,
Und ließ das edle Polster leer.

*  *  *

Was schlecht geboren und erzogen,
Vergißt nie, was es sonst getan.
Und scheint ihm gleich das Glück gewogen,
Hängt ihm doch stets sein Ursprung an.
Man putzt es noch so schön und prächtig,
So bleibt es dennoch niederträchtig,
Damit der Spruch erfüllet ward:
Art läßt nimmermehr von Art.

CVII.
Das Rohr und die Eiche

Ein Schilfrohr stand in einem Teiche
Gleich gegenüber einer Eiche,
Für der kein Baum im nahen Wald,
An Stärke und Größe, sonst was galt.
Nun fing ein Sturmwind an zu rasen,
Mit heftigster Gewalt zu blasen,
Und trieb den Staub im Kreis empor.
Was tat hierbei das schwache Rohr?
Es schwankte zitternd hin und wieder,
Und bückte sich beständig nieder,
Bis das der Sturm vorüber ging.
"Wie übel geht es dir!" sprach die Eiche,
"Du armes und verlassnes Ding.
Du kannst dem Wind nicht widerstehen,
Und wirst ohne Zweifel untergehen.
Wie glücklich bin ich gegen dir,
Indem ich keinem Sturme weiche.
Ich lach ihn aus, und bläst er mir
Schon so grimmig in die Äste;
Steht mein Stamm unendlich feste.
Wer mächtig ist, weicht nicht so bald.
Gewalt vertreibt man mit Gewalt."
Doch hatte er dieses kaum gesprochen,
So lag er da, und war zerbrochen.

*  *  *

Wer nachgibt mit Bescheidenheit,
Fährt wohl: Doch Widerspenstigkeit
Hat sich nichts gutes zu versprechen:
Was sich nicht biegen läßt, muß brechen.

CVIII.
Der Maulwurf, ein Kinderlehrer

Ein Maulwurf, der aus seinem Loch
Nie völlig in die Höhe kroch,
Wollte dennoch seine Kinder lehren,
Und ließ sich einmal also hören:
Es ist in der Oberwelt
Ganz anders als allhier bestellt.
Sie wird durch einen runden Kloß,
Der wie ein Hühnerei so groß,
Und oben an der Decke klebt,
Erwärmt, erleuchtet und belebt.
Sein glänzend Licht wird, wie der Schein
Von etwa zwanzig Lampen sein.
Ich habe es zwar selbst nie gesehn,
Weil meine kleinen und tiefen Augen
Kein helles Licht zu sehen taugen.
Jedoch ist es einmal geschehn,
Daß, wo das Erdreich aufgeritzt,
Ihr schwaches Licht hineingeblitzt.
Daher habe ich den Schluß gemacht,
Es wäre also, wie ich gedacht.

Dies war des Maulwurfs weise Lehre,
Wie groß, und was die Sonne wäre.

*  *  *

Lacht nicht ihr Weisen, vor der Zeit.
Wenn wir in euren Schriften lesen,
Was Himmel, Hölle und Ewigkeit,
Was Gottes, und der Seelen Wesen,
Und die Natur der Geister sei.
So werden wir auf allen Seiten
Nur zwanzig Lampen, Kloß und Ei,
Und andre solche Seltenheiten
In großem Überflusse finden.
Der Maulwurf lehrt vom Sonnenlicht,
Und sieht, und kennt, und weis es nicht.
Ihr sprechet gleichfalls wie die Blinden,
Von Sachen, die euch unbekannt,
Und nicht durch menschlichen Verstand
In diesem Leben zu ergründen,
Weil Witz und Sinn darüber schwinden.
Und dennoch untersteht ihr euch,
Daß ihr davon so schreibt und lehret,
Als ob ihr da gewesen wäret:
Seid ihr nun nicht dem Maulwurf gleich?

CIX.
Der Schwan und der Rabe

Ein Schwan, der sterben sollte,
Sang, eh er aus dem Leben schied,
Der Meinung nach sein Sterbelied,
So künstlich es nur klingen wollte.
Ein Rabe lag nicht weit davon
Zugleich in seinen letzten Zügen,
Und sein gebrochner rauer Ton
Bewies sein letztes Mißvergnügen.

