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Fabeln 121 - 150
 

Vom Fuchs und der Katzen
Vom König und den Affen

Von zweien Fischern und Mercurio
Von zweien Gesellen und dem Esel
Von den Affen und dem Parden
Vom Kefer und Adlar
Von der Eulen und andern Vögeln
Von der Tannen und dem Körbs
Vom Wolfen und dem Rappen
Vom Arione und dem Delphin
Von der Spinnen und Podagra
Von der Maus
Vom Bauren und seinem Wunsch
Vom Habich und der Tauben
Von der Spinnen und Schwalben
Von einem Bauren
Von der Tauben und Atzeln
Vom Habich und Gutzgauch
Vom Esel und dem Rinde
Vom Fuchs und den Frauen
Vom feißten und magern Caponen
Vom Balken und den Ochsen
Von schönen und ungestalten Bäumen
Vom Schwan und dem Storchen
Von einer Frauen, die iren sterbenden Man beweinet
Vom Weibe, die ires Bulen Abzug beweinet
Von der Fliegen
Vom Ael und der Schlangen
Vom Esel, Affen und Maulwerf
Von Schiffleuten, welche in Nöten die Heiligen anriefen

Fabel 121
Vom Fuchs und der Katzen

Es kam der fuchs zu einer katzen
Und tet gar freuntlich mit ir schwatzen,
Rümet sich seiner künsten ser,
Wie gar ein kluger man er wer,
Auf alln betrug verstünd sich wol
Und het der list ein wetscher voll;
Was jeder sach wer gmeß und eben,
Da wist er bald ein rat zu geben.
Da sprach die katz: "Ich mags wol leiden,
Dass du all ferlichkeit kanst meiden
Mit deiner witz und hoher kunst,
Derhalben hast auch meine gunst.
Mich hat mein mutter nit vil glert,
Auch hab ichs nit von ir begert;
Doch tet sie mir ein stücklin schenken,
Dabei ich ir hab zu gedenken.
Dasselb hab ich vor augen stets
Und in der not zum vorteil setz.
Das hat mich oft errettet zwar
Aus todes not und großer far.
Wenn ich die not für handen sich,
Tröstlich darauf verlass ich mich."
Wie sie nun mit einander redten
Und auf kein ding sonst achtung hetten,
Bald kamen hund ein großer haufen,
Teten den berg dort abher laufen.
Des ward gewar dieselbig katz,
Lief auf ein baum, da fand sie platz
Und sprach: "Herr Reinhart, seht euch für,
Das unglück helt euch für der tür.
Dies ist mein einig kunst und witz,
Auf disem baum kies ich mein sitz.
Zieht eure kunst jetzt aus der taschen,
Dass euch die hunde nit erhaschen.
Wisst ir jetzt rat zu allen sachen,
Lasst sehn, es sol sich bald wol machen."
Da war der fuchs beengstigt ser,
Bald warn die hund hinder im her,
Erwischten in bei seinem rücken,
Zerrissen in zu kleinen stücken.

Es tut uns dise fabel warnen,
Dass wir uns gute künst erarnen,
Die uns in nöten mögen nützen
Und für der ferlichkeit beschützen,
Unnütze studia lassen faren,
Die zeit zu guten künsten sparen.
Der welt ist aber nicht zu sagen,
Nach der theologie tut niemand fragen,
Sagen: Galenus uns reichlich nert,
Justinianus hoch her fert.
Zur heilgen schrift sagens also:
Non est de pane lucrando.
Juristen reiten auf hohen pferden,
Theologi bleiben bei der erden,
Haben oft kaum das brod zu essen;
Der Lazarus bleibt wol vergessen.
Es muss der schöpfer himels und erden
Zu Bethlehem im stall geboren werden,
Het in der ganzen stadt nit raum,
Die krippen mocht erlangen kaum.
Also muss auch sein dienern gan,
Alln, die sich seiner nemen an:
Die kluge welt sie stets belacht,
Mit irer theologie veracht;
Das muss man lassen also gschehen,
Und wolln zu letzt das end besehen.

Man sagt: gut ärzt und gut juristen
Seind gemeinlich böse christen.

Damit wil niemand versprochen haben:
Es sind all künste Gottes gaben,
Durch Gottes eingeben bedacht
Und von den alten an uns bracht
Zu dienste Gott und seinem wort,
Wie die schrift zeugt an manchem ort;
Denn dies ist nur die einig kunst,
Die uns bei Gott erlanget gunst,
Dass wir lernen auf diser erden,
Wie wir mögen endlich selig werden.
On dise sind all künst kein nütz,
In nöten gebens keine schütz.

Wenn wir am tod liegen in sünden,
So komt der jäger mit den hunden,
Helt uns für unser sünden vil,
Der ist kein maß und gar kein zil;
Damit uns understet zu reißen:
Denn tut uns das gewissen beißen,
Gleich wie ein hund das as tut nagen.

Denn hebt das herz an zu verzagen,
So fellt all trost menschlicher kunst,
Gold, silber und aller welt gunst,
Und stet der mensch nacket und bloß,
Verlassen, aller hilf trostlos.
Wo er das rechte ziel denn trifft
Und sich kan richten nach der schrift,
Und kan sich an den Christum halten,
Und in sich seiner lassen walten,
Und auf denselben baum entfliehen,
Dahin kein creatur kan ziehen,
So ist er warlich recht gelert,
Hat all sein lebtag wol studiert,
Vil baß denn all philosophi,
All juristen und medici:
Lernen sie nit auch dise kunst,
So ist ir arbeit gar umbsunst.

Fabel 122
Vom König und den Affen

In Egypten ein könig war,
Het der affen ein große schar,
Die ließ er lernen tanzen, springen,
Kempfen und mit einander ringen,
Nach dem kein tier (wie man auch list)
Das dem menschen einlicher ist,
Denn als da sein dieselben affen.
Alls, was sie sehn den menschen schaffen,
Dem wollen stetes kommen nach,
Und ist dazu den affen gach.
Wie sie nun hetten lange zeit
Gelernt solch kunst und behendigkeit,
Dass sie des spiels ganz wol erfarn,
Der könig tet kein kosten sparn,
In seiden gwant sie kleiden tet,
Daran er groß gefallen het.
Er ließ sie für den gesten springen,
Gar höflich mit einander ringen.
Die gest groß gfallen daran hetten
Und sich der kunst verwundern teten.

Under den war ein höflich gast;
Derselb vil nuss in ermel fasst,
Die nam er mit hinauf in sal
Und für den gesten allzumal.
Als nun die affen lang hofieren,
Tet sich der geste freud vermeren,
Warf er die nuss in die rappaus:
Da war ir tanz und spielen aus.
Sie teten nach den nussen laufen,
Gunden sich schlagen und zu raufen
Und umb die nuss gar weidlich bissen,
Die seiden kleider gar zerrissen.
Sie achten nit des meisters strafen,
Sie waren affen und blieben affen.
Darob die geste samtlich lachten,
Dass die affen affenspiel machten.

Im Leimdecker buch ist beschrieben
Als, was Marcolphus hat getrieben.
Da Salomon ein katzen het,
Die er mit arbeit leren tet,
Dass sie das liecht zum essen hielt,
Und sprach: "Gewonheit gar vil gilt,
Ist der natur weit überlegen."
Marcolphus tet sich des erwegen;
Er sprach: "Ich wils anderst bewern
Und anderst durch erfarnheit lern."
Er nam ein meuslin über tisch,
Ließ laufen aus dem ermel risch.
Sobald die katz die maus ersach,
Ließ falln das liecht und lief ir nach.
Damit Marcolphus stracks bewert:
Natur hoch über gwonheit fert,
Mit disem lecherlichen bossen.
Philosophi haben beschlossen:
Was die natur eim jeden geit,
Da zu in sein gemüte treit,
Davon der mensch sich nit lässt dringen,
Auch mit seins lebens far nit zwingen.
Was die natur eim pflanzet ein,
Wäscht im ab weder Elb noch Rhein.

Fabel 123
Von zweien Fischern und Mercurio

Zwen fischer zsamen fischen giengen,
Ein großen haufen schnecken fiengen:
Die kochtens, und zusamen saßen
Und von denselben schnecken aßen
So vil, dass sie nit mochten mer.
In dem Mercurius komt her,
Den batens, dass er zu in säß
Und mit in von den schnecken äß.
Bald merkt Mercurius irn sin,
Dass er nicht grichtet war dahin,
Dass sie in aus freundschaft gebeten,
Sondern darumb, dass sie leicht hetten
Gekocht der schnecken all zu vil.
Er sprach: "Eur gast ich nit sein wil:
Habt ir gekocht dieselben schnecken,
So esst's und lasst's euch wol schmecken."

Wer sich unbsunnen all zu gach
Verwirrt mit einer bösen sach,
Welch er nit, wie sichs wil gebüren,
Kan endigen und aushin füren,
Wil ander leut auch einhin ziehen,
Dass er der schande mög entfliehen.
Denn wo man hat gelegt ein bloßen,
Da het man gern ein leidsgenossen:
Der wird billich so abgericht,
Wie disen fischern hie geschicht.
Was einer hat selbs gekromet ein,
Dass er das auch ausess allein,
Und was einer an sein rocken bindt,
Ist billch, dass ers auch selb abspinnt.

Fabel 124
Von zweien Gesellen und dem Esel

Zwen gsellen wanderten auf ein zeit
Durch einen großen walt gar weit,
Da lief ein esel ungebunden,
Den fiengen sie zun selben stunden.
Wie sie den esel gfangen hetten,
Sich mit einander zanken teten:
Ein jeder von den beiden knaben
Wolt in für sich alleine haben.
Als sie sich nun lang haderten
Und mit einander schnaderten,
Zuletzt begunten sich zu raufen,
Der esel tet zu holze laufen,
Dass in ir keiner wider sahe:
Damit in beiden recht geschahe.

Gar manchem tut das glück begegen
Und bringt mit im ein guten segen,
Damit er möcht sein kummer büßen;
Er weiß es aber nit zu grüßen,
Macht mit seiner ungeschicklichkeit,
Dass im kein guter wunsch gedeiht.
Solchs komt oft aus der gmeinen plag,
Dem geiz, wie offentlich am tag,
Dass niemant mer dem andern gan,
Wenn einr selb ander gut möcht han,
Damit sich beid betrügen wol,
So ist sein herz des geizs so voll,
Wils als zu sich scharren und schaben,
Des sacks allzeit vier zipfel haben
Und zankt sich mit dem andern drumb.
In dem kert sich das glück auch umb,
Vor iren augen gar verschwindt,
Ir keiner davon kein nutz empfindt,
Dass er sich trösten möcht damit.

Das sprichwort heißt: mir nit, dir nit.

Fabel 125
Von den Affen und dem Parden
(Leopard)

Der parde ist ein tier ganz fleckecht
Und über seinen rücken scheckecht,
Und von natur den affen gram;
Könt ers ergreifen allesam,
So ließ er keinen affen leben,
Solchs hat im die natur eingeben;
Kan in aber nicht steigen noch,
Wenn sie sind auf den bäumen hoch
Und der parde daniden ist.
So braucht er einen klugen list;

Wenn er sie nit mit macht kan fellen,
Denn tut er in mit list nachstellen
Und streckt sich nider in das gras,
Leit stille wie ein totes as
Und regt sich gar nicht umb ein har.
Wenn des die affen werden gwar,
Bald steigt einer von dem baum hernider,
Schleicht umb den parden hin und wider,
Schaut fleißig, ob er sich auch regt
Und etwan auch ein glid bewegt;
Zuletst rürt in ein wenig an,
Springt wider hindersich hindan.
Wenn er sich denn nit lässt bewegen
Und tut sich gar mit all nit regen,
Der aff ein wenig neher schleicht,
Den parden umb und umb bereucht.
Des freuen sich die andern affen,
Wenns von den bäumen abher gaffen,
Und meinen, dass er sei ganz tot,
Es hab hinfurter gar kein not;
Tanzen und springen umb in her
Und steigen auf in überzwerg.
Wenn sie des tanzes gnug gemacht
Und iren feind nun wol belacht,
Dass sie zuletzt auch müde werden,
Strecken sich zu im an die erden,
Haben den feind nun wol genarrt,
So wüscht und springet auf der Pard,
Und tut an in den hohmut strafen,
Beißt all zu tot dieselben affen.

Die fabel tut uns nit erlauben,
Dass wir solln allen geistern glauben:
Wenn sich der feind onmechtig stellt
Und sich gegn uns der maßen helt,
Als sei er kraftlos und ganz mat,
Dahinder er die sterke hat,
Damit uns unvorsichtigkeit
Brengt oft in not und herzeleid.
Wenns kumt, dass sich die feinde stellen,
Als ob sie fried begeren wollen,
Und sich gelimpflich lassen finden,
So ist gewis der schalk dahinden,
Wie das die alten krieger wissen,
Die sich des kriegs han lang geflißen.


Fabel 126
Vom Kefer und Adlar

Der kefer ward verachtet gar
Von dem hoffertigen adlar;
Schalt in onmechtig, stark und treg,
Wie ein wurm stets im rosdreck leg
Ganz werlos, könt hauen noch stechen.

Das wolt der kefer an im rechen.
Er trachtet seinem feinde nach,
Sein nest er auf dem baum ersach;
Gar heimlich er den baum aufkroch,
Bis er erlangt das nest so hoch,
Und tet da, wie er mocht, sein best,
Warf im die eier aus dem nest,
Verbarg sich darnach ins genist,
Dass in der adlar da nit wist.
Wie der adlar den schaden sach,
Trauriglich zu im selber sprach:
"Das ist vorwar ein böser feint,
Der mich mit solchem ernste meint.
So bald ich hier mein eier leg,
So komt der feint und wirft mirs weg."
Zuletst klagt ers dem Jupiter,
Er sprach: "Mein gott und gnedig herr,
Weil ir doch hie zu grichte sitzen,
Bitt, wollet für gewalt mich schützen.
Mein eier leg ich alle tag,
Verwars zum besten, wie ich mag,
In meinem nest auf jenem baum;
Ich kann davon auch fliegen kaum,
So sein die eier ausgestoßen,
Ligen zerknürßt und gar zerflossen.
Ein solcher schad mir teglich gschicht,
Noch kan den feind ergreifen nicht."
Da antwort im der Jupiter
Und sprach: "Leg deine eier her
In meinen schoß, in meinen gern;
Wenn alle vögel dein feinde wern,
So solten sie dirs hie nit nemen:
Bei mir lassens dir wol bezemen."
Der adlar legt sein eier groß
Dem Jupiter in seinen schoß.
Das sahe der kefer in dem nist,
Erdacht gar bald ein ander list,
Damit dem feind möcht schaden ton;
Kroch zum Jupiter auf den tron,
Verbarg sich in seins mantels falten.
Da tet er sich ein weil enthalten;
Darnach gunt sich ein wenig regen,
Dass er die eier möcht bewegen.
Da solchs der Jupiter ersach,
Aus forchten zu im selber sprach:
"Nicht gnug ich mich verwundern kan!
Es rürt die eier niemant an,
Dennoch regt sich ein jedes ei."
Er schütt sie aus und warfs entzwei.
Damit dem adlar ganz und gar
All hilf und trost benomen war.

Die fabel lert, dass wir zu trachten,
Den gringen nit zu ser verachten.
Wenn der feint klein, onmechtig ist,
So understet er das mit list
Zu tun, das im felt an der macht.
Darnach mit allem fleiß er tracht,
Dass er den starken breng zu schaden,
Des er sich schwerlich kan entladen.
Exempel han wir aus der schrift,
Welch auch gar eben hie auftrifft.

Der groß und freche Goliath,
Ein Philister geborn von Gath,
Ganz Israel honsprechen tet,
Als obs nit einen kriegsman het,
Der sich aus künheit dörfte wagen
Und sich mit dem Philister schlagen.
Da kam zu im David, der klein,
Erlegt in bald mit einem stein,
Mit einem stein er in erschreckt,
Dass er zur erden lag gestreckt.
An seinem eigen schwert er starb,
Damit David den preis erwarb,
Als er den Goliath erschlug,
Sein kopf gen Hierusalem trug;
Damit ward Israel getröst
Und von den Philistim erlöst;

Denn so tut Gott gemeinlich streiten,
Mit wenig und geringen leuten
Nicht groß ding aus, auf dass die welt
(Die vil von großen dingen helt)
Erkennen mög, dass aller pracht
Und hoffart ist bei Gott veracht.
Sanct Paulus sagt: "In der schwachheit
Wird sterk und macht weit ausgebreit."


Fabel 127
Von der Eulen und andern Vögeln

Für zeiten, in den alten jaren,
Vögel und tier verstendig waren
Und teglich mit einander redten,
Ir gsprech und rat zusamen hetten,
Gleich wie die fisch zu unsern zeiten
Pflegen zu reden mit den leuten.

Ein jedes tier nach seiner art
Zu jedem ampt bestellet ward:
Der löw war aller tier ein herr,
Sein nehster rat ein alter der;
Die großen ross die feind bekriegten,
Und die ochsen den acker pflügten;
Die windhunde waren jäger,
Der hase war ein briefträger,
Der hirsch war schultheiß, saß das recht,
Und die geiß war ein schneiderknecht;
Der wolf der schaf tet fleißig warten,
Der bertig bock versahe den garten,
Die sau tet in der küchen naschen,
Der half die katz die schüssel waschen;
Ein glockengießer war der käfer,
Und der igel ein leinweber,
Des königs kürschner war der luchs,
Ein glerter doctor Reinhart fuchs;
Der aff tet für dem könig springen,
Der esel must die metten singen,
Die septem horas, für mittage
Darnach die seck zur mülen tragen;
Der biber must die bäum abhauen,
Dem half der specht die heuser bauen;
Der sperber tet die wend bekelken,
Ein junges kalb die ku must melken;
Der kammermeister war der pfau,
Zu tisch dienet die truschel grau,
Zum fischmeister war bestellt der reiher,
Die haushenn trug zu hof die eier;
Die gans versahe das trinkgefäß,
Der kranch war des königs truckseß,
Der haushan hielt des nachts die wacht,
Der canzlei het der häher acht;
Mit singen tet sich dnachtigall regen,
Der widhopf must das scheißhaus fegen,
Der spanier wart die kammern immer,
Die vögel dienten im frauenzimmer,
Die kleinen vögel mit tanzen, springen,
Mit jubiliern und discant singen.

Darunder war ein growe eule,
Tet nit wie jetzt des nachtes heulen:
Mit den vögeln des tages flohe,
Mit guter ler zum besten zohe,
Und tet sie gute sitten leren,
Dass sie ir vile möcht bekeren.
Des warn die vögel alle fro,
Und sprachen zu der eulen so,
Sie solt nit mer in löchern liegen,
Sondern mit in zu felde fliegen,
Zu feld und in den grünen walt.
"Da sten die bäum gar manichfalt,
Schön grün, dass du dich möchtest wundern,
Da mag ein jeder in besundern
Ein baum auskiesen für das best,
Darauf er machen mag ein nest",
Und zeigten ir ein junge eichen,
Sprachen: "Du kanst sie wol erreichen.
Weil du bist weis und klug von sinnen,
Wolln wir dirs für eim andern günnen.
Zwischen dem laub und grünen ästen
Magstu mit fried und freuden nesten,
Des sommers han ein frölich leben."
Die eule tet zu antwort geben,
Sprach: "Auf die eiche wil ich nit bauen
Oder mich eim solchen baum vertrauen,
Wiewol er lüstig bletter hat.
Ich wil euch geben ein andern rat:
Wo ir demselben baum werdt glauben,
So wird er euch eur leben rauben.
Jetzt ist er glat; wenn er wird alt,
So gwint er gar ein ander gstalt:
Denn wird er rauch, bewächst mit mas.
Wenn der weidman wird merken das,
So besteckt er in mit leimruten:
Dafür wisst ir euch nit zu hüten,
Dass er euch nach einander zwackt
Und mit euch seinen schweidler sackt.
Drumb folget und fliegent mir nach:
Habt in den löchern eur gemach;
Da mögt einander wonen bei
Und seid auch für dem sperber frei."

Solch warnung gieng in nit ins herz,
Lachtens und hettens iren scherz:
Der eulen rat verachtet wart
Von solcher leichtfertigen art.
Da wart der eulen prophecei
Ganz war, und brachts die zeit herbei:
Der vogler fieng die vögel all,
Wo einer in dem wald erschall,
Mit leimruten und mit dem garn,
Davor sich wüsten nit zu warn.
Zu letzt hettens gern besser gsehen,
Da in der schade war geschehen,
Und dachten an der eulen rat,
Die in solchs vor geweissagt hat.
Derhalben es noch teglich kümt,
Wie man aus erfarnheit vornimt,

Wo ein eul sitzt auf einem dach,
Da fliegen ir all vögel nach,
Tun sie mit haufen umberingen,
Wolln sich all nahend zu ir dringen,
Auf dass sie mögen etwas hörn
Und von der eulen weisheit lern.
Drumb tun sie ringes umbegeben,
Ja oft mit far irs eigen leben.
Es hilft aber nit, es ist zu spat.

Ich glaub nit, dass ein eul jetzt hat
Solch weisheit wie in alten jaren,
Da die vögel verstendig waren;
Jetzt sind vil, die wie euln her fliegen,
Des tages in den ritzen liegen,
Han federn wie die euln gestalt.
Ichs aber zwar dafür nicht halt,
Dass solch verstand bei inen leit
Wie bei den eulen zu jener zeit,
Wie man bei irm gesang jetzt hört
Und solchs teglich erfarnheit lert.
Hie wird veracht der eulen rat,
Den sie zum besten geben hat.
So gets auch zu bei unsern zeiten:
Was graten wird von gringen leuten,
Wird von den klüglingen verworfen;
Doch komts zuletzt, wenn sie sein dorfen,
Denn ists zu spat, so komt der reuel,
Beißt sie und macht in solchen greuel,
Dass sie schreien awe und ach,
Und wollen raten hindennach.
Der rat, welch nach der tat geschicht,
Der ist so nütz, wie ich bericht,
Als der regen, der stüpfel rürt,
Wenn man das korn hat eingefürt.

Fabel 128
Von der Tannen und dem Körbs

Es war ein tann erwachsen hoch;
Dabei ein körbs sich auch auf zoch
Und flocht sich umb des baumes ast,
Dieselben mit der zeit umbfasst,
Bekleidt also den ganzen baum,
Dass man die tann kunt sehen kaum,
Mit vilen reben umbefangen,
Mit fleschen und mit blettern bhangen.
Da begunt der körbs dieselben tannen
Mit hönschen worten an zu zannen
Und sprach: "Sihe an mein fruchtbarkeit,
Wie ich so gar in kurzer zeit
Erwachsen aus eim kleinen kern,
Dass mich die leut anschauen gern,
Mein bletter und mein große frucht.
Du hast noch nie so vil getucht
In alle deinem ganzen leben,
Dass du hetst einen apfel geben."

Da sprach die tann: "Ir jungen laffen,
Schweigt, lasst euch von den alten strafen.
Du hast noch nie kein bösen man
Recht under augen gsehen an,
Dennocht dein torheit bricht herfür.
All deine sterk hast du von mir;
Wenn ich ein tritt würd von dir gen,
Köntst nit auf deinen füßen sten.
Ich bin allhie, glaub mir fürwar,
Gestanden so gar manches jar,
Gar manchen winter abgelebt,
Den starken sturmen widerstrebt.
Wiewol sie mich oft hart getrieben,
Bin dennoch fest bestendig blieben.
Du arme schwache creatur,
Bald mach ich dir dein leben saur.
Wenn ich dir meine hilf entziehe
Und von dir einen fußbreit fliehe,
So fellst gestrecket an die ert,
Dein kraft ist nit ein hellers wert.
Und wenn dich trifft ein kleiner reifen,
Bald zeuhstu in den sack die pfeifen;
Denn ist dein freude hin entschlichen,
Dein bletter dürr und gar verblichen,
Denn ich hab mich an dir gerochen;
Vergebens ist dein trotz und pochen."

Die hoffart ist ein große sünd,
Und sonderlich wenn man sie findt
Bei armen unvermögen leuten,
Wenn die wölln wider d'starken streiten.
Ein weites maul hat gnug zu schaffen,
Wenns widern backofen wil gaffen.
Eins arm mans zorn und übermut
Im selb den grösten schaden tut.
Wo hoffart ist beim armen man,
Wüscht der teufel den hindern an.


Fabel 129
Vom Wolfen und dem Rappen

Zwen wolfe mit einander kamen
Zu eim schafstall; daselb sie namen
Jeder ein schäflin von der herden:
Dasselb mal auch nit mer begerten.
Damit liefen zu holze gach.
Ein rapp ersah's und flog in nach,
Bis an ein sichern ort sie kamen;
Den raub die wolfe für sich namen
Und wolten da zu morgen zeren,
Da tet der rapp an sie begeren
Und sprach: "Wolt meiner nit vergessen:
Ir lasst mich billich mit euch essen,
Denn ich auch heut gar unverzagt
Mein leben neben euch gewagt
Und neben euch geflogen her.
Gebt mir ein stück nach meim beger,
So wil ich euch das ander lassen
Und wider fliegen meine straßen."

"Ja", sprach der wolf, "du hast geflohen
Und bist uns heute nachgezohen,
Aber zwar nicht zu unserm schutz,
Sondern geschicht dein eigen nutz,
Ob man uns wurd ein schaf abjagen,
Oder dass wir beid wern erschlagen,
So hettest wol der treu vergessen
Und selb von unserm fleisch gefressen.
Drumb pack dich auf ein ander felt:
Dies mal ist nicht für dich bestellt."

Wir werden glert aus disem gdicht,
Wo man sich nach den worten richt
Und wil nicht auf die meinung sehen,
Aus was ursach sie sein geschehen,
So wird gar oftmals fel geschlagen:
Anderst tut sich das end zutragen,
Denn sich die werk ansehen ließen;
Dadurch der schlechte wird beschissen;
Denn sichs gemeinlich in der welt
In allen stenden der maßen helt,
Dass nicht das werk, wie mans ansicht,
Des willens und der meinung gschicht.
Drumb wers noch gut, wie Momus redt,
Dass jeder mensch ein fenster het
In seiner brust, dadurch man sehe,
Was heimlich in seim herzen gschehe,
Auf dass man deste baß verstund,
Ob das herz stimmet mit dem mund.

Fabel 130
Vom Arione und dem Delphin

Aulus Gellius beschreibet dies
In seinen noctibus atticis,
Dass einer gnant was Arion,
Kunt spielen auf der harpfen schon
Und het erfarnheit künsten vil
Gelernt auf alle seitenspiel;
Derselben war er wol erfarn.
Aus Griechenland von Lesbo geborn,
Wont in Achaia zu Corintho
Bei dem könig Periandro.
Derselbig hielt von im gar vil
Umb seiner kunst und lieblich spiel:
Derhalb het er in lieb und wert.

Vom könig er einsmals begert,
Dass er hin in Italiam
Möcht schiffen und Siciliam.
Solchs erlaubt im der könig hoch,
Dass er in dieselben länder zoch,
Auf dass er auch da wurd bekennt.
Er nam mit im sein instrument;
Weil er war klug und wol gelert,
Ward er daselben hoch geert.
Und sonderlich zu Siracusen
Tet er etlich monat behausen;
Darnach Roma, die große stadt,
Und das Welschland besehen hat.
Daselbs ward er geert und globt,
Mit großem gelt und gut begobt
Von keiser, könig, herrn und fürsten,
Die all nach seiner kunst tet dürften.
Sie gaben im gar reichen solt;
Jedoch zuletzt er gerne wolt
Sich machen auf die widerfart.
Ein griechisch schiff da funden wart,
Welchs sich auch von Corintho nennt;
Der Arion die schiffleut kennt,
Dest lieber wolt er farn mit in.
Sie machten reit und furen hin.
Als sie nun kamen weit ins mer,
Der schiffman rüft sein boßleut her
Und sprach: "Da haben wir ein gast,
Den han wir jetzt gar wol gefasst:
Dem wolln wir nemen sein gut und hab
Und werfen in ins mer hinab,
Auf dass er solches nit vermeldt:
Denn sein wir reich an gut und gelt."

Als Arion nun merket das,
Dass im da nicht mocht werden baß,
Da gab er sich auch willig drein
Und sprach: "Nemt hin die güter mein,
Die wil ich euch ganz willig geben,
Dass ir mir lasst allein das leben,
Denn euch nit nützen mag mein blut,
Weil ir habt all mein hab und gut.
Drumb bitt, wollet mich leben lassen."
Da bdachten sich die leut dermaßen,
Und seine bitt sie hoch bewegte,
Dass sie ir hand nit an in legten;
Sprachen zu im: "Du must doch sterben,
Deins lebens magst kein gnad erwerben;
Derhalben bald begib du dich
Hinab ins mer selb williglich."
Als er nun merket keinen trost,
Dadurch er werden mocht erlost,
Bat, im zu erlauben so vil,
Dass er mit seinem seitenspiel
Zum teil möcht lindern seine bürd,
Dass im der tot dest leichter würd.
Dasselb die schiffleut im nachgaben,
Dass er ein wenig freud möcht haben.
Der Arion macht sich bereit
Und legt bald an sein bestes kleit,
Sein seitenspiel er fürher zoch,
Trat auf des schiffes bord so hoch
Und spielt des besten, so er mag,
Vom morgen an bis umb mittag,
Sang drein ein schönes klagelied;
Damit zuletzt von dannen schied.
Als er am lieblichsten hofiert,
In seinen besten kleidern ziert,
Nam er sein harpfen auf den rucken
Und tet sich oben abher bucken,
Mit seinem spiel und süßen gsang
Hinab ins wilde mer da sprang.
Die schiffleut meinten nu, dass er
In den bülgen ersoffen wer.
Irn curs sie nach Corintho setzten,
Ir segel gegen wind aufhetzten.

Nun hört ein neu und großes wunder!
Als er nun sprang ins mer hinunder,
Hub sich ein gütig seltzam gschicht,
Welchs doch leichtlich zu glauben nicht.
Ein delphin kam dorther geschwummen,
Wolt dem menschen zu hilfe kummen.
Der Arion het gern gefrist
Das leben, welchs natürlich ist,
Er trachtet, wie er in erwisch,
Und setzt sich oben auf den fisch.
Der trug in bald on alle schwer
Ueber das tiefe, wilde mer
Bei Tänas ins lakonisch land,
Setzt in daselben an den strand,
Wie er geziert in seiner wat,
Mit der harpfen und was er hat.
Von dannen zohe er gen Corinthum,
Kam für den künig Periandrum;
Von anbegin erzelt im gar,
Wies auf der reis ergangen war,
Und wie der delphin hoch gedacht
In frölich het zu lande bracht.
Der künig stellt im keinen glauben,
Wolt im auch fürbaß nit erlauben,
Dass er zun leuten möchte kommen,
Bis er het bessern bricht vernommen.

Die schiffleut kamen in den tagen;
Die fordert er und tet sie fragen,
Weil sie erst aus dem Welschland kemen,
Was neues sie daselb vernemen,
Und ob sie nit vernommen hetten
Den Arionem in den stetten.
Sie sprachen: "Herr künig, wir haben
Arionem, den edlen knaben,
Zu Rom in großen ern gesehen,
Welch woltat im daselb geschehen.
Er wird von allem volk gelobt
Und reichlich von den herrn begabt."
Der künig ließ auftun die tür,
Da trat der Arion herfür
Also gekleidt herein gedrungen,
Wie er dort war vom schiff gesprungen.
Mit schrecken nams die schiffleut wunder;
Die ließ der künig fürn hinunder,
Bald musten sie daselb entfahn
Für irn arbeit verdienten lon.

Hie ist zu sehen, dass man oft
(Des man sich doch gar nit verhofft)
Bei den wilden und frechen tieren
Mer gut und miltigkeit tut spüren
Denn bei den leuten, den ir herz,
Ir ganze leben, schimpf und scherz
Sunst niergen mer ist hingestellt
Denn auf das bös, verfluchte gelt;
Fragen nach keinem ding auf erden,
Denn wie sie mögen reich werden,
An welchen man zu aller frist
Nichts findt, das menschen ehnlich ist,
Denn dass sie haben menschengstalt,
In unmenschlichkeit werden alt.
Was underscheids zwischen den leuten
Und einem tier, wil ich euch deuten
Und ist zu sehen bei den hunden,
Dem Lazaro lecken die wunden;
Denselben het der reiche man
Nicht durch ein zaun gesehen an,
Und in so gar verachtet het,
Die brosem er im wegern tet,
So von dem tisch gefallen wern,
Welchs doch unmenschlich ist zu hörn.
Drumb werden auch am jüngsten tag
All creaturn füren ir klag
Uber die der woltat vergessen,
Irs nehsten not in nit anmessen:
Den wird die seligkeit gar teur,
Sie werden hin zum hellschen feur

Von Christo ewiglich verweist,
Und spricht: "Ir habt mich nicht gespeist,
Das ist, meiner elenden armen
Habt ir euch nit lassen erbarmen.
Denn was ir habt denselben bweist,
Es werd gelestert oder gpreist,
Dasselb nem ich dermaßen an,
Als hett ir das mir selb getan."
Darumb sehe hie ein jeder zu,
Dass er bei seinem nehsten tu,
Als er wolt selber von im han,
So mag er diser straf entgan.


Fabel 131
Von der Spinnen und Podagra

Gebellius ein fabel schreibt,
Die auch denen ist eingeleibt,
Welch erst Esopus hat gemacht,
Auch ander mer nach im bedacht.
Weil sie nun ist dermaßen gstellt,
Dass sie mir im latein gefellt,
Wiewol sie es tet nit gar gern,
Hat dennoch teutsch must reden lern.

Es war einsmals ein kluge spinne,
Voll weisheit und gar scharpf von sinne,
Die wolt aufhörn von irem weben
Und sich hinaus ins felt begeben,
Dass sich ein wenig möcht erquicken.
Eilend tet sich zu wege schicken.
Wie sie sich nun im gang umbsach,
Sich, da folgt ir von ferne nach
Die podagra zu beiden seiten
Und sprach: "Gesellschaft wollest beiten!
Mich dunkt, du wilt meins weges wandern,
Gut ists, wir reisen mit einander."
Sie zohen beid zusammen hin
Zu einem flecken, lag für in.
Sie bschlussen mit gemeinem rat,
Ein jeder solt gen in die stadt,
Der erste wirt, so im für kem,
In mit im in sein bhausung nem,
Dem wolt er folgen williglich.

Bald mit der kürz begab es sich,
Ein reicher bürger ongefer
Sprach zu der spinnen: "Kom du her,
Ge mit mir heim, ich teil mit dir,
Was Gott und glück han geben mir."
Die spinn zohe hin, tet fleißig schauen,
Hoch an eim balken wolt sie bauen,
Daselben ir geweb ausbreit.
Die hausmagd war von stund bereit,
Wo sich die spinn zu weben regt,
Mit einem besem sie's wegfegt,
Und ward ir da kein stett vergunt,
Da sie urlaub zu bauen fund;
Und kunt also die arme spinne
Im weiten hause nichts beginnen,
Das da möcht bleiben unberört
Und ir die hausmagd nit zerstört.
Sie het kein fried im ganzen haus:
Man jagts zu allen türen aus.

Dagegen auch die podagra
Ward irer herberg nit fast fro:
Kert ein zu einem armen baur,
Der macht dem gast sein leben saur.
Als er zu abent essen solt
Und sich seins leids ergetzen wolt,
Da ward ein trucken brod sein speis,
Das war zwar nicht wie sämel weiß;
Weist in darnach zum küpferling,
Sprach: "Wenn dich dürft, daselb aus trink."
Wie nun der gast war worden krank
Von bösem wege, speis und trank,
Sein augen kunt nit halten offen,
Hieng oft den kopf, begert zu schlafen,
Da zeigt man im ein hölzen bet,
Desgleichen vor nit gsehen het;
War nit mit mei oder blumen bsteckt,
Auch nit mit seiden tepten deckt;
Ein wenig stro darinnen lag,
Das het gelegen manchen tag.
Die podagra legt sich da nider,
Zu ruen ire schwache glider.
Was jamers sie die nacht da lit,
Kan jederman betrachten nit.
Kein schlaf in ire augen kam,
Bis sie morgens den tag vernam,
Und dass die liebe sonn aufblickt,
Die sie zum teil irs leids erquickt,
Des elenden kummers und jammer,
Den sie die nacht het in der kammer;
Daselbs geschahe ir we und ant,
Denn sie war unglücks nicht gewont.

Des morgens frü sich für her zoch,
Heraus auf allen vieren kroch,
Für onmacht lag schier gar darnider:
Doch kams zu irer gsellschaft wider.
Sie wünscht der spinn ein guten morgen
Und sprach: "Ich hab die nacht in sorgen
Gelegen hart auf einer bank,
Die nacht daucht mich eins jares lang,
Hab solch armut und kummer glitten,
Dafür mich hinfür wil behüten.
Wenn du den armut sehest an,
Darin da lebt der arme man,
Bei dem ich bin die nacht gelegen,
Soltst dich mit hend und füßen segen.
Hab nie gesehn ein solchen armen,
Es möcht ein harten stein erbarmen.
Fro ward ich, da die sonn aufgieng
Und das zu tagen anefieng."

"Ach", sprach die spinn, "schweig, lass dein klagen!
Mein unru kan ich nit aussagen,
Welch ich gelitten dise nacht:
Han mir mein leben saur gemacht.
Aus einem winkel in den andern
Hab ich die ganze nacht must wandern.
Die hausmagd mir nit gunnen tet,
Dass ich ein stund geruet het;
Wo ich aufschlagen wolt mein zelt,
Waren drei oder vier bestellt,
Die mir verstörten all mein wesen,
Fegten mich weg mit vilen besen:
Also ganz sauber, schön und rein
Musts überall im hause sein,
Welch doch nit ist von meinem ton:
Ich könt sein nimmermer gewon.
Mit solchem fegen und reinigkeit
Machten sie mir mein leben leid;
Wenn sichs hie wolt für leuten ziemen,
Wolt ich dir zeigen meine striemen,
Die sie mir dise nacht geschlagen:
Ich weiß zwar nicht, wem ichs sol klagen.
Ein jüden solt es wol verdrießen;
Habs, als hets mir ein hund gebissen."

Podagra sprach: "Liebe gespiel,
Ein guten rat ich geben wil:
Ich merk wol, wo es wil hinaus.
Lass mich ins reichen mannes haus;
Wo mans helt sauber, schön und rein,
Da wil ich deste lieber sein.
Zum armen man tu dich begeben,
Da magstu wol mit frieden weben."
Da sprach die spinn: "Das nem ich an,
Hab dich wol mit dem reichen man."
So bald es wider abent ward,
Podagra macht sich auf die fart.

Wiewol sie gar erbermlich gieng,
Der reiche man sie doch entpfieng
Mit großer er und reverenz,
Mit neigen, biegen und credenz,
Brachts auf ein bet mit seiden küßen,
Der legt man ir drei zu den füßen.
Hilf Gott! wie ward sie da tractiert,
Mit gar köstlichen gschenken geert!
Bald ward für ir der tisch gedeckt,
Darauf gar weiße sämeln gelegt,
Fisch, wie man die erdenken mocht,
Ward alles überflüssig bracht.
Rephünlin, wachteln, amseln und fasen,
Wildprät von hirschen, rehe und hasen,
Wein cors, trebian, süß malmasier,
Den man bringt von Venedig her,
Und wie man die all mag erdenken,
Tet man ir überflüssig schenken,
Ja also vil und überflüssig,
Dass sie's zum teil ward überdrüssig;
In summ, man mocht da nit entbern,
Denn was der gast nit tet begern.

Die spinn sich auch nicht lang besann,
Zohe ein zu einem armen man,
Begunt gemächlich anzuheben,
Zu spinnen, haspeln, spulen, weben
An türen, fenstern, balken, wenden
Stricket mit füßen und mit henden,
Das zerbrochne macht wider ganz,
Rund, mit vil straln wie sonnenglanz,
Langlecht, rudecht und viereckit,
Gleich, ungleich, seltzam, schieb und scheckit.
So herrschet sie im leren haus,
Niemand irrt sie oder trieb sie aus.

Nit lang darnach in selben tagen
Tet sichs on all gefer zutragen,
Dass die spinn und die podagran
Kamen einander wider an.
Sprach zur spinnen: "Nun ist mir wol,
Ich hab als, was ich haben sol.
Zu meinem großen glück und frummen
Bin ich zu solcher herberg kummen."
Die spinn auch ire freiheit rümet
Mit vilen worten hoch verblümet,
Wie sie im ganzen haus regiert,
Mit spinnweb alle winkel ziert:

Solchs preiset sie mit großem rum,
Nem nit dafür das keisertum.
Da willigtens von beiden seiten,
So wolten in zukummen zeiten
Die podagra zur herberg keren
Zu reichen hansen, großen herren;
Wer allenthab von iren dingen.
So mocht der spinn nicht baß gelingen,
Denn dass sie sich zum armen kert:
Dass solch gut wer, het sie gelert
Erfarnheit und der lange brauch.
Das haltens noch, drumb siht man auch
Die spinnen bei den armen bleiben.
Die reichen tun ir zeit vertreiben
Mit der podagra auf weichen betten;
Und wenn sie auch dieselb nit hetten,
So hettens sunst kein zeitvertreib;
Ich achts für gut, dass bei in bleib;
Mögens auch meinethalb wol han,
Bis das die growen röck vergan.
Man mag disen apologon,
Der an im selb lüstig und schon,
Ziehen zu mancher sachen gstalt;
Doch erstlich er ein solchs inhalt,
Dass einer oft in einer statt
Mer glücks denn an der andern hat,
Und dass krankheit gemeinlich pflegen
Sein bei den reichen: da tut mans hegen
Auf weichen betten, deckets warm
Und nimts gar freundlich an den arm,
Lässt in keins dings gebrechen nicht:
Solchs bei den armen nit geschicht.
Noch eins han wir draus zu versten,
Wöllns auch nit lan fürüber gen:
Wiewol gelt, gut sind Gottes gab,
Doch siht man oft bei kleiner hab
Größer freiheit, rusamer leben
Denn bei dem Gott groß reichtum geben.
Endlich wil ich also beschließen:
Der arm sol seiner freiheit gnießen,
Haben ein frischen, freien mut;
Lass den reichen mit seinem gut
Sein leben engstigen und worgen:
Der hund darf für die schuh nit sorgen.

Fabel 132
Von der Maus

In einem kasten war ein maus
Geborn, da wars nie kommen aus;
Da nert sie sich der haselnüss,
Dieselben schmeckten ir gar süß.
Das macht, dass ir bei all irm leben
Sonst nichts zu essen war gegeben.
Einsmals sie auf dem kasten spielt
Und ongefer herunder fellt,
Lief umb den kasten und besucht,
Ob sie wider nauf steigen mucht.
Fand ongefer gar köstlich speis,
Schön zugericht von mandelreis;
Die schmeckten ir gar herzlich wol.
Sie sprach: "Wenn ichs doch sagen sol,
Ich meint, dass in der ganzen welt
Wer das mal niergend baß bestellt
Denn eben da in meinem kasten.
Nun mag mans sehen, fülen, tasten,
Dass haußen muss vil besser sein:
Ade, ich kum nicht wider nein!"

Ein jeder lobt sein vatterlant
Und den ort, da er ist bekant,
Als dass, wenn er einmal tut wandern
Und sich begibet auf ein andern,
Da er liebers und bessers sicht,
Und da im auch mer guts geschicht,
Dass er das sein denn kan verlassen
Und dasselb auch loben zumaßen.
Man sagt von einem jungen knaben,
Der zoh ins Elsaß hin aus Schwaben;
Als er vermerkt ein bessern ort,
Da im mer guts erzeiget wart,
Setzt im daselben für zu bleiben,
Dacht, wolt sich nicht lassen austreiben.
Sein Vatterland tet er betrachten
Und wolts nicht offentlich verachten
Und sprach: "Das Schwabenland ist gut,
Bitt Gott, er mich dafür behüt,
Ich warf ein großen stein in Rhein,
Wenn der heim kumt, kum ich auch heim."

Fabel 133
Vom Bauren und seinem Wunsch

Die leut erstmals vil götter hetten,
Davon vil schreiben die poeten;
Under den war ein, die Ceres hieß,
Die korn und weizen wachsen ließ.
Die bat ein baur, dass sie wolt lassen
Das korn wachsen der gstalt und maßen,
Dass die strohalmen und die äher
Möchten wachsen fein schlecht daher
On die scharpfen stachleten spitzen,
Die eim in henden bleiben sitzen,
Dass sich die schnitter nit drein stechen,
Oder den dreschern dhend zerbrechen.
Dem gschahe also; da es zeitig wart,
Kamen die vögel nach irer art,
Denn da war gut zum korn zu kommen,
Weil im die stacheln warn benommen.
Die kleinen vögel fraßens auf.
Da sprach der baur: "Mich reut der kauf.
Ich wist nit, dass ichs het so gut:
Der vorwitz mir den schaden tut,
Dass ich hab umb ein kleinen gwin
Ein großen vorteil geben hin."

Wir sollen nicht umb kleinen gwin
Ein großen vorteil geben hin;
Es tut der vorwitz oft verschaffen,
Dass wir auch Gott sein werk wölln strafen
Und meinen, dass wir alle sachen
Auch besser denn Gott wöllen machen,
Des wir doch haben keinen frummen
Und oft zu großem schaden kummen,
Höchlich damit erzörnen Gott
Und sein gescheft halten vor spott.
Desselben sollen wir uns maßen,
Gottes werk ungetadelt lassen,
Richten nicht mer, denn wir verstünden
Und nit wol besser machen künden,
Dass man nit sag: schuster, far schon,
Lass urteil übern schuh nit gan.

Fabel 134
Vom Habich und der Tauben

Ein habich schoss nach einer tauben,
Dass er ir möcht ir leben rauben,
Floh in ein dorf; der baur das sach
Und stellt mit list dem habich nach
Mit vogelleim an einer stangen,
Darin der habich blieb behangen.
Er bat den baurn, dass ern wolt lassen
Widerumb fliegen seine straßen,
Und sprach: "Ich hab dir nichts getan;
Bitt, wöllest mich doch fliegen lan."
Da sprach der baur: "So vil du mir,
So vil die taub getan hat dir.
Hetstu die tauben nicht durchecht,
So bliebst von mir wol ungeschwecht;
Weil du verfolgst unschüldig blut,
Wie du tust, man dir wider tut."

Die fabel lert, dass wir den söllen,
Die der unschuld böslich nachstellen
Und sich an tyrannei tun preisen,
Im rechten keine gnad beweisen.
Rechts ists, dass, wie sie haben tan,
Nach irer tat entpfahen lon;
Billich, dass, der das schwert selb nimt,
Durch menschen hand am schwert umbkümt.

Fabel 135
Von der Spinnen und Schwalben

Es war ein giftig böse spinne,
Die tet groß hass und neid gewinnen
Uber ein schwalben, darumb dass
Die schwalb allzeit die fliegen fraß,
Welch der spinnen allein gehören,
Wie sie meint, und zu fressen gbüren.
Das wolts der schwalben nicht vergeben,
Dacht ir zu stellen nach dem leben,
Zohe für ein fenster ire netz,
Dadurch die schwalb pflag fliegen stets,
Und meint die schwalben drin zu fangen,
Dass sie blieb in dem netz behangen.
Bald kam die schwalb durchs fenster gfarn
Und nam die spinn mit irem garn
Und fürt sie oben übers dach.
Die spinn den tot für augen sach
Und sprach: "Zwar billich ich dies leid
Umb meinem hass und giftig neit.
Ich kan die fliegen kaum bezwingen,
Noch understee ich mich zu bringen
Die vögel umb ir leib und leben,
Wiewol mir solch macht nit gegeben;
Ich hab mich weiter understan,
Denn meine kraft hat mögen gan."

Es sol niemand sein so vergessen
Und sich einer solchen sach vermessen,
Die er nicht kan zum end ausfüren,
Dabei man tut sein torheit spüren,
Und wer ein großen schweren stein
Nit kan erheben selb allein,
Der gedenk, dass er sich des maße,
In auch selb ander liegen lasse.
Es sol sich keiner weiter strecken,
Denn in bekleidt sein eigen decke.
Flaccus lert, man solt nichts anheben,
Man wisst im denn ein end zu geben,
Und wer da bauen wil ein haus,
Derselb sol vorhin rechen aus,
Was er zum selben gbäu müss han,
E er dasselb tut heben an,
Auf dass er nicht mit schand ablass,
Wie Christus selb tut raten das.


Fabel 136
Von einem Bauren

Es wolt ein baur über einen bach
Wandern, daselb sich weit umbsach,
Ob er nicht finden möcht ein steg;
Den het das wasser gfürt hinweg.
Eilend tet er sein schuh auflosen,
Und tet abziehen seine hosen,
Wolt waten durch denselben fluss
Und sprach: "Fürwar ich nüber muss!
An disem end einsetzen wil,
Da ist das wasser frum und still."
Er setzt ein, da es nicht fast lief,
Befand, dass es war sere tief.
Da versucht ers am andern end,
Da rauscht das wasser schnell behend
Und war nit tiefer denn zum knie.
Da sprach der baur: "Nun merk ich je,
Sicherer ists, sich zu begeben
In rauschend wasser, die feindlich leben,
Denn in den stillen tiefen pfülen,
Da man nit bald den grund kan fülen."

Die feindlich toben, trotzen, wüten,
Für den hat man sich wol zu hüten;
Die schmeichler, so sich freundlich stellen,
(Hüt dich) das sein die rechten gsellen;
Die kü, die so gar feindlich bölken,
Von den tut man dest mer nit melken.
Die großen bocher schlagen nicht.
Bellende hund beißen auch nicht.
Schedlicher sind stillbeißig hunde,
Still wasser haben tiefe grunde.

Fabel 137
Von der Tauben und Atzeln
(Elster)

Die atzel sprach zu einer tauben:
"Ich bitt dich, sage mir auf glauben,
Wer rät dir, dass dein nest und gmach
Allzeit bauest under jens dach,
Dahin doch all vier wochen kümt
Der baur und dir dein jungen nimt?"
Da sprach die taub on allen hass:
"Frumkeit, einfalt raten mir das."

Es ist der brauch auf diser erden,
Allzeit die einfeltigen werden
Benückt von schwetzern und betrogen
Und oft gar felschlich überlogen.
Das macht, dass sie nit so zerrissen,
Sich nicht zu verantworten wissen,
Und get zu, wie man pflegt zu sagen:
Der Simeon das kreuz must tragen.
Des nidrigen zauns schont man nicht;
Der krenkest helt allzeit das liecht.

Fabel 138
Vom Habich und Gutzgauch
(Kuckuck)

Der habich spottet den gutzgauch
Und sprach: "Sihe zu, nun bistu auch
Schier in derselben größ wie ich
Und mir auch fast an federn gleich,
Und fürst doch so ein armlich wesen:
Die kleinen würmlin tust auflesen,
Die da kriechen auf der erden;
Es möcht dir doch wol besser werden,
Hettestu einen beherzten mut
Wie ich, du möchtest vöglin gut
Essen allzeit nach deinem lust.
Den hastu nit, darumb du must
Im kot da bei der erden bleiben,
Mit solcher speis dein zeit vertreiben."

Nit lang darnach floh der habich
Nach einer tauben; begab es sich,
Dass er vom bauren ward gefangen.
Der band in an ein lange stangen,
Setzt in zum scheuzel hoch aufs dach.
Sobald der gutzgauch das ersach,
Er sprach: "Freund, gut wers gwesen,
Dass du die würmlin hettest glesen
Und fremde vögel lassen fliegen,
So het man dich nit kont betriegen.
Ich wil mich mit den würmlin laben,
Ich sihe wol, gnesch wil schlege haben."

Guten fried und ein rusam leben
Haben, die sich zu frieden geben
In irem bruf mit einem gringen.
Denselben tut auch baß gelingen
Denn denen, die ir haut und har
Umb geldes willn setzen in far.
Den gets, wie hie dem habich gschicht,
Wie man in allen hendeln sicht,
Dass, der da ringt nach großer hab,
Erlanget nichts und bleibt schabab.
Der ander sitzt daheim gar stille
Und richtet sich nach Gottes willen:
Dem wird von Gott so vil beschert,
Dass er sich dennocht auch ernert.

Fabel 139
Vom Esel und dem Rinde

Der esel und ein rind all beid
Giengen zusamen an der weid;
Da horten sie on als gefer
In allen dörfern weit umbher
Mit alln glocken zu sturme leuten.
Der esel sprach: "Was mags bedeuten?"
Da antwort im dasselbig rind:
"Die feind vorwar fürhanden sind.
Lass uns beid mit einander fliehen,
Bis dass die feind fürüber ziehen.
Wo sie uns beid allhie ergreifen,
Müssen wir tanzen nach irer pfeifen;
Gefangen fürens uns davon,
Wer weiß, wie mags uns denn ergon!"
Da sprach zum rind der esel nun:
"Wiltu fliehen, das magstu tun!
Dir ist leid, dass du wirst erstochen
Und sie dich schinden, schlachten, kochen;
Für dem allem bin ich ganz frei.
Eins gilt mir gleich, geb wo ich sei.
Muss ich doch all mein lebetage
Holz, wasser, seck zur mülen tragen."

Hie werden glert die eigen knechte,
Dass sich nit wern mit widerfechten,
Zu einem andern herrn zu wandern,
Den einen geben umb den andern.
Denn wo sie kommen, müssen schaffen
Und von den herrn sich lassen strafen,
Doch also, dass sie haben acht,
Dass nit übel werd erger gmacht,
Und dass sie nit der letzte zwinge
Mer denn der erst zur arbeit tringe.
Darumb erwechst groß widerwill:
Des uns erfarnheit zeiget vil.

Fabel 140
Vom Fuchs und den Frauen

Von frauen, da es fasnacht war,
Kamen zamen ein große schar
In einem dorf; ein jede bedacht
Ein feiste henn ins wirtshaus bracht.
Die tetens in die gsellschaft geben,
Dass sie da möchten frölich leben:
Etlich die hetten sie gesotten,
Etlich gefüllt und wol gebraten.
Die aßen sie da in der still
Und machten des geschreis nit vil.
Da sprach ein fuchs, ders gsehen het:
"Fürwar, fürwar, wenn ich das tet,
All bauren liefen aus zu stund,
Im ganzen dorf blieb nicht ein hund,
Also rechte gram ist man mir."
Da sprach ein weib: "Du böses tier,
Wie redstu aus vermessenheit
Und machst der sach kein underscheit:
Die hüner, so wir zamen tragen,
Darüber hat niemand zu klagen,
Sie sein all von dem unsern kommen,
Hans weder gstolen noch genommen.
Was du aber frisst, das hast geraubt,
Und hat dir das niemand erlaubt.
Das unser han wir mit gutem gwissen,
Das dein tust wie ein dieb genießen."

Die fabel tut uns kürzlich leren,
Wir sölln uns von dem unsern neren,
Essen daheime, was wir han,
Lassen den leuten ir hüner gan.
Gottes gebot uns warnen tut,
Solln nicht begeren fremdes gut.
Damit geboten wird eim jeden,
Dass er sol sein mit dem zufrieden,
Was im Gott hat aus gnaden geben;
Das gehört zum gottseligen leben.


Fabel 141
Vom feißten und magern Caponen
(Poularde)

Ein reicher man het vil capon
Zusamen in ein korb geton;
Denselbigen der knecht zutrug
Gersten, und gab in essens gnug.
Die wurden feißt und namen zu
Allsam biss gar auf einen nu;
Der aß auch vil, blieb dennoch mager,
Den woltens stoßen aus dem lager,
Ward von sein brüdern gar veracht.
Es gieng hin gegen der fasnacht,
Da sprach der herr: "Was kan es schaden?
Ich wil mein freundschaft zamen laden
Und frölich sein mit meinen gesten.
Koch, nem von den capon die besten,
Die feißten, dass wir sie entleiben,
Und lass die magern dinnen bleiben."
Ein feißter capon das erhort,
Vergeht den andern dise wort
Und sprach: "Wir haben uns beladen
Mit speis zu unserm großen schaden,
Zu unserm schaden und verderben:
Wir feißten müssen alle sterben.
O wol dem, der noch mager ist!
Der hat im korb noch lenger frist."

Die fabel ist zum trost bedacht
Und den armen zu gut gemacht,
Dass sie sich stets des trösten söllen,
Sie ir leben nit dürfen stellen
In far, zu werben zeitlich gut,
Wie mancher reicher kaufman tut.
Dem armen man tut niemand borgen,
Drumb darf nit für bezalung sorgen
Und ist mit keiner müe behaft,
Darf auch nicht großer rechenschaft.
Im evangelio man list,
Dass, dem da vil befolhen ist,
Von dem wird auch gefordert vil.
Darumb ich so beschließen wil:
Was einr nicht hat in disem leben,
Davon darf keine rechnung geben.

Fabel 142
Vom Balken und den Ochsen

Ein ellern balk tet kleglich klagen
Uber die ochsen, die in zogen,
Und sprach: "Ir seid undankbar tier,
Unbarmlich handelt ir mit mir
Und zieht mich hin on alle gnad
Uber stock und stein, durch tiefen kot.
Das tut mich warlich ser verdrießen,
Und ir mich nicht lassen genießen,
Dass ich euch fast eur ganzes leben
Von meinen blettern z'essen geben."
Da sprach ein ochs: "Du sihst je wol,
Wie man uns schleht die haut so voll:
Unser seufzen solt dich je lern,
Dass wir dich ziehen ganz ungern."
Sobald der balk hort ir unschult,
Het er auch mit den ochsen gedult.

Wir sollen uns nicht widersetzen
Den, die uns on irn willen letzen,
Und nicht verfolgen aus unmut
Den, der unwillig schaden tut.

Fabel 143
Von schönen und ungestalten Bäumen

Beinander wuchsen in eim wald
Vil bäum gar schön und wolgestalt,
Hoch, dass mans kont absehen kaum.
Daneben stund ein kleiner baum,
Ungleich, knorrecht, an ästen rauch,
Den nennten die andern bäum ein strauch.
Darumb dass er war kurz und klein,
Verechtlich must er sten allein.
Der herr hub, dem der wald zukam,
Ein neues haus zu bauen an,
Befalh, man solt im wald umbschauen,
Die schönen hohen bäum abhauen,
Damit das gebeu wurd aufgefürt.
Ob etwas da wer ungeziert
Und nicht zu seinem bau wer tüchtig,
Das möcht bleiben sten als nichtig.
Die zimmerleute giengen hin,
Teten nach ires herren sin,
Fellten die eichen und die tannen,
Beschlugens und brachtens von dannen.
Da blieb der klein allein bestan
Und sprach: "Sols diese meinung han,
Hab ich hernachmals nit zu klagen
Uber die natur und ir zu sagen,
Dass sie mich hat so klein erschaffen,
Weil man die großen so tut strafen.
Meiner ungeschlachte müß Gott walten,
Hat mich heut bei dem leben behalten."

Wir werden glert aus diesem gedicht,
Dass wir uns han zu beklagen nicht,
Ob wir misstellig von natur;
Dieweil oft wird die schönheit saur
Den schönen, und ir schöne gstalt
Machts in der jugent grau und alt.

Fabel 144
Vom Schwan und dem Storchen

Plinius schreibt, wie dass der schwan
Die art und eigenschaft sol han,
Dass, wenn er mit dem tod sol ringen,
So hebt er lieblich an zu singen.
Das hört der storch und trat hinzu,
Sprach: "Lieber freund, was tustu nu?
Wilt dich jetzt erst in freuden üben,
Da du dich billich soltst betrüben,
Weil sunst all tier dahin geneigt,
Wenn sich der tod an in erzeigt,
Dass sie für angst und leid verschwinden,
Wenn sie des todes schmerz empfinden."
Da sprach der schwan: "Hei, bruder, nein;
Warumb solt ich jetzt traurig sein,
Weil ich mein zeit erfüllet hab
Und kum jetzt aller unlüst ab?
Mich wird des weidmans strick nit worgen;
Auch darf ich für die speis nit sorgen
Und far in gutem fried dahin:
Drumb billich sing und frölich bin."

Fürwar, wenn man es wol bedecht,
Was nutzes uns der tod einbrecht,
Der allen unfall dannen reumt,
Dass uns kein fel noch krankheit seumt,
Uns auch kein feind mer schaden mag,
Solt uns billch nach demselben tag
Mit großer gier herzlich verlangen,
Und in mit aller freud empfangen.

Fabel 145
Von einer Frauen, die iren sterbenden Man beweinet

Es war ein mal ein junges weib,
Gar wolgetan und schön von leib,
Dieselb het auch ein jungen man;
Den kam ein eilend krankheit an,
Dass er sich legen must zu bet.
Die krankheit in fast engsten tet,
Dass er auch mit dem tode facht.
Den het die frau in guter acht,
Betrübt sich des so mechtig ser,
Dass sie auch kaum kunt reden mer.
Da sprach ir vatter: "Tochter mein,
Bitt, wöllest nit so traurig sein.
Würd dir jetzt schon der man absterben,
Ich wolt dir umb ein andern werben.
Ich weiß auch, dass derselb für allen
Dir baß denn diser solt gefallen
Und dich wol bald also gewehnen,
Dass dich nit darfst nach disem sehnen."

Darab erzörnt die junge frau
Und sprach zum vatter: "Auf mein treu,
Ir seht, ich bin betrübtes herzen;
Dennoch vermert ir mir den schmerzen,
Dass ir mir sagt vom andern man:
Das wort ich zwar nit hören kan,
Dass aus meins kranken mannes liebe
Ich mich gar herzlich ser betrübe."
Bald tet derselbig man verscheiden,
Darab der frauen herzlich leiden
Mit traurigkeit ward ser vermert,
Wie uns die folgend tat belert.
Mit weinen sie den man beklagt,
Daneben auch irn vatter fragt
Und sprach: "Ich bitt, mir sagen wöllen,
Wie ists umb den jungen gesellen,
Von dem ir heut gesaget hat?
Ist er auch hie in diser stadt?
Ir seht, wo mich der schuh jetzt drückt,
Ob ich meins leids möcht werden erquickt."

Hie mag man sehen, wie die frauen
Ir männer meinen mit all trauen.
Bei dem sie zwenzig jar gesessen,
Könnens in einer stund vergessen;
Doch wissens vil davon zu waschen.
Ist gleich, als wenn einr kauft ein taschen
Und braucht sie lang, biss sie wird alt
Und im on all gefar entfallt,
Get hin zum krämer, kauft ein neu:
So ists auch um der frauen reu,
Wenn in die männer sterben ab,
Wie ich oftmals gesehen hab.

Wie man sunst von einer andern sagt,
Welch auch irn toten man beklagt,
Der am karfreitag war verscheiden,
Drumb sie sich müt mit großem leiden.
Ir mutter tröstet sie und sprach:
"Mein tochter, lass das trauren nach,
Was gschehen ist, das ist geschehen.
Wil dir einst umb ein andern sehen,
Dass du dich trösten mögst damit."
Sie sprach: "Vor disen ostern nit!
Er hat mirs herz also besessen,
Dass ichs nit kan so bald vergessen."

Davon ich jetzt nit mer wil sagen;
Ich förcht, sie möchten mich verklagen
Und so ir ungunst auf mich laden.
Besser, dass ich mich hüt für schaden,
Behalt der frauen gunst und huld,
Denn dass ich wurd von in beschuldt
Als der nit anderst het zu schaffen,
Künt nichts denn nur die frauen strafen.
Wiewol die feder jetzt gern wolt,
Dass ich von in mer schreiben solt,
Dass sie gut sein zu bösen sachen,
Irs gfallens können weinen, lachen,
Unbstendig, gschwetzig, schnell zu liegen,
Mit behendigkeit den man betriegen:
Das wil ich jetzund alles sparn;
Mir ist schier allzu vil entfarn.

Fabel 146
Vom Weibe, die ires Bulen Abzug beweinet

Man sagt von einem geilen weib,
Die het iren unkeuschen leib
Mit einem jungen gselln vermischt
Und im schier alles abgewischt,
Als gelt und gut het im die braut
Abtrieben sonder wörmekraut;
Im ward vom selben bad und hitz
Sein kleid gar dünn, der seckel spitz.
Als er nun scheiden must von ir,
Weinet sie aus der maßen ser,
Wolt sich von niemand trösten lassen.
Ir gspiele fraget sie: "Was maßen
Weinstu so ser? Lass disen wandern;
Get er heut, morgen krigst ein andern."
Sie sprach: "Ich sihe, du soltst wol meinen,
Dass ich sein abschied solt beweinen?
Nein zwar, des bin ich herzlich fro.
Sondern er hat ein mantel do,
Dass ich im den nit mag abrauben,
Er dient mir wol zu einer schauben,
Dass ich im den so lassen muss,
Ist mir vorwar ein schwere buß."

Die fabel lert, dass huren art
Von end der welt noch nie gut wart.
Daran gedenk ein junger gsell,
Der solche frauen bulen wöll,
Dass er sich solcher bulschaft scheme
Und zu der ee im eine neme,
Die in für augen helt alleine;
Bei den andern findt er keine.
Gott geb, sie han sich, wie sie wöllen,
So darfstu in nicht glauben stellen.
So lang du hast gab oder gelt,
So lang sie etwas von dir helt
Und hat dich lieb zu allen zeiten,
Sonderlich aber auf der seiten,
Da dir die tasche pflegt zu hangen:
Darnach hats tag und nacht verlangen.
Wenn sie dir die hat ausgereumt,
Sie dich bei jederman verleumdt;
Darnach schleht sie dich in das gras.
Denn sagst: was falscher lieb ist das!
Ein süßes liedlin sie dir singt
So lang als dir der pfenning klingt;
Hast nit mer gelt, fürüber trab!
Ein andern her! der ist schabab.
So get die welt jetzt auf und ab.

Fabel 147
Von der Fliegen

Vier pferde zohen einen wagen,
Die tet der furman weidlich jagen,
Also dass vom emsigen traben
Ein großer staub sich het erhaben.
Und auf dem wagen saß ein fliegen,
Die hub gar weidlich an zu liegen,
Sie sprach: "Ir leut, seht zu, habt acht,
Den großen staub hab ich gemacht!"

Die fabel ist auf die gesellen,
Die sich mit liegen rümen wöllen;
Was ander leut tetigs betreiben,
Das wöllen sie in selb zuschreiben.
Damit sie sich vil mer beflecken
Und in der lügen bleiben stecken.
Der rosdreck, als er geflossen kam
Und undern schönen äpfeln schwam,
Het er sich nicht zum apfel gmacht,
Er wer wol blieben unbelacht.

Fabel 148
Vom Ael und der Schlangen

Es sprach der ael zu einer schlangen:
"Wie komts, dass mich die leut so fangen,
Und du und ich sind einer moß,
An leng und dick schier gleiche groß,
Und doch kein fischer auf dich helt,
Mit angeln oder reusen stellt?"
Da sprach die schlang: "Hör, wies zuget:
Wer mich zu fahen understet,
Sich mir mit frevel widersetzt,
Der bsorgt sich, dass er werd verletzt
Von mir, derhalb tut er mir nit:
Darumb han wir all beide fried."

Wenn einer sihet ein bösen man,
Den get nicht leichtlich feindlich an,
Besorgt sich, dass er in auch zwack,
Und denkt, er hab auch stahl im sack.
Wer einen wil freventlich letzen,
Der muss so vil entgegen setzen.
Zwei messer, gleiche scharpf all beid,
Helt eins das ander in der scheid.

Fabel 149
Vom Esel, Affen und Maulwerf

Der esel sich beklagen tet
Gar ser, dass er kein hörner het,
Derhalb man in stets werlos find.
Der aff sprach: "Sih, was mir zerrinnt!
Wiewol ich hab mein glider ganz,
Doch felt mirs hinden an dem schwanz,
Damit möcht ich mein scham bedecken
Und des sommers die fliegen schrecken.
Ich mags wol mit der warheit jehen,
Wir sind beid gar übel versehen
Von der natur, die an uns hat
Vergessen solch nützen vorrat!"
Der maulwerf sprach: "Ir tollen tier,
Seht, was gebrechens ist an mir!
Ir habt fürwar zu klagen nicht,
Ir habt eur glider und gesicht.
Dasselb euch wol ergetzen mag,
Dass ir mögt sehn den hellen tag,
Welchs mir nun nimmermer erlaubt,
Ewig bin ich meins gsichts beraubt.
Drumb schweiget ir und lasst eur klagen:
Solch übel muss mein leben tragen."

Dies ist gsagt eigentlich zu denen,
Die sich nach fremder berufung sehnen,
Mit irm eigen wesen und leben
Können sich nit zu frieden geben.
Dieselben sein gleich wie die affen,
Die auf eins andern wesen gaffen,
Eins fremden berufs sie sich vermessen,
Damit irs eigen tuns vergessen.
In irm beruf ist in gar ant,
Suchen allzeit ein bessern stant,
Iren fürwitz damit zu laben.
Wenn sie sich denn verneuert haben,
Findens daselben großen greuel,
Zuletzt komt über sie der reuel,
Wenns kommen zu größerm unglück,
Und mögen dennoch nit zurück.
Denn woltens, dass sie weren blieben
Und ir gewerb mit fleiß getrieben.
Drumb rat ich eim jedern bei leib,
Dass er in seiner berufung bleib
Und hab der acht zu allen zeiten:
So bstet er für Gott und den leuten.
Der fürwitz uns so ser geheit,
Verblendet also gar die leut,
Dass über sein ampt ein jeder klagt,
Wie der poet davon auch sagt.
Ein jeden dunkt, seins nachbaurn flachse
Vil besser denn der sein aufwachse,
Und dass seins nachbaurn ku allzeit
Vil mer milch denn die seine geit.

Fabel 150
Von Schiffleuten, welche in Nöten die Heiligen
anriefen


Es warn einsmals auf eine zeit
In einem schiff vilerlei leut
Zusamen auf dem wilden mer:
Den kam eilends ein sturm dort her;
Mit großem wind tet weidlich sausen,
Gar grausamlichen einher brausen,
Als ob ers wolt gar underdrücken
Und zerschlagen zu allen stücken.
Als sie nun waren in den wagen,
Den tot für iren augen sahen,
Da rief der ein sanct Barbarn an,
Sanct Niclas und sanct Kilian,
Sanct Adolf, den großen seefarn,
Sanct Clementen tetens nit sparn,
Und wer sonst ein heilgen tet kennen
Oder in mit namen wist zu nennen,
Den riefens an in solchen nöten,
Welch sie daselb vor augen hetten.

Da sprach der schiffherr zu in allen:
"Eurs bittens trag ich kein gefallen,
Denn ir bittet ganz unbedacht.
Die heiligen haben keine macht,
Sie habens denn von Gott erbeten.
E denn sie samtlich zu im treten
Und durch ir fürbitt hilf erlangen,
Dieweil ist es umb uns ergangen,
Mögen dieweil wol all ertrinken
Und in des meres grund versinken.
Drumb rufet Gott an allesant,
Der heilgen hilf ist lauter tant.
Gott ists allein, der helfen kan:
Den rufen wir in nöten an."
Sie folgten all des schiffherrn ler,
Riefen Gott fleißig an, dass er
Ir bitt wolt gnediglich entpfahn,
Ir not im lan zu herzen gan
Und in gnediglich hilf verleihen,
Sie aus des todes nöten freien.
Gar bald geschahs; nach irem willen
Tet sich der wind und wasser stillen.

Dies gspräch ist wider die papisten,
Die sein die rechten widerchristen,
Die Gott wol bei dem namen kennen
Und mit dem mund ein vatter nennen,
Sprechen: den rechten Gott wir meinen;
Doch mit der tat in stracks verneinen,
Und ist ir herz gar weit davon,
Wie das anzeiget all ir tun;
Leren, man sol der heilgen fürbit
In keinem weg verachten nit,
Sie ern mit feiren, fasten, beten,
Sie können uns für Gott vortreten,
Welchs doch die gröst Gottslesterung,
So reden mag menschliche zung,
Dass man Gotts werk der creatur
Zuschreib und einem menschen pur.
Denn Gott hat gsetzt sein lieben son
Neben sich in den höchsten tron,
Uber himmel, erden, tot und leben
Alln göttlichen gewalt gegeben,
Und auf der höhe des bergs Tabor
Befalh er, dass man im gehör
In allen nöten geben solt.
Drumb spricht auch Christus, dass er wolt
In aller not, angst und elend
Bei uns sein bis an der welt end.
Das wölln wir im als christen glauben
Und im sein herrlichkeit nicht rauben,
Wie die tollen papisten pflegen,
Die uns mit totenbein wölln segen.
Die lass man faren, wer sie sind,
In Gottes sachen sind sie blind.
Wir wöllen uns an Christum halten
Und über uns in lassen walten.
Er ist der fels; wer auf in baut
Und seiner göttlichen hilf vertraut,
Der ist erlöst aus aller not
Und sicher vorm ewigen tod.