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Fabeln 151 - 181
 

Von Fischen, die aus der Pfannen sprungen
Von Tieren, Vögelen und Fischen
Vom kargen Legaten und den Spielleuten
Von einem Cardinal und seinem Freunde
Wie ein Jüngling ein alten Man belacht
Von einem unvorsichtigen Alten
Vom Adlar und der Atzeln
Vom Bauren und einer Maus
Vom Krametvogel und der Schwalben
Von einem Kleusener
Vom reichen Man und seinem Knechte
Von den Stadt- und Dorfhunden

Vom alten Weibe und dem Teufel
Von der Schnecken und den Fröschen
Von der Ratzen und einer Eichen
Vom Hund und seinem Herrn
Von Vögeln und Kefern
Vom Beren und den Binen

Von einem Reuter und seinem Pferd
Von der Sau und einem Stauber
Vom Knaben und einem Stiglitz
Vom Weidman und einem Sperling
Vom Balken und den Ochsen
Vom Bischof und einem Lotterbuben
Von der Widhopfen
Vom Pfaffen und den Birn
Von der Sau und einem Pferd
Vom Cartenser und Landsknecht
Vom Witwer und Witwen
Vom Wachs

Fabel 151
Von Fischen, die aus der Pfannen sprungen

Klein fischlin het einsmals ein koch,
Die waren frisch und lebten noch,
Warfs in ein pfann mit heißem schmalz
Und tat dazu ein wenig salz.
Da sprach einer von denselben fischen:
"Liebe brüder, lasst uns hin wischen
Und springen hin aus diser pfannen:
Das heiße schmalz wird uns sunst zannen."
Sie sprungen allesam eintrechtig
Aus der pfannen ins feur mechtig.
Wie sie das feur fast brennen tet,
Ir rat sie bald gerauen het,
Sprachen: "Wir sein eim kleinen schaden
Entgan und han auf uns geladen
Ein größer pein und das verderben:
Mit schmerzen müssen wir all sterben."

Wenn wir fallen in ungelücke,
Solln wir uns wissen recht zu schicke,
Dass wir nicht, wenn wir fliehen wöllen,
Ein klein unglück eim größern stellen,
Als, wenn wir wölln ein kleines meiden,
Fallen in ein vil größer leiden.
Wer oft dem regen wil entlaufen,
Im großen wasser tut ersaufen,
Wer die Caribd entfliehen wil,
Der fellt gemeinlich in die Cill.

Fabel 152
Von Tieren, Vögelen und Fischen

Es gschah einsmals auf eine zeit,
Hub sich ein großer böser streit;
Die vögel über die tier klagten,
Mit einem feindsbrief in absagten.
Sie wolten zu gelegnen zeiten
Sich rüsten, wider sie zu streiten.
Des erschracken gar ser die tier
Und sprachen: "Sollen streiten wir
Mit den vögeln so hoch dort oben,
Die schlacht wir schon verloren haben."
Der biber sprach: "Wölt nicht verzagen!
Ich wil euch meine meinung sagen:
Die fisch im wasser sind behend,
Können schwimmen an alle end:
Mit den wölln wir in disen sachen
Ein frieden und verbündnus machen;
Wenn wir die han auf unser seiten,
Wölln wir die vögel wol bestreiten."

Sie schickten hin zur selben stund
Und machten mit in ein verbund,
Dass sie es solten helfen retten
Und zu in in den nöten treten.
Die fische namen an den pact
Und versiegelten den contract:
Sie solten sich als guts versehen;
Wurd in etwas zuwidern gschehen,
Soltens bei zeiten zeigen an,
Sie wolten treulich bei in stan.
Boten den vögeln an die schlacht;
Die rüsten sich mit aller macht,
Hoch in der luft ein großes her,
Stellten sich dapfer zu der wer.
Die tier zohen heufig zu feld
Und schlugen da auf ire zelt,
Wolten die wagenburg nicht reumen,
Schickten zun fischen ohne seumen,
Dass sie bald wolten ausher laufen
Und machen den verlornen haufen,
Das wer ir bitt und höchst begern,
Denn jetzt die feind fürhanden wern.
Da antworten dieselben fisch:
Zu lande weren sie nicht risch,
Sie könten weder gen noch reiten,
Könten auch nicht zu felde streiten;
Zu wasser wöllns tun, was sie söllen:
Darnach möchtens ir ordnung stellen.
Solchs ward den tieren angesagt;
Da warens an in selbst verzagt,
Dorften sich raus begeben nit,
Drumb suchtens bei den feinden fried.

Du solt mit den nicht freundschaft machen,
Die in widerwertigen sachen,
Wenn dich der feind gedenkt zu letzen,
Mit keinem trost mögen entsetzen,
Sondern hilf suchen bei dem man,
Der dich in nöten retten kan.

