Fabel 91
Vom Frosch und Fuchs
Kroch ein frosch aus einer pfützen
Und wolt nicht lenger im wasser sitzen,
Tet wandern in den grünen walt;
Da fand vil tierlin, jung und alt.
Er sprach: "Gott grüß euch, lieben freund,
Wenn ir all wisten, was ich künt,
Ir solt mich hoch in eren halten."
Da sprach der has, einr von den alten:
"Sag, lieb schwester, was ist dein kunst,
Damit du meinst zurlangen gunst?"
Er sprach: "Die schöne kunst arznei
Hab ich gelernt, und bkennes frei,
Zu Mompeliers in Frankenreich,
In Welschland, zu Paris dem gleich.
Galenus und Hippocrates
Haben sich nie geflißen des,
Als, was ich kan zu diser frist,
Haben dieselben nie gewist;
Und ob jemand von euch was felt,
Ich wil in umb ein gringes gelt
On alle we und sonder schaden
Desselben übels bald entladen."
Die tierlin glaubten im zum teil,
Wolten aufdecken iren feil.
Da lacht der fuchs und sprach: "Ir toren,
Sagt dem doctor, dass er zuvorn
Hin ge und mach sich selber gsund.
Seht, wie bleich ist er umb den mund,
Das komt im als von kelt des magen.
Lasst in sein brechen erst vertragen;
Wenn er denselb vertrieben hat,
Denn wölln wir bei im suchen rat."
Es ist ein narr, der sich da rümt
Des, welchs im doch nicht eben kümt,
Und sich wol zen zu tun erwegt,
Der doch sein macht kaum eins ertregt.
Der lon ist, dass man in belacht
Und wie ein narren gar veracht,
Wie oben oftmals ist bedacht.
Fabel 92
Vom beißigen Hunde
Beim bauren war ein hund gar beißig
Und auf die leut mit bellen fleißig,
Drumb im sein herr anhieng ein schellen.
Auf dass die leute vor dem bellen
Und vor seinem beißigen wüten
Sich nach dem zeichen mochten hüten.
Darob der hund aus hohem pracht
Seins gleichen hunde gar veracht
Und meint, er trüg darumb das zeichen,
Dass kein ander hund künt erreichen
Sein tugent und geschicklichkeit;
Solchs war den andern hunden leid.
Da sprach zu im ein alter hund,
Der die sachen vil baß verstund:
"Das zeichen ist dir nicht gegeben
Zu deinen eren, merk mich eben,
Sondern dass die leut merken dabei,
Was bosheit und schalkheit in dir sei,
Und dich dest baß haben zu meiden.
Zu einer straf must du das leiden;
Dass man dabei deinr bosheit gedenkt,
Ist dir die schellen angehenkt."
Es zeuht sich mancher das zun eren,
Das man im mag zur schande keren.
Wie oft die rumredigen pflegen
Und sich einr großen schand erwegen,
Umb kleine ere zu erlangen,
Und bleiben doch zu letst behangen
In solcher schand on alle er:
Erfarnheit han wir des zu ler.
Fabel 93
Vom Cameltier
Der Camel tet sich beklagen ser,
Wie bloß er stünd on alle wer,
Und wer dennoch so hoch gewachsen;
Daneben sehe er sten den ochsen,
Der trüg zwei hörner lang mit eren,
Damit er sich der feind möcht weren;
Er aber wist sich nit zu retten.
Ob einst der feind wurd an in treten
Und auf in seine zäne wetzen,
So het er sich nit zu entsetzen.
Den Jupiter rief bittlich an,
Dass er sich wolt erbarmen lan,
Aus gnaden im zwei hörner geben,
Dass er in nöten möcht sein leben
Erretten vor den feinden bös
Und irem feindlichen gedös.
Der torheit lacht der Jupiter
Und sprach: "Wie gar nerrisch ist der!
Er lässt im nicht an dem begnügen,
Welchs im Gott und natur zufügen,
Dass er so hoch ist auferwachsen
Und tregt ein sattel auf der achsen,
Ist sterker denn die andern tier
Und tregt auch mer denn ander vier."
Aus zorn schneidt er im ab die oren,
Macht in den andern tiern zum toren,
Dass er solchs begert so unbedacht,
Ward von den andern dazu belacht.
Was einem jedern gibt das glücke,
Das nem er als sein eigen stücke,
Welchs im ist worden zur ausbeut,
Und sehe nicht fast auf ander leut;
Denn solchs zu mermaln ist geschehn,
Als wir erfarn und selb gesehn,
Dass einer sein beruf verließ
Und im selbst ein bessers verhieß,
Sein anschlag aber felen tet,
Zu letst noch groß noch kleines het.
Fabel 94
Von zweien
Gesellen und dem Beren
Zwen gsellen kamen zu einander
Und wolten beid zusamen wandern,
Schwuren einander rechte treu
Mit eides pflicht on alle reu,
Zu leiden beide tod und leben
Und was Gott und das glück wurd geben.
Begegnet in im wald ein ber,
Tet brüllend laufen zu in her.
Der ein erwüscht ein hohen baum,
Darauf entran dem beren kaum,
Dass er die ferlichkeit mocht meiden.
Der ander stund in großem leiden,
Gedacht: du kanst im nit entfliehen,
Die strebkatz mustu mit im ziehen,
Und sprach: kein andern rat ich weiß.
Er legt sich in ein wagenleis,
Sam wer er tot, tet sich hinstrecken,
Das angesicht mit laub bedecken.
Bald kam der ber und kert in umb,
Er lag, als wer er taub und stum,
Verhielt den atem mit maul und nas:
Da meint der ber, es wer ein as.
Als er in umb und umb besicht,
Get wider hin und tut im nicht.
Wie nun der ber verlaufen war,
Stieg er vom baum hernider dar,
Seinen gesellen fragen tet:
"Was hat der ber mit dir geredt,
Da er dir heimlich raunt ins or?"
Er sprach: "Er tet mich warnen zwar,
Dass ich eim solchen treulosen gsellen
Fürbaß nicht mer sol glauben stellen."
Ein weißen rappen und schwarzen schwan,
Wer mag den je gesehen han?
Gar seltzam vögel in der welt.
Der maßen sichs auch jetzund helt
Mit dem glauben zu unsern zeiten,
Er ist ganz kleine bei den leuten,
Ein seltzam traut, in almans garten
Darf mans zu wachsen nicht erwarten.
Man list, vor zeiten bei den alten
Tet einr dem andern glauben halten;
Jetzt sagt man, dwelt sei worden neu,
Gibt gute wort on alle treu:
Lach mich jetzt an und gib mich hin,
So falsch ist jetzt der welte sin.
Wer jetzt hat gut, der hat auch ere;
Es fraget niemand fürbaß mere.
Man sagt, seit untreu sei geborn,
So hat der glaub das feld verlorn.
Die not tut freunde kennen leren.
Wenn sie in nöten zu dir keren
Und tröstlich deines leids ergetzen,
Ir gut und leben für dich setzen
Und nimt sich an all deins gebrechen,
Den magst vor einen freund wol rechen.
Die ein mit solchen treuen meinen,
Under tausent findstu kaum einen.
Darumb rat ich on allen spott,
Dass man vertrau allein auf Gott
Und sich allein auf in verloß.
Am glauben ist die menschheit bloß,
Und ist dies falls das fleisch kein nutz;
Verlorn ist all sein hilf und schutz,
Und ist in allen sachen feil;
Glaub mir, ich habs versucht zum teil.
Fabel 95
Vom kalen Reuter
Es war ein reuter kal von har,
Welchs im gar ausgefallen war,
Ein fremdes har tet er da kaufen
Und macht dasselbig fein zu haufen,
Auf eine hauben tet ers leimen,
Dass sichs rund umb den kopf must reimen,
Und reit damit hinaus ins feld.
