Fabel 1
Vom Hanen und Perlen
Gott durch sein güt und weisheit fron
Hat alle ding erschaffen schon
Und als, was lebt, reichlich versorgt,
Daß hungers halb niemand erworgt,
Gibt jedem fleisch zur notturft gnug,
Mit dem beding und solchem fug,
Daß alles, was da hat das leben,
Sol arbeiten und darnach streben,
Nach seiner art die kost erwerben:
So wird es nimmer hungers sterben,
Und wird in Gott nicht darben lassen.
Ein haushan tet auch solcher maßen
Und scharret auf eim alten mist,
Wie der hüner gewonheit ist;
Bald on gefer daselbs zu hand
Ein edle perlen er da fand,
Des er sich nicht versehen het,
Auch in nicht fast erfreuen tet.
Er sprach: "Was tust, edles kleinot,
In disem unstetigen kot?
Wenn dich ein reicher kaufman het,
Vil großer er er dir antet
Und wurd dich halten also hold,
Daß er dich fassen ließ in gold.
Du magst aber nicht nutzen mir;
So kan ich auch nicht helfen dir
Und dir erzeigen zimlich er:
Ein hand voll gersten mir lieber wer,
Damit ich möcht den hunger stillen,
Der sich nicht läßt mit perlen füllen."
Die unverstendign merk beim han:
Kunst, weisheit zeigt die perlen an.
Ein narr achtet nicht großer kunst,
Auch ist die straf an im umbsunst.
Das bös den guten ist nicht gut,
Das gut den bösen schaden tut.
Das heiltum ist nicht für die hund,
Perlen seind schweinen ungesund;
Der muscat wird die ku nicht fro,
Ir schmeckt vil baß grob haberstro.
Ein alter sich zum alten findt,
Auch mit einander spieln die kind;
Ein weib get zu den andern frauen,
Ein kranker wil den andern bschauen.
Darumb sichs in der welt jetzt helt:
Zu gleichem gleich sich gern gesellt.
Fabel 2
Von dem Wolf und dem Lamb
Ein wolf het glaufen in der sonnen
Und kam zu einem külen bronnen.
Als er nun trank, sich weit umbsach,
Ward er dort niden an dem bach
Eins lambs gewar, das auch da trank.
Gar zorniglich der wolf zusprank
Und sprach: "Du trübst das wasser mir,
Daß ich nicht trinken kan für dir."
Das lamb erschrak und sprach: "Herr, nein!
Bitt, wollest nicht so zornig sein
Und kein gewalt wider mich üben!
Wie kan ich euch das wasser trüben?
Das wasser, welchs ich trunken hab,
Das fleußt von euch zu mir herab;
Tu euch hiemit nichts zu verdrießen:
Drumb laßt mich meiner unschuld gnießen.
Wenn ich schon wolt, könt ich doch nit
Euch etwas schaden tun hiemit."
Der wolf sprach: "Schweig, du böses tier!
All deine freunde haben mir
Von anbegin zuwidern tan,
Dein bruder und deiner mutter man;
Kunt mit in kommen nie zu recht;
Ihr seid ein bös, verflucht geschlecht.
Meins schadns wil ich mich jetzt erholen;
Du must mir heut das glach bezalen."
Der wolf zeigt die tyrannen an,
Das lamb die armen undertan.
Denn so geschicht noch heut bei tag:
Wo der groß übern kleinen mag,
Wirft er auf in sein ungedult,
Unangesehn ob er hab schult.
Doch hat der gsündigt allzu vil,
Den man zur antwort nicht statten wil.
Wenn man gern schlagen wolt den hund,
Findt sich der knüttel selb zur stund.
Die hund das brot den kindern nemen:
Die alten lassens wol bezemen.
Der weih die tauben tut bekriegen
Und läßt schedliche rappen fliegen;
Und wo der zaun am nidrigsten ist,
Da steigt man über zu aller frist.
Fabel 3
Vom Frosch und der Maus
Es het ein frosch mit einer maus
Einen schedlichen krieg und strauß;
Der hub sich umb ein kleinen teich,
Den wolt ein jeder han vor sich.
Der krieg war heftig one maß.
Die kleine maus kroch in das gras,
Heimlich mit listen überdocht,
Wie sie dem feind abbrechen mocht.
Der frosch war nu ein küner man
Und griff den feind von vornen an.
Teten einander groß verdrieß;
Die langen binzen warn ir spieß:
Sie zohen an einander dar.
Des ward von fern ein weih gewar,
Hinzu er sich bald neher macht:
Ir keiner het des weihen acht.
Er faßt sie beid mit klauen hart:
Damit der krieg entscheiden ward.
Also geschicht oft in einer stadt,
Die zweispaltige bürger hat:
Ein jeder gern vorm andern wer
Des andern oberkeit und her,
Damit unverwindlichen schaden
Von beiden teilen auf sich laden,
Und komen dennocht nicht dahin,
Dazu sich trug ir mut und sin.
Zwen hund beißen sich umb ein bein:
So nimts der dritt und bhelts allein.
Fabel 4
Vom Hund und stück
Fleisch
Ein stücke fleisch erwüscht ein hund
Und trugs hinweg in seinem mund.
Er dacht: ich darfs umbs gelt nit kaufen!
Und wolt über ein wasser laufen.
Als er kam mitten in den bach,
Sein eigen schein neben im ersach
Und meint, daß ein ander hund wer
Und het ein größer stück denn er;
Ließ das fallen, wolt umbher schnappen
Und nach dem großen stücke gappen.
Dieweil das ander floß hindan,
Behielt der hund gar nichts darvon,
Und war sein hoffnung gar verlorn.
Uber sich selbst ergrimmt sein zorn,
Sprach: Du elend, betrübter fraß,
Wustest deins geizes keine maß:
Dir gschicht gar recht! vor hettest ichts,
Jetzt hastu minder denn gar nichts.
Daß du das ungwis mochtest han,
Hast das gewisse faren lan,
Dise fabel vermant uns fein:
Ein jeder sol zu frieden sein
Mit seim befelh, ampt und beruf,
Dazu in Gott erwelt und schuf.
Und daß wir uns des geizes maßen,
An unserm kleinen gnügen lassen,
In far nicht setzen unser gut,
Wie denn oft mancher kaufman tut:
Durch hoffnung eins kleinen genieß
Macht er sein gwisses ungewis.
Die kaufmanschaft mir nicht gefellt,
Da man das hoffen kauft umbs gelt.
Man sagt, das hoffen und das harren
Macht manchen weisen man zum narren.
Besser ein sperling in der hand
Denn ein gans daußen auf dem sand.
Fabel 5
Vom Löwen und andern
Tieren
Mit einem bocke, schaf und rind
Sich auf ein zeit ein löw verbindt
Und sprach: "Es stet uns übel an,
Daß wir allhie so müßig gan.
Darumb hört zu, was ich werd sagen:
Wir wollen mit einander jagen
Im holz und sehn, was wir erlangen,
Ob wir auch etwas mögen fangen.
Was wir erjagen, sol unser sein,
Das wolln wir teilen ins gemein."
Sie liefen hin zu einem wald:
Daselbs erwüschten sie gar bald
Ein hirsch, mit bhendigkeit ereilen
Und denselben in viere teilen,
Auf daß ein jeder nem ein part,
Wie es vorhin bewilligt ward.
Der löw ergrimmet da und sprach:
"Ir lieben freunde, tut gemach!
Den ersten teil sol ich billch han:
Ich bin die allerhöchst person.
Den andern teil nem ich auch hin,
Weil ich under alln der sterkest bin.
Der dritte teil ist billich mein,
Drumb daß ich vor euch alln allein
Mit laufen mer hab ausgericht,
Wie man an meinem schwitzen sicht.
Das vierte teil müst ir mir lassen,
Oder solt euch meiner freundschaft maßen.
Wer mir dasselbig vil misgunt,
Der ist zwar nicht des löwen freund."
Die gsellen sahen einander an,
Stillschweigens giengen sie davon,
Kunten sich nicht am löwen rechen,
Keiner dorft kein wort im widersprechen.