"Sei stille, sprach der Schwan,
Stör mich nicht in meinem Singen,
Viel lieber bitt ich, hör mich an,
Mein Lied wird dir wohl lieblich klingen."

"Schweig!" rief der Rabe, "stirb in Ruh.
Was willst du dich noch lange quälen?"
"Wie?" sprach der Schwan, "man hört mir zu,
Und wird es nach meinem Tod erzählen,
Wie lieblich meine Stimme klang,
Wie schön ich vor dem Tode sang.
Die Vögel, die mich jetzt hören,
Und die allhier versammelt sind,
Die werden bis aufs Kindeskind
Mich, wenn ich längst verwest, noch ehren."

"Ha, toller Wahn!" ach Phantasei!"
Versetzte hierauf der Rabe,
"Dein schönes Lied und mein Geschrei
Ist, wenn wir tot sind, einerlei.
Was hilft es uns in dem Grabe,
Wenn sie dich loben, und mich schelten?
Scheint es uns nicht gleich viel zu gelten?
Den Toten geht kein Lobspruch an,
Weil er davon nichts weiter fühlt.
Es ist und bleibt ein eitler Wahn,
Daß man auf seinen Nachruhm zielt."

*  *  *

Im Tode geht kein Rangstreit vor,
Und wird mit gleichem Maß gemessen.
Der Weise stirbt, wie der Tor,
Und beide sind zugleich vergessen.

CX.
Das Kind an dem Rheinstrom
und ein Wanderer

Es saß ein Knäblein an dem Rhein,
Und hatte zwei kleine Töpfe.
Ein Wanderer sprach: "Was soll das sein?"
"Hier sitz ich," rief das Kind, "und schöpfe
Den ganzen Rheinstrom da hinein,
Auf daß ich dessen tiefe Gründe
Und innerliches Wesen finde."
Dies schien dem Wanderer lächerlich.
Doch sprach er: "Nein! wer wundert sich?
Der Anschlag kommt von einem Kinde."

*  *  *

Ihr, die ihr mit Vermessenheit
In jegliches Geheimnis dringt,
Und nicht bedenkt, wie schwach ihr seid,
Wie wenig euch das Werk gelingt.
Mich dünkt, ihr sucht mit kleinen Töpfen
Den großen Rheinstrom auszuschöpfen.

CXI.
Die steinernen Zuhörer
und der künstliche Lautenschläger

In Afrika liegt eine Stadt,
Wo selbst des Himmels strenger Richter
Die Bürger, weil sie Bösewichter,
In harten Stein verwandelt hat,
Doch also, daß sie die Gestalten,
Als wenn sie lebten, noch behalten.
Dahin war nun einst ungefähr
Ein Lautenschläger angekommen,
Nachdem er dem erzürnten Meer,
Auf einem Brett, halb tot, entschwommen.
Nun, rief er, hat es keine Not,
Ich finde hier ja Menschen wohnen,
Die werden meine Kunst mit Brot,
Mit Ehre und Dankbarkeit belohnen.

Darauf ging er von Haus zu Haus,
Und spielte seine besten Stücke.
Allein, es sah kein Mensch heraus,
Und Lohn und Dank blieb ganz zurück.
Was, sprach er, soll das sein,
Bewegt sich niemand von dem Schalle?
Doch ach! Die Hörer waren alle
Von unempfindlich hartem Stein.
Er spielte lauter tauben Ohren,
Und Klang und Fleiß war hier verloren.

*  *  *

So geht es Wissenschaft und Kunst
Erwirbt sich weder Lohn noch Gunst,
So sie keinen Gönner findet,
Der ihre Schönheit selbst empfindet.
Die Stadt liegt zwar in Afrika;
Doch wollt' ich um was Großes wetten,
Daß wir viele solcher Städte hätten,
Wo auch die Bürger steinern wären.
Mich dünkt, ich war auch einmal da.
Doch genug! ich mag mich nicht erklären.