Fabel 153
Vom kargen Legaten und den Spielleuten

Es war ein legat ausgesant
Vom fürsten in ein fremdes lant.
Dasselb etlich spielleut vernamen,
Im für zu pfeifen zu im kamen,
Seinen unmut damit zu stillen
Und mit seim gelt ir seckel füllen.
Als das vermerkt derselb legat,
Durch sein diener die spielleut bat,
Dass sie jetzt wolten von im bleiben,
Es wer nicht zeit, kurzweil zu treiben,
In freuden könt er sich nicht üben,
Billich müst er sich ser betrüben;
Denn im wer jetzund zeitung kommen,
Hets auch warhaft durch schrift vernommen,
Welch im erst heut wer kommen her,
Dass im sein mutter gstorben wer.

Als solchs erhorten die spielleut,
Sprachen: "Allhie werden wir heut
Zwar kein großes trinkgelt gewinnen,
Gut ist's, wir machen uns von hinnen."
In dem ein ander gast kam dar,
Der dem legaten gfreundet war.
Wie er sein trauren het gehort,
Wolt im geben ein tröstlich wort
Und sprach: "Wie ich vernommen hab,
Ist euch eur mutter gstorben ab.
Nun sagt mir doch, wenn ist's geschehen
Und ir sie habt zuletst gesehen?"
Er sprach: "Ich muss euch sagen zwar,
Es ist jetzund wol vierzig jar,
Dass mir mein liebe mutter starb,
In einer pestilenz verdarb."
Da lacht der freunt und merket wol,
Dass der legat war listen voll
Und het sich drumb traurig gestellt,
Dass er behalten möcht sein gelt.

Die kargen sein also geflißen,
Dass ir auch niemand kan genießen:
Zu werben brauchens list und sinne,
Wie sie nur mögen gelt gewinnen.
Wenn sie's mit müe versamlet han,
Gar schwerlich mögen sie davon
Und lassens wol einer lügen walten,
Dass sie mögen ir gelt behalten.

Fabel 154
Von einem Cardinal und seinem Freunde

Es ward ein doctor auf ein mal
Zu Rom erwelt zum cardinal,
Vom bapst zu solcher herlichkeit
Berufen durch sein gschicklichkeit.
Der het ein kurzweiligen frünt;
Als dem dasselbig ward verkündt,
Dass der doctor gekoren wer
Zum cardinal, ein großer herr,
Im zu wünschen da zu im trat
Glück, heil zu solchem großen stat.
Wie in der cardinal ersach,
Mit hönschen worten zu im sprach:
"Freunt, sagt, woher tut ir mich kennen,
Dass ir mich jetzt mit namen nennen?"

Nicht lang der man bedachte sich
Und antwort im ganz lecherlich
Und sprach: "Erwirdigster singor,
Groß mitleiden hab ich verwor
Mit eur person und irem gleiche.
So bald ir werdt aus armen reiche,
Dass man euch gnedige herren nennt,
Zuhand sich keiner selber kennt.
So werdt ir durch hoffart betaubt
Und all eur sinne gar beraubt,
Und so gar jemerlich verblendt,
Dass ir eur beste freund nicht kennt."

Hoffart ist solch ein große plag,
Dass mans nit gnug aussprechen mag,
Und tut die leut so gar betören,
Dass in verget beid sehn und hören.
Die kinder, wenn sie hoch gedeihen
Und in Gott reichtum tut verleihen,
Tut sie der hohmut undernemen,
Dass sie sich irer eltern schemen.
Ein ander geschicht muss hie anzeigen,
Ist diesem ganz und gar entgegen.

Man list von eim Alberto Magno,
Dem hochgelerten philosopho,
Ein schwab, geborn von Lauingen,
Kam durch sein kunst zu hohen dingen,
Bischof zu Regenspurg erkorn.
Weil er nun nicht war edel geborn,
Schemt er sich doch seiner eltern nit:
Er schickt nach in, befalh damit,
Dass man in brechte ros und wagen,
Und ließ in auch daneben sagen
Von seiner er und fürstenstant,
Wer ein bischof, het leut und lant.
Die botschaft sie mit freud annamen,
On alles seumen zu im kamen.
Aus guter meinung dies bedachten,
Dass sie in gute kleider machten,
Dass sie vor solchem großen herrn
Gekleidet giengen auch zun ern.
Da er sie nun all beid ansach,
Mit hartem ernst zu inen sprach:
"Was vor leut, und woher seid ir,
Dass ir so kummen rein zu mir?"
Die mutter sprach mit vilen zehren:
"Warumb habt ir uns tun begeren,
Dass ir uns nit baß wolten kennen?"
Er sprach: "Ich weiß euch nicht zu nennen."
Sie antwort bald: "Ich armes weib,
Ich hab euch ja in meinem leib
Getragen, mit den brüsten gseugt,
Mein mütterliches herz erzeigt.
Und disen man, mein lieben alten,
Solt ir billch für eurn vatter halten."
Der bischof sprach: "Nein, auf mein treu!
Mein mutter war ein arme frau,
Ein armer müller mein vatter war,
Mit staub und klei besteubet gar,
Nert sich seinr teglichen arbeit,
War nicht mit lündschem tuch gekleidt."
Da giengens bald von im hinab,
Legten die guten kleider ab,
Ir alte häß wider anlegten,
Darin sie zu arbeiten pflegten,
Und kamen für den bischof wider.
Da bücket er sich für in nider
Und nams für seine eltern an.
Des sich verwundert jederman,
Dass in solch er und hohe gaben
Zur hoffart nicht hetten erhaben,
Sein armen eltern alle güt
Erzeigt aus einfeltigem gmüt
Nach forderung der zehen gbot,
Die Gott uns allen geben hat.