Die treu ist klein zu diser zeit
Bei großen herrn in sonderheit:
Ein jeder tut jetzt, wie er mag,
Und rafft allzeit in seinen sack.
Derhalben ich eim jeden rat,
Daß er mit seinem gleich umbgat.
Mit gleichem hastu gleiches recht:
Er nicht dein herr, du nicht sein knecht.
Ganz ferlich ists den armen knechten,
Zu streben und zu widerfechten,
Gegn große hansen sich vermessen:
Mit herrn ist böse kirschen essen.
Fabel 6
Von dem Wolf und Kranche
Der alt wolf het ein schaf zubissen,
Vor großem hunger gar zerrissen;
Er schlang es auf bei groben flecken;
Im blieb ein bein im hals bestecken.
Er lief umbher bei alle tier
Und sprach: "Komt doch, zu helfen mir!"
Da war niemand, der helfen wolt;
Sprachen: "Es ist der sünde schult,
Daß jetzt an im gestrafet werd,
Was er gesündigt an der herd.
Wir gönnen im des unglücks wol:
Der wolf ist aller bosheit voll."
Er kam zum kranchen, bat in ser:
"Durch dich mir wol zu helfen wer,
Daß du mit deinem schnabel lank
An mir begen möchtst großen dank.
Des wolt ich dich genießen lon,
Davor ein erlich gschenke ton."
Der kranch ließ sich bereden das;
Sein schnabel stieß er im in fraß
Und zohe im bald heraus das bein:
Da ward dem wolf der rachen rein.
Der kranch fordert vom wolf den lon,
Dass er im solchen dienst het ton.
Der wolf den kranchen da belacht
Und sprach: "Bistu so unbedacht,
Daß du jetzt forderst lon von mir?
Dein eigen leben schenk ich dir,
Welchs ich dir kurz het mögen machen,
Da du mirn kopf stießest in rachen.
Du soltst mir billich gelt zugeben,
Daß ich dich jetzt hab lassen leben."
In disem wolf wird uns vermelt
Die groß undankbarkeit der welt,
Die jetzt so hoch und übermacht.
Von anbegin der welt, ich acht,
Daß nie so groß gewesen sei
Undankbarkeit und triegerei.
Wenn jetzt zum andern komt ein man,
Umb hülf rüft in in nöten an,
So lassen sich zu hand die frommen
Bereden und zu hülfe kommen;
Und wenn im denn geholfen ist,
So zalt er in mit böser list,
Hilft er im auf, er stößt in nider,
Ert er in, er schendt in wider;
Und da man sichs gar nicht versicht,
Daselbs es im am ersten gschicht.
Kein besser kraut für disen feil,
Denn dass man mit gedult mach heil.
Wer gdult zu rechten zeiten bricht,
Ob in denn schon der undank sticht,
Der neidhart heftig auf in reit,
Macht in gedult als unfals queit.
Fabel 7
Vom Bauren und der
Schlangen
Es gschah in einem winter kalt,
Da lag ein schlang gar ungestalt
Im schnee und eis befroren hart;
Von einem bauren funden wart.
Der name sie auf, als ers ersach,
Und trug sie heim in sein gemach;
Zum kachelofen warf ers nider,
Auf dass sie möcht aufdauen wider.
Als sie nun aufgefroren war,
Ir macht und gift het wider gar,
Da liefs umbher an alle end,
Beschmeißt mit gift des hauses wend.
Darab der baur tet ser erschrecken,
Erwüscht gar bald einen zaunstecken
Und sprach: "Du giftigs, böses tier,
Hab ich em solchs verschuldt an dir?"
Er strafts mit worten und mit schlegen
Und sprach: "Da du dich nicht kuntst regen,
Im schnee und eis werst gar erfrorn,
Da bracht ich dich wider zuvorn,
Und das alles aus gunst und gnad;
Jetzt zalstu mirs mit missetat."
Es gschicht wol in der welt auch nun,
Dass eim diejenen schaden tun,
Den man hat alles gut getan,
Wie jetzt gemein bei jederman,
Und ist undankbarkeit so groß
Erwachsen über alle moß.
Die heiden habens e bedacht,
Und hat undankbarkeit gemacht
Vil böses bei den menschen, gschafft,
Dass sie ward mit dem schwert gestraft.
Das evangelion uns lert,
Wie Christus selber disputert
Und sagt, daß man das gut mit gut
Vorgelten und bezalen tut.
Des hat man kleinen preis und lon;
Das haben auch die heiden ton.
Ich aber sag euch, dass ir solt
Dem feind vorgeben seine schult
Und in wie einen freund belieben,
Sich gegen im in woltat üben
Und nicht wider das unrecht schelten,
Solt bös mit gutem widergelten,
Auf dass ir möget kinder rein
Eurs himelischen vatters sein,
Der seine sonnen läßt aufgan
Gleich übern schalt und frummen man
Und gibt auch zeitlich seinen segen.
Auf bös und gut vom himel regen.
So solln wir gschickt sein alle zeit;
Als, was wir wolln, daß uns die leut
Tun solln, das solln wir in auch ton:
Die lieb ist des gesetzes kron.
Fabel 8
Vom Löwen und Esel
Der grobe esel unbedacht
Einen löwen schimpflich belacht.
Der löw ergrimmet über in
Und sprach: "Wolan, nu ge jetzt hin!
Du hetst an mir verschuldet wol,
Daß ich dir schlüge die haut voll;
Ich wil aber mein zorn jetzt brechen,
Mich nicht an deiner grobheit rechen.
Ich dunk mich vil zu gut dazu,
Daß ich mich mit dir zanken tu.
Unvernunft hilft dir jetzt davon,
Daß du der strafe magst entgon:
Derhalben bist sicher vor mir,
Dass ich mich jetzt nicht rech an dir."
Ein jeder wird hie unterricht,
Wenn eim leid oder schad geschicht
Von einem groben und unwissen,
Daß er denn allzeit sei geflißen,
In ungedult nicht wider schelten,
Dasselb mit rach im zu vergelten.
Die bösen und unwissen leut
Die freuen sich des allezeit,
Wenn sie bei frommen zorn erregen,
Daß sie sich inen widerlegen.
Ein großes pferd aus hohem mut
Das dunket sich gar vil zu gut,
Wenn es ein kleiner hund billt an,
Stillschweigens tuts fürüber gan.
Ein weiser nicht das lob ansicht,
Welchs im von einem narren gschicht.
Auch wenn ein bube schilt ein frommen,
Das kan im nicht zun unern kommen.
Eins schalkes lestern oder lob
Acht ein frommer in gleicher prob.
Fabel 9
Von der
Stadtmaus und der Feldmaus
Es begab sich, dass ein stadtmaus
Spatzieren gieng ins feld hinaus
Nahe bei eim dorf; hört, was geschah:
Ein feldmaus sie daselb ersah,
Hieß sie willkommen, sprach zu ir:
"Ich bitt dich, wollest gen mit mir
Und essen, was Gott hat beschert
Und was gekochet hat mein wirt."
Die stadtmaus ließ bereden sich.
Sie zohen hin gar heimelich
Ins bauren haus zun selben stunden
Und aßen, was sie allda funden.
Die dorfmaus sucht hervor all das,
Was hie und da verborgen was,
Und keinen fleiß ließ underwegen,
Daß sie eim solchen gast möcht pflegen.
Als sie ir bestes het getan,
Nam es die stadtmaus schimpflich an
Und sprach: "Ge du jetzt heim mit mir,
Vil baß so wil ich pflegen dir;
Vil besser speise und getrenke
Wil ich dir überflüssig schenke,
Daß du mir solt zu danken han;
Du rümst noch wol ein jar davon."
Die dorfmaus daucht es gut so sein;
Sie zoch mit ir zur stadt hinein
In eines reichen bürgers haus.
Da ward gefürt dieselb dorfmaus
Durch alle kamern, auf den söller,
Kamen zu letzt in speisekeller.
Da warn die grichte manigfalt.
Gewürzet, gallrad, warm und kalt,
Von allerlei speis und getrank.
Die stadtmaus sprach: "Iss, machs nicht lang!
Wir haben hie nicht lang der weil:
Uns möcht der kelner übereil."
