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Fabeln 31 - 60
 

Vom Frosch und dem Ochsen
Vom Pferd und Löwen
Vom Pferd und Esel
Von Vögelen und vierfüßigen Tieren
Vom Wolf und Fuchs
Von einem Hirsch
Von der Schlangen und einer Feilen
Von Wolfen und Schafen
Vom Walde und einem Bauren
Von Glidern des Menschen und dem Bauch
Vom Affen und Fuchs
Vom Hirsch und dem Ochsen
Vom Löwen und Fuchs
Vom Fuchs und dem Wisel
Vom Hirsch und dem Pferd
Von zweien Jünglingen
Vom Hund und Metzker
Vom Hund und Schaf
Vom Lamb und Wolfe
Vom Jüngling und der Katzen
Vom Vatter und seinen Sönen
Vom Pferd und Esel 2
Vom Köler und Bleicher
Vom Vögler und der Tauben
Von einem Trummeter
Vom Wolf und Hunde
Vom Baurn und seinen Hunden
Vom Fuchs und Löwen
Vom Fuchs und dem Adler

Vom Ackerman und Storchen

Fabel 31
Vom Frosch und dem Ochsen

Ein großen ochsen an der weid
Ersah ein frosch; da war im leid,
Daß er nicht war in solcher moß
Gewachsen wie der ochse groß,
Und sprach zu seinem son: "Sich zu,
Ich werd wol wissen, was ich tu.
Ich wil mich sere groß machen,
Daß ich dem ochsen in allen sachen
Gleich werde, jederman wundere sich,
Sprech: sih, der frosch ist dem ochsen gleich."
Er blies sich auf und sprach zum son:
"Sich, lieber, hab ichs nit getan?"
Er sprach: "Vatter, ir werdts nit tun,
Darumb lasst ab bei zeiten nun."
Der frosch sprach: "Sihe zum andern mal,
Ob ichs nicht schier ablangen sol."
Der son sprach: "Vatter, ich bitt, lass ab,
Oder ich euch zuletzt gesehen hab."
Der frosch sprach: "Kostets ein königreich,
Heut wil ich sein dem ochsen gleich."
Blies sich mit aller macht so hoch,
Daß er zu zweien stücken brach.

Ein jeder hat von Gott sein gab,
Daran er ein benügen hab.
Der hat ein adelichen leib,
Der ander ein frommes, schönes weib;
Diser ist stark, jener ist reich;
Dem ist niemand an freundschaft gleich;
Der hat eine werkliche hand,
Der ander ein guten verstand.
Ich rat eim jeden: bleib dabei,
Dazu er best geschicket sei,
Und trag daneben kein abgunst
Zu seines nehsten glück oder kunst,
Vermesse sich nicht mer, denn er kan,
Oder wird im wie dem frosche gan.
Auch ists nicht weislich, sich zu erregen,
Wider einen starken zu legen:

Besser, daß er sich selbs erst messe
Und seiner schwachheit nicht vergesse.

Fabel 32
Vom Pferd und Löwen

Es kam ein löw zu einem pferd,
Dasselb zu fressen er begert;
Er war aber von alter schwach,
Daß er es nicht zu fellen sach;
Gedacht mit listen, wie er tete,
Dass er mit worten das pferd beredte,
Und sprach zum pferd: "Bruder, kom her,
Ich sihe, du bist mit krankheit schwer
Beladen; so bin ich ein doctor;
Kom, gib mir dein gebrechen vor."
Das pferd merket des löwen list.
"Es ist gut", sprachs, "daß du hie bist:
Ich hab gebrechen am hindern fuß.
Wenn du darfür wist irkein buß,
Mit deiner kunst mich köntest retten,
Ich hab in einen dorn getreten;
Der tut mir angst und groß verdrieß,
Sticht mich, als wers ein knebelspieß.
Und küntstu mir denselben bnemen,
Darfst dich fürwar deinr kunst nit schemen."
Der löwe sprach: "Heb auf den schenkel!
Wie groß ist dir geschwoln der enkel?"
Er nam den fuß in seine klauen
Und tet mit fleiße zuschauen.
Das pferd holt aus, gab im ein schlag,
Daß der löw auf dem rücken lag
Und kunte sich lang nicht ermannen:
Dieweile lief das pferd von dannen.
Er sprach: "Ich hab den fuß besehen,
Vom pferd ist mir gar recht geschehen.
Vor meine kunst muß ich das hon:
Mein torheit hat irn rechten lon.
Vorwar, das pferd vil klüger ist;
Es hat mit list gerochen list."

In diser fabel wird abgemalt:
Schmeichlen mit schmeichlen wird bezalt.
Ein feind, der sich tut feindlich stellen,
Denselben hat man wol zu fellen;
Vor dem aber muß man sich hüten,
Der schmeichelwort gibt in der güte
Und tregt doch gram, im herzen gram;
Demselben gram ghört wider gram,
Und ist wol wert, daß man in letze,
Sich im feindlich entgegen setze.

Fabel 33
Vom Pferd und Esel

Eins mals ein Pferd gebunden stund
Und het ein schönen zaum im mund;
Der war mit gülden buckeln bschlagen.
Auf seinem rücken tet es tragen
Ein blanken sattel, schön geziert,
Ein rosdecken mit gold durchschniert.
Es riss den zügel bald entzwei
Und lief hinweg mit großem gschrei.

Da kam ein esel on gefer
Mit seiner last langsam daher.
Das pferd fraß das gebiss mit schaum,
Sah zorniglich und sprach: "Gib raum!
Wer hat dich solche mores glert,
Daß du nicht weichst eim solchen pferd?
Geh weg, gib raum, oder wil dich schlagen,
Daß dich ir sechs von hinnen tragen."
Der esel erschrak von dem schnurren,
Gab raum und dorft auch nit einst murren.
Das pferd lief, was es des leibes möcht,
Zu letst sichs on gefer verrücht.
Des ward sein herr von stund gewar,
Nam im die schöne rüstung gar,
Verkaufts dem furman in den karren:
Der wolt damit hinweg faren.
Das sahe der esel, lief bald zu,
Sprach: "Grüß dich, freund, wie sihstu nu?
Wo ist das gülden und seiden zier?
Der sehe ich jetzund keins an dir.
So, lieber freund, so gets auf erden,
So muß hoffart gestrafet werden."