Fabel 155
Wie ein Jüngling ein alten Man belacht

Jetzt ists in aller welt gemein,
Den großen oft belacht der klein,
Wenn er an im nur siht ein feil,
Der im wird selber oft zu teil,
Und e er sich hütet darfür,
So helts im selber vor der tür.
Desgleich von einem jungen gschach,
Der einen alten man ersach,
Welcher vor alter sich must bucken,
Als het er bogen auf dem rucken.
Den tet derselbig jüngling fragen,
Sprach: "Wie teur gebt ir mir den bogen,
Den ir auf eurem rucken tragt?"
Da antwort im der alt und sagt:
"Ei, lieber son, dein gelt halt in
Auf größern frummen und gewin.
Wie woltstus so unnütz hingeben?
Wirdstu auch achtzig jar erleben,
Solt wol ein bogn umbsunst bekummen,
Der wird dich gleich wie mich jetzt krummen."

Man sol die alten nicht belachen
Oder zu eim spotvogel machen,
Weil niemand, den die jar betagen,
Des alters unlust kan abtragen,
On der keiner alten jar wil denken,
Lass sich frisch in der jugent henken.

Fabel 156
Von einem unvorsichtigen Alten

Von eim unvorsichtigen alten
Sagt man, der het sich lang enthalten
Keusch, bis er ward siebenzigjärig,
Runzlecht und umb den kopf grauhärig.
Der nam ein dirn von achtzehen jarn
Zur ee; da sie beinander warn,
Und er die pflicht geleisten solt
Und kunt doch nicht, so vil sie wolt,
Sprach er: "Ich sihe wol, wie sichs helt,
Mein leben hab ich übel bstellt:
In meiner jugent het kein weib
Zu notturft und zur zeitvertreib;
Jetzt ists auch widersinns getan
Und hat mein weib auch keinen man."

Ein jedes ding krigt rechten bscheit,
Wenn als geschicht zu rechter zeit;
Ja, wer solchs alles wol verstünd,
Die rechte zeit stets treffen künt,
Wist sich stets in die zeit zu schicken,
Dem müsts in allen sachen glücken.

Fabel 157
Vom Adlar und der Atzeln

Die atzel einst den adlar bat,
Sprach: "Nemt mich doch in euern rat,
Und wöllet mich einschreiben lassen
Under eur freund und hausgenossen;
Das wil ich stets mit treu und hulden
Gegen euch und die eurn verschulden.
Ja, wenn ir's recht zu herz wölt nemen,
So habt ir euch mein nicht zu schemen;
Die geteilten federn schon an mir
Dienen zum schmuck und hofes zier;
Bin auch geschwetzig und wol beredt:
Wenn ir mir etwas bfelhen tet,
Wolt ich keins schweigens mich anmaßen,
Fürm maul kein spinnweb wachsen lassen."
Der adlar sprach: "Das tet ich gern,
Ich het mich aber zu befern,
Was heimlich geredt wird in dem haus,
Das brächtst bei allen nachbaurn aus."

Wer schwetzer und die orenbläser,
Die flaumstreicher und federleser
Bei sich im hause wonen lässt,
Der het fürwar auch gerne gäst.

Fabel 158
Vom Bauren und einer Maus

In einem dörflin saß ein baur,
Dem ward für großer armut saur
Sein leben und von kummer schwer;
Doch war er aus der maßen ser
Kurzweilig, sein lecherlich boßen
Im unglück nicht kont underlassen.
Demselben ward sein armes haus
Mit feur anzündt, dass er lief draus;
Und wie er's nicht erretten kunt,
Wärmt sich und mit den andern stund,
Sahs an; verlorn war all sein hoffen.
Ein meuslin kam bald ausher gschloffen,
Dacht auch zu fliehen solchen brand;
Der baur erwischts mit seiner hand
Und sprach: "Du bös, undankbar tier,
Weils wolgieng, bliebstu stets bei mir,
Jetzt fleuhst von mir im ungeheur!"
Bald warf er's in dasselbig feur.

Die fabel gibt uns underscheid
Zwischen freunden in lieb und leid:
Kein falscher freund nimmer bestet
In not, wenns an ein treffen get;
Welcher aber, wenns glück hinfellt,
Fest, tapfer bei seim freunde helt
In nöten wie ein biderman,
Den sol man setzen oben an.