Wie sie da bei einander saßen,
Am aller besten trunken, aßen,
Der kelner rumpelt mit den schlüsseln:
Vergaßn den bissen in der schüsseln,
Ein jede sich zuhand verkroch.
Die stadtmaus fand gar bald ein loch
In einem winkel weit dort hinden;
Die dorfmaus kunt kein loch nicht finden,
Verbarg sich under einer bank.
Der kelner saumet sich nicht lang;
Als er sein ding da het getan,
Schloß hinder im zu und gieng davon.
Als der kelner war aus der tür,
Die stadtmaus kam wider herfür
Und rief dem gast und sprach: "Kum wider;
Es hat kein not, wo ich bin bider."
Die dorfmaus kam herwider dar,
Zittert und war erschrocken gar.
Die stadtmaus sprach: "Hab ein gut herz!
Mich dunkt zwar, du verstest kein scherz.
Den silbern becher gilt dirs gar aus!"
"Es schmeckt mir nicht", sprach die dorfmaus,
"Eins, bitt ich, wollest sagen mir:
Rumpelt man so oft an der tür,
Daß du must gwarten solcher far?
Oder komt es nur ein mal im jar?"
Die stadtmaus sprach: "Was kan das letzen?
Da darf man sich nicht vor entsetzen.
Bis gtrost! es hat derhalb kein not:
Das ist hie unser teglich brot.
Des muß man stets gewarten sein,
Wenn der kelner holt brot und wein."
Die dorfmaus sprach: "Nein, nein! mir nit!
Ein ander mal gee ich nicht mit.
Die süßen bisslin und guten gericht
Wollen mir in engsten schmecken nicht;
Und werns gezuckert noch so wol,
So sinds doch bitter wie ein gall.
Daußen beim baurn ein grobes brot,
Saur buttermilch, und was er hat,
Schmecken mir baß in sicherheit
Denn all dein gericht in ferlichkeit.
Das korn, welchs ich im feld aufles,
Schmeckt mir baß denn dein mandelkäs."
Groß mü und sorg gebert groß gelt,
Wie uns hie dise fabel meldt,
Reichtum läßt sich schon sehen an,
Wird auch geliebt von jederman:
Wenn mans aber beim liecht besicht,
Ists sorg und mü, und anderst nicht;
Gar scharpfe dorn, die stetes stechen,
Des menschen herz und gmüt zerbrechen.
Sanct Paulus sagt: die reich wölln sein,
Fallen in angst und schwere pein,
In manche far, unsicher leben,
Mit teufels stricken sind umbgeben.
Ein reicher fürcht den armut schwer:
Ein armer get on sorg daher.
Der nacket für den raubern singt
Mit freud, daß in dem wald erklingt.
Ein trucken brot, mit freuden gessen,
Ist besser, denn mit sorgen gsessen
Bei großen herrn am hohen tisch,
Da vil gericht, wildprät und fisch.
Die oft ir gelben finger lecken,
Voll großer mü und sorge stecken.
Ein zobeln schaub und gülden kleid
Wird oft gfüttert mit herzeleid,
Die herrn müssen sich stetes wagen,
Sorg für die undersaßen tragen,
Und ist der herr des knechtes knecht.
Drumb ist das sprichwort allzeit recht:
Wer nicht zu melken hat vil kü,
Der hat auch dester kleiner mü.
Fabel 10
Vom Adeler und der Kräen
Der adler fand ein schneckenhaus,
Das kunt er nicht gewinnen aus;
Es zoh der schneck den kopf hinein,
Ward überall hart wie ein stein.
Er picket drauf, warfs hin und her:
Des ward gewar ein kräe von fer.
Die floh hinzu und sprach: "Herr arn,
Eins wil ich sagen euch zuvorn.
Mit eurem werfen und mit picken
Brecht ir den schnecken nicht zu stücken.
Ein guten rat wil ich euch geben,
Ob ir desselben wolt geleben:
So fliegend auf, so hoch ir künt,
Und nemt den schnecken in den mund,
Laßt in rab fallen auf ein stein;
Er zerfellt, wer er auch lauter bein."
Er tet im so; der schneck zerknürscht;
Bald het in da die kräe erwüscht,
Weil er noch hoch dort oben war,
Und aufgefressen ganz und gar.
Zu spat ward das der adler gwar.
Ein jeder sehe sich für gar eben,
Darf nicht eim jeden glauben geben.
Der glaub ist klein zu unsern zeiten
So wol bei hohen als nidern leuten:
Also auch nicht eins jedern rat
Ein jeder anzunemen hat.
Es rät oft mancher einem man,
Das er von herzen im nicht gan,
Oder sucht darin sein eigen nutz
Als under eines andern schutz,
Und läßt der schalk sich merken nicht,
Bis man zuletzt das end besicht.
Fabel 11
Vom Raben und Fuchsen
Es saß ein rab auf einem ast,
Der het ein großen käs gefaßt:
Da hielt er sich gar prechtig mit,
Gerad als het sonst niemand nit.
Das sah ein fuchs auf jenem berg;
Er lief hin zu im überzwerg
Und fuchsschwenzt underm baum daher
Und rief hinauf: "Gott grüß euch, herr!"
Der rabe sprach: "Wer grüßet mich?"
Der fuchs sprach: "Herre, das bin ich!
Ich hab euch lang gelaufen nach,
Bis ich euch jetzt erst hie ersach;
Gedacht, ich wolt euch zeigen an,
Was von euch helt der gmeine man."
Der rabe sprach: "Trit zuher baß;
Ach lieber, sag mir, was ist das?"
Der fuchs sprach: "Ich hab e gehort
Von euren feinden lesterwort,
Ir wert ein böses tier so frech
Und gar vil schwerzer denn das pech.
Da saßen ander leute bei,
Die widersprachen das gar frei.
Denselben stellt ich glauben dar,
Befind auch jetzt, daß nicht sei war.
Ir seid vil weißer denn der schnee.
Daß in ein böses jar ange!
Es ist ein bub in seiner heut,
Der solch lügen bringt under die leut.
Sichtiglich jetzt befunden han,
Da ir seind schöner denn der schwan.
Es ist kein vogel auf der erden,
Der euch an schöne vergleicht mög werden;
Und wer eur stimm den federn gleich,
Wolt ich bekennen offentleich,
Wie dass der rab gar billich wer
Aller vögel könig und herr.
Wenn ich euch nur ein mal hört singen,
So wer gut rat zu disen dingen."
Der rab erhub sich diser red;
Den schnabel er gar weit auftet,
Ein lied zu singen sich begab.
Bald fiel der käs vom baum hinab:
Der listig fuchs des scherzes lacht,
Daß er den raben zum narrn gemacht,
Erwüscht den käs und lief zu loch.
Der rab sah jemerlich hinnoch,
Er schemt sich ser und flog hindan:
Den spott must er zum schaden han.
Es ist mannich mensch in der welt,
Der so vil von im selber helt,
So lobgeizig in seinem mut,
Daß im oft selber schaden tut,
Daß, wenn man im ein loblied singt,
Vor freuden im sein herz aufspringt.
Wenn solchs die schmeichler werden gwar,
So findens sich mit haufen dar,
Schmieren ims maul, wie sie denn pflegen,
So lang sie sein genießen mögen.
Wo man das schmeicheln in nicht gan,
Irs liebkosens sich nicht nimt an,
Stet fest und läßt sich nicht beweichen
Ir federlesen und flaumenstreichen,
Da schleicht der schmeichler weg verholen,
Als ob er het ein kamm gestolen.
Wer aber ein solch narrfex ist,
Läßt im gefallen der schmeichler list,
Dem get es wie dem schwarzen raben,
Mit schand muß tragen dnarrenkappen,
Die im der schmeichler tut anschneiden.
Zu letst, wenn ers denn gern wolt meiden
Und wirds im fülen überdrossen,
Daß jener sein hat zvil genossen,
So hat der schmeichler den gewin,
Spott sein darzu und fert dahin;
Wenn der denn merkt den list und trug,
So wird er zletst mit schaden klug.