CXII.
Die Hirsche kündigen den Bären den Krieg an

Die Hirsche, die noch ohne Geweih,
Im dicken Busch verborgen lagen,
Und allererst für wenig Tagen,
Die zarten Kolben aufgesetzt;
Die wurden dennoch aufgehetzt,
Den Krieg den Bären anzusagen.
Die kamen drauf alsbald herbei,
Bewährt mit Zähnen und mit Klauen,
Und wollten nun in einer Schlacht
Den Heldenmut der Feinde schauen.
Die aber hatten erst bedacht,
Daß sie noch lange nicht den Bären
An Waffen recht gewachsen wären,
Und drum so lange warten müßten,
Zur Gegenwehr sich zu rüsten,
Bis ihr noch sprossendes Geweih
Gewachsen und gehärtet sei.

Allein, es war zu weit gekommen,
Eh man den großen Fehler sah.
Das Werk war einmal unternommen,
Die Feinde standen wirklich da,
Und fingen an mit ihren Klauen,
Was sie nur fanden umzuhauen.
Des Feindes Ohnmacht war bekannt.
Man wußte gründlich seine Schwäche,
Und daß es ihm zum Widerstand,
Noch jetzt am Geweih gebreche.
Drum drückten sie das ganze Land,
Und suchten alles zu verheeren,
Weil niemand da, es zu verwehren.
Denn eh der Hirsch Gehörn bekommen,
War alles Land schon weggenommen.

*  *  *

Den Krieg den Feinden angesagt,
Eh man noch in Verfassung steht,
Das heißt, sich allzu früh gewagt,
Und niemand wird mit Recht beklagt,
Wenn es ihm, wie den Hirschen geht.

CXIII.
Der Nordwind und die Sonne

"Ich habe dennoch meist gewonnen,
Wenn ich mit strengem Pfeifen blies."
So sprach der Nordwind zu der Sonne,
Die sich erst früh am Himmel wies.
"Du kannst," rief sie, "die Worte sparen.
Komm her, wir wollen gleich erfahren,
Wer unter uns am meisten kann.
Du siehst dort jenen Wandersmann,
Der einen Regenmantel trägt.
Laß sehn, wer ihn zuerst bewegt,
Daß er den Mantel von sich legt."

Der Nordwind blies mit vollem Mund.
Je mehr der aber blies und pfiff,
Je mehr der nach dem Mantel griff,
Je kräftiger er widerstand,
So daß er ihn nicht fahren ließe
Und wenn sich dieser rasend bliese.
Hierauf nun kam der Sonnenschein,
Und strahlte, mit warmen Blicken,
Dem Wandersmann sanft auf den Rücken,
Und drang bis auf die Haut hinein,
So daß darüber sein Geblüte
Ins wallen, er ihn Schweiß geriet;
Gleich ward der Mantel abgenommen,
Um desto leichter fortzukommen.

*  *  *

Durch Sanftmut und Gelindigkeit
Läßt ein Herz viel eher sich bewegen,
Die bösen Sitten abzulegen,
Als durch Gepolter, Sturm und Streit.
Merkt dieses bei der Kinderzucht,
Merkt dieses auf dem Fürstenstuhle,
Merkt dieses in der Kirche und Schule,
Die Härte bringt gar selten Frucht.
Allein ein glimpfliches Ermahnen
Macht gute Schüler, gute Kinder,
Gewinnet die verstockten Sünder,
Und mißvergnügten Untertanen.

CXIV.
Die Tulpe und die Maienblume

Die Tulpe sah die Maienblume,
Im Tale, niederträchtig stehn:
"Wie weit bist du von meinem Ruhme!
Wie bin ich gegen dich so schön!
Wie prächtig ist mein Kleid geschmücket,
Wie stehst du gegenteils gebücket,
Wie ärmlich ist dein weiß' Gewand;
Woran man keine Farb' erblicket!
Wie glücklicher ist nun mein Stand!
Du hast wohl Ursach', dich zu schämen."
So ließ die Tulpe sich vernehmen.
"Wozu viel Worte? Du hast recht;
Wer leugnet es?" versetzte jene,
"Dein Ansehn ist gewiß nicht schlecht
Und deine Kleidung wunderschöne,
Ja, bis zum Laubwerk und zum Stiel,
Sind wenig Blumen dir zu gleichen;
Ich muß dir also freilich weichen:
Doch riech' ich wohl und nütze viel."

*  *  *

Wie mancher hat ein schön Gewand,
Und äußerliche gute Minen?
Allein, wo bleibt der Verstand?
Und was kann er dem Nächsten dienen?

CXV.
Der Affe, ein seltsamer Buchdrucker,
und ein Eremit


Ein Affe war einst ungefähr
In eine Druckerei gekommen;
Nachdem er nun, was drucken wär',
Nach Möglichkeit in acht genommen,
Trug er viel Lettern mit sich fort
Und stieg auf einen hohen Ort,
Legt unten hin viel weiße Bogen
Und warf, ohn' allen Witz und Sinn,
Die Lettern aufs Papier dahin,
So wie er sie herausgezogen.

Ein Eremit ging da vorbei:
"Was," rief er, "machst du hier, mein Affe?"
"Hier hab ich eine Druckerei,
Daß ich der Welt viel Nutzen schaffe."
War dessen Antwort, "sieh nur an,
Ob ich nicht sauber setzen kann
Und wie ich hier mit großem Glücke
Und leichter Mühe Bücher drucke."

"Jawohl! Jawohl! Mit leichter Müh',"
Versetzte jener ihm dagegen;
"Allein komm auch herab und sieh,
Wieviel an deinem Fleiß gelegen
Und ob auf diesem ganzen Blatt
Ein Wort nur Sinn und Meinung hat?
Soll diese Bücher drucken heißen?
Soll so dein Werk vonstatten gehen?
Die Lettern aufs Papier zu schmeißen,
Macht nicht, daß Bücher draus entstehn.
Wo nicht Verstand die Hände leitet,
Wird kein gelehrtes Buch bereitet:
Wirf hundert Jahr und weiter fort
Und doch entspringt kein kluges Wort."

*  *  *

Starke Geister, welche meinen,
Daß durch Zufall sich die Welt
Selbst in Ordnung hergestellt,
Dürfen gleichfalls nicht verneinen,
Daß die kluge Druckerei
Unsers Affen möglich sei.

Oder:

Wenn man von dem Druck des Affen
Einst ein kluges Buch erhält,
Glaub ich auch, daß sich die Welt
Ungefähr von selbst erschaffen.

CXVI.
Der Pfau und der Jupiter

Der Pfau sprach zu dem Jupiter:
"Du hast mir, Allgewaltiger,
Das schönste Kleid zwar angezogen,
Es übertrifft den Regenbogen,
Nichts ist so prächtig und so reich,
Der Glanz von allen Edelsteinen
Will sich in meinem Schweif vereinen,
Und welcher Vogel ist mir gleich?
Doch eins nur, das mich heftig quält,
Ist, daß mir noch die Stimme fehlt.
Ein jeder der mich erblickt,
Verehrt mich fast auf seinen Knien.
Hingegen, wer mich hört, erschrickt,
Und will vor meinen Ton entfliehn.
Verbessere doch mein rau Geschrei,
Und mach, daß ich vollkommen sei,
Damit ein jeder von mir spreche,
Ich sei das Tier, dem nichts gebreche."

"Nein!" sprach der Jupiter, "mein Sohn,
Behalte deinen üblen Ton,
Dein Wunsch soll nimmermehr geschehen.
Ich habe längst zuvor gesehen,
Daß eine Stimme dir nicht gut,
Es würde die Vollkommenheiten
Sonst nur, aus Stolz und Übermut,
Zu dieser Frechheit dich verleiten,
Daß du wohl denken sollst, ich wär
Der Pfau, und du der Jupiter."

*  *  *

Der Mangel in den Kreaturen,
Daß hie und da etwas gebricht,
Zeigt von des Schöpfers Weisheitslicht,
Und bringt sie täglich auf die Spuren,
Daß ein vollkommen Wesen sei,
Das ungebunden, los und frei,
Sie machte, wie es ihm beliebte,
Und eine freie Wahl verübte.
So lernt aus eurer Dürftigkeit
Des Jupiters Vollkommenheit.

CXVII.
Der Eber und das Reh

Ein Eber, der schon manches Jahr
Im dicken Wald gemästet war,
Pflegte täglich unter einer Buchen
Die Nüsse fleißig aufzusuchen.

Hierzu kam einst ein frommes Reh,
Und sprach: "Kennst du auch diese Früchte?
Und hebst du dankbar dein Gesicht
Nach ihrem Baum auch in die Höh,
Der dich so reichlich speist und nährt,
Und täglich dir die Kost beschert?"

"Was Baum? Was Frucht?" ließ sich das Schwein
Mit aufgeworfnem Rüssel hören,
Ich komm hierher um satt zu sein,
Nicht aber, mich erst zu belehren,
Wer mir die Früchte geben mag.
Schon genug, daß ich auf jeden Tag
Hier meinen Tisch und Futter habe.
Was geht mich Baum und Geber an,
Wenn ich indes nur Frucht und Gabe
Von ihm mit Lust genießen kann?"

*  *  *

Ach! daß die Fabel ohne Lehre,
Zum mindesten nicht für Menschen, wäre.
So grunzt zwar hier ein dummes Schwein,
Und ist ihm leichter zu verzeihn.
Doch sollte dieses fromme Reh
Die meisten Menschen fragen,
Wenn ihre Tafel aufgetragen,
Ob sie sodann auch in der Höh
An ihren milden Schöpfer dächten,
Was würden sie zur Antwort sagen?
Gott nähret uns im Überfluß;
Wer aber denkt, bei dem Genuß
Der Gnadengaben, an den Geber?
Wie viel sind nun dergleichen Eber,
Die täglich von den Nüssen essen,
Und doch des Baums dabei vergessen?

CXVIII.
Der Affe mit einer Mandel

Als einst ein Affe, Crith genannt,
Im Garten eine Mandel fand,
Die noch in Schalen eingeschlossen,
Sprach er, wär nur der Kern heraus,
So hätte ich einen guten Schmaus,
Für diesen Tag, vergnügt genossen.
Allein was taugt wohl unversucht?
Die Schalen sind erst aufzuschließen,
Hernach kann ich die süße Frucht
So viel genüßlicher genießen.

Er nahm die Mandel darauf in den Mund,
Und biß sich Zunge und Zahnfleisch wund,
Ehe sich die Schalen brechen ließen.
Doch als er endlich sie zerknickt,
Und mit Begier hineingeblickt,
Den Kern nunmehr zu gewinnen,
Fand er, für alle seine Müh,
Nur einen Wurm und Staub darinnen.
Worüber er aus Unmut schrie:
O weh! wie reut mich mein Beginnen!

*  *  *

So pflegt's mit Schriften herzugehn,
Die schwer und dunkel zu verstehn,
Und als in harten Schalen stecken.
Man bricht sich fast den Kopf entzwei,
Den angenehmen Kern zu schmecken,
Und denkt, wie gut der Inhalt sei.
Doch wenn die Rätsel aufgeschlossen,
Und alles nun ins Licht gesetzt;
Erblickt man zornig und verdrossen
Nur Staub und Würmer zuletzt.

CXIX.
Die Schafe die läuten
und die Hunde, die es nicht hören können

"Auf! laßt uns eine Glocke machen,
Damit, wenn uns der Wolf beschleicht,
Durch ihren Schall die Hunde wachen,
Und uns ihr Beistand Hilfe reicht.
Wer außen bleibt, denn soll man strafen."
So sprach das Älteste von den Schafen.

Dies ward den Hunden kund getan.
Gut, sagten die, es soll nicht fehlen.
Man band die Glocke wirklich an.
Des Nachts kam der Wolf, zu stehlen,
Biß manches Schaf, gewann viel Beute,
Und fragte nichts nach dem Geläute;
Zumal da seiner Wut kein Hund
Mit Gegenwehr widerstand.

Die Hunde wurden vorgeladen:
"Ei," rief das Schaf, "wie schön gewacht!
Seht her einmal, in was für Schaden
Uns gestern spät der Wolf gebracht.
Habt ihr das Läuten nicht vernommen?
Der Strang riß ja, die Weide brach;
Warum seid ihr nicht gekommen?
Warum gingt ihr den Schall nicht nach?
Wie könntet ihr so feste schlafen,
Gedenkt ihr auch an eure Strafen?"

"Was läuten? ja! wir wünschen alle,
Daß uns auch selbst der Wolf verzehrt,
Sofern wir von dem Glockenschalle
Nur den geringsten Laut gehört.
Nicht einer, es wird hoch beteuert,
Hat sich des Nachts zur Ruh gelegt.
Wir hätten wohl den Wolf gesteuert,
Wenn ihr die Glocke recht bewegt.
Weist sie doch her, wie wurde sie bereitet?
Was Henker! rief des Küsters Hund,
Wenn ihr auch hundert Jahre damit läutet,
Macht sie doch ihren Klang nicht kund.
Der Klöppel fehlt, wie kann sie klingen?
Wie kann der Schall zum Ohre dringen?
Pfui, schämt euch, daß ihr Glocken gießt,
Und nicht versteht was nötig ist."

"Wie?" sprach das Schafvolk ganz erschrocken,
"Gehört ein Klöppel zu der Glocken?
Was hat ein Klöppel für Gestalt?
Wie, und wohin soll man ihn hangen?
Und was ist mit ihm anzufangen,
Damit die stumme Glocke schallt?"

*  *  *

Gesetze geben, was beschließen,
Und doch im Grunde nichts verstehn.
Das heißt: Sich eben so vergehn,
Und Glocken ohne Klöppel gießen.

CXX.
Der Turteltaube wohlgemeinter Rat
und der Affen Dank dafür

In einer Herbstnacht, die schon kalt,
Versammelten sich in dem Wald
Die alten nebst den jungen Affen,
Sich einen sichern Aufenthalt
Und Deckung für den Frost zu schaffen.
Sie fanden endlich auch ein Loch,
Da hinein der ganze Haufen kroch
Und steckten sich in Laub und Blätter.
Doch ein entstandner scharfer Nord
Riß, durch ein stürmisch Regenwetter,
Die leichte Decke mit sich fort.

Hierüber wurden sie bekümmert.
Indes sieht einer von ungefähr,
Daß etwas in der Ferne schimmert.
Der läuft, und ruft: "Kommt, Brüder her!
Seht, seht, welch glücklich Abenteuer!
Hier finde ich in dem Moose Feuer,
Das wollen wir nun unterhalten;
Trägt dürres Reis und Blätter zu.
So sitzen wir in warmer Ruh,
Und dürfen ferner nicht erkalten."
Hierüber wurden alle froh,
Und brachten Blätter, Holz und Stroh,
Zur Nahrung dieser neuen Flamme,
An den gezeigten Ort zusammen.
Ihr Mund ward spitz, die Backen groß,
Sie bliesen so mit Macht drauf los,
Daß manchem fast das Netz und Lunge,
Und sonst ich weis nicht was, zerspringe.
Doch sah man weder Rauch noch Licht,
Mit einem Wort, kein Feuer nicht.

Nicht weit hiervon saß in dem Laube
Ganz einsam eine Turteltaube,
Die ward von diesem Lärm erschreckt,
Und aus dem Schlummer aufgeweckt.
"Ach," rief sie, "Kinder haltet inne,
Spart euren Atem, schweigt und ruht.
Es ist vergeblich, was ihr tut,
Hofft hier nicht Feuer zu gewinnen.
Der Funken des gefundnen Lichts
Ist nur ein Wurm, und weiter nichts."

"Ja! lerne du uns Feuer kennen,"
Rief voller Grimm das Affenheer,
"Das Holz ist feucht, drum glimmt es schwer;
Doch soll und muß es endlich brennen.
Was sagst du uns von Würmern hier?
Der Wurm steckt nirgends, als in dir.
Wozu ist dein Gewäsche nütze?
Was hilft dein Rat? Wer hört dein Wort?
Wir frieren und bedürfen Hitze,
Und blasen dir zum Trotze fort.
Wie? meinst du, daß kein Affe wisse,
Was Wurm, und was ein Funke sei?"
Hiermit sprang einer hin, und riß
Die arme Turteltaube entzwei.

*  *  *

Die Affen sind und bleiben Affen,
Man rede ihnen nur nicht ein,
Und habe nichts damit zu schaffen,
Sie wollen nicht belehret sein.
Bei Eigendünkel- vollen Toren
Ist aller guter Rat verloren,
Ja, wenn man sie im Mörser stieß,
Und so wie Grütze stampfen ließ;
So würden sie doch Wahrheit hassen,
Und nie von ihrer Narrheit lassen.

CXXI.
Die unglückliche Heirat des Dornstrauchs

Der Dornstrauch sprach den Eichbaum an:
Nimm meinen Sohn zum Tochtermann!
Mir, sagte der, ist das nicht zuwider.
Hiermit stieg er hinab ins Tal,
Und brachte das neue Ehegemahl
Dem jungen Dornbusch selbst hernieder.
Doch als er nach dem Schwiegersohn,
Denn er bekommen sollte sah,
Lag dieses kleine Bürschchen schon
Und sein Geschlecht zertreten da.

*  *  *

Einer, welcher schwach und klein,
Laß sich nicht mit Großen ein.
Kleine werden von den Großen
Gar zu leicht umgestoßen.

CXXII.
Die Schwalbe und die Spinne

Die Schwalbe baute sich ein Nest
An einem hohen Balken fest.
Daselbst ward auch von einer Spinnen,
Die sich nicht weit davon befand,
Ein Netz gewebt und ausgespannt
Um ihre Nahrung zu gewinnen.
"Eh du," sprach sie, "dein Nest erbaut
Wollt ich wohl dreißig Netze weben.
Wie viele Mühe mußt du dir geben,
Eh man des Werkes Fortgang schaut.
Du holst dein Bauzeug erst von weitem,
Und suchst es da und dort herfür.
Ich aber hab es selbst bei mir,
Und kann es aus mir zubereiten,
Wie bin ich gegen dich beglückt!
Wie bald ist nicht mein Netz gestrickt!
Wie bald ist nicht mein Garn gewebt,
Das künstlich in den Lüften schwebt."

"Ja! ja!" rief jene, "du hast recht,
Die Arbeit wird mir schwer und sauer;
Allein, ich bau auch auf die Dauer,
Und nicht nur obenhin und schlecht.
Ich bin zwar langsam, du geschwinde,
Doch siehst du, wie mein Werk besteht,
Da deins hingegen von dem Winde
Und anderem Zufall, leicht vergeht."

*  *  *

Ihr, die ihr alle Vierteljahre
Ein neues Buch ans Licht gebracht,
Und wegen eurer leichten Ware,
Diejenigen, aus Stolz verlacht
Die nur auf dieser Meinung bleiben
Zwar langsam, aber gut zu schreiben.
Glaubt, euer Werk wird euch mehr Schmach
Als Ehre, Ruhm und Vorteil geben;
Ihr baut, doch lauter Spinnenweben,
Ihr schreibt geschwind; es ist danach.

CXXIII.
Der gereiste Mann, ein wunderlicher Koch

Ein Mann, der manches fremde Land,
Aus heißer Neugier durchrannt
Und nach Ostindien gefahren,
Brachte nebst vielen anderen teuren Waren,
Auch an Gewürz uns Spezerei,
Viele große Kisten mit herbei.
Damit er nun von seinen Reisen,
Die Früchte reichlich sehen ließ,
Bestreute er alle seine Speisen
Aus Suppe, Käse, Zugemüs',
Salat, Pasteten, Fisch und Braten,
Mit Zimt, Zucker und Muskaten.