Fabel 159
Vom Krametvogel und der Schwalben

Der krametvogel rümt sich ser
Und rechnets im zu großer er,
Wie er kundschaft und wonung halben
Freundlich geschwetzet mit der schwalben,
Welch im het globt und zugesagt,
So fern ims gliebt und selber bhagt,
Und dass er's auch anseh fürs best,
Solt bei ir wonen in irm nest.
Sein mutter sprach: "Du toller tor,
Wie nimstus jetzt so nerrisch vor?
Weist selb nicht, wie sichs mit dir helt:
Du bist erzohen in der kelt,
Wonst auf grünem wachholderstrauch;
So sitzt die schwalb im warmen rauch:
Du aber kanst kein hitz erleiden,
Drumb werdt ir euch bald müssen scheiden."

Du solt mit dem nit freundschaft machen
In gringen noch in großen sachen,
Auch solt dich nicht zu im gesellen,
Den sitten und leben von dir stellen.
Darumb mach dich nur dem gemein,
Des sin mit dir stimmt überein;
Gelert bei glert und reich bei reich:
Denn gleiche ochsen ziehen gleich.

Fabel 160
Von einem Kleusener

Die erfarnheit lert jederman,
Wies der natur ist angetan,
Das sie bei paren komen zamen,
Sich meren müssen und besamen,
Alles, was underm himmel lebt;
Und wer demselben widerstrebt,
Der widerstrebt Gotts ordenung,
Die er setzt über alt und jung.
Wer sich davon absondern wil,
Derselb entpfindt oft unglücks vil
Und bringt sich selb in ungemach,
Wie einst eim jungen gsellen gschach.

Der gab sich jung in ein waldkloster:
Daselben war es selten ostern,
Und zimt mit keuschheit seinen leib,
Dass er noch sahe noch rürt kein weib.
Wolt so sein zeit zubringen gar.
Er kam ins fünf und zwenzigst jar,
Das er bis an die selbig zeit
Von solcher sünd sich het gefreit.
Da hubs an und in hart anfacht
Seins vatters unglück tag und nacht,
Dass er dafür kein rue nit het,
So krank ward, dass er lag zu bett.
Man sahe, dass nicht die krankheit scherzt.

Da wurden gfordert gute erzt,
Von seinen freunden fleißig gebeten,
Dass nach vermög den kranken retten,
Brauchten, was sie hetten erfarn,
Sie wolten dran kein gelt nicht sparn.
Die erzte sprachen: "Er hat den geil:
Es hilft kein kraut für disen feil,
Denn dass man heimlich kommen hieß
Ein frau, die im ein ader ließ."
Er sprach: "Ee ich ein weib einlass,
Solt mir auch nimmer werden baß,
Dass sie mir meinen leib anrür,
Den tot kies ich lieber dafür."
Zuletst mit bitt ward überwunden
Von den freunden, die umb in stunden;
Auch dass er retten möcht das leben,
Tet sich zuletst darin begeben.
Da ward im auf dieselbig nacht
Ein junge frau hinein gebracht.
Da schlief er süß in irem schoß,
Dass ir beid knie auch wurden bloß.
Wie er erwacht und morgens tagt,
Mit weinen er sein kummer klagt,
Für schmerzen so vil zäher flossen,
Das im sein angsicht nass begossen,
So milt, als ob es wer geharmt,
Das all sein freund gar ser erbarmt,
Sprachen, er solt lassen die zähr,
Sich nicht bekümmern all zu ser,
Denn Gott wer gnedig, auch wol wust,
Dass er daran gesucht kein lust:
Allein von seiner krankheit zu gnesen,
Het er ein solche metten glesen.
Da sprach der gsell: "Ach nein! ach nein!
Dasselb ich warlich nicht bewein,
Sondern dass ich ein junger knab,
Und doch nicht e geschmecket hab
Solch große freud und süßigkeit,
Das bewein ich jetzt und ist mir leid."

Ja wenn ein mensch verbieten wolt,
Dass im winter nit schneien solt,
Und dass im meien nit solt floren,
Der wer ein narr für allen toren.
Und der ein rappen weiß wolt baden,
Tut unnütz arbeit auf sich laden.
Wenn man wil die natur verbieten,
So tut sie zweimal serer wüten:
Verlorn ist's: art lässt nicht von art,
Lang fasten ist nicht brot gespart.

Fabel 161
Vom reichen Man und seinem Knechte

Es het ein reicher man ein knecht,
Der war einfeltig und ganz schlecht,
In allen sachen gar unendig
Und auszurichten unverstendig.
Derhalb sein herr war ungeschlömig,
Nennt in allzeit ein narrenkönig:
Mit solchem gspött in oft anfacht.
Zuletzt er auch bei im bedacht:
Mein herr tut mich ein narren schelten,
Ich muss im's zwar einst widergelten!
Wie er in oft also anzannt,
Der knecht auch wider in ermannt
Und sprach: "Wolt Gott, mein lieber herr,
Dass ich der narrenkönig wer;
So wer auf erd kein königreich
An weit und größ dem meinen gleich,
Ir müst auch selb sein undertan
Und mich zu einem herren han."