Fabel 12
Vom alten
Löwen, Eber, Esel und Stier
Ein küner löw von frecher art
Het lang regiert gar streng und hart,
Damit vil tier zu feind gemacht
Und große ungunst auf sich bracht.
Das habens im, als er ward alt,
Mit gleicher maß wider bezalt.
Der eber fert in seulich an,
Riß in mit seinem eberzan;
Mit seinen hörnern auch der stier
Stieß in einmal, drei oder vier;
Der grobe esel unbedacht
Mit lesterworten in anfacht,
Wolt auch sein manheit an im bweisen,
Zeigt im die hinderen hufeisen.
Teten dem löwen vil zu leid,
Ein jedes tier in sonderheit.
Der löw erseufzet da und sprach:
"Jetzt solt ich haben hausgemach
Und in meim alter friedlich leben;
Tut mir ein jeder widerstreben.
Den ich zuwidern bin gesin,
Die bringen mirs mit haufen in,
Bezalen mir mit gleicher maß
Den alten schaden und den hass,
Tun mir, wie ich in hab getan:
Vor bös muß böses wider han.
Aber den ich vorhin all gut
Getan, geschützt, mit steter hut
Allzeit gehalten über sie,
Das sind jetzund vornemlich die,
Die mich verfolgen tun und hassen,
Der woltat nicht genießen lassen.
Drumb ich mich übel hab bedacht,
In meinr gwalt vil feind gemacht.
Doch ist mir gar vil übler gschehen,
Daß ich mich nicht hab vorgesehen,
Zu falschen freunden mich gesellt,
Allzu vil glaubens zu in gestellt;
Die greifen mich jetzt herter an
Denn die, den ich hab leids getan."
Im glück so wird die freundschaft groß
Und meret sich on alle moß;
Im unglück wird der freund probiert,
Wie uns hie dise fabel lert.
Darumb sol sich ein jeder maßen,
Im glück zu vil nicht dünken lassen;
Und der in hohem glück regiert,
Seh, daß er nicht tyrannisiert.
Das glück kan sich verwandlen schier:
Denn rechen sich die feind an dir.
Es ist auch not, dass du hast acht
Under denen, die du zu freund gemacht.
Etlich sind, die nicht lieben dich,
Sondern das dein, glaub sicherlich:
Wenn sich mindert dein glück und hab,
Fallen dieselben freund auch ab,
Wirst von denselben herter geplagt.
Des sich Ovidius beklagt
Und spricht: "Da mich das glück auftrug,
Het ich der freunde mer denn gnug.
Sudosten wind mein segel rürt,
Da ward mein schiff mit freuden gfürt;
Bald der nordwest mit sturm entstund,
Da half kein freund, ich fiel zu grund:
Niemand reicht mir der hilfen hand,
Zu stücken treib mein schiff ans land."
Man sagt, der freunde in der not
Gehn sechs und sechzig auf ein lot.
Fabel 13
Vom Hund und Esel
Es het ein reicher man ein hund,
Der umb in war all zeit und stund,
Mit spielen im vil zeit vertrieb,
Darumb in auch sein herr het lieb;
Stets bei im auf dem pulster saß
Und teilt im mit, so oft er aß.
Das Hausgesind desgleichen tet,
Denselbigen hund auch lieb het.
Ein esel hat derselbig man,
Der het viel eselsarbeit tan;
Der kam ins haus on als gefar:
Des hunds ward er beim herrn gewar
Und sah, daß mit im spielt der herr;
Verdroß in aus der maßen ser.
Er seufzt, sprach zu im selber nu:
"Ach Gott, wie gets so ungleich zu!
Es ist der herr und jederman
Dem hund mit freundschaft zugetan;
Das hausgsind im vil gnad beweist,
Wird auch vons herren tisch gespeist.
Mit spielen und mit müßig gon
Verdient der hund denselben lon.
Dagegen tu vil arbeit ich,
Des doch niemand erbarmet sich.
Seck, wasser, holz muß teglich tragen,
Werd noch dazu mit knütteln gschlagen,
Gespeist mit grobem gerstenstro:
Meins lebens werd ich nimmer fro.
Ich sihe wol, wer vil schmeichlen kan,
Der ist im korb der beste han.
Erlangt man damit gnad und gunst,
Ich kan auch wol dieselbe kunst."
Wie nu der herr kam heim gegangen,
Wolt in der esel auch empfangen:
Mit eselsfüßen in beschritt,
Rief: "Ia, Ia!" kunt anders nit;
Dappet in, daß er greulich rief.
Das hausgesind bald zuher lief,
Dem groben esel mit knütteln hart
Sein haut im wol zerdroschen ward:
Im ward sein spielen ungestalt
Mit großen schlegen wol bezalt.
Ein jeder sehe auf sein beruf,
Dazu in Gott erwelt und schuf;
Denn nicht all ding ein jederman
Ausrichten und bestellen kan.
Wo die natur tut widerstreben,
Dahin sol sich niemand begeben.
Der esel kan nicht hasen jagen,
Der hund kan auch kein secke tragen.
Vorwar, glaub mir, es stet nicht fein,
Wo der knecht übern herrn wil sein,
Die magd die frau verechtlich helt:
Solch haushaltung mir nicht gefellt.
Ein jeder bleib bei seinem stand,
So stet es wol im ganzen land.
Fabel 14
Vom Löwen und der Maus
Es het ein löw sich müd gelaufen;
Under eim baum legt er sich schlafen.
Als er nu da entschlafen war,
Kam hinder im ein große schar
Feldmeuse, ein großer haufen,
Teten hart hinder im herlaufen,
Daß in dem laub ein wenig kracht:
Davon der selbig löw erwacht,
Erschrak und griff bald hinder sich,
Erwüscht ein meuslin behendiglich:
Er druckts ein wenig, daß es rief.
Die schar der meus gar bald entlief.
Das gfangen meuslin erschrak gar ser
Und sprach zum löwen: "Gnediger herr,
Erzörnet euch nicht über mich!
Denkt, wer ir seid, und wer bin ich.
Ich bitt, wollet mich ledig lan;
Ir künt an mir kein er began."
Da ließ der löw das meuslin laufen:
Bald kam es wider zu dem haufen.
Darnach der löw lief übers feld,
Vor einer hecken war gestellt
Ein strick, gelegt, die tier zu fangen:
Im selben blieb der löw behangen.
Er rief und kratzet in der erden,
Er kunt aber nicht los werden.
Als er nun schrie so lang und grimm,
Das meuslin hort des löwen stimm,
Welchs erst von im gefangen war.
Ganz eilend kam es laufen dar,
Auf daß es möcht erfarn und sehn,
Was dem löwen wer leids geschehn.
Als es den löwen gefangen sach,
Es sprach: "Herr, dies eur ungemach
Und kummer wil ich euch bald wenden."
Es bsah die strick an allen enden,
Mit seinen zänen die strick zerbiss
Und von einander gar zerriss.
Der löw ward aus dem strick erlöst:
Die kleine maus gab großen trost.
Dise fabel die große herrn
Gnade und gütigkeit tut lern.
Nach dem das glück ist wandelbar,
Jetzt ist es hie, jetzt lauft es dar,
Und komt oft, dass die großen herrn
Der armen hilf und rat begern.
Darumb so sol ein weiser man
Sollichs zu einer warnung han,
Daß er tu keinem menschen schaden,
Ungunst und haß auf sich zu laden.
Wer niemand forcht aus übermut,
Fürwar, derselb nicht weislich tut.
Es ist je großen königen gschehen,
Wie in den historien zu besehen,
Daß sich ir glück dahin begeben,
Daß sie der armen gunst musten leben.
Es komt wol, daß ein kleines kind
Ee denn ein alter ein gülden findt.
Es lert uns Christus, Gottes son:
Mit dem unrechtfertgen mammon,
Der gwunnen ist mit bösen sachen,
Uns gute freunde sollen machen,
Die sich zur bösen zeit nicht schemen,
Zum schutz in ir behausung nemen.
Fabel 15
Vom kranken Weihen
Ein kranker weih auf seinem bet
Vor großer krankheit seufzen tet
Und ruft zu im sein mutter dar,
Sprach: "Mutter, komt ein wenig her!
Ich bitt, seht meinen jamer an
Und wollet euch erbarmen lan,
Die götter treulich vor mich bitten,
Aus diser krankheit mich erretten
Und opfern für mich eure gab,
Auf daß ich kom der krankheit ab."
Die mutter sprach: "Mein lieber son,
Wolt dir solchs gern zu gfallen ton;
Mich dunkt aber, es sei umbsunst:
Bei den göttern hastu kein gunst,
Nachdem du hast bei tag und nacht
Die götter dir zuwidern gmacht,
Nicht heimlich gschendt, noch offenbar
Zu berauben ire altar
Und ir heiltum gar oft entwicht.
Davor leid, was dir jetzt geschicht."
Es ist geraten frü und spat,
Daß man Gott stets vor augen hat,
Der die frommen gnediglich hort
In irer not nach seinem wort.
Wer sich nach seinem willn nicht richt,
Von dem wendt er sein angesicht.
Wenns uns wol get, solln wir Gott loben,
Auf daß wirn auch in nöten haben.
Wer Gott verläßt, wenns im wol get,
Bei dem er nicht in nöten stet.
Fabel 16
Von der Schwalben
Im sommer, als man zu seen pflag
Den lein, umb sanct Johannes tag,
Ein witzig schwalb die vögelein
Fordert, zu halten ein gemein,
Und sprach: "Ir seht, wie sichs jetzt helt,
Wie man zu fahen uns nachstellt;
Mit garnen, netzen und mit stricken
Tut man uns oft herüber rücken:
Die werden all vom flachs gesponnen.
Dasselb hab ich jetzt wol besonnen.
Nach dem jetzund der baur da stet,
Den leinsamen in acker seet,
So rat ich, daß wir jetzt sein wacker,
Fliegen mit haufen auf den acker
Und fressen auf den samen gar,
Daß uns hienehst nicht widerfar
Ein großer schade, wenn der flachs
Mit der zeit groß werd und erwachs."
Aber ir rat ward gar veracht
Und von den andern vöglen blacht.
Das ließ die schwalb also geschehen
Und sprach: "Ich wils mit euch ansehen."
Darnach der flachs bald grünen tet;
Die schwalb in guter achtung het,
Fordert zusamen die vögel all,
Tet sie vermanen noch ein mal,
Sie solten auf den acker laufen,
Den grünen flachs behend ausraufen
Und lassen in verderben gar,
So kemens aus des lebens far.
Die vögel sie belachen teten,
Hießens ein beschissnen propheten.
Das tet die schwalb gedultig leiden.
In dem der herbst kam an bei zeiten;
Der flachs ward reif und bracht vil knotten.
Da teten sich die vögel rotten,
Hinaus zu fliehn nach irer speis,
Wie im herbst ist der vogel weis.
Als sie die schwalb mit haufen sach,
Zulässlich zu den vögeln sprach:
"Lieben brüder und schwestern all,
Verman euch jetzt zum dritten mal,
Wie ich denn vormals auch getan.
Den flachs seht ir jetzt vor euch stan;
Der ackerman komt bald daher
Mit seinem gsinde on gefer,
Den flachs zu sameln und zu raufen,
Ein zu bringen mit großen haufen,
Daß er gederrt werd an der sonnen,
Geschwungen, gehechelt und gesponnen
Zu netzen, stricken und zu garn,
Damit man uns tut überfarn,
Zwackt und erwüscht, die köpf zerdruckt
Und mit haufen uns überruckt.
So fliegend hin mit großen rotten
Und fressen von dem flachs die knotten
Und treten gar in dreck den flachs,
Auf daß er nimmer wider wachs,
So wird daraus kein garn geworcht,
Und mögen leben sonder forcht."
Die vögel teten gleich wie vor,
Gaben der schwalben kein gehör
Und hielten ire red vor scherzen,
Ir warnung gieng in nicht zu herzen.
Als das die schwalb nun ward gewar,
Sah iren rat verachtet gar,
Zun andern vögeln sprach: "Ade!
In eur gmeinschaft kom ich nit me.
Zun leuten wil ich mich gesellen,
Bei in mein herberg mir bestellen.
Das sehe ich an jetzund vors best,
Und machen mir ein leimen nest
Dort oben under jenem dach,
Und haben fried und hausgemach,
Und singen meinem wirt ein lied;
Schützt mich, daß mir kein leid geschiht.
Wolln sich die andern lassen worgen,
Davor lass ich die vögel sorgen."
Es gschicht noch oftmals in einer stadt,
Daß ein vorstendig man im rat
Aus weisheit redt allzeit das best,
Wird nicht angenomen; so gschicht zu letst
Das widerspiel, als er geraten.
Denn spricht man: Ach, daß wirs nicht taten!
Mancher im selbs nicht raten kan,
Nimt auch eins andern rat nicht an.
Wenn dem sein anschlag anders gerät,
Denn er im vorgenomen het,
Denn tut er sich bedenken baß,
Spricht: Hett ich tan dies oder das!
Der im nicht raten lässt bei zeiten,
Muß hinden nach den esel reiten;
Dem tut der reuel große qual,
Denn die ursach ist hinden kal.
Die nicht bei zeit den fehl lan büßen,
Darnach den schaden schmecken müssen.
Fabel 17
Von Fröschen und irem
König
Vor zeiten alle frösche waren
Ein freies volk, in alten jaren,
Hüpfeten und sungen in den lachen,
Teten sich teglich frölich machen;
Auf den wiesen und in den gärten
Mit freud und lust ir zeit verzerten.
Einsmals kamen sie überein,
Zu halten eintrechtig gemein.
Da hupft ein alter frosch herfür,
Sprach: "Liebe herren, gebt gehör!
Ir seht, wie in der ganzen welt
Eim jedern volk ist vorgestellt
Ein oberkeit, von Gott gegeben,
Darunder es muß züchtig leben
Bei ordenlichem regiment,
Das nicht gebrochen noch getrennt,
Mit rechten gefasste polizei:
Stet einr treulich dem andern bei.
Nun ist unser ein große schar
In allen pfülen hin und her,
In allen pfützen, löchern, ritzen,
Daß oft zwen auf einander sitzen.
Da muß der kleinst den grösten tragen:
Solch ordnung tut mir nicht behagen.
Ists euch alln lieb, so treten her:
Wir wölln anfallen den Jupiter,
Denn er ist unser rechter Gott,
Der alle frösch in achtung hot,
Und bitten, daß er uns woll geben
Ein könig, daß wir mögen leben
Samtlich under einer oberkeit,
Der uns regiert mit grechtigkeit."
Den fröschen gfiel gar wol der rat:
"Ist gut, daß man ein herren hat."
Sie trugen ire werbe für:
Der Jupiter gab in gehör.
Als er vernommen ir antragen,
Zu lachen ward gar ser bewagen;
Die frösch kerten sich nicht daran,
Sprachen: "Wir wolln ein könig han!"
Er sprach: "Daß ir eurs willen gleben,
Get hin, ich wil euch einen geben."
Ein block ließ er bald tragen her,
Gar unbehauen, groß und schwer,
Warf er mit großem ungefug
Ins wasser, das oben zuschlug.
Den tet das wasser lang bedecken:
Kam in die frösch ein großer schrecken.
Der block ward oben wider bloß,
Wie ein block auf dem wasser floß.
Die räte hießen in wilkommen.
Der könig lag, schweig wie ein stumme,
Daß sie in bsungen und bekräten;
Ließ sich von in mit füßen treten,
Und lag ganz still derselbig block
Gleich wie ein abgehauner stock.
Dasselb die frösch gar ser verdross,
Liefen zum Jupiter so groß,
Baten, wolt in ein könig geben,
Der vernunft het, verstand und leben,
Und der auch etwas strenger wer,
Wist sich zu halten wie ein herr.
Jupiter tet den fröschen ghorchen,
Zum könig gab er in den storchen.
Der trat her wie ein edelman
Und het zwo rote hosen an;
Tut teglich durch die wiesen schleichen.
All die frösch, die er kan erreichen,
Mit seinem schnabel kan erdappen,
Eim jeden kauft er bald ein kappen,
Und frisst sie auf, wie er sie findt:
Des sie nicht wol zu frieden sind.
Des sich noch von denselben tagen
Bis heutigs tags all frösch beklagen.
Des nachtes, wenn der könig ist schlafen,
Alle frösch schreien: waffen, waffen!
Beschreien all mit heiser stimm
Irs königs tyrannei und grimm
In allen löchern und steinritzen
Und in den pfülen, wo sie sitzen.
Irs königs sie gar gern los wern,
Den alten könig wider begern.
Beim Jupiter findens kein gnad:
Ein jeder muß bhalten, was er hat.
Den frommen wolten sie nicht han,
Drumb leidens billich den tyran.
Wie disen fröschen ist geschehn,
Tut man oft bei den menschen sehn:
Wenn sie haben ein oberkeit,
Die sie schützet vor allem leid,
Derselben joch kan niemand tragen,
Man tut stets über dieselbig klagen
Und spricht: wir wolln ein andern han,
Das kriegen stet im übel an.
Denn tut Gott an des statt verschaffen
Einen, der sie tut weidlich strafen,
Auch zu zeiten schleht gar darnider;
Denn wünschen sie den ersten wider.
Das gegenwertig tut uns stets reuen,
Und gaffen immer nach eim neuen.
Frum oberkeit wird stets veracht:
Wenn sie gleich als zum besten macht,
Tut man ir frömkeit nimmer loben.
Rechts ists, daß frösch auch störche haben.
Fabel 18
Von den Tauben und Weihen
Die tauben hetten einen streit
Mit dem weihen, der in groß leid
Zufüget und gar hart anfacht
Und liefert in gar oft ein schlacht.
Die tauben konten sich nicht rechen,
Dem starken feind nicht vil abbrechen;
Wolten den streit nicht gern verliesen,
Gedachten ein schutzherrn zu kiesen,
Der ire ordnung im krieg solt füren.
Den habicht zum schutzherrn sie küren:
Der solt die hauptmanschaft verstan.
Der sach nam sich der habicht an.
Und wie er nun zum hauptman ward,
Ließ er nicht ab von seiner art:
Wider die tauben tobt er ser,
Als ob er der feind selber wer,
Flog under die einfaltig tauben,
Tets nach einander ausher klauben.
Da war den tauben herzlich leid,
Daß sie hetten zur oberkeit
Den habicht gsetzt und auserwelt,
Weil er sich der gebür nicht helt:
"Besser, wir hetten allein gestritten,
Schaden von unserm feind erlitten.
Der freund tut uns vil größern schaden,
Denn auf uns het der feind kunt laden."
Ein jeder lass sich nicht gerauen
Seines berufs, mit allen trauen
Demselben fleißig stellen nach
Und haben acht auf seine sach.
Obs schon nicht get, wie es wol solt,
Und daß mans gerne bessern wolt,
Wils doch nit recht auf alle seiten
Zugen und ungehunken reiten.
Weil mir mein stand zu diser frist
Leidlich und wider Gott nicht ist,
Muß ich damit zu frieden sein.
Ists nicht von allen seiten rein,
Weil ich noch bin in disem leben,
Hienehst wird Gott ein bessers geben.
Die sich aus vorwitz gern verneuen,
Die müssen oft am reuel keuen.
Wenn sie was neues gnommen an,
Woltens das alt gern wider han.
Wir sein all mit der plag geplagt,
Niemand sein eigen stand behagt.
Darumb sei niemand so verbolgen,
Daß er wolt disen tauben folgen,
Die umb ein kleine forcht des weihen
Ließen den sperber sich entfreien.
Was du anfahst, des hab gut acht,
Hebs weislich an, das end betracht:
Besser, du leidst ein kleinen schaden,
Denn daß du soltst in größerm baden.
Fabel 19
Vom Dieb und Hund
Zu stelen gieng ein dieb hinaus
Vor eines reichen bürgers haus;
Da ball in an des bürgers hund.
Ein stücke brod reicht er zu stund.
Der dieb dem hund es geben wolt;
Der hund sprach: "Meinstu, dass ich solt
Das brot nemen und schweigen still,
Daß du dieweil nach deinem willn
In meines herren haus mögst gan
Und tragen, was du findst, davon?
Lieber veracht ich deine gab,
Denn ich verlier meins herren lob."
Die fabel lert, daß wir nicht sollen
Dem schendlichen genieß nachstellen,
Nicht umb zu haben kleinen gwin,
Ein größern lassen faren hin,
Und daß wir nicht, wie sie gern wollen,
Eim jedern geiste glauben sollen.
Es ist manch schmeichler also klug,
Daß er böse list und betrug
Nicht allein in den worten hat,
Sondern erzeigts auch mit der tat.
Fabel 20
Vom Wolf und der Sau
Ein trechtige sau die solt geberen;
Da tet ein wolf an sie begeren
Und sprach: "Geliebte schwester mein,
Bitt, wollest gutes mutes sein.
Der geburt halb hats mit dir kein not,
Wil mit dir teilen hilf und rat,
Im kindbet wil ich bei dir wesen,
Daß du magst deiner frucht genesen,
Wil dich nach meim vermügen retten
Und der hebammen statt vertreten."
Die sau sprach: "Wolf, ge von mir fern,
Deiner hilf tu ich nicht begern.
Wiltu mir etwas zu willen ton,
So ste bald auf und ge darvon.
Denn je du weiter bist von mir,
Dest mer hab ich zu danken dir."
Des wolfes dienst wer angenem,
Wenn er sein tag zur sau nicht kem;
Wenn der wolf ist weit von der sau,
Ist angenem sein dienst und trau.
Die fabel tut uns nicht erlauben,
Daß wir solln allen alles glauben:
Es beut mancher den großen dienst,
Ist im herzen der aller minst
Und sucht gar oft sein eigen genieß
Mit fremdem schaden und verdrieß.
Drumb bis nicht fertig zu allen zeiten,
Alles zu glauben allen leuten.
Wer einem lügner leichtlich glaubt,
Wird oft der warheit auch beraubt.
Fabel 21
Von den schwangeren
Bergen
In alten zeiten, vor tausent jarn
Begab sichs, wie ich hab erfarn,
Ein landgeschrei kam under die leut,
Wie die berge zur selben zeit
Schwanger waren und solten geberen.
Alls volk lief zu mit großem begeren,
Und kam zusamen ein große schar
Aus vilen landen gelaufen dar
Und schauten an die berge groß:
Sie waren bauchet uber dmoß.
Ein lange zeit sie da erharrten,
Mit großer forcht teten erwarten,
Wenn sich nun öffnen wurd die erden,
Was seltzams dings daraus solt werden,
Ein dromedari oder elefant,
Oder sonst ein wunder unbekant.
Zu letst kroch zu dem berg heraus
Ein kleine lecherliche maus.
Als sie heraus lief und sich regt,
Ward alles volk zu lachen bewegt.
Mit diser fabel werden die troffen,
Von den man groß ding tut verhoffen,
Ir sach mit worten schön verblümen
Und sich der zehen tun berhümen,
Der sie nicht eins zu tun vermügen;
Und wenns denn kommet zu den zügen,
Das rechtes ernsts und treffens gilt,
So werdens mit eim wort gestillt.
Faren hoch her und aufgeblasen,
Im treffen schmeißens in die hosen.
Uber dieselben Horatius klagt
In arte poetica, da er sagt:
"Wenn große berge schwanger wern,
Tun sie ein kleine maus gebern.""
Wer pochen und vil wort kan machen,
Der tut das wenigst zu den sachen.
Ein unnütz sach tut oft erwecken
Durch vil geschwetz unnützen schrecken.
Fabel 22
Vom alten Jaghunde
Ein jäger het ein alten hund;
Mit dem ein hasen jagen begund
Und tet in auf den hasen hetzen,
Daß er solt weidlich an in setzen.
Der hund lief, was er leibes mocht,
Am hasen seine macht versucht
Und het gar gern getan sein best;
Mit mü erwüscht er in zu letst.
Er kunt in aber nicht ermannen:
Sein bein warn im vor alter gspannen,
Sein rücken schwach, sein zän verschlissen.
Bald het sich der has von im gerissen.
Der jäger schlug mit knütteln zu.
Der hund sprach: "Herr, verstet mich nu:
Billich soltst mirs zu gute halten
Und sehen an mich schwachen alten.
Du weist wol, als ich jünger war,
Gieng ich in sprüngen stets daher.
Da dorft ich wol dem hasen nahen
Und kunt in in eim sprunge fahen.
Ich was ganz wacker und auch risch,
Und ward gespeist von deinem tisch.
Nun ich aber bin worden alt,
Mit krankheit bladen manigfalt,
Mein zäne stumpf, mein beine schwach,
Jetzt weigerstu mir mein gemach.
Ich sehe, du bist zu widern mir,
Weil ich nicht mer kan nutzen dir.
Wenn du nun werst ein redlich man,
Soltst gegen mir dich anderst han
Und lassen mich genießen des
Ich dir getan, du weist wol wes.
In meiner jugent war ich dir nütze:
Drumb soltst mich auch im alter schützen
Und mich zum besten genießen lan,
Was ich in der jugent hab getan."
Wer der gemein dient sein lebenlank,
Verdient aufs letst gar wenig dank,
Läßt in der treue nicht genießen:
Solchs möcht den teufel wol verdrießen.
Ich halt vom jäger zwar nicht vil,
Der den alten hund nicht bedenken wil,
Daß er in seinen jungen tagen
Hat gejagt nach alle seim behagen.
Die Welt hat noch gar vil der jäger,
Auf iren vorteil seind gute pfleger.
Dieweil sie eins genießen mögen,
Tun sie im zimlich er erzeigen;
Wenn er aber nicht mer kan nützen,
So läßt man in dahinden sitzen,
Und ist nichts in der welt so gut,
Daß mans one nutz belieben tut.
Vor zeiten hat mans auch getan:
Das klagt Ovidius von Sulmon:
"Wiewol es laut ganz lesterlich",
Spricht er, "dennoch muss sagen ich:
Die welt ist jetzt so gar vergessen,
Freundschaft tuts nach der woltat messen;
Und wo die woltat jetzund wendt,
Da hat die freundschaft auch ein end."
Die pferd, wenns nicht können ziehen baß,
Nimt in den habern und schlechts ins gras.
Fabel 23
Von Hasen und Fröschen
Im wald hub sich ein großer wind,
Wie ich dasselb beschrieben find,
Wet stark, daß in dem wald erdont,
Murrt durch die büsch ganz ungewont.
Darab der hasen ein große schar
Die zeit im wald beinander war,
Erschracken ser von disem brausen,
Vom großen ungewonten sausen.
Der eltest zu den andern sprach:
"Wir haben zwar ein böse sach.
Ich rat, daß wir nicht lang verziehen,
Von stund hin aus dem lande fliehen,
Weil uns ein jeder ist gehaß:
Man verfolgt uns on underlass.
Wer weiß, was hinden ist im wald,
Das rauscht so frech und ungestalt."
Der hasen war ein großes her,
Doch forchten sie sich mechtig ser;
Wurden bald rats: in einem haufen
Begunten aus dem land zu laufen.
Bei eine große pfütze kamen,
Waren ein haufen frösch zusamen;
Die sonnten sich im grünen gras.
Die hasen naheten sich baß,
Ungeferlich auf die frösche drungen.
Die frösch mit haufen ins wasser sprungen.
Ein jeder aus forcht sich bald verkroch
Hie und da, wo er fand ein loch.
Des ward ein alter has gewar,
Wendt sich und sprach zur hasen schar:
"Ich rat, daß wir die forcht ablegen
Und hie zu bleiben uns erwegen.
Ir seht nun, daß auch ander tier
Gar vil forchtsamer seind denn wir.
Wir wöllen hinfürter gedultig tragen
Unser bürden und nicht verzagen:
Wir sinds fürwar alleine nicht,
Dem nicht nach seinem willen geschicht."
Beherzet sein und guter mut
Dunkt mich in allen sachen gut.
Wenn einer sein sach feht weislich an,
So hilft das glück eim künen man.
Stark zuversicht und gut vertrauen
Helfen beid tugent und reichtum bauen.
Den in anfechtung raut der kauf,
Der steckt das hasenbaner auf.
Fabel 24
Vom Zickel und dem Wolf
Mitten in einem sommer heiß
Da wolt ins grüne gras ein geiß
Spatzieren gan an jene heid,
Da sie möcht finden gute weid.
Sie sprach zum zickel: "Bleib im haus,
In meim abwesen gee nicht aus;
Sich zu und öffne nicht die tür,
Zeuh ein die schnur, den rigel für,
Und sich, daß niemand zu dir kum,
So lang ich selb kum widerumb."
Die rede het ein wolf gehort.
So bald die geiß war umb den ort,
Da kam der wolf und klopfet an
Und sprach: "Daß ich hinweg gegan
Und habs daheim nicht recht bestellt,
Dasselbig mir in sinn jetzt fellt."
Begund zu reden wie ein geiß
Und sprach: "Auf meinen eid, ich weiß,
So bald mein stimmen hört mein kind,
Der schlüssel zu der tür sich findt."
Das zickel sprach: "Wer klopfet da?
Ei mutter, seid ir mir so nah?"
Der wolf sprach: "Ja, mein kind, hie bin ich.
Tu auf, lass nicht bekümern dich."
Da antwort bald das kleine zickel:
"Ich tu nicht auf, mein lieber nickel,
Ich hör gar wol meinr mutter stimm;
Ich kenn auch wol den wolf so grimm
Und seh in jetzund durch die ritzen.
Auf mich darfest dein zän nicht spitzen.
Hast sonst kein senf, so magst wol stippen,
Mit fünf fingern in hindern dippen."
Wer fürsichtig ist und gelert,
An alle red sich nicht bald kert,
Sich nicht bald nach den worten richt,
Bis er die sachen wol besicht:
Den schutzt oft die fürsichtigkeit
Vor schaden und für großem leid.
Fabel 25
Vom Hirschen und Wolf
Es het ein hirsch ein schaf verklagt,
Vor einem wolf heftig besagt,
Wie er dem schaf geliehen het
Ein scheffel korn auf seine bitt,
Den hab wol vor eim jar empfangen
Und könt von ime nicht erlangen,
Daß im sein korn wolt wider statten,
Und bat den wolf, daß er wolt raten,
Das schaf mit rechte dahin halten,
Daß es dem hirsch sein korn bezalte.
Der wolf fordert das schaf vor recht:
Da stund das einfeltig schaf so schlecht.
Wiewol es nicht wust umb die schuld,
So wolt es doch des wolfes huld
Verlieren nicht, und stund es zu
Und sprach: "Wil sehen, wie ich tu;
Gib mir noch frist: wo ich mag leben,
Wil dirs bezalen oder wider geben."
Der wolf im ein termin bestimt:
Der hirsch die zeit in achtung nimt
Und fordert von dem schaf das korn.
Das schaf antwort: "Es ist verlorn.
Du bist ein bub von böser art,
Mein tag ich dir nichts schüldig ward.
Daß ich aber bekant und zugestan,
Hab ich aus forcht des wolfs getan.
Zu dem gelöbd ist niemand verpflicht,
Das in der not aus zwang geschicht."
Es ist der brauch in gmeinen rechten,
Gewalt mit gwalt zu widerfechten.
Die welt ist jetzt listig und klug:
Betrug bezalt sie mit betrug.
So wird entrichtet mancher strauß:
Ein nagel treibt den andern aus.
Fabel 26
Vom Bauren und der Schlangen
Bei einem bauren het ein schlange
In einem loch gewont gar lange;
Einsmals, als sich die schlange regt,
Da ward der baur in zorn bewegt,
Mit einer axt lief er ir zu,
Schlug ir ein wunden oder zwo:
Darumb die schlange sich verkroch,
Beim andern bauren sucht ein loch
Und wont allda. In dem der baur
Kam mit der zeit in armut saur.
Er gdacht, daß solchs sein unglück schwer
An der schlangen verschuldet wer,
Drumb daß er sie on alle schult
Geschlagen het aus ungedult.
Das war im leid und grau in ser,
Fordert die schlange wider her,
Daß sie wolt wider bei im wonen,
Er wolts hinforder baß verschonen.
Sie sprach: "Was du mir hast getan,
Das wil ich also bleiben lan;
Das hab ich dir nun ganz vergeben.
Ich wil aber bei dir nicht leben,
Bei dir nicht leben in dein loch:
Die axt hastu daheime noch.
Wiewol mir seind mein wunden heil,
Denk ich des schadens noch zum teil."
Die fabel gibt uns underricht:
Ein freund, der einst den glauben bricht
Und tut die treu enturlauben,
Dem stellt man fürder keinen glauben.
Ein stück ists der barmherzigkeit,
Zu vergeben das getane leid.
Fürsichtigkeit ists, dass man zusicht,
Daß eim darnach nit mer geschicht.
Wo der hund ein mal wird geschlagen,
Dahin tut er sich nit baß wagen.
Wer dich ein mal mit schaden letzt,
Sich, daß er dir nicht baß zusetzt.
Schau, mach dich des treulosen onig;
Das gift kocht er dir süß mit honig.
Fabel 27
Vom Fuchs und Storchen
Einsmals der fuchs wolt leben wol,
Bat den storchen zum abentmal,
Daß er wolt kommen und mit im essen.
Als sie zu tisch waren gesessen,
Der fuchs bracht her ein mandelmus,
Das war gekocht mit zucker süß.
Dasselb er auf den tisch da goss;
Es war dünn, daß es gar zerfloss.
Er sprach zum storchen: "Iss, lieber gast,
Desselben, das du vor dir hast."
Der storch tet mit dem schnabel dappen,
Kunt von der speise nichts erschnappen;
Der fuchs mit seiner zungen leckt,
Das mandelmus im ser wol schmeckt.
Das tet den storchen ser verdrießen,
Daß er der speis nicht mocht genießen.
Er gieng hinweg und schemet sich,
Gedacht: das wil dir zalen ich
Mit cölnscher gwicht, wo ich bin bider!
Er lud zu gast den fuchsen wider.
Der storch was listig und auch klug:
Er satzt im vor ein gläsen krug,
Mit gebacken fischen wol gefüllt,
Und sprach zum fuchs: "Iss, welchs du wilt."
Lang und eng war dasselbig glas:
Der storch die fisch bald ausher las,
Mit seinem schnabel kunts erreichen.
Der fuchs betrübt tet umbher schleichen;
Durchs glas die gbraten fisch wol sach:
Dest größer ward sein ungemach.
Sein schaden must mit hunger sehen:
Das solt dem fuchs nit sein geschehen.
Ein lachen bringt das ander lachen;
Mit scherz tut man mer scherzens machen;
Ein begangne list und büberei
Die bringt ein ander schalkheit bei.
Es get so zu bei menschen kind:
Schalk übern schalk sich stetes findt.
Schalkheit tut einem oft geschehen,
Von dem er sichs nicht het versehen,
Und ist schalkheit der schalkheit buß.
Der fuchs vom storchen leiden muß.
Doch was du wilt vom andern han,
Dem gleichen soltu im auch tun.
Denn mit der maß, wie du gemessen,
Wird dein auch wider nicht vergessen.
Fabel 28
Vom Wolf und dem Bilde
Der wolf kam ungefer geloffen,
Eins malers werkstat fand er offen;
Da lief hinein der wolf so wilde,
Da fand er sten eins menschen bilde,
Nach eines menschen haubt gestalt,
Mit har, mit farben schön gemalt.
Er nams und kert es umb und umb;
Das gschnitten bild lag wie ein stum.
Er schüttelts oben bei dein schopf
Und sprach: "Du bist ein schöner kopf
Und hast gar vil der künsten zier,
Aber kein verstand ich in dir spür."
Leibliche schöne ist anzunemen,
Darf sich derselben niemand schemen;
Aber wenn ich eins auskiefen solt,
Vil lieber ich denn wünschen wolt
Des herzen zier, kunst und verstand;
On das das ander ist lauter tand.
Der mensch hat vil zu danken Gott,
Dem er zu gleiche geben hat
Aus sonderlicher gnad und gunst
Ein schönen leib vol zucht und kunst.
Dagegen zierts auch nicht fast wol,
Wenn schöner leib ist untreu vol.
Fabel 29
Vom Häher
Es floh in einen hof ein häher
Und fand ein haufen pfauenfeder,
Damit tet sich bestecken schon,
Als ob er wer eins pfauen son.
Wie er sich umb und umb beschaut,
Seiner schönheit gar ser vertraut;
Sein gschlecht tet er verachten ser
Und wolt mit in nicht fliegen mer.
Zun pfauen tet er sich gesellen,
Und wolt sich wie ein pfaue stellen.
Des wurden innen die pfauen klug,
Merketen des hähers betrug,
Die pfauenfedern im auszogen,
Und ward darzu gar wol geschlagen.
Ein jederman sol halten sich,
Daß er beleibt bei seinem gleich.
Wenn einer wil mit den umbgan,
Die im zu reich und zu hoch getan,
Zu letst, wenn ers hat ubermacht,
Wird in armut dazu belacht,
Welchs meisterlich verkleret da
Plautus in Aulularia.
Wer sich vermisst zu steigen hoch,
Der fellt mit schanden hinden noch:
Drumb tu sich selbs ein jeder kennen
Und bei seim eigen namen nennen.
Auch haben etlich hohe leut
Dise fabel auf die gedeut,
Als etlich seind so unbescheiden,
Sich in eins andern er vorkleiden,
Mit ander leute kunst herprangen
Und wolln damit groß lob erlangen.
Fabel 30
Von der Fliegen und
Ameißen
Mit einer ameißen zankt ein fliege,
Vermeinet wider sie zu siegen,
Und sprach: "Ich bin ein edel tier,
Du aber bist weit under mir;
Mit meinem fliegen hoch her far:
Du kreuchst auf der erden bar.
Auf den schlössern da wone ich hoch:
Dein herberg ist in einem loch.
Das harte korn ist deine speis,
Und trinkest aus der wagenleis;
So iss ich von der könig tisch
Gewürzet, wilpret, fleisch und fisch
Und trink aus gold und silber schon:
Das verdien ich alls mit müßig gan."
Dawider bald die ameiß redt,
Mit ernst es widerfechten tet
Und sprach: "Mein herkunft und gebort
Ist wol bekant an manchem ort.
Mein eltern und mein ganz geschlecht
Haben sich gehalten allzeit recht.
Ich hab mein sitz, du bist ein gast
Und keine stete wonung hast.
Das körnlin und das wasser rein
Ist mir und jederman gemein
Und schmeckt mir wol mit gutem gwissen;
Das dein mustu mit sorgen genießen.
Was ich genieße oder verzer,
Komt von meinr sauren arbeit her.
Mit arbeit ich mein zeit vertreib,
Bin sicher, frölich, alln menschen lieb.
Mein tat all menschen zur arbeit weist,
Derhalben mich die schrift auch preist.
Du aber fleugst in sorg daher,
Und hat niemand nach dir beger:
Alle menschen tun dich meiden,
Dich mag weder baur noch bürger leiden,
Ein ungebetner gast im haus,
Drumb streicht man dich mit ruten aus.
Man helt dich untüchtig und unedel,
Jagt dich aus mit eim fliegenwedel.
Die faulen dich zum beispiel han,
Ir eigenschaft zeigstu in an.
Im sommer hab ich des winters acht,
So tötet dich hunger und schmacht."
Wer nicht hat maße seiner wort,
Der hört oft, das er nicht gern hort.
Het die fliege wol gesungen,
So wer es ir auch baß gelungen.
Dieweil sie redet all zu vil,
Muß hören, was nicht hören wil.
Doch gib ich hie der ameißen recht:
Es ist vil besser, leben schlecht
Mit wenig sorg bei kleiner hab,
Denn dass man prechtig hoch hertrab.
Bei großem gut ist hoher mut,
An leib und seel oft schaden tut.
Ein gringer stand mit freud und fried
Ist fürwar zu verschmehen nit.
Selig wird der geacht allzeit,
Den auf erd kennen wenig leut.
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