Es fehlte zwar an Gästen nicht;
Allein so bald sie ein Gericht,
Zum Anbiß und Versuch genommen,
Da wollt es keinem wohl bekommen.
Der klagte Haupt- der Magenschmerz,
Der fühlte Wallung um das Herz,
Kurz, jeder hatte was zu klagen
Und niemand konnte es recht vertragen.
Dies, sprachen sie, steht uns nicht an,
Daß man nicht Gewürz ans Essen,
Nein! Essen ans Gewürz, getan,
Und Ordnung, Maß und Ziel vergessen.
Es riecht zwar gut, und sieht auch schön,
Doch macht es Ekel, Angst und Hitze,
Und ist, die Wahrheit zu gestehn,
Für große Kostbarkeit nichts nütze.

*  *  *

Ihr, die ihr gar so sinnreich schreibt,
Und eure Schriften mehr beblümt,
Als sich nach der Vernunft geziemt,
Und alles aus das höchste treibt.
Die ihr mit Sprüchen alter Weisen
Und Sachen, alles überstreut,
Auch ihr verderbt eure Speisen
Durch überhäufte Lieblichkeit.
Ihr sagt viel Schönes in der Kürze;
Allein ihr braucht zu viel Gewürze.

CXXIV.
Der Hund auf einem samtenen Kissen
und der Hausherr

Ein ungeschickter Dorfhund sah
Ein prächtig samtenes Polster liegen.
Ei! dies ist meinetwegen da,
Ich will mich drauf zur Ruhe verfügen!
So schreiend, trat er es tölpisch nieder,
Und streckte die beschmutzten Glieder
Auf diesem weichen Lager aus,

Indessen kommt der Herr vom Haus.
Was, rief er, bist du ein Gast,
Du Ritter von der groben Kette?
Meinst du, daß dieses edle Bette
Für deinen plumpen Körper sei,
Daß du es eingenommen hast?

Hiermit langte er ein Rohr herbei
Und dankte ihm stark mit derben Schlägen,
Daß er so sanft auf Samt gelegen.

*  *  *

Die so nah nach hohen Würden stehn,
Und sich mehr, als sie wert, erhöhn,
Auch diese, welche nie gebeten,
Gar zu vertraut zu Fürsten treten;
Alsbald die über ihren Stand,
Ein vornehmes Kind zur Ehe verlangen,
Die machen dieses sich bekannt,
Wie es allhier dem Hund ergangen.

CXXV.
Vergebene Mühe, Böse zu bessern
oder die Rabenbleiche

Es fand ein Mann ein Nest voll Raben:
Laßt sehen, fing er bei sich an,
Weil sie noch zarte Federn haben,
Ob ich die Vögel bleichen kann;
Ich könnte mir alsdann mit ihnen
Ein gutes Stück Geld verdienen.
Ein weißer Rabe, wie man spricht,
Kommt als Wunderwerk ans Licht.

In Hoffnung, daß er schon gewonnen,
Trug er sie täglich an die Sonnen,
Begoß sie auch mit großem Fleiß:
Allein sie wurden doch nicht weiß.
Es half kein Gießen und kein Bleichen,
Die Schwärze wollte doch nicht weichen.

Ach! rief er, hätte ich erst bedacht,
Daß Müh und Zeit allhier verloren.
Was von Natur schon schwarz geboren,
Wird durch die Kunst nicht weiß gemacht,
Und Mohren bleiben ewig Mohren.
Es heißt, zu meinem Spott und Schmach:
Schwarz, nach wie vor.

*  *  *

Wer Böse fromm zu machen sucht,
Und Toren zu der Weisheit führt,
Hat selten größeren Nutz und Frucht
Von aller seiner Müh verspürt,
Als dieser Mann von seiner Zucht.