Oft kumts, dass einer den andern straft,
Ist mit demselben fel behaft.
Nichts bessers, dass man sich erst zem
Und selber bei der nasen nem;
So darf man im nit werfen für
Und sprechen: ker für deiner tür!
Denn mancher ist also verrucht,
Ein andern in der kappen sucht,
Und helt in für ein rechten toren,
Steckt selber drin bis über d'oren.

Fabel 162
Von einer Witwen, eins Mans begirig

Ein reiche witwe gieng einst hin
Und bat ir nehste nachbeurin
Und sprach: "Ir seht, wie meine hab
Von tag zu tag nimt immer ab;
Darumb ich mich des nicht darf schemen,
Wider ein andern man zu nemen.
Nicht, dass mir zu dem tun sei gach,
Wie ir meint; nein, frag nit darnach.
Allein darumb gern einen het,
Dass er mein habe schützen tet."
Die frau merket irs herzen list
Und sprach: "Gebt mir ein wenig frist,
Wil euch aussehen einen man,
An dem ir solt ein gfallen han."

Nit lang darnach kam sie und sprach:
"Freut euch, es schickt sich wol die sach:
Wie ir begert, so ists geschehen.
Ich hab euch einen ausersehen,
Ist jung und schön, verstendig, fletig,
In sachen auszurichten tetig,
On das er hat kein männlich glider.
Denn ich wol weiß, ir seid so bider,
Dass ir nach solchem tun nit fragt,
Wie ir oft selber habt gesagt."
Sie sprach: "Du magst an galgen gan
Mit solchem unfreundlichen man!
Wiewol mich nicht das ding bewegt,
Welchs man zu nacht im bette pflegt,
So stets doch an eim manne wol,
Dass er hab, was er haben sol.
Und ich in auch derhalb nit nem,
Doch ob sichs begeb und dazu kem,
Dass er im zorn wider mich schnorrt
Und ich mit worten gegen morrt,
Dass er denn het bei im ein frünt,
Der uns wider versönen künt."

Der eestand zwischen frau und man
Mag keines wegs im fried bestan,
Es sei denn dass der freuden nagel,
An welchem hangt das under gagel,
Sie beiden fest zusamen haft:
Sonst get die lieb nicht in ir kraft:
Denn mert sich liebe, treu und zucht,
Wenn sie sehn ires standes frucht.

Fabel 163
Von den Stadt- und Dorfhunden

Etlich stadthund ein ebner stoß,
Die sahen einen dorfhund groß;
Dem liefens alle fleißig nach
Und jagten in, dieweil er floch
Und gegen sie nicht stellt zur wer.
Zuletst warf er sich rund umbher,
Weist in die zen, tet weidlich gnarren;
Da teten alle hund beharren
Und blieben all mit im bestan:
Ir keiner facht in weiter an.
Das sahe ein hauptman ongeferlich;
Er sprach zu seinen knechten: "Werlich,
Das spiel, wir sehen von den hunden,
Tut uns ermanen und erkunden,
Wenn wir an unser feinde ziehen,
Beherzet seien und nit fliehen."

Das unglück tut den e verheren,
Der fleuht, denn der sich denkt zu weren:
Denn wer da fleuht, denselben jagt
Ein jeder, wie das sprichwort sagt.

Fabel 164
Vom alten Weibe und dem Teufel

Aus der erfarnheit sich befindt,
Dass die menschen gemeinlich gsinnt,
Wenn ir fürnemen, wort und taten
In selb zu unglück tun geraten,
Dass sie dasselb dem unglück pflegen
Oder dem teufel zu zu legen.

Verdross ein mal den teufel gar,
Als er ward auf ein zeit gewar,
Dass ein alt weib nach frischen feigen
Auf einen hohen baum wolt steigen,
Und stellt sich eben zu den sachen,
Als obs ein groß gefäll wolt machen.
Das sahe der teufel zuvor gar eben,
Dass im darnach die schuld würd geben,
Dacht: dem wil ich vorkummen heute;
Rief zu sich etlich zeuges leute
Und sprach: "Seht zu, das alte weib
Steigt auf den baum und wagt irn leib,
Davon sie bald wird fallen rab.
Darumb ich euch gerufen hab,
Dass ir mir zeugen, dass sie hat
Dasselb getan on meinen rat,
Hinauf gestiegen so geschuht,
Es wird ir kommen nit zu gut."