Vil leut im glück sich so erheben,
Können noch zil noch maße geben.
Wenns glück am höhsten bricht herfür,
Denn helt das unglück vor der tür.
Welche das glück hat hoch erhaben,
Dieselben zu besorgen haben,
Wenn sich das glückrad schnell umbkert;
Denn werden sies mit schaden glert,
Daß größer unglück nicht ist zurlesen
Denn sagen: ich bins wol ehe gewesen.
Zu dem unglück komt denn noch eins,
Ist erger denn der andern keins,
Daß man im unfall wird belacht
Von den, die man zuvorn veracht.
Drumb lass dich nit eins solchen glüsten,
Wider den armen dich zu rüsten:
Unfall müssen wir gewarten all:

Wer steht, sehe zu, daß er nicht fall.

Fabel 34
Von Vögelen und vierfüßigen Tieren

Es ist geschehn auf eine zeit,
Die vögel hetten einen streit
Mit den vierfüßigen tieren.
Es wolt kein teil den streit verlieren,
Wiewol auf beiden seiten war
Müh, angst, sorge und große far.
Das merket an die fledermaus,
Von andern vögeln dräet sich aus,
Besorgte sich, die vögel sollten
Die schlacht verlieren, drumb sie wolte
In sicherheit on sorge leben,
Zun feinden tet sie sich begeben.
Die vögel nemen ir sachen war,
Zum hauptman hettens den adlar.
Der adler fürsichtig fürt den haufen,
Daß sie recht an einander trafen.
Die vögel wie ein pfeil zuflogen:
Der verlorn hauf ward erst erschlagen,
Darnach die vögel all gemein
Setzten zum gwaltigen haufen ein.
Die tier wurden in die flucht bracht,
Die vögel gwunnen also die schlacht.
Als sie das feld erobert hetten,
Die fledermaus in die acht teten
Und hielten sie gar untüchtig,
Daß sie war worden feldflüchtig;
Ir lebenlang nicht kommen tar
Under ein aufricht fendlin dar;
In den steinritzen muß liegen,
Bei liechtem tag darf sie nicht fliegen,
Wie man noch auf heutigen tag
An fledermeusen sehen mag.

Es lert uns hie die fledermaus,
Die sich dräet in den nöten aus,
Daß, der mit ern nicht bleibt bestan
In nöten bei eim frommen man,
Ist wert, daß man in verechtlich helt,
Wie eim treulosen im nachstellt.
Der an die feind nicht helt die heut,
Dem wird nichts von der ausbeut.
Ders unglück nicht hilft auseßen,
Desselben wird im glück vergessen.
Wer sich das kraut vom tisch lesst schrecken,
Der wird auch nicht den braten schmecken.

Fabel 35
Vom Wolf und Fuchs

Der wolf mit rauben samlen tet,
Daß er ein weil zu fressen het,
Und trugs zusamen in sein loch.
Der fuchs wards gwar und spürt im nach:
Er fand in ligen bei dem as,
Da faulenzen vor vollem fraß;
Er sprach: "Wie ligst so ausgespreit?
Steh auf, lauf mit mir aufs gejeit."
Der wolf des fuchses list merkt wol,
Sprach: "Weiß nicht, wie ichs machen sol;
In meinem leib bin ich ser krank,
Drumb lig ich hie on meinen dank.
Wollest für mich die Götter bitten,
Daß sie mich aus der krankheit retten."

Der fuchs gieng hin; es tet im zorn,
Daß sein anschlag war gar verlorn,
Gedacht: es sol also nicht bleiben!
Er sahe den hirten frü austreiben,
Den redt er an und sprach: "Mein freund,
Gut neue mer ich dir verkünd.
Es wont ein wolf in jenem loch,
Leit dort gestrecket wie ein bloch,
Vor vollem fraß ganz faul und treg:
Den hastu in eim hui hinweg,
So bald du kumst mit deinen hunden,
Ir fünf dir nicht entlaufen kunden."
Der hirt den wolf umbringen tet;
Von stund er in gefangen het.
Das sahe der fuchs an für das best,
Legt sich wider ins wolfes nest;
Als, was der wolf het vor geraubt,
War im zu essen gar erlaubt,
Macht sich frölich ein kleine zeit.
Bald het ein end auch seine freud:
Am andern tag der hirt auch kam,
Den fuchs gleich wie den wolf aufnam.

Ein schendlich ding ists umb den haß,
Tut schaden über alle maß;
Doch ists oft dem der gröste schad,
Der neid und hass erreget hat.
Wer einen stein wirft über sich,
Fellt auf in selb gemeiniglich.
Wer seinem nehstem ein gruben grebt,
Darf selbs wol, daß man in draus hebt.
Gott schafft, daß neithart und untreu
Sein eigen meister erst gereu.

Fabel 36
Von einem Hirsch

Es kam ein hirsch zum lautern brunnen;
Darin so schein die helle sonne.
Der hirsch besah all seine glieder
Von hörnern bis zun füßen nider,
Wie er über all geschicket was,
Vil baß denn in eim spiegelglas.
Sein leib daucht in ganz wol geschickt,
Daß ers mit freud im brunn anblickt;
Die hörner aber hielt er fürs best,
Die waren zacket wie tannenäst;
Die schenkel aber wolt er nicht han,
Sie warn zu dürr und vil zu ran.
Dieweil der hirsch sich selbs visiert
Und in dem brunnen contempliert,
Da blies der jäger in sein horn:
Von stund die hund hinder im warn.
Der hirsch sah umb on alls gefer;
Als er der hunde ward gewar,
Der hirsch ganz eilend laufen tet,
Wie ein pfeil fleuht, wie der wind wet.
Zum grünen walde war im gach:
Der jäger stellt im emsig nach;
Wolt laufen durch ein dicke hecken;
Daselben blieb der hirsch bestecken,
Bei seinen hörnern da behangen;
Vom jäger ward er bald gefangen.
Da sprach der hirsch: "Ich hab geirrt,
Da ich beim brunnen disputiert,
Da ich mein schenkel tet verachten,
Die mich aus allen nöten brachten,
Mein hörner vor das best tet preisen,
Die mir groß untreu jetzt beweisen."

Was schedlich ist, das wolln wir han,
Was aber nutzt, stet uns nicht an.
All menschen begern ein rusam leben,
E sie versten, wers in kan geben.
Nach gelt und gut laufen tag und nacht,
Meinen, wenns vil zusamen bracht,
Vil mü und sorg sich han erwegen,
Daß denn darinne sei gelegen,
Zu leben seliglich mit rüe,
So doch darin vil angst und müe;
Welchs Flaccus uns anzeiget schon
In einem kurzen sapphicon
Und sagt: "Die großen hohen tannen
Mit sturm der wind tut weidlich zannen.
Je höher die türn gebauet werden,
Je größern fall bringens zur erden.
Der Donder trifft die hohen berg."
Man schlecht den risen vor das zwerg.
Gemeinlich falln die hohen klimmer;
So ertrinken gern die guten schwimmer.