Wie er bei andern reutern helt,
Wet on gefer der nordenwind:
Dem reuter sich sein haubt aufbindt
Und flohe hinweg mit allem har.
Da saß der reuter kal und bar,
Damit das volk tet lachen machen.
Zuletst must auch der reuter lachen
Und sprach: "Was neues lacht ir hie?
Habt ir solchs vor gesehen nie?
Es ist kein wunder für euch allen,
Dass mir die fremden har entfallen.
Weil mir entfallen sein zuvorn,
Die mir zum kopf gewachsen warn."
Schimpflich hat das der reuter bedacht,
Dass er auch mit den andern lacht,
Dieweils auch wol zu lachen war,
Dass im entfallen war das har.
Also wenn uns ein kleiner schad
Geschicht, des man zu lachen hat,
Dass wir uns denn des zorns auch maßen,
Nicht umb ein kleins erzörnen lassen.
Socrates, der groß und weise,
Ist ganz höchlich darumb zu preisen,
Dass er einsmals auf einen tag
Vor gricht mit einem backenschlag
Wolt nicht lassen erzörnen sich;
Verantworts aber gar höflich
Und sprach: "Es ist vor augenschein,
Die menschen nicht fürsichtig sein,
Nicht treffen können drechte zeit,
Wenn sie solln gen zu rat oder streit:
Denn möchten sie ein helm aufsetzen,
Dass man ir angsicht nicht möcht letzen."
Fabel 96
Von zweien Töpfen
Zwen töpf bei einem wasser weren,
Der ein von erd, der ander eren:
Die riss hinweg des wassers flut.
Der erden sprach: "Es ist nit gut,
Dass wir also zusamen treiben:
Ich darf mich zwar an dich nicht reiben,"
Und forcht sich ser der erden topf,
Dass im sein gsell zerstieß den kopf.
Da sie nun walzten in dem bach,
Der eren zu dem erden sprach:
"Förcht dich nicht, ich hab acht und moßen,
Dass wir nicht an einander stoßen."
Der erden sprach: "Ob du an mich
Wirst stoßen oder ich an dich,
Gschicht mir von beiden seiten leid:
Auf mich komt all die ferlichkeit.
Ein solchen unfall zu vermeiden
Nicht bessers, denn dass wir uns scheiden."
Ich rat, halt dich zu deinem gleichen,
Gelert bei glert, der reich zum reichen;
Also der gering zu seinem genossen:
Der muss in unüberfallen lassen.
Helt sich der arm zum reichen dar,
Gschicht selten on des armen far.
Mit gleichem kumstu leichtlich hin:
Gleich haben gmeinlich gleichen sinn.
Fabel 97
Vom Baurn und dem Glück
Ein baur einsmals den acker ert,
Darauf sich seiner arbeit nert.
Wie on gefer die forch umbfellt,
Findt er ein großen topf mit gelt.
Der baur war fro, danket der erd,
Dass sie im het den schatz beschert.
Zorniglich sprach zum baurn das glück:
"Das ist der undankbarkeit stück.
Dankest mir nicht, dass ich dir hab
Jetzund beschert solch große gab?
Wenn du den schatz nun wirdst verlieren,
Denn soltestu mir gar hofieren
Und mich umb beistand rufen an,
Unerhört lass ich dich denn stan."
Wenn wir entpfahen ein woltat,
Solln uns dem, der sie geben hat,
Allzeit danknamig tun erzeigen,
Denn dank tut sich vor woltat eigen.
So eigent der undankbarkeit,
Dass man ir solches tu zu leid,
Entpfangne gab ir wider neme
Und sie sich ires undanks scheme.
Fabel 98
Vom Ochsen und dem Bocke
Ein ochs für einem löwen floch,
Da fand er in eim berg ein loch,
Darin er sich verkriechen wolt,
Dass in der löw nit finden solt.
Da war ein bock vorhin darinnen,
Tet gegen im ein mut gewinnen,
Mit seinen hörnern ausher stieß,
Zu im den ochsen nicht einließ.
Darab erzörnt derselbig stier
Und sprach: "Du bös, verfluchtes tier,
Mit frevel nimst du mich entgegen,
Weils jetzt also mit mir gelegen:
Ja, wenn der feind nicht wer dahinden,
Mit schaden soltestu empfinden,
Welchs du vorhin nicht hast versucht,
Was der ochs gegem bock vermocht."
Man weiß wol, dass man sich der armen
In iren nöten sol erbarmen;
Wer in der not den armen fleuht
Und im sein müglich hilf entzeuht,
Dazu noch weiter underdrückt,
Weils dem mißget und ungelückt,
So kans doch wider kommen oft,
Dass der, wenn man sichs nit verhofft,
Welcher erst ward verdrücket gar,
Mit freuden schwebt wider empor,
Und jener denn auch schaden nehmen
Und sich seinr vorigen tat muss schemen.
Fabel 99
Vom Pfauen und Kranchen
Der pfau und kranch zusamen saßen,
Mit einander trunken und aßen.
Der pfau begunt sich rümen ser,
Wie er der schönste vogel wer,
Und sprach: "Sihe an mein gülden stück,
Drin ich mich wie ein könig schmück!"
Und zeigt sein spiegeleten schwanz;
Damit den kranch verachtet ganz
Und sprach: "Villich ich dich verfluch;
Du tregst ein rock von grauem tuch,
Darin du bist eim bauren gleich,
Mich acht man wie ein fürsten reich.
Durch meine kleider, schön und zier
Helt man von mir mer denn von dir."
Da sprach der kranch: "Ich gib dirs zu,
Dass ich nicht bin als schön als du;
Damit ich mich zu frieden geb,
Wiewol ich mich auch eins erheb:
Wenn du im hof must bleiben ligen
Und kanst kaum auf den seustall fligen,
So kan ich mich ganz hoch erheben
Und doben in den lüften schweben.
Gar weit beschauen kan die welt,
Und welches land mir denn gefellt,
Dahin so schwing ich mein gefider
Und lass mich meins gefallens nider,
Und iss daselbst, was mir gefellt.
Mit dir sichs gar vil anderst helt:
Du sitzst daheim auf faulem mist,
Die welt dir ganz verborgen ist."
Niemand den andern sol verachten,
Mit reden im böslich nachtrachten.
Es hat ein jeder seine gab,
Daran er ein benügen hab.
Bistu mit sondern gnaden begabt,
Schau, dass Gott werd dadurch gelobt,
Veracht nit den, der sie nit hat,
Villeicht er dich mit seiner tat
Auch wol kan übertreffen hoch,
Dass du ims weit must geben noch.
Darumb gib dich mit deim zu fried,
Und veracht deinen nehsten nit.
Fabel 100
Von der Eichen und dem
Ror 2
Der stark sudwesten wind sich hebt
Und in dem wald gar heftig webt.
Da stund ein eich bei einem bach,
Groß, lang und dick: hört, was geschach!
Die riss der wind mit brausen groß
Und warfs ins wasser, dass hinfloss.
Wie sie im bach nun floss daher,
Ersahe ein ror on als gefer,
Daran blieb sie mit einem ast
Behangen; wie das ror sie fasst,
Verwundert sich die eiche groß
Und sprach: "Du bist an kreften bloß,
Ein armes ror, schwach, dünn und hol,
Und kanst dich nicht entsetzen wol;
Mich wundert, dass der stark sudwest
Dich also unzerschlagen lässt."
Da sprach das ror: "Verstestus nicht?
Wenn mich der sturm so hart anficht,
So bieg ich mich in allem ort,
Ins westen, östen, sud und nord.
Dem wind ich nimmer widerstreb,
Darumb ich auch dest lenger leb.
Dein stolzer mut nimt mich nit wunder,
Dass er zu zeiten muss herunder.
Weil ir dem winde nicht wölt weichen,
Drumb nimt er oft die hohen eichen,
Die sich seiner macht nit wollen kümmern,
Schlehts gar zu stücken und zu drümmern."
Dem sterkern solt nicht widerstan,
Sondern du solt ein bösen man
Mit sanften worten überwinden;
Wenn du dich lest demütig finden,
So lässt sich auch der zornig lenken
Und tut der straf nit mer gedenken.
Wenn du dir oft köntst lassen sagen,
Mit schweigen möchtest vil vertragen,
Und wer also mit kleinem leiden
Ein großes unglück zu vermeiden.
Die starke rut im biegen bricht,
Ist darumb deste besser nicht.
Man sagt, zween harte mülenstein
Malen das körnlin selten klein.
Virgilius, der trefflich heid,
Gibt uns desselben feinen bscheid
Und spricht: "Wenn uns das glücke fleuht,
Das unglück hie oder dort hin zeuht,
Solln wir uns gültig lassen ziehen,
Weil wir im mögen nicht entfliehen.
Als unglück überwindt geduld,
Damit erlangt des glückes huld."
Fabel 101
Von den Ochsen und dem
Löwen
Es giengen feißter ochsen vier
An jener weid, gar starke tier,
Machten zusamen ein contract,
Verbunden den mit eides pact,
Beinander sterben und zu leben:
Drauf tetens ire treue geben,
Dass sie sich möchten sicher neren,
Dazu der bösen tier erweren.
Wie sie nun suchten ire weid
Vor jenem holz an grüner heid,
Da lief ein löw aus jenem wald,
Sahe die ochsen ganz wol gestalt,
Het nicht in zweien tagen gessen:
Dennocht dorft er sich nit ermessen,
Dass er die ochsen angefarn,
Dieweil sie bei einander warn.
Mit schmeichelworten er versucht,
Ob er die ochsen trennen mocht,
Und sprach: "Ir brüder, hört mir zu,
Neu zeitung ich euch bringen tu,
Jupiter, unser gmeiner gott,
Vorsichtiglich beschlossen hat,
Kein tier das ander sol beschedigen,
Mit worten oder tat beleidigen,
Sondern sol sein ewiger fried,
Und wer dasselb wil halten nit,
Den hat er in den ban getan,
Und sol darvor sein straf entfahn.
Dasselb hab ich euch guter maßen
Unangezeigt nicht mögen lassen,
Dass ir auch deste sichrer seid
Hie oder dort in eurer weid."
Die ochsen sprachen: "Ist dem also?
Des sein wir aus der maßen fro,"
Und giengen fürbaß gar zerteilt.
Der löw den einen übereilt;
An im seins schadens sich zurhalen,
Muss er ims morgenmal bezalen.
Kleine ding wachsen groß und breit
Durch bürgerliche einigkeit;
Uneinigkeit macht als zu nicht,
Was müesamlich ist aufgericht.
Der weise könig Salomon
Dasselb durch gleichnus zeiget an.
"Ein dreidratiger strick", er spricht,
"Lässt sich mit sterk zerreissen nicht."
Also, wenn freund zusamen halten,
Lassen sich nit durch zwitracht spalten,
Dieselben unüberwindlich sind,
Wenn man sie stets einmütig findt.
Fabel 102
Vom Weidemann und dem
Tiger
Der tiger ist ein tier vierfüßig,
Stark, frech, gerad, ist nimmer müßig:
Der war einst mit vil andern tiern
Gegangen in den wald spaziern,
Da kam ein weidman hergezogen,
Der trug ein köcher und ein bogen,
Verbarg sich heimlich ins genist,
Dass in daselb kein tier nit wist,
Schoss vil pfeil aus derselben hecken;
Da gunten alle tier erschrecken,
Sprachen: "Da seind vil feind, im hagen
Haben ir läger angeschlagen,
Zu hand sie feindlich an uns ziehen;
Nichts bessers, dass wir alle fliehen."
Der tiger sprach: "Macht euch von dannen,
Ich wil mich selb allein ermannen,
Und wenn ir gleich mer wern denn zehen,
So wil ichs doch allein bestehen."
Der weidman hörts, und in verdross,
Drumb auf das tier gar heftig schoss,
Bis dass ein tötlich wund empfieng.
Bald hinder sich gar traurig gieng
Und für dem weidman gunt zu fliehen;
Versucht, obs möcht den pfeil ausziehen.
Da kam der fuchs und sprach: "Wer hat
Begangen solche greulich tat?
Er muss vorwar gar sein erwegen,
Der sich gegn solches tier darf legen."
Das tier sprach: "Wie ich hab befunden
Am schmerz und bei der größ der wunden,
Kan ich wol bei mir selb erwegen,
Es ist ein starker man gewesen."
Die starken können sich nicht maßen,
Sich stets auf ire macht verlassen.
Daneben auch beweislich ist,
Dass oft durch kunst, sinn, witz und list
Groß sterk und manheit wird erlegt,
Dass sie sich nicht bald wider regt:
Welchs all geschicht gnugsam bezeugen,
Dass niemand kan mit warheit leugnen.
Fabel 103
Von der Tannen und
dem Dornbusch
Vor zeiten war ein alte tannen,
Die tet aus hoffart sich ermannen,
Veracht den dornbusch neben ir
Und sprach: "Du bist gar ungleich mir;
Gen himmel hoch trag ich mein kopf,
Den ganzen winter grünt mein schopf,
Bin groß erwachsen, dick und lang.
Des hab ich von den leuten dank,
Setzen mich hoch in ire gbeu
Und brauchen mich on alle reu
Zum pfeiler oder underlag.
Im schiff ich auch das banier trag
Und far gar prechtig über mer,
Bin aller hölzer fürst und herr;
Derhalb ich billich globet werd.
So stestu, dornbusch, bei der erd
Und must veracht daniden sitzen,
Man tut dich nit zun eren nützen."
Der dornbusch sprach: "Du rümst dich groß,
Verachtest mich und mein genoß
Und butzest hoch den tannen namen,
Dass du den dornbusch magst beschamen,
Und merkest nicht die farlichkeit,
Die dir ist alle stund bereit.
Auch kan dein hoffart nit ermessen,
Wie wol dem, des man tut vergessen,
Lässt in in seiner demut bleiben,
Mit gutem fried sein zeit vertreiben.
Es komt zu hand der zimmerman,
Mit seiner bindaxt greift dich an,
Setzt dich ins schiff zu einer mast.
Wenn du da lang gestanden hast,
Zu letzt wirst vom nordwest ermordt,
Man haut und wirft dich über bord.
Denn gebstu wol als, was du hettest,
Dass du damit dein leben rettest,
Und wünschen, mit dem dornbusch klein
Zu haben fried und rue gemein."
Es ist kein stand so hoch auf erden,
Der one müe mög funden werden:
Groß müe ist stets bei hohem stat,
Dagegen auch der gringe hat
Bei kleinem gut ein ruesam leben,
Kan sich dest baß zu frieden geben.
Aus hölzern schüsseln das essen schmeckt
So wol, dass man die finger leckt.
Ein wassertrunk gibt freud und mut,
Den man in ru mit frieden tut.
Wenig gericht, ein klein salzfass
Zieren die geringen tisch vil baß,
Denn dass man ess aus güldnem gschirr
Und wer dabei im herzen irr.
Horatius sagt: "Die hohen zinnen
Wenn die zu fallen einst beginnen,
Darab erschüttert sich die ert;
Der donder auch gemeinlich fert
In hohe berg und groß gebeu:
Vor im sind sicher im stall die seu."
Drumb hat der warlich recht geredt,
Der den gar selig achten tet,
Auf welchs geburt, leben und tot
Niemant groß achtung geben hat.
Fabel 104
Von der Wachtel und
iren Jungen
Ein wachtel het einstmals ir kind
Im korn (wie man noch teglich findt),
In einer forch gemacht ein nest
Und sprach zu in: "Ich halts fürs best,
Dass ich ausfliege nach der speis,
Wie ich hab teglich für ein weis.
Und weils jetzt fast ist umb die zeit,
Dass man das korn mit sicheln schneidt,
Solt ir dieweil euch heimlich schmücken
Und still im nest zusamen rücken,
Auf dass eur niemand werd gewar.
Ob mitler zeit der baur kem har,
Dem das korn und der acker ghort,
So habt wol acht auf seine wort,
Ob er zu schneiden sich wil fügen,
Dass wir darnach uns richten mögen."
Die wachtel da zu felde flohe.
Der baur mit seinem son auszohe,
Gieng rings umbher, das korn besach,
Zu seinem son gar ernstlich sprach:
"Ich sehe jetzt wol, das korn ist reif,
Zeit ist's, dass man mit ernst angreif;
Drumb wil ich morgen frü hin gan,
Derhalb die nachbaurn reden an
Und bitten, dass sie's bald abschneiden,
Solls lenger sten, könn ich nit leiden."
In dem die wachtel bracht ir speis;
Ir jungen fraget sie mit fleiß,
Ob sie was neues hetten ghort.
Eins sprach: "Mutter, hört mich ein wort.
Hie war der baur und sprach zum son:
Morgen wil ich zur sachen tun,
Bei all meinen nachbaurn bestellen,
Dass sie das korn abschneiden wöllen."
Da sprach die wachtel: "Förcht euch nicht,
Weiß wol, dass solches nit geschicht.
Die nachbaurn sind nit bald bereit,
Zu gen an eins andern arbeit."
Des morgens sie sich bald aufmacht,
Sprach zu den jungen: "Habt gut acht,
Ob ir werdt hören neue mer,
Ob des schneidens gedenkt der herr."
Abermals sprach der baur zum son:
"Ich sihe wol, hie ists nichts geton.
Auf nachbaurn darf mich nicht verlassen;
Der freundschaft muss ich mich anmaßen,
Unser blutgwanten sprechen an,
Dass sie wolln morgen bei uns stan,
Schneiden mit sicheln ab das korn,
Solts lenger stan, wers gar verlorn."
Solchs zeigten an die jungen wachteln
Ir mutter, dass sie's solt betrachten;
Sie sehen jetzund an fürs best,
Dass sie in mächt ein ander nest.
Da sprach die wachtel: "Lieben kind,
Die freund auch nit so ghorsam sind,
Dass sie bald gen auf fremden acker;
Darumb habt acht, seid morgen wacker,
Ob ir was neues wurdet hörn,
Dass wir daran uns möchten kern."
Des andern morgens kam der baur,
Sprach zu seim son und sahe gar saur:
"Ich sihe, dass freund und nachbarschaft
In nöten haben wenig kraft.
Wenn ich auch lang auf sie wolt sehen,
Solt mir wol nimmer guts geschehen,
Und solt derhalb mein korn vorwar
Sten bleiben bis zum andern jar.
Ich hab noch scharfer sicheln zwo:
Damit wolln wir beid morgen frü
Uns understan ernstlich zu schneiden.
Ich kan den hon nit lenger leiden."
Dasselb die jungen wachteln sagten
Und irer mutter kleglich klagten.
Die wachtel ward der red nicht fro,
Sprach: "Nun sihe ich, der ernst ist da.
Jetzt ist es zeit, dass wir auch fliehen
Und in ein ander wonung ziehen:
Darumb macht euch auf, lieben kind!
Wo man uns morgen frü hie findt,
Wolt ich für unser aller leben
Vorwar nicht einen heller geben."
Die menschen gmeinlich sein so leg,
Zu fremder arbeit allzu treg;
Denn so gets zu, wo man sol fronen,
Da tut sein selb ein jeder schonen,
Und was ein selber nicht anget,
Dabei er wie der hase stet
Und greift es an ernstlich und frech,
Dass abget wie ein warmes bech:
Also gar lässig get ers an.
Drumb wiltu etwas han getan,
Das aufs fleißigst werd ausgericht,
Schau selber zu, dass es geschicht
Durch deine selbs eigene hand,
Sunst bleibt es noch und ist ein tand,
Wie auch das gmeine sprichwort lert:
Des herren aug füttert das pferd.
Und wer dein freundschaft noch so groß,
So stestu doch in nöten bloß.
Dies sei dir gsagt jetzund zuvorn:
Es ist mit menschen tun verlorn.
Wiltu mir hie nit glauben stellen,
So gee hin und frag den gesellen,
Der sich ins laub verkrochen het,
Und was der ber da mit im redt.
Wer aufs fleisch sein vertrauen stellt,
Der bricht ein bein, e denn er fellt.
Fabel 105
Vom Geizigen und Neidigen
Ein geizig und ein neidiger
Baten zugleich den Jupiter,
Dass er in wolt nach irem willen
Gnediglich ire bitt erfüllen
Und jedem einen Wunsch verleihen,
Denselben im lassen gedeihen.
Jupiter schickt den gott Apollo,
Des warn die beiden bitter fro,
Sprach: "Jupiter wil eure bitt
Auch unerhöret lassen nit:
Drumb wünscht, was euer herz begert,
Des solt ir werden jetzt gewert
Mit dem beding, nun merket mich,
Dass, was ein jeder wünscht für sich
Zu seinem eigen nutz und frommen,
Das sol dem andern zwifach kommen."
Der geizig sich da lang bedacht,
Wie er den wunsch zum besten macht,
Zehen tausent gülden wünschen tet,
Bald sie der ander zwifach het.
Da ward der neidig fro von herzen
Und sprach: "Ich sihe, es ist kein scherzen
Mit disem wunsch; ich muss auch welen,
Nit lenger meinen wunsch verhelen",
Und wünscht aus rechtem neid daher,
Dass im selber ein aug aus wer.
Da fiel im aus ein aug geschwind:
Der geizig ward an beiden blind.
Mit neid der neidig tet verschulden,
Dass im der geizig wünscht vil gülden.
Zwei schendlich laster geiz und neid,
Und sind zu meiden allezeit.
Wer kan den geizigen erfüllen
Oder im den gelthunger stillen?
Je mer er hat, je mer begert,
Doch füllt in zletst ein hand voll erd,
Damit sich muss zu frieden geben;
Denn hilft in nit dies geizig leben.
Noch ist's ein vil schedlicher gast,
Der sein nehsten vergebens hasst,
Im selber oftmals schaden tut,
Dass er seinen neidigen mut
An einem andern rechen müg
Und im aus hass schaden zufüg.
Doch wie die gmeinen leuft uns lern,
Trifft untreu gern irn eignen herrn.
Fabel 106
Vom Löwen und der Geiß
Der löw lief in eim sommer heiß
Nach seiner speis und sah ein geiß
Hoch oben an eim felsen kleben.
Er sprach: "Kum, tu dich rab bgeben!
Hieniden an der sommer leiden
Stet gar gut gras und kurze weiden,
Besser denn doben in den ritzen,
Da schlangen und die eidechs sitzen.
Dazu ist dürr und kurz das gras:
Hieniden gscheh dir gar vil baß."
Sie sprach: "Dein rat verwerf ich nicht,
Aber die meinung ist gar gericht
Zu meim verterb und deinem frommen;
Drumb harr mein nit, ich werd nit kommen."
Wenn dir einer rät, so sihe wol umb,
Aus was meinung der rat herkum:
Denn so ist jetzt die welt gesinnt,
Jeder im selb am meisten günt.
Fabel 107
Von der Kräen
Die dürstig kräe ein eimer fand
Halb voll wasser auf jenem fand:
Sie sprach: buckstu dich nein, zu trinken,
Du möchtest leicht darin versinken;
Gedacht, dass sie in möcht umbkere,
Er war ir aber vil zu schwere,
Und sie war auch zu schwach alleine.
Sie lief bald hin und las vil steine
Und warf sie in den eimer dar,
Davon das wasser stieg empor,
Dass sie sich trenkt und frölich macht,
Das hat ir kluge list erdacht.
Was du mit macht nit kanst gewinnen,
Dasselb mustu mit list beginnen,
Und was die sterk nicht geben hat,
Dasselb muss suchen ein weiser rat,
Wie die sieben und sechzigst fabel hat.
Fabel 108
Vom Jäger und Löwen
Ongefer in einer wildnus kamen
Ein jäger und ein löw zusamen;
Auf einen weg wollen sie wandern,
Gunten zu reden mit einander.
Ein jeder rümt sich seiner kraft,
Seiner mänlichen tat und ritterschaft.
Da sprach der löw; "Vorwar, glaub mir,
Ich bin das aller sterkest tier,
Auch under allen menschen kind
An sterk nit meinen gleichen find,
Welchs man dabei wol merken kan:
Im streit zieht ir ein panzer an,
In eurem harnisch komt daher;
So stehe ich bloß, on alle wer,
Verlass mich auf mein scharfe tatzen,
Wer mich mit reißen, beißen, kratzen,
Dabei gar wol ist zu ermerken,
Bei wem man findt am meisten sterke."
Da sprach der jäger: "Kom mit mir,
Das widerspiel wil zeigen dir."
Und fürt in hin zu einer wand,
Da er ein schön gemälde fand,
Welchs gnomen war aus heilger schrift,
Wie Samson einen löwen trifft
Am wege bei der stadt Tymnach
Und doch kein wer da bei im hat,
Zerriss dennoch den löwen gar,
Wie das gemäld anzeiget klar,
Und sprach zum löwen: "Da magstu sehen,
Dass solchs wol oftmals sei geschehen."
Er sprach: "Das hat ein mensch gemacht
Und aus seim eignen topf bedacht,
Nach seim gefalln hat ers gemalt,
Under dem menschen des löwen gstalt.
Wenn die löwen auch malen künden
Und sich auf solche kunst verstünden,
Da fünd sich wol das widerspiel:
Denn ich weiß, dass der menschen vil
Oft von den löwen seind zerrissen,
Und von den tiern zu tot gebissen."
In grichtshendeln gmeinlich gschicht,
Dass einer sein eigen sach verficht
Und bringt erfür mit wort und tat
Als, was er je gelernet hat;
Muss im als seine sache zieren,
Solt ers auch bei den harn zufüren.
Menschlich natur ist gar verrirt,
Dass sie sich allzeit selb verfürt,
Ir eigen tun so hoch aufmutzt,
Mit glerten worten schmückt und butzt
Und ir fürs best gefallen tut,
Unangesehn, ob's bös oder gut.
Den gbrechen han wir all zumal:
Unzehlich ist der narren zal.
Fabel 109
Vom Knaben und dem Diebe
Es saß ein knab und weinet ser
Bei eim brunnen; da kam dort her
Ein dieb geschlichen, tet in fragen
Und sprach: "Ich bitt, wollest mir sagen,
Warumb du weinst so bitterlich,
Ob ich darin möcht trösten dich."
Er sprach: "Ich arm, elender knab
Mich übel fürgesehen hab!
Ein gülden eimer bracht ich her,
Ließ in in brunnen nach der schwer,
Wasser zu schöpfen und zu trinken,
Gar bald tet er zu grunde sinken.
Hart für dem eimer brach der strick,
Behielt ich in der hand dies stück.
Köntstu etwan ein rat erdenken,
Ich gelobe dir, ein gut geschenke
Von meinem vatter zu bekommen."
Der dieb het bald den sin vernomen,
Gedacht: ein beut ich gwunnen hab!
Eilend zoh er sein kleider ab,
Ließ sich in brunnen da zuhand:
Kein gülden eimer er da fand,
Fur wider raus gar trauriglich,
Nach dem knaben sahe weit umb sich.
Der het sich fern von im verholen
Und im dieweil den rock gestolen.
Es komt oftmals, dass solch gesellen,
Die ein andern betriegen wöllen,
Werden von andern selb betrogen,
Mit irem eignen schwert geschlagen.
Ein strick oft einr dem andern stellt,
Darin zu letst er selber fellt:
Die grub, welch er hat selber graben,
Muss er zur rach oft selber haben,
Und schleht untreu irn eignen herrn,
Wie uns jetzt alle hendel lern.
Fabel 110
Vom Baurn und dem Stier
Es het ein baur ein jungen stier,
Ein gar frech und unbendig tier;
Kunt es mit keiner arbeit zemen,
Oder im damit sein tück benemen;
Gar manchen stoß seim herren gab,
Drumb schnitt er im die hörner ab
Und spannts hinfurder in den pflug,
Denn er in oft mit füßen schlug,
Und tet damit den acker eren,
Dass er im ließ den küzel weren,
Und sprach: "Nun kan ich mich erretten
Vor deim stoßen und deim treten;
Mit deinen hörnern und mit füßen
Solt nicht an mir dein mütlin büßen."
Als aber nun dasselbig rind
Mit list sich überwunden findt
Und sich am bauren nicht kunt rechen,
Tet in dennoch der kützel stechen,
Mit füßen in die erden kratzt,
Hinder dem pflug sein herren fatzt,
Mit werfen, scharren in anficht,
Wirst im staub, sand ins angesicht.
Es seind vil leut so gar unendig,
Zu alln guten sachen unbendig,
Dass man mit strafen und mit leren
Irm bösen gmüte nicht kan weren;
Bleiben dennoch bei iren dücken,
Lassen nicht ab von bösen stücken.
Die lass man bleiben, wie sie sind;
Ir lon zuletzt sich selber findt.
Ein torecht hund, glaub mir vorwar,
Lauft selten über sieben jar.
Der krug get lang, wie man auch spricht,
Zum wasser, bis das er zerbricht.
Fabel 111
Vom Waldgott und dem
Menschen
Vor zeiten, in den alten jaren,
Vil seltzam tier auf erden waren,
Dort hinden in Sarmatia,
Auch mancherlei in Africa,
In wildnussen und großen welden,
Dahin die leut kamen gar selten.
Sonderlich in Egyptenland
Da waren tierlin unbekant,
Rauh und vierfüßig wie ein geiß,
Wie man das aus der schrift wol weiß;
Am kopf hetten sie menschen gstalt,
Gar underschiedlich jung und alt;
An vordern füßen finger hetten,
Gleich den menschen zugreifen teten,
Kunten auch laufen gar geschwinde
Gleich einem hirschen oder hinde.
In holen bergen und steinritzen
Tetens vorm frost des winters sitzen.
Dieselben etlich leut anbeten
Und inen göttlich er anteten,
Satyros tete man sie nennen
Und für waldgötter sie bekennen.
Einsmals begab sichs auf ein tag,
Gar tiefer schnee im winter lag,
Da wolt ein junger gselle wandern
Von einem lande zu dem andern,
Ward irr in einer großen wildnis,
Begegnet im ein solches bildnis,
Davon wir jetzt haben geredt.
Vor im er sich entsetzen tet.
Da sprach zu im dasselbig tier:
"Mensch, fürcht dich nit, kom, gee mit mir
Und folg mir nach in mein gemach."
Er gieng mit im; hört, was geschach.
Bei ein groß feur er in da bracht,
Dass er sich wider wermen möcht.
Zu vorderst im sein hende waren
Für großer kelte hart gefroren,
Drumb blies er, dass ers möcht auftauen
Und sich der werme tu erfreuen.
Der satyrus sprach: "Sag du mir,
Was mag das blasen nützen dir?"
Er sprach: "Der warme atem schafft
Und gibt den henden ire kraft,
Dass ich mög wider greifen zu:
Darumb ich darin blasen tu."
Darnach derselbig satyrus
Setzt dem gast für ein warmes mus,
Bat, dass er sich zum tisch wolt setzen
Und sich des hungers auch ergetzen.
Der mensch der setzte sich herbei
Und blies auch in den heißen brei.
Da sprach der satyrus gar bald:
"Lass dein blasen, er ist nit kalt."
Der mensch sprach: "Ich's vorhin wol weiß,
Dass mir der brei ist allzu heiß,
Drumb blas ich, dass er kelter werd,
Wie mich mein mutter hat gelert."
Da sprach der satyrus zum knaben:
"Ich mag zwar kein gemeinschaft haben
Mit leuten, die zu einer stund
Kalt, warm blasen aus einem mund.
Hinaus, hinaus, schedlicher gast!
In meinem loch kein platz mer hast."
Die fabel lert, dass wir uns hüten
Für der falschen zungen wüten,
Im mund nicht zwifach zungen tragen,
Die ja und nein zu gleiche sagen.
Denn des menschen sterben und leben
Kan die zunge nemen und geben,
Wie Salomon uns des bericht
Und mans in allen sachen sicht.
Wer seinen mund zur zeit kan sparen,
Der tut damit sein seel bewaren;
Wer unzeitig heraus her fert,
Sich selb an leib und seel beschwert.
Freidank in seinem alten gedicht
Tut von der zungen solchen bericht:
"Das böste glid, das jemand treit,
Ist die zung, wie sanct Jacob seit;
Und was je übels ward vernomen,
Ist alles von der zungen komen.
Die zunge reizt zu manchem streit
Und oft zu langwirigem neit,
Sie reizet manchen man zu zorn,
Dadurch wird leib und seel verlorn.
Die zunge treue scheidet,
Das lieb dem lieben leidet.
Desgleichen han die bösen zungen
Die frommen leut gar oft verdrungen.
All bosheit von der zungen fert,
Dass man gar manchen meineid schwert.
Die zung hat ganz und gar kein bein
Und zerreisst doch eisen und stein.
Die zunge zerstöret leut und land
Und stiftet manchen raub und brand;
Die zunge füget manche not,
Die uns oft bringet in den tot.
Die zung auch manchen richter lert,
Dass er böslich das recht verkert.
Von neides zungen das ergieng,
Dass Christus an dem kreuze hieng.
Die boshaftig zung scheiden kan
Manch liebes weib und lieben man.
Die böse zung ist gar vergift,
Das klaget David in der schrift."
Der herr Christus tut selber kund,
Wie wir solln zemen unsern mund,
In unser red bestendig sein,
Dass ja sei ja und nein sei nein,
Schlecht und einfeltig halten sollen
Mit unserm nehsten; was wir wollen,
Das er uns tun sol und beweisen,
Dran solln wir uns gegen im auch preisen,
Auf dass on falsch in reiner lieb
Sich einer an dem andern ieb,
Und von einander nicht getrennt:
Das ist des gsetzes brauch und end.
Fabel 112
Vom Bauren und
wilden Schweine
Es war ein wildes eberschwein,
Lief oft den baurn ins korn hinein,
Bis in der baur eins mals erhuscht
Und im ein or vom kopf abwuscht.
Zum andern mal kam er herwider:
Legt sich der baur beim zaun darnider,
Bis er den eber da erdappt
Und im das ander or abknappt.
Dennoch der eber widerkam.
Als das derselbig baur vernam,
Stellt er dem eber feindlich nach,
Mit einem schweinspieß in erstach,
Und bracht in in die statt seim herrn,
Und tet in mit dem wildpret ern,
Denn er die zeit wolt hochzeit machen;
Da mocht ern sieden, braten, kochen.
Er ward den gesten fürgetragen.
Der herr die köch mit fleiß tet fragen,
Wo blieben wer des ebers herz.
Der baur antwort on allen scherz
Und sprach: "Vorwar, ich darfs wol sagen,
Dass der eber bei all sein tagen
Kein herz im leib getragen hab,
Welchs dabei ist zu nemen ab,
Er war mir graten auf den acker,
Damit er mich auch machet wacker,
Dass ich erwüscht denselben torn
Und schneid im ab sein beide orn.
Dennocht kunt sich der narr nit maßen,
Mein habern ungefressen lassen,
Bis ich in noch ein mal ergriff,
Mit dem schweinspieß ein liedlin pfiff.
Het er gehabt ein herz im leibe,
Denn het er gdacht: vorwar, ich bleibe
Aus dem habern; krigt mich der baur,
Er macht mir zwar den habern saur.
Darumb sag ich jetzt noch wie vor,
Dass der eber ein herzlos tor
Ist all sein lebenlang gewesen,
Wie ir habt hieraus zu erlesen."
Mit solchen einfeltigen sachen
Tet er die gest da lachen machen,
Dass sie derselben torheit lachten,
Den baur gleich wie den eber achten.
Solch herzloser torechter leut
Findt man mit haufen noch wol heut,
Die so gar sinnlos und verrucht,
Dass man an in wol zweifeln mocht,
Ob sie ein herz hetten im leibe;
Denn sie's so wüst und seltzam treiben,
Dass, wo sie oft gefallen sind,
Daselbst man sie zu mermaln findt,
Person und stett nicht können meiden,
Die sie oft bringt in not und leiden.
Eins mals ein baur ein ratsal gab
Und sprach: "Ein groben esel hab,
Hat in der schrift gar nit studiert,
Dennocht ist er vil baß gelert
Denn unser pfaff und sein caplan,
Wie ich mit warheit beweisen kan."
Und sprach: "Ich hab daheim ein magt,
Die hat mir mer denn einmal gsagt,
Mit vilen umbstenden bericht,
Dass sie der pfarrner oft anficht,
Umb ire jungfrauschaft zu bringen
Und zu eim bösen leben dringen.
Und ist zu ir in stall geschlossen,
Darin ich in drei mal betroffen
Und in mit prüglen wol zerschlagen;
Hats aber niemand dürfen klagen.
Dennocht komt er oftmals herwider,
Bis ich in schlag zuletzt darnider
Und im abhau ein arm oder bein.
Dem gleichen tut der helfer sein,
Dem gab ich auch ein backenschlag,
Dass er im kot am rücken lag,
Noch fürt in der teufel wider her.
Zum esel soltens gen in dler.
Der fiel ein mal bei einem steg;
Fort kan in nicht denselben weg
Bringen mit treiben und mit schlagen.
Des wegs wil er sich nit mer wagen.
Drumb ist er klüger denn die pfaffen,
Sind beid zwen narren und rechte affen."
Es sagt Ovidius, der heid,
Von disen sachen guten bscheid:
"Wird der fisch einst vom angel gletzt,
Darnach aus forcht im stets fürsetzt,
Allzeit die speis nimmt forchtsam ein,
Meint stets, es steck ein angel drein."
Ein lamb, welchs einst vom wolf verwundt,
Fürcht sich darnach auch vor eim hund:
Weils nit versten kan, was im nutzt,
Fleuhts den, ders für dem wolfe schutzt.
Ein gbrechlich glid nit leiden kan,
Dass mans greif aufs gelindest an.
Und wer allzeit voll forchten stickt,
Fürm leren schatten oft erschrickt.
Also wens unglück überfleußt,
Oft mit giftigen pfeilen scheußt,
Dem ist allzeit im herzen leid
Und forcht ein künftig ferlichkeit.
Fabel 113
Von der Maus und dem
Ochsen
Im stall da war ein kleine maus,
Die kam laufen zum loch heraus
Zum ochsen, der im stall da stund,
Biss im in seinen fuß ein wund
Und lief gar bald wider zu loch.
Der ochs trachtet dem feinde nach,
Schüttelt den kopf und sahe sich umb,
Woher solchs unversehens kum;
Da fand er niemand neben sich,
An dem er rechen mocht den stich.
Des lacht die maus im loch dort hinden
Und sprach: "Du kanst den feind nit finden.
Du bist ein stolz, hoffertig tier,
Wilt niemand leiden neben dir
Und als bestellen gar allein.
Nun bin ich nur ein meuslin klein
Und darf mich dir entgegen setzen
Und dich nach meinem gfallen letzen:
Du must dasselbig von mir leiden,
Und trotz, dass du es könnest meiden."
Die kleine maus lert uns betrachten,
Dass wir die armen nicht verachten.
Man siht oft von einem geringen,
Dass er ein großen tut verdringen.
Ein kleiner stein stürzt oft ein wagen,
Welcher ein fuder wein kan tragen.
Darumb auch niemand seinen feint
Verachten sol, wie klein er scheint.
Fabel 114
Vom Baurn und dem
Gott Hercule
Es het ein baur ein karrn geladen;
Da fur er mit zu großem schaden
Mit seinem pferd in eine pfützen;
Da blieb er in dem kot besitzen.
Er rief bald an den Herculem,
Dass er sich seins jamers annem
Und hülf im jetzt aus disem kot:
Kein menschlich hilf er sonst nit hat.
Da rief ein stimm vom himel rab:
"Kein größern narrn gesehen hab!
Dein unnütz rufen ist nit wert.
Nim dein geisel und schlag das pferd,
Trit in die pfützen unders rad,
Brauch, was dir Gott gegeben hat,
Und ruf denn Herculem wider an,
Denn wird er treulich bei dir stan."
Zu underhalt des menschen leben
Hat Gott bestendige mittel geben,
Wie er uns in der schrift tut weisen:
Daran solln wir uns stetes preisen,
Der mü und arbeit sein geflissen:
Im schweiß solln wir das brod genießen
Und nicht so lang am rücken liegen,
Dass gbraten tauben ins maul uns fliegen.
Gott gibt dir wol beim horn die ku:
Du must aber selb auch greifen zu
Und der arbeit nit lan verdrießen,
Wiltu anderst des fleischs genießen.
Dass ich solt falln vom turn hinab,
Weil ich treppen und leitern hab,
Und meinen, Gott solt sein bereit,
Mich schützen vor der ferlichkeit,
Das heißt, Gott one not versuchen,
Aufs höhste lestern und verfluchen.
Wo aber zimlich mittel feilen,
Und uns die not tut übereilen,
Da solln wir bitten Gott den herrn,
Er woll uns hilf und trost beschern
Und uns in aller not vertreten,
Aus far leibs und der seel erretten.
Das tut er denn on allen betrug
Gewislich und on alln verzug
Nach seiner göttlichen zusag:
Ist gwis und war, darf keiner frag.
Fabel 115
Vom Antvogel
Ein enten het ein armer meier,
Die pflag zu legen gülden eier,
Und das zur wochen nur ein mal.
Der baur gedacht: vorwar, ich sol
Die enten töten, dass ich mag
Den schatz erlangen auf einen tag!
Bald er denselben vogel schlacht
Und meint, er het es gut gemacht;
Da war der vogel innen ler.
Darab erschrack der baur gar ser.
"Groß leid", sprach er, "ist mir geschehen,
Ich hab mich übel fürgesehen,
All woch hat ich ein gülden ei,
Da het ich kein benügen bei;
Jetzt ist mein hoffnung, trost und gwinn
Umbsunst, verlorn und gar dahin."
Wer seine augen nit kan füllen,
Sein geiz fettigen oder stillen
Und all zu vile tut begeren,
Der mag bei diser enten leren,
Beim apfelbaum und von dem hund,
Wie oben gnugsam ist verkundt;
Schau, dass er mög das mittel treffen
Und lasse sich den geiz nicht essen,
Hab sein begier in guter hut:
Maß ist zu allen dingen gut.
Fabel 116
Von der Affen und
iren Kindern
Man sagt, dass wenn die aff gebert
Bei paren, sie ir kinder nert,
Der tut sie eins vorm andern lieben,
Gegen dem alle woltat ieben;
Das ander lässt's so schlecht hingan,
Legt keinen sondern fleiß daran.
Es bgab sich, dass gejaget wart,
Von den hunden geengstigt hart:
Das liebste kind tets für sich schmücken,
Und nam das ander auf den rücken,
Wolt laufen über einen berg.
Ein großer stein lag überzwerg:
On gfer das liebe kind dran stieß,
Dass es sein leben allda ließ.
Mit dem andern unbeleidigt
Kam von den hunden unbeschedigt,
Weils hinden auf dem rücken hieng,
Derhalb es kein schaden entpfieng.
Die eltern oft den einen son
Mer denn den andern lieben tun
Und oftmals seinen willen lassen,
Dadurch sie in am höhsten hassen.
Denn es gar oft bei solchen gschicht,
Wie man teglich vor augen sicht,
Wenn mans lässt wandern iren weg,
Werdens zu guten sitten treg.
Zu letzt lassen sie sich nicht zemen,
Müssen sich ir die eltern schemen,
Die solcher sünd ein ursach sind:
Mit den andern sichs anderst findt.
Welch man hasst und nit leiden mag,
Die leben oft ein seligen tag,
Dass sie zu großen ern gedeihen:
Gott tut in gmeinlich gnad verleihen.
Der verlassen er sich annimt,
Mit gnad in stets zu hilfe kümt;
Davor im sagen dank und lob,
Den Jacob han wir des zur prob.
Fabel 117
Vom Ochsen und dem Kalb
Ein starken ochsen het ein baur,
Dem legt er auf vil arbeit saur:
Teglich das joch am halse trug,
Damit spannt er in für den pflug.
Da war ein kalb gar ungelachsen,
Welchs bei dem ochsen auferwachsen,
Das het kein arbeit nie getan,
Bei vollem bauch tets müßig gan.
Das sahe den alten ochsen zwar
Mit arbeit underdrücket gar
Und sprach zu im: "Du alter tor,
Du hast dich übel gsehen vor,
Das unglück tut dich überwinden,
Beim baurn magstu kein gnad nit finden,
Das joch must all dein lebtag tragen,
Davon weiß ich gar nichts zu sagen:
Mit Müßiggang an jener heid
Such ich mit lüsten meine weid.
Dazu bist dünn, mager und rauch,
Für hunger schlottert dir der bauch,
Dagegen bin ich glat und feißt,
Mein wollust mich zu springen reizt.
Dazu hat mich das glück erkorn,
Zur seligen zeit bin ich geborn."
Da sprach der ochs: "Ich muss bekennen,
Glückselig darf ich mich nit nennen,
Ich muss annemen also für gut,
Was bei mir Gott und das glück tut."
Nit lang darnach ward hochzeit gmacht,
Dazu das feißte kalb geschlacht.
Da sprach zu im der ochs so alt:
"Sihe, wo bleibt nun dein schön gestalt,
Der du dich tetest trotzig rümen,
Mit vilen worten hoch verblümen?
Dieselb dich jetzt bringt in den tot,
Ich aber hab noch lang kein not.
Dein leben must so jung verliesen;
Sollst lieber zu der arbeit kiesen
Und zu eim müeseligen leben,
Denn dass dich jung in tot must geben."
Zur arbeit sein wir all erschaffen,
Die müssen wir tragen zun strafen,
Damit die sünd wird zeiget an,
Die unser ersten eltern tan,
Dafür die straf ward aufgelegt;
Darumb billich ein jeder tregt
In seinem beruf die arbeit schwer,
Wie es von alter ist kummen her,
Und sich der arbeit tun anmaßen
Und Gottes willn gefallen lassen.
Wer auf erd wil rechtschaffen leben,
Der muss zur arbeit sich begeben.
Der Prophet Jeremias sagt
In seinem liede, da er klagt,
Und spricht: "Es ist dem menschen nütz,
Dass er seinen verstand und witz
Dahin richte in seiner jugent,
Sich fleiß zur arbeit und zur tugent
Und trag allzeit das joch des herrn,
Und tu sich seiner arbeit nern
Nach Gottes gebot und seinem willen,
Damit dieselben tut erfüllen."
Virgilius dasselb auch meldt
Und spricht: "Wer sich zur arbeit helt,
Lässt im kunst und tugent gefallen,
Erlanget lob und preis bei allen:
Dagegen welcher faul und treg
Und wandern tut den breiten weg,
Damit die arbeit wil vermeiden
Und über sich kein strafe leiden,
Der komt in armut und in not
Und bleibt veracht bis in den tod."
Fabel 118
Vom Hund und Löwen
Zu einem löwen kam ein hunt,
Scherzweis mit im reden begunt
Und sprach: "Herr löw, mich wunder nimt,
Ich bitt, sagt mir, woher es kümt,
Daß ir berg, tal lauft auf und nider
Durch manche wildnus hin und wider,
Und seid zerrissen und zerhudelt,
Beregnet und mit kot besudelt,
Dazu verhungert und verschmacht;
Noch lauft ir teglich auf die jagt.
Seht, wie bin ich so glat und schon,
Das verdien ich mit müßiggon,
Iss fleisch und brot, so vil ich mag,
Und schlaf oft wol den ganzen tag."
Da sprach der löw: "Du bist nit weis,
Wiewol du isst die beste speis,
So bistu doch zu allen stunden
An eine ketten hart gebunden,
Wirst oft mit prügeln wol zuschlagen:
Das must von deinem herrn vertragen,
Mit fuchsschwenzen und augendienst
Du deines herren huld gewinst;
Damit macht dir dein leben saur,
Bist eigen wie ein liflendich baur.
So lauf ich bloß und frei daher
Durch alle hecken ongefer;
Von augendienern weiß ich nicht,
Die essen mancherlei gericht,
Davor den herrn die meuler schmieren.
Dasselb lass ich mich gar nicht irren,
Davor iss, was der lieb Gott gibt:
Was ich nit hab, entfellt mir nit.
Mein freiheit ist mir lieber zwar
Denn dein gut leben, glaub fürwar."
Man list, dass in den alten jaren
Auch eigen leut auf erden waren,
Die man verkauft umb gelt und gut,
Wie man noch in vil landen tut.
Man bringt moren aus Africa,
Verkauft sie in Hispania,
In Italien überall,
Zu Lissabon in Portugal.
Die bringt man nacket, frau und man,
Wie ichs daselbst gesehen han.
Aus Samigeten, Littauen, Reußen
Fürt man die leut in Poln und Preußen,
Zu verkaufen umb gringes gelt.
In Schweden sichs der maßen helt,
Sie bringen die Finnen zu verkaufen
Zu Rige und Revel mit großen haufen.
In Lifland sind die bauren so eigen,
Dass, wenn sich einer tut erzeigen
Widerspennig, mit laufen dreut,
Bald man im einen fuß abheut.
Daselbst müssen all bauren gleich
Von kind zu kind dienen ewiglich.
Fast über ganz Sarmatiam
Bis in Türkei und Phrygiam,
Gest, Sauromate, Muscabite,
Tartern, Walachen und frechen Scythe,
Bis ans gebirg Hyperborim,
Riphei, am wasser Thanaim,
Denselben kreis ganz rund umbher,
An Pontum und ans Caspier mer,
Das sind allsam unbendig leut.
Darumb muss mans mit dienstbarkeit,
Mit tyrannei zemen und zwingen
Und mit schlegen zur arbeit dringen.
In teutschen landen (muss bekennen)
Weiß man dieselben nit zu nennen;
Denn in Westphalen und in Schwaben
Daselbst sie eigen leute haben,
Wiewol derselben sind gar wenig.
Ich halts darfür, dass sie abtrennig
Und widerstrebig gewesen sind,
Wie man in den historien findt.
Darumb die oberkeit für zeiten
Hat solche bürd denselben leuten
Aufgelegt, sie zu underhalten
Und über sich sie lassen walten.
Es ist aber ein herter zwang,
Dass der mensch ungern, on sein dank
Muss eigen sein und undertan
Und mag nit, wo er wil, hingan.
Weil wir der gburt einerlei leut,
Im gsetz den jüden Gott gebeut,
Dass sie ir mägd und eigen knechte
Nach irem gsetz und gschriebnen rechte
Im jubeljar solten frei lassen
Unghindert ziehen ire straßen.
Freiheit ist gar ein edel kleinot:
Wol dem, der sie mit frieden hat.
Ob er schon nit hat vil dabei,
Es ist im gnug, dass er sei frei.
Darumb halt ichs hie mit dem löwen,
Der wolt nicht seine freiheit geben
Für des hunds gute faule tag,
Weil er da an der ketten lag.
Drumb, wie das sprichwort melden tut:
Freiheit get für all zeitlich gut.
Fabel 119
Von der Schleien
und dem Mörkalb
(Seehund?)
Die schlei in einem wasser war
Von andern fischen verachtet gar;
Sie waren all ir widersacher
Und nenntens einen schuhmacher.
Sie dacht: ich wil es nimmer leiden;
Sucht rat, wie sie die schmach möcht meiden,
Und sprach: "Ich wil mein wesen andern,
Gar weit ins wilde mer hin wandern,
Denn mich daselbst kein fisch nit kennt
Und nit mer einen schuster nennt:
Wil sagen, ich sei ein edelman:
Wer weiß, was glückes mir Gott gan."
Er tet den strom bald abhin wischen
Und kam ins mer zu andern fischen.
Die grüßt er all und sprach: "Hört nun,
Ich bin eins reichen fürsten son,
Von hohem stamm, über all fisch;
Mit mir ziert man der fürsten tisch,
Derhalben mich billich solt eren
Und mich bekennen für eurn herren."
Da sprach das mörkalb zorniglich:
"Ei, du fremdling, was zeihstu dich,
Dass du dich wilt über uns erheben?
Ich wil dir eins zurkennen geben;
Boch nicht zu hoch, bleib bei der erden.
Wenn du und ich gefangen werden
Und zu verkaufen bracht zur stadt,
Bald komt ein großer herr im rat
Und gibt für mich ein rosen nobel;
Dich aber kauft der arme pobel,
Frisst dich der schuster und sein knechte,
Kan nicht bezaln forn oder hechte.
Denn spürt man unsern beiden adel:
Auf mich komt lob, auf dich der tadel."
Vil leut sich fleißen mechtig ser,
Dass sie erlangen mögen er,
Und tun dasselbig hoch begeren,
Dem sie gemeß nit mögen peren.
Wenn sie sich selb mit lügen preisen,
Mit rümen ir torheit beweisen,
Damit erlangen kleinen dank.
Eigen lobs end ist fauler stank.
Man spricht: der sich tut selber loben,
Er muss vorwar bös nachbaurn haben.
Fabel 120
Vom Luchs und dem Fuchs
Es hat der luchs gar schöne har,
Uberall fleckecht ganz und gar,
Wie schöne blümlin fein gemalt;
Den reizt zu hoffart sein gestalt.
Er sprach: "Auf erden ist kein tier,
Das an schön werd vergleichet mir."
Derhalb sich prechtig hielt der luchs.
Da kam zu im ein kluger fuchs,
Sprach: "Bruder, tu dich nicht erheben,
Lass ander tier auch bei dir leben,
Du bist es warlich nit allein:
Lass ander tierlin auch was sein.
Dein schönheit hastu in der haut,
Er ist ein narr, der darauf traut.
Ich aber bin geziert von innen
Mit list, verstand und klugen sinnen,
Die wolt ich für dein haut nicht geben,
Sie bringt dich doch zuletst umbs leben."
Die güter, welch der mensche hat,
Sind nicht all gleich in einem grad.
Glück ist gut, wer damit begift,
Leiblich schönheit es übertrifft,
Doch ist des herzen schön und zier
Besser denn ander gaben vier.
Die alten wünschten, dass in möcht bleiben
Ein verstendig gmüt in gsundem leibe.
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