Bald fiel das weib ein harten fall.
Die leut liefen zu all zumal,
Sprachen: "Wer macht dich so vermessen,
Dass du dein selber tust vergessen
Und dich einr solchen tat erwigst,
Also geschuht den baum aufstiegst?"
Sie sprach: "Der teufel gab mirs für."
Er sprach: "Das leugstu, alte hur!"
Mit den zeugen beweisen tet,
Dass ers ir nicht geraten het.
Zwar niemand fürzuwenden hat,
Zentschüldigen sein missetat,
Damit den teufel zu beschulden
Oder das glück zu verunhulden.

Drumb sihe dich für in deinem wandeln,
Tu nicht wider billichkeit handeln,
Gott nimmet kein entschüldung an,
Ein jeglich werk hat seinen lon.

Fabel 165
Von der Schnecken und den Fröschen

Es warn vil frösch in einer lachen,
Daselb teten sich frölich machen
Mit schreien, hupfen, schwimmen, fließen.
Das sahe ein schneck; es tets verdrießen,
Straft die natur, wie sie gefeilt,
Die gaben ungleich ausgeteilt,
Und sprach: "Selig sind solche tier,
Die haben langer beine vier,
Sein wol zu fuß mit fechten, ringen,
On stecken übern graben springen.
Aber ich muss kriechen, mich stets bucken,
Ein schwere last trag auf dem rucken,
Darunder ich muss stetes keichen,
Mein lebtag auf der erden schleichen."

Bald ward gewar dieselbig schnecken,
Da kam der storch und gunt sich strecken,
Von im wurden die frösch gestochen,
Dass sie sich hie und da verkrochen
Und niden in dem schlam verhel;
Da lagen große lange ael,
Für den die frösch sich musten scheuen.
Der schnecken tet ir red gereuen,
Gewann zuhand ein bessern mut.
"Ich sihe, mein buckel tut mir gut:
Den wil ich fürbaß lieber tragen,
Denn solt ich stets mein leben wagen."

Was uns in disem schwachen leben
Gott hat durch die natur gegeben,
Solln wir uns lassen wol gefallen;
Denn er ist klug und weis ob allen:
Wird oft zu unserm besten tan,
Das unser vernunft nit kan verstan.

Fabel 166
Von der Ratzen und einer Eichen

Vil ratzen hielten einst gemein,
Kamen eintrechtig überein,
Sprachen: "Da stet ein große eichen,
Davon wir unser speise reichen,
Und jetzund voller eckern stet,
Als ob sie weren drauf geset.
So kumt, lasst in uns undergraben,
Dass er fellt umb, wir futrung haben;
So darfen wir nit an den zweigen
Mit arbeit auf und abe steigen."

Dasselb erhört ein alte ratzen
Und sprach: "Das sein nur unnütz fratzen!
Lasst ab von solchem losen tant:
Solch rat uns schadet allesant.
Nicht mer denn dise eichen haben,
Die uns ernert und stets tut laben:
Wenn wir die jetzund werfen umb,
Und lass das jar denn umbher kum,
Denn seht, ob eins ein eckern findt
Für sich oder für seine kind.
Wenn wirs jetzt fellen und verachten,
Müssen wirs ander jar verschmachten."

Es sol allzeit ein weiser man
Vorbetrachten und achtung han,
Die ding allein bedenken nicht,
Die er gegen vor augen sicht,
Sondern auch was in künftige zeiten
Im begegnen möcht und an in reiten.
Selig, ders kan vorhin bedenken,
Der weiß sich im unglück zu lenken.

Fabel 167
Vom Hund und seinem Herrn

Es het ein man ein treuen hund:
Des morgens früe, wenn er aufstund,
Allzeit in selber speisen tet,
Auf dass er in dest lieber het;
So oft ern auch gebunden fand,
Löst er in auf mit seiner hand.
Der knecht in binden must und fahen
Und allen tag mit prügeln schlahen,
Auf dass er sehe, das bös im tet
Der knecht, das gut vom herren het.
Darumb der hund einst von im lief;
Sein herr jagt nach, den hund ergriff
Und sprach: "Du undankbarer schalk,
Ich hab dir selb gefüllt den balk
Und lieber ghabt denn ander hund,
Kein mal gebunden noch gewundt."
Der hund sprach: "Was der knecht hat tan,
Nem ich gleich wie vom herren an."

Wer schaden stift, ist gleich so gut,
Als der tatlich den schaden tut.
Wenn einer nicht wil, dass man es merk,
So macht er durchgestochen werk,
Wie jener man, der schlug die haut
Und traf im selben scherz die braut.


Fabel 168
Von Vögeln und Kefern

Vil roskefer in einem mist
Lagen, wie ir gewonheit ist,
Darin sie gar vil kugeln machten
Und all auf einen haufen brachten.
Des wurden alle vögel gwar,
Kamen zamen ein große schar.
Einr sprach: "Sihe, die roskefer haben
Uns zuwider einen wall gegraben,
Richten sich gegen uns zur schlacht,
Ein großen haufen kugeln gmacht,
Wölln nach uns werfen in die luft.
Geb, wen noch erst das unglück trifft!"
Der sperling sprach: "Verzagt nicht gar,
Es hat nicht halb so große far.
Wie wolten sie dieselben klöß,
Die in fast gleich sein an der größ,
Wider euch in die höhe erregen?
Könnens auf erden kaum bewegen."

Große forcht sollen wir nicht han
Für einem, der nicht schaden kan.
Komt wol, dass einer hat das gut,
Dennoch entzeuht im Gott den mut.
So hilft in das nicht überal;
Er weiß nicht, wie ers brauchen sol.

Fabel 169
Vom Beren und den Binen

Der ber ein binenkorb besach,
Ein bin floh zu, den beren stach.
Er ward zornig, mit seinen tatzen
Tet er den korb zu stücken kratzen.
Des wurden all die bin gewar.
Als sie sahen zerrissen gar
Ir baus, und all ir kind getött,
Ir speis und narung gar verschütt,
Verdorben waren und ganz arm,
Furen sie zu in einem schwarm,
Stachen eintrechtig in den beren;
Het lieber möcht den tot begeren.
Er ward an allen vieren lam,
Kaum wider zu im selber kam,
Sprach: "Het ich doch der rach vergessen,
Den einen stich in mich gefressen,
Wer ich eim größern leid entgan:
Jetzt muss den spott zum schaden han."

Wenn eim ein kleiner schad geschiht,
Der tu, als ob er in nicht siht,
Auf dass er nit, wenn ers wil strafen,
Im selb ein größer leid verschaffe;
Denn wer nicht übersehen kan,
Der dient zu keinem überman.

Fabel 170
Von einem Reuter und seinem Pferd

Ein reuter het ein schönen gaul,
War lüstig, freudig und nit faul.
Zu dem kauft er ein andern gorren,
Band in zu jenem an den barren
Und pflag im baß mit habern, heu,
Mit strigeln und mit guter streu.
Der gorr sprach zu dem ersten ros:
"Wie komts doch, dass mein herr so groß
Von mir helt und so günstig ist,
Nach dem du doch vil besser bist
An schönheit, sterke, mut und prangen?
Ich könt dir nicht das wasser langen."
Er sprach: "So sind der menschen kind,
Fürwitzig und also gesinnt:
Größer er tuns den neuen gesten
Denn den alten, welch doch die besten."

Hie wird anzeigt die große torheit
Und des menschen leichtfertigkeit:
Das neue dunkt in stets das best,
Damit das alte faren lässt,
Ja unbesehns und übereilt:
Damit oft wird der tür gefeilt.
Kein ding die leut so tut bescheißen
Als der schein und auswendig gleißen.

Fabel 171
Von der Sau und einem Stauber

Ein alte sau war ganz unsauber,
Belacht gar hönlich einen stauber,
Drumb dass er seinem herren war
In allen sachen ghorsam gar,
Und sprach: "Dein herr weiß dir zu zwahen,
Mit prügeln lert dich wachteln fahen
Und kürzt dir alle jar die orn:
Ich sahe nie kein größern torn.
Dennoch so gibstu stets gehör;
Es solt fürwar nicht gelten mir."
Der hund sprach: "Schweig, du grobe sau,
Gee hindern zaun, die kirschkern kau;
Winkelwürst ist dein best gericht:
Bist vil zu grob, verstest es nicht.
Mit schlägen werd ich glert und wacker.
Wenn wir naus ziehen auf den acker,
Fahn lerchen, wachteln oder sperhn:
Krig zum wengsten ein oder zwen,
Und leb mit meinem herren wol,
Drumb mich solchs nicht gereuen sol."

In diser fabeln wird beweist,
Wer sich zum guten zeitlich fleißt
Und lässt sich strafen in der jugent,
Der komt dest er zur hohen tugent.

Fabel 172
Vom Knaben und einem Stiglitz

Es het ein knab ein stiglitz gfangen,
Im kevit an ein fenster ghangen;
Zuletst der stiglitz fand ein loch,
Da kroch er naus; er rief im noch
Und sprach: "Was unglücks hat dich troffen,
Drumb dass du bist hinaus geschloffen?
Hab dir doch alles gnug gegeben,
Davon die stiglitz mögen leben.
Ich bitt dich, kom doch wider rein!"
Der stiglitz antwort im, sprach: "Nein!
Hie leb ich frei und unverzagt,
Iss, wenn mir's, nicht wenn dirs behagt."

Die freiheit ist ein edel kleinat:
Dasselb weiß niemand, der sie hat;
Wer sie aber einst tut verliesen,
Den tot solt lieber dafür kiesen.
Dem gefangen ist kein armer gleich:
Wer frei ist, hat ein königreich.