Fabel 37
Von der Schlangen und einer Feilen

In einer werkstatt lag ein feile:
Ein schlang ersahs, lief zu mit eile,
Biss drein und gunt daran zu nagen:
Des lacht die feil, sprach: "Lass dir sagen,
Ich wolt dir all dein zäne zerreißen,
Eh du mir soltst ein stück ausbeißen.
Darumb dich wider mich nicht leg:
Stahl, eisen ich zu fressen pfleg."

Ein jeder seh sich für gar eben,
Tu keinem sterkern widerstreben,
Wer sich eim größern widersetzt
Und auf in seine zäne wetzt,
Derselb sich gar unnützlich zerrt,
Gegm backofen das maul aufsperrt.

Fabel 38
Von Wolfen und Schafen

Die wölf und schaf in haß und neid
Gestanden sind ein lange zeit,
Dazu hat die natur geholfen,
Daß zwischen schafen und den wolfen
Entstund ein langwiriger krieg:
Die schafe hetten selten sieg.
Darob sie wurden schwach und treg,
Dachten zu suchen friedenweg
Mit den wölfen, irm gegenpart.
Wiewol die wölf sich hielten hart,
Zu letst teten sie es doch wagen,
Da sie an schafen vorteil sahen;
Den frieden namen beide teil an,
Der solt nun ewig bleiben stan,
Forder solt keins das ander letzen:
Des teten beide geisel setzen.
Die schaf, zu halten stets den bund,
Setzten zu bürg des schäfers hund;
Die wölf die jungen wölflin gaben,
Solten die schaf zu geisel haben:
Damit der fried ward so verstrickt,
Daß er besten solt unverrückt.
In dem on forcht an jener heid
Suchten die schäflin ire weid;
Die wölflin nach ir mutter heulten,
Welch im walde daselben scheulten.
Vom gschrei liefen die wolf zu haufen,
Grimmiglich fielen ein zun schafen,
Sprachen: "Ir habt den frieden brochen
Und euch an unsern kindern grochen,
Wie wol zu hörn an irem gschrei,
Damit reißt ir den fried entzwei."
Die wölf die schaf darnider rissen
Und ir gar vil zu tode bissen.
Das macht, daß sie verlassen warn
Von hunden, die sie hetten zuforn
Zu geisel den wölfen gegeben;
Das kost den schafen jetzt ir leben.

Torheit ists, daß man im vortracht,
Den man mit seinem feinde macht,
Sein besten vorteil übergibt,
Dadurch der feind oft feindschaft übt.
Denn ein freund, der ist feind gewesen,
Vor dem ist man noch nicht genesen
Und muß sich seiner stets besorgen,
Daß er feind werd heut oder morgen.
Wenn er dein vorteil hat vor sich,
Braucht er denselben wider dich:
Denn wirstu erst mit schaden glert,
Geschlagen mit deim eignen schwert.

Fabel 39
Vom Walde und einem Bauren

Vor zeiten als die bäume redten,
Wie auch daselbs die steine teten,
Ein baur gegangen kam in wald
Und grüßt die bäume manigfalt,
Bat, sie im wolten geben selb
Zu seiner axt ein neues helb.
Da antworten die bäume: "Ja,
Such dir selb eins hie oder da."
Da fand der baur ein äschen holz,
War zäh und grad gleich einem bolz.
Als ers het in die axt geschnitten
Zu maß, mit negeln hindernieten,
Er hieb ab mit seiner axt bald
All bäum nach einander im wald.
Da war den bäumen samtlich leid
Ir begangne leichtfertigkeit,
Daß sie dem bauren sein axt gestellt,
Daß ers damit zu boden gfellt.

Mancher ist wenn im gut geschicht
Undankbar, wie man teglich sicht,
Ja, braucht das gut auch wider den,
Von dem es im zu gut geschehn.
Mit untreu wird die treu vergolten.
Solch gesellen werden billich gescholten
Vor erlos und treulose buben.
Wenn sie eins frommen mans behufen,
Redens freundlich; er unverdrossen
Hilft in; wenn sie sein han genossen,
Mit untreu tun ims widerzalen.
Den wolt ich wünschen all zumalen,
Die sich mit solchen stücken neren,
Daß am galgen ersticket weren.

Fabel 40
Von Glidern des Menschen und dem Bauch

All glider, die der mensche hat,
Hetten zusamen einen rat
Wider desselben menschen bauch,
Sprachen, "Er ist ein rechter schlauch.
Wir müssen in mit arbeit neren,
Erwerben, was er kan verzeren.
Es schmeckt die nase, die zung sich regt,
Die füße gen, der rücken tregt,
Mit hörn das or im dienen tut,
Das auge wacht mit steter hut,
Es wirkt die hand mit allen treuen,
Der mund muß im die speise keuen.
Ein jedes glid nimt eben war,
Daß nicht dem bauch leid widerfar.
Der faule bauch ligt stetes müßig,
Wird auch der speis oft überdrüssig,
Die wolln wir im nicht lenger geben,
Mag selber schaffen, wil er leben."
Da sprach der bauch zu den gelidern:
"Wie mögt ir mir so sein zuwidern?
Ist not, daß ir mir speis verschafft,
Wo ir behalten wolt eur kraft."
Kein glid sich an die rede kert,
Bis sie es die erfarnheit lert.
Von hunger ward der bauch gar schwach,
Da teten auch die glider gmach.
Als den vorderb und schaden sahen,
Eintrechtig zu dem bauche jahen:
"Iss, trink und lass dirs schmecken wol,
Ein jedes wil tun, was es sol."
Da war der bauch verdorben schon,
All glider mustn mit im vergon.

Wie die glider han ein gemeinschaft,
Und eins zu gut dem andern schafft,
So muß ein mensch den andern neren:
Eins kan des andern nicht entperen.
Kein mensch so mechtig oder reich,
Wer er auch Creso und Midi gleich,
Der in worten oder taten
Seins nehsten hülfe kan geraten.
Darumb auch Gott geboten hat,
Daß wir dem nehsten hilf und rat
Erzeigen sollen und in lieben
Und gegen im all woltat üben.
Ich halt es vor den höchsten schutz
Auf erd und vor den grösten nutz,
Daß einer große freundschaft hat,
Die bei in treten in der not.
Gut ists, der sich zu gutem gsellt
Und gute freund vor augen helt.

Die fabel zeigt uns auch dermaßen,
Daß oberkeit und undersaßen
Einander sollen sein eingleibt.
Als, was die oberkeit betreibt
Mit kriegen oder rates mute,
Daß es kom der gemein zu gute,
Mit rat und tat sie stetes schützen,
Als zu frommen und irem nutzen.
Da gegen sol auch die gemein
Willig und unverdrossen sein,
Was oberkeit an sie begert,
Daß sie desselben sei gewert.
Es sei am gschoss, steur oder zoll,
Als ungewegert geben sol.
So bstet bürgerlich policei
In irem vorrat auch dabei.
Der gülden friede wird erhalten,
Wo man die einigkeit läßt walten,
Wie uns sanct Paulus auch tut lern
Am dreizehenden zun Römern.

Fabel 41
Vom Affen und Fuchs

Es kam ein aff zum fuchs getreten:
"Ich wolt dich freundlich han gebeten",
Sprach der aff, "du wolst geben mir
Dein halben schwanz, weil er doch dir
Nicht groß mag nutzen allzumal,
Und kanst in auch nicht tragen wol.
Wer mir sehr nutz und angenam,
Damit bedecken möcht mein scham."
Er sprach: "Ichs nicht entperen wil,
Meins schwanzes hab ich nicht zuvil;
Wil in lieber in kat ertrenken,
Denn dir vor deinen hindern henken."

Mancher ist notturftig und arm,
Darf wol, daß man sich sein erbarm.
So hat auch mancher gut und gelt
So vil, daß im zum haus ausfellt.
Doch ists der reichen kargen art,
Ir keiner nie so kostfrei wart,
Dass er von seinem überfluss
Dem dürftigen den kummer buss.

Fabel 42
Vom Hirsch und dem Ochsen

Es stund ein hirsch an jener heid,
Den trieb ein jäger mit gejeit,
Daß er vor angst und großer qual
Entlief in einen ochsenstall,
Bat, daß er sich da möcht verstecken:
Die ochsen in mit heu bedecken.
Ein ochse sprach: "Du bist fürwar
Bei uns allhie nicht sicher zwar;
Bald komt der herre oder knecht,
Daß sies im stall bestellen recht.
Ob sie dich denn ergreifen nun,
Umb dein leben ists in zu tun."
Er sprach: "Wo ir nicht macht ein gschrei,
Blieb ich wol under disem heu."
Der knecht kam, gab den ochsen für,
Bald gieng er wider aus der tür.
Da sprach der hirsch: "Es hat kein not,
Der knecht mich nicht gesehen hat."
Da antwort im ein alter ochs:
"Ja, komt der herr, der ist ein fuchs;
Der knecht ist solcher sach ein kind,
Dazu in allen dingen blind.
Denselben hast wol zu betriegen,
Dem herrn ist nicht gut vor zu liegen.
Wenn der gegangen komt in stall,
Get hie und da, bsichts überall,
Beleucht die ochsen, besicht die küe;
Verbirgest dich, zwar es hat müe."
Da komt der herr, all ding besicht,
Obs der knecht hat wol ausgericht,
Beschaut das futter und die streu,
Greift under dkrippen in das heu,
Erwüscht den hirsch bei seinem horn
Und sprach: "Was han wir hie zuvorn?"
Rief dem gesind; sie kamen dar,
Da stund der hirsch in todes far.

Wenn eim das unglück komt geschwinde,
Läßt sich die ausflucht schwerlich finden.
Villeicht aus unglück also gschicht,
Oder daß der mensch aus forcht versicht,
Im in der eil gut rat entfellt;
Denn wird sein sach in far gestellt,
Gelangt im oft zu solchem schaden,
Daß er sich nimmer kan entladen.

Fabel.43
Vom Löwen und Fuchs

Der löw war krank; als das vernamen
Die andern tier, bald zu im kamen:
Ein jedes tet erzeigen sich
Gegen dem löwen ganz dienstlich,
Teten im in der krankheit pflegen,
Wie es eim jedern war gelegen.
Der fuchs tet nicht, wie andre taten.
Dem schickt der löwe eilend boten,
Begert, daß er auch zu im kem,
Sein zukunft wer im angenem.
Mit einem brief tet ern auch laden,
Daß er bald kem, hüt sich vor schaden,
Dorft sich bsorgen keinr ferlichkeit,
Im solt geschehen da kein leid,
Der fuchs wer ein verstendig man,
Drumb wolt er in gern bei im han;
Es wer auch sonst on als gefer,
Nachdem der löwe krank wer;
Wenn er gleich wolt, künt er doch nit
Im schaden tun auch niergent mit.
Der fuchs schreib wider: "Gnediger herr,
Ganz lieb mir eur gesundheit wer,
Wolt für euch gern die Götter bitten,
Daß sie euch aus der krankheit retten.
Die sach, daß ich jetzt nit kan kommen,
Ist, daß ich eigentlich vernommen,
Daß alle tier, die in eur loch
Gegangen, sind darinnen noch:
Ihre fußstapfen weisens aus,
Ir keins ist kommen wider raus.
Man möcht mir dinnen ein aug verbinden,
Die tür solt schwerlich wider finden."

Hüt dich, dass du vorsichtig lebst,
Nicht allen worten glauben gebst;
Man gibt oft wort auf schimpf und scherzen,
Und kommen doch aus falschem herzen.
Ein weiser man ist stets vorsichtig,
In allen seinen sachen schlichtig.
Die umbstend geben zu versten,
Aus welchem grund dieselben gen,
Und läßt sich an der hosen sehen,
Wo dem schenkel ist leid geschehen.

Fabel.44
Vom Fuchs und dem Wisel

Es kam ein fuchs aus seinem lager,
Der war von großem hunger mager,
Wolt laufen seiner speise noch
Und kam dort vor ein enges loch,
Ja, vor ein loch, das war so eng,
Da kroch er nein mit großem dreng.
Da fand er speise mancherlei;
Er aß und macht kein groß geschrei.
Vor großem hunger wust nicht moß,
Daß im der bauch ward dick und groß.
Als er sich voll gefressen het,
Dem loch sich wider nahen tet
Und meint, er wolt bald daußen sein,
Wie er gekrochen war hinein.
Da kunt er nicht; er sucht umbher,
Er fand kein lücken niergend mer.
Das sahe ein wisel weit dort hinden
Und sprach: "Kein ander loch wirst finden,
Denn da du bist hinein geschloffen,
Dir stet kein ander tür sonst offen.
Ein guten rat wil dir vorlegen:
Du must dich so vil mü erwegen
Und hie in disem brodkasten
Ein tag oder vier sanct Niclaus fasten,
Daß du wirst, wie du vor warst, mager;
Denn hilft er dir aus disem lager.
Der bauch muß dir erst werden ler
Und must den kropf verdauen, er
Du wider komst hinaus ins feld:
Der fraß dich lenger drinnen helt."

Man sicht teglich, dass meßig gut
Den menschen baß erfreuen tut,
Und get on sorg und mü daher;
Wenn aber komt zu reichtum der,
Denn geht er btrübt und hengt den kopf,
Als ob in gschlagen het der tropf,
Kan sich der sorgen nicht erweren,
Das gelt tut in in angst verzeren.
Bessers ist nicht zu wünschen dem,
Denn daß er wider in armut kem.

Fabel.45
Vom Hirsch und dem Pferd

Es het ein hirsch ein großen streit
Mit einem pferd umb eine weid,
Die wolt (wie man berichtet mich)
Jedes verteidingen vor sich.
Der hirsch mit seinen hörnern hoch
Trachtet dem pferd feindlich noch,
Bis daß gar aus der weid vertrieb.
Das war dem pferd zwar nicht fast lieb,
Es wolt nicht gerne underligen.
Dacht, wo es widern hirsch möcht siegen.
Den menschen rufts umb hilfe an,
Da fands zu letzt ein starken man,
Der trat mit im auf jenen platz
Und legt sich mit dem hirsch in hatz.
Ward mit des menschen hilf von stunden
Der hirsch vom pferd gar überwunden,
Und hielt das pferd vor sich die weid,
Daran sich ghaben het der streit.
Der mensch, so im geholfen het,
Das pferd sich im zueignen tet
Und sprach: "Ich hab geholfen dir,
Drumb mustu auch jetzt dienen mir."
Und gürt im umb des sattels saum,
Tet im auch umb den kopf ein zaum
Und in sein maul ein strenges biss
Und sprach: "Nun hab vor das auch dis.
Weil ich dir gholfen hab zu siegen,
Solt dich billich under mich schmiegen."

Horatius, der weise heiden,
Tut uns auch rechter kunst bescheiden
Und sagt, daß, die wolln armut fliehen,
Dem kummer wolln fürüber ziehen,
Verlieren dadurch die freiheit hold,
Die gar vil besser ist denn gold,
Und müssen den zum herren han,
Den sie vorhin nicht gesehen an.
So geschicht dem, der das klein verschmaht,
Daß er darnach das groß nicht hat.

Fabel.46
Von zweien Jünglingen

Zu einem koch zwen jung gesellen
Kamen und teten sich freundlich stellen,
Als hettens im gern abgegolten
Ein stück fleisch, das sie essen wolten.
Weil nun zu schaffen het der koch
Ein anders, dem er trachtet nach,
Der ein stal im ein großes stück
Aus seinem korb da hinder rück,
Tels seinem gselln, der solts verstecken
Und under seinen rock bedecken.
Bald merkt der koch, daß im das fleisch
Gestolen was; er sprach: "Ich heisch
Euch beid zu recht und sag, daß ir
Das fleisch jetzt habt gestolen mir."
Der erst ein eid bald schweren tet,
Daß er das fleisch bei im nicht het;
Der ander schwur auch unverholen,
Er het im nicht das fleisch gestolen.
Da sprach der koch: "Ir habt eur stelen
Jetzund vor mir wol zu verhelen;
Aber der, bei dem ir gschworen habt,
Der sicht und kennt eur missetat."

Es sein nicht aller menschen sünd
Aus erden allen menschen kund,
Und läßt sich wol der schalk verbergen,
Daß in die menschen finden werden.
Gott aber alle ding wol sicht,
Was in der ganzen welt geschicht.
Er sitzt hoch über Cherubin,
Hat aller menschen herz und sin
In seiner allmechtigen hand,
Vor im ist nichtes unbekant.
O, wenn die menschen das bedechten
Und solchs teglich zu herzen brechten,
Würden also nicht allesamt
Sündigen frech und unverschamt
Und sich vil mer der sünden maßen,
Vil bosheit underwegen lassen.

Fabel.47
Vom Hund und Metzker

Einsmals ein metzker saß und schlief
Bei seinem fleisch; in dem herlief
Ein großer hund; bald in eim ruck
Erwischt vom fleisch ein großes stück;
Lief bald davon; da erwacht der metzker
Und rief im nach: "Hie, hie, du etzler,
Lauf hin, jetzt bist sicher vor mir,
Daß ich nicht kan nach laufen dir;
Ein ander mal wil baß zusehn,
Sol mir von dir nicht mer geschehn."

Es zeigt uns dise fabel an,
Daß oft mit schaden wird ein man
Witzig, darnach er baß zusicht,
Daß im der schad nicht mer geschicht.

Fabel.48
Vom Hund und Schaf

Ein hund ein schaf verklaget hot,
Vor recht angsprochen umb ein brot,
Das het er im geliehen dar:
Das schaf im nichts gestendig war.
Da sprach der hund: "Ich wils bezeugen
Mit dem wolf, geier und weihen."
Die zeugten alle frei daher,
Das schaf dem hunde schuldig wer.
Durch ire lügen unverschamt
Wird vom richter das schaf verdamt.
Der hund warfs nider in das gras,
Zerriss, zerbiss und gar auffraß.

Von Gott im gsetz geboten ward,
Auch bei den alten gstrafet hart,
Wenn einer felschlich tete zeugen
Uber sein nehsten irkein lügen,
Wiewols mer denn zu vil geschicht,
Wie man jetzt augenscheinlich sicht:
Der groß den kleinen überzeugt
Und oft gar felschlich überleugt,
Damit er in tut underbrechen.
Gott wirds aber gar weidlich rechen,
Ja, endtlich dort an jenem tag:
Darauf ein jeder denken mag.

Fabel.49
Vom Lamb und Wolfe

Es lief mit einem bock ein lamb:
Ein wolf im da entgegen kam,
Sprach: "Warumb gest mit disem bock?
Sih, wie zerhudelt ist im der rock!
Sihe doch, wie lang ist im der bart,
Und stinket recht nach bockes art.
Drumb rat ich, folge meiner ler,
Bald heim zu deiner mutter ker,
Zu deiner lieben mutter brust:
Die magst saugen nach deinem lust."
Da merkt das lamb des wolfes list,
Sprach: "Lieber wolf, bleib, wer du bist.
Mein mutter hat mich im befolhen,
Wir mit einander wandern sollen,
Und meiner wie ein vatter pflegen:
Derhalben ich mich gar erwegen,
Meim vatter jetzt am aller meisten,
Vil mer denn dir gehorsam leisten;
Denn du mich gdenkest zu verfüren,
Mit meiner haut dein wangen schmieren
Und schenken mir sanct Johans segen,
Wie die wolfe den lemmern pflegen."

Es lert uns dise fabel eben:
Solln nicht eim andern glauben geben.
Es gibt mancher eim andern rat
Aus bösem herzen, das er hat,
Und sucht damit sein eigen nutz,
Als under schmeichelworten schutz.
Damit der schlechte wird verfürt,
Daß in oft großer schade rürt.

Fabel.50
Vom Jüngling und der Katzen

Es het ein jung gesell ein katzen,
Mit der riß er gar seltzam fratzen
Und liebet sie vor alle tier.
Er sprach: "Wenn ich solt wünschen mir,
So wolt ich, daß du werst ein weib,
Ganz schön von adelichem leib."
Und bat Venus, die edle frauen,
Sein groß beger an zu schauen,
Daß er würd seiner bitt gewert
Und würd die katze transformiert
Ins wesen einer frauen schon,
Damit sein kurzweil er möcht han.
Venus sein kleglich bitt erhört,
Schuf, daß die katz verwandelt ward
In ein gar schönes weibes bild:
Die war an lieb und freundschaft mild.
Die schmuckt er freundlich an sein brust
Nach seines herzen willn und lust.

Darnach Venus erfaren wolt
Und sprach: "Ob auch die katz wol solt
Verwandelt haben ir natur,
Gleich gsinnet einem menschen pur?
Des muß ich haben waren schein."
Ein meuslin laufen ließ herein:
Ein lecherlicher boß geschahe,
Sobald die katz dasselb ersahe.
Wiewol sie het eins menschen gstalt,
Fur zu, erwüscht das meuslin bald.
Das tet der göttin Venus zorn
Und sprach: "Daß du werdst wie zuvorn,
Verwandelt wider in ein katzen
Und dich must beißen mit den ratzen!"

Was eim hat die natur gegeben,
Darnach tut man gemeinlich leben,
Und was einr jung ist worden an,
Drauf bleibt er im alter bestan.
Hilft nicht, die kleider zu verandern
Oder aus eim land ins ander wandern.
Ja wenn ein gans flöhe über mer,
Und über jar kem wider her,
So singet sie dennoch: gagag,
Wie ir gewachsen ist der krag.
Ein mensch, der auch von bösem blut
Geborn und drin erwachsen tut,
Demselben hilft nicht, daß man straft:
Es bleibt doch stets bei im behaft
Im herzen der natürlich kern:
Denn katzen, kinder mausen gern.


Fabel 51
Vom Vatter und seinen Sönen

Also ein vatter het vil kind,
Wie man dasselb noch teglich findt,
Die waren uneins mit einander,
Es wolt auch keiner wie der ander.
Der vatter sich hie lang bedacht,
Wie er die sön eintrechtig macht,
Und legt in für ein henfen strick,
Ungeferlich eins fingers dick,
Sprach: "Wer von euch der sterkest sei,
Der ziehe mir disen strick entzwei."
Ir keiner kunt den strick verbösen.
Der vatter tet in auflösen
Und gab eim jeden son ein faden;
Den zohens bald entzwei on schaden.
Da sprach der vatter: "Lieben kind,
Wie sichs mit disem strick jetzt findt,
So gets mit einigkeit auch zu:
Drumb wollet freundlich leben nu.
Wenn ir halt fried und einigkeit,
So schad euch niemands hass noch neid.
Sobald die einigkeit zertrennt,
Get zu drümmern eur regiment:
Denn wird eur unglück recht gemert,
Wie tegliche erfarnheit lert."

Groß bürgerlicher nutz und frommen
Tut aus der einigkeit herkommen:
Zwitracht zerrüttet und zerbricht,
Was große müe hat aufgericht.

Fabel 52
Vom Pferd und Esel 2

Fein trieb ein baur ein ledig pferd
Und einen esel ser beschwert,
Mit secken überladen gar,
Damit kam er zu wege dar.
Da sprach der esel zu dem pferd:
"Hilf, bruder, sonst fall ich zur erd
Und sterb under diser schweren last,
Wo du mir nicht erzeigest trost."
Das pferd veracht des esels bitt,
Wolt im zu hilfe kommen nit.
Der esel fiel nider und starb,
Under der schweren last verdarb.
Der baur zohe im die haut bald ab
Mit den secken und aller hab,
Tets allesamt dem pferd aufladen.
Da sprach das pferd: "O we meins schaden!
Het ich dem esel helfen tragen,
Dürft ich jetzt nicht mein kummer klagen."

Die fabel lert, dass wir uns sollen
Gegen den armen freundlich stellen
Und sie in irer not entsetzen,
Und ires leides tun ergetzen,
Auf dass, wenns wider darzu kümt,
Dass uns das unglück undernimt,
Dass wir denn auch ein frommen man
In nöten mögen rufen an,
Auf dass uns nicht so misseling,
Wie es dem reichen schlemmer gieng:
Ein tropfe wassers im hellischen feur
Mocht ime kommen nicht zu steur.

Fabel 53
Vom Köler und Bleicher

Der köler sprach ein bleicher an:
"Ich sihe, du bist ein frommer man,
Drumb bitt ich, wollest zu mir ein
Ziehen in die wonung mein.
Da wolln wir uns, wo ich bin bider,
Vertragen wie zwen leiblich brüder."
Der bleicher sprach: "Wenn ich das tet,
Vorwar ichs kleinen frommen het,
Denn was ich gebaucht het in der aschen
Und ganz schneeweiß mit seifen gwaschen,
Darnach zu treugen auf würd hangen
Bei deine kolseck an die stangen,
Solts mit der zeit wol wider werden
Gar kolenschwarz gleich wie die erden."

Wer sich zu einem frommen helt,
Und zu eim guten sich gesellt,
Der wird auch mit den guten gut,
Die bös gesellschaft schaden tut.
Also wenn einer bech anrürt,
So wird er von dem bech beschmiert.

Fabel 54
Vom Vögler und der Tauben

Es gieng ein vögler in ein wald,
Vögel zu fahen jung und alt.
Da sahe er in eins baumes äst
Hoch dort oben ein taubennest.
Dem stellt er nach, ob er die möchte
Mit stricken fahen, es versucht.
Wie er lief underm baum daher,
Trat eine schlang on als gefer;
Da biss herumb die schlang von stunden
In seinen fuß ein tötlich wunden.
Der vögler rief: "Ich armer man!
Eim andern wil ich schaden tan:
In dem sticht mich die schlange herb,
Dass ich mit meiner list verderb."

Es komt, wenn einer denkt zu laden
Auf seinen nehsten schand und schaden.
Dass in dieselbe stricke fellt,
Die er eim andern het gestellt.

Fabel 55
Von einem Trummeter

Begab sich einst in einem krieg,
Das sterkest teil behielt den sieg.
Da ward gefangen ein trummeter,
Der hieß mit seinem namen Peter,
Und von den feinden hart geschlagen.
Er sprach zu inen: "Lasst euch sagen
Und habt mitleiden mit mir armen,
Meiner unschuld lasst euch erbarmen.
Bin in kein harnisch nie geschloffen,
Ir findt bei mir noch wer noch waffen
Denn allein dise klein trummeten:
Drumb wollet mir mein leben retten.
Ich hab eur keinen nie geschlagen,
Oder zu euch irkein hass getragen.
Wenn ich auch gwollt, hett ich doch nit
Ir keinem schaden tun hiemit."

Sie schlugen auf in nach der schwer,
Sprachen: "Du kommest jetzt recht her.
Billich solt leiden jetzt den tot,
Denn du erwecket hast groß not.
Dieweil du sagst, hast keinen gschlagen,
Kein harnisch oder wer getragen,
Doch tust mer schaden mit einr trummeten,
Denn sonst vier ander kriegsleut teten:
Damit beherzet machst den haufen,
Dass sie dest mütiger anlaufen."

Hie in disem apologo
Werden wir schon berichtet do,
Wo gröblich dass die sündigen,
Die den fürsten verkündigen,
Böslich beklagen die undersassen,
Die herrn underrichten der maßen,
Vermanens ir fürstlichen gmüts,
Irs stamms und adelichen gblüts,
Inen ein süß placebo singen,
Das in ir oren tut erklingen,
Sprechen: "Warumb wolt ir das leiden,
Weil irs on schaden wol tut meiden?
Ir seid so wol ein fürst als der,
Von dem euch komt der schade her.
Die undersassen und ganzes land
Habt ir gwaltiglich in eur hand.
Ich wolt ein stücklin im beweisen,
Man müst mich für ein fürsten preisen."

Machen also die fürsten mutig,
Bis dass vil schwerter werden blutig.
Wenn denn die sach zuletst in graben
Gefürt, wils niemand tan haben.
Wenn sie das mus denn gar verschütt,
All policeien gar zerrütt
Und dass Hans Kraft und bruder Veit
Dürftig und bloß im lande leit,
Und ist die sache niergend ganz,
Denn hangen solche gsellen den schwanz
Und rufen Friderichen an.
Das solt ein fürst in achtung han,
Machen mit solchen gselln erst fried,
So teten sies hinforder nit.

Fabel 56
Vom Wolf und Hunde

Es gschah in einem winter kalt,
Ein wolf lief in ein finstern wald;
Des morgens wol vor tag ein stund
Begegnet im eins bauren hund,
Grüßt in und redt im freundlich zu,
Sprach: "Bruder, sag, wie komts, dass du
Bist wol gemestet und ganz glatt?"
Da antwort im der hund: "Es hat
Mein herr tegliche sorg für mich,
Dass wol gespeiset werde ich
Von seinem tisch, und schlaf auch nimmer
Im regen, frost, oder irkeim kummer,
Dazu beim ganzen hausgesind
Ich stete gunst und freundschaft find."
"O", sprach der wolf, "du seligs tier,
Das glück ist ganz geneiget dir,
Weil dir dein herr so freundlich fellt
Und dich in solchen eren helt.
Möcht mir ein solches widerfarn,
Wolt all mein dienst und fleiß nicht sparn
Und wer das seligst tier auf erden,
Das under alln möcht funden werden."

Da sprach der hund: "Weil dir so gach,
Wil ich den dingen trachten nach,
Dass du bei meinem herrn aufs minst
Erlangest etwan auch ein dienst,
Mit dem beding, dass du dich maßest,
Gens, hüner ungebissen lassest,
Und meinem herren dienest treulich,
Aufrecht, in allen sachen freundlich.
Wilt das halten und treulich tan,
So magst von stund wol mit mir gan."
Der wolf sprach ja; sie giengen fort,
Trieben gar vil freundlicher wort,
Bis dass der helle tag anbrach.

Der wolf den hund noch baß besach,
Sprach: "Was schadt dir hinden im nacken?
Da hastu einen kalen placken
Und wol ein schrammen, drei oder vier,
Ob dirs mit flegeln gschlagen wer."
Es antwort im der hund: "Das macht",
Sprach er, "dass ich oft unbedacht
Die kelber und die kind anfur
Beid auf dem feld und vor der tür,
Tet den nachbaurn gar vil zu leid
Wie den fremden on unterscheid.
Das tet mein herren ser verdrießen,
Musts oft mit meinem halse büßen.
Des hat mich gar entwehnt mein herr,
Dass ich hinfurt kein menschen mer
Anfall, wie ich zu tunde pflag,
Sonder zusehe nacht und tag,
Dass nicht ins haus schleich irkein dieb,
Und den wolf von den schafen trieb.
Davor muss ich dies zeichen han,
Dass ich den leuten schaden tan."

Ob solcher red erschrack der wolf,
Sprach: "Lieber bruder Marcolf,
Deins herren freundschaft also teur
Wil ich vorwar nicht kaufen heur.
Ade, mein freund, ich ziehe davon:
Zu holze wil ich wider gan
Und essen, was der lieb Gott geit,
Denn dass ich leb in ferlichkeit.
Drumb bleib du eigen, wie du bist,
Mein freiheit mir vil lieber ist."

Es ist vil beßer, sein ein herre
Im kleinen haus, denn dass man were
Groß gehalten ins fürsten sal,
Da mans verjahet all zu mal,
Muss oft nicht sehn, das man doch sicht,
Dass hie und da unrecht geschicht,
Dadurch oft die frommen gewissen
Werden zerrüttet und zerrissen.
Besser ist fried bei kleinem gut
Denn reichtum, der oft schaden tut
Und manchem großen unfall tregt,
Wie oben gnugsam angezeigt.

Fabel 57
Vom Baurn und seinen Hunden

Weit von den leuten wont ein baur,
In einem wald ließ ers im saur
Mit hauen und mit spalten werden,
Mit hacken, reuten in der erden,
Dass er im richt ein acker zu.
Wie er lang het gearbeit nu,
Zerran im an speis und an brot,
In drang die anstehende not,
Wolt er des hungers sich erweren,
Hub an, sein lemmer zu verzeren,
Darnach die ziegen, böck und schaf;
Zuletst das los die ochsen traf:
Der hub er einen an zu schlachten.

Als das sahen sein hund, sie dachten,
Besprachen sich: "Was wolln wir tan?
Weil er die ochsen jetzt greift an,
Die in teglich helfen erneren
Und im allzeit den acker eren,
Weil er derselben nicht verschont
Und in jetzund der maßen lont,
Was wolt geschehn uns armen hunden?
Unser leben nicht retten kunden;
Drumb ist nichts beßers, dass wir fliehen,
Nicht lenger hie bei im verziehen.
Denn wenn er solt die meinung han,
Unsers gebeins kem nicht darvon."

Es seind vil herren, den man dient,
Dass man bei in oft gnade findt,
Ir diener oft genießen lan
Der treu, die sie bei in getan.
Dagegen man auch teglich heut
Findt gar vil ungeschickter leut,
Die irer diener treuen rat,
Iren fleiß und alle woltat
Mit tyrannei, abgunst und schelten
In allem bösen widergelten,
Stellen dem oft nach leib und gut,
Der in all treu von herzen tut.
Solchs mögen vor die augen stellen
All, die eim andern dienen wollen,
Dass sie ein solchen herren treffen,
Der nicht gedenket, sie zu äffen.
Wenn er ir treue sol belonen,
Tut er sie schmehen und behonen.
Das strafet Gott zu seiner zeit:
Verdienter lon in himmel schreit.

Fabel 58
Vom Fuchs und Löwen

Das füchslin ward gewar eins lauen:
Für seinem grimm tet im fast grauen,
Denn er seiner gegenwertigkeit
War ungwont; drumb war im leid,
Dass im der löw solt etwas tan.
Zum andern mal sahe er in an,
Tet sich zum dritten mal erwegen,
Und kam im noch ein mal entgegen.
Da ward das füchslin kün und keck
Und tet bald alle forcht hinweg;
Es fiel dem löwen zu den füßen,
Tet in underteniglich grüßen,
Gewan also seine kundschaft,
Sein huld, gunst und freundschaft.

Die kundschaft macht uns oft bekant,
Dass wir auch werden den verwant,
Vor den wir uns forchten vorhin,
Und nicht dorften nahen zu in.
Drumb dunket michs ein guter rat,
Dass einer des andern gmeinschaft hat,
All tier sich zu irm gleichen gsellen
Und freundlich zu einander stellen.
So solln sich auch die menschen halten,
Gemachte freundschaft nicht zerspalten.
Das lobet David, da er spricht:
"Gut freund, die sich haben verpflicht,
Dass einer des andern freundschaft hab,
Solchs ist ein teure Gottesgab."

Fabel 59
Vom Fuchs und dem Adler

Als ein fuchs sein jungen erzoch
Vor jenem berg in einem loch,
Ein kleines füchslin wolt gen spielen
Hinaus ins feld vor jener hülen.
Des ward auf jenem berg gewar
Ein großer alter adelar,
Schoss bald hinab in einem flug.
Mit klauen hart das füchslin bschlug,
Furts auf ein baum; gar laut es rief.
Der alte fuchs bald ausher lief,
Er rief im nach und sprach: "Herr arn,
Ich bitt, lasst meine kinder farn
Und haltets mit mir nachbeurlich,
E wider euch erzörne ich."
Der adler sprach: "Ich lass nicht leben,
Wils meinen kindern z'essen geben."

Der fuchs lief, sucht, bis dass er findt
Einen schaub stro, beim feur anzündt,
Stieg auf den baum dem adler nach,
Sein jungen warn dort oben hoch
All bei einander in eim nest.
Der fuchs sprach: "Ich sihs an fürs best,
Verbrenn euch all mit disem schaub:
Das solt ir haben für eurn raub.
Ja, umb ein pfund dörft ich wol wetten,
Eur leben werdet ir nicht retten."
Alsbald der adler das ersach,
Er sprach: "Herr Reinolt, tut gemach!
Ich bitt, verschont meinr armen kind.
Das füchslin sich bald wider findt,
Welchs ich euch jetzund han genommen,
Sol unbeschedigt wider kommen."

Bei dem adler werden bedeut
Die künen, frechen, bösen leut;
Aber der fuchs tut zeigen an
Die armen schwachen undertan,
Welche die reichen großen hansen
Mit gwalt und frevel tun verbansen.
Denn solchs ist gemein bei den reichen,
Wo sie die armen mögen erschleichen,
So muss der arme allzeit mügen.
Zu zeiten tuts auch Gott wol fügen,
Dass von dem schwachen wird gefellt,
Der sich tyrannisch hat gestellt.
Des man zu eim exempel hat
Den großen risen Goliath,
Des hohmut stürzt David, der klein,
Aus seiner schleuder mit eim stein.

Fabel 60
Vom Ackerman und Storchen

Der baur sein acker het beseet,
Den er rings umb bezeunen tet,
Dass im nit schaden möcht das vich.
Antvögel, Kranchen samleten sich,
Flohen mit haufen auf den acker.
Der baur ward zornig und auch wacker;
Er stellt ein garn und fieng den kranchen,
Von den Antvögeln auch gar manchen.
Mit den ward auch ein storch beschlagen;
Der sprach zum bauren: "Lass dir sagen,
Ich bin kein vogel, der schaden tut,
Sonder ich halt in steter hut
Der menschen heuser, da ich won,
Gib allzeit den zehend davon.
Mein vatter und mein eltern gar
Schütz ich allzeit vor leibes far.
Das korn, du auf den acker gfürt,
Hab ich mein lebtag nie berürt,
Und iss die frösch aus grünem gras.
Drumb bitt ich, lass mich aus dem hass.
Bin on gefer hieher geflogen,
Von andern vögeln jetzt betrogen."
Da sprach der baur: "Das weiß ich wol.
Das recht sich selber finden sol:
Weil du komst mit in auf den plan,
So gut musts nemen, wie sies han."

Wer sich lässt zu den trebern bräuen,
Der wird gefressen von den säuen,
Und wenn begriffen wird der heler,
Muss billich hangen mit dem steler.
Darumb so gsell dich zu den guten,
So darfst nicht mit dem bösen bluten.