Fabel 173
Vom Weidman und einem Sperling

Der vogler an eim morgen fru
Richtet sein garn und hütten zu,
Zohe naus ins felt, allda zu stellen,
Gedacht bei haufen sie zu fellen,
Richt zu ein hert, mit gersten etzt,
Sich darnach in die hütten setzt,
Und saß allda ein kleine weil;
Kamens geflohen wie die pfeil
Bei zehen, zwenzig ongefer.
Der vogler sprach: "Ist eur nit mer,
Wil ich darumb das garn nit ziehen."
Ließ essen und hindannen fliehen.
Zuhand da kamen ander wider,
Setzten sich auch daselben nider.
Ir warn nit vil; drumb wolts nit han:
Sie aßen, flohen auch davon.
Das trieb er allen tag so lang
Bis zur der sonnen nidergang,
Dass er gar keinen vogel fieng,
Allzeit dauchtens in zu wening,
Des er sich doch het mögen schemen;
Gedacht das garn da einzunemen.
Kam ongefer ein sperling gflohen:
Derselbig ward da überzohen:
In seinen schweidler in da steckt
Und sprach: "Wiewol mir's wenig kleckt,
So ists doch besser, haben ichts,
Denn gieng ich ler, het alles nichts."

Die große ding oft vorgenomen
Und vil gedanken überkomen,
Die verachten gmeinlich das klein,
Dass sie das haben solln allein.
So schafft denn Gott auch solchen kummer,
Dass sie das groß erlangen nimmer.

Fabel 174
Vom Balken und den Ochsen

Vier ochsen zohen einen wag,
Darauf ein großer balken lag;
Sprach zun ochsen: "Ir faulen tier,
Zu solcher last ist eur wol vier;
Eur zwen mich leichtlich anhin zügen
Oder schier auf irn achsen trügen:
Noch seid ir schelmen also faul!"
Ein ochs sprach: "Lieber, halt das maul!
Du darfst uns nicht also ausfegen:
Die last werden wir bald ablegen
Und diser arbeit wol entrinnen;
Denn sol sich erst dein leit beginnen.
Du magst dich hindern orn wol krauen,
Wenn dich die zimmerleut behauen,
Zum treger oder stender machen,
So tregst, dass dir der hals muss krachen."
Da geraut den balken bald sein spott.
Schlug an sein brust: "Vergeb mirs Gott!"

Wenn unser nehster in nöten stet,
Das wasser über dkörble get,
Solln wir nit lachen oder spotten:
Wir können in dieselben trotten
Auch wol kommen zu seiner zeit,
Darin jetzt unser nehste leit.
Auf erden ist kein glück so hoch,
Dem unglück nicht kan folgen noch:
Darumb schrei niemand: hie gelungen!
Er sei denn erst hinüber gsprungen.

Fabel 175
Vom Bischof und einem Lotterbuben

Zum bischof kam ein lotterbub,
Sein bengel gegen im aufhub
Und bat in, dass er im da bar
Ein gülden geb zum neuen jar.
Der bischof war ein karger man,
Den freiet sah er scheußlich an,
Sprach: "Bist unsinnig! hab den ritten!
Darfst umb ein gülden neujar bitten?"
Der bub sprach: "Schont, gnediger herr!
Ob denn ein güld zu vile wer,
Gebt ein batzen, ich nem in an,
Dass ir ein gut neujar müst han."
Er sprach: "Du bittest ja zu vil!"
Er sprach: "Ein kleines nemen wil,
Dass ich mag haben eure gnad!"
Zuletst in umb ein pfenning bat;
Denselben er im auch nicht gab.
Er sprach: "Dass ich dennoch was hab,
Von euern gnaden beger sonst nit,
Denn teilt mir euern segen mit!"
Er sprach: "Knie nider, lieber son,
Dass du denselben magst entpfahn!"
Da sprach der bub: "Behalt eurn segen!
Ir dörft in zwar auf mich nit legen.
Ja, wenn er wer eins pfennings wert,
Würd er mir nicht von euch beschert."

Die fabel tut gar weidlich strafen
Die geistlich, bischof, mönch und pfaffen,
Die wol solten umb ein carlin
All geistlich güter geben hin;
Dass sie ein gülden mögen retten,
Dörfen all sacrament verwetten,
Welchs jetzund in gar kurzen jarn
Teutschland mit schaden hat erfarn,
Wie sie uns mit dem bann gefatzt,
Mit dem ablass als zu sich kratzt,
Mit irer triegerei geschunden,
Dass wirs auch schwerlich han verwunden.
Gott sei gelobet, dass wir han
Die augen jetzt recht aufgetan,
Allein auf Christum uns verlassen,
Den babst und bischof faren lassen.
Für mein person hab michs erwegen,
Für gelt kauf ich nit iren segen,
Irn ablaß wil umbsunst nicht han,
So schadt mir nicht ir greulich ban.
Schadt nicht, dass sie mich darumb hassen,
Wenn ich mich kan auf Gott verlassen.

Fabel 176
Von der Widhopfen

Der adlar het ein großen son,
Der nam ein weib, wolt hochzeit han;
Dazu all vögel het gebeten:
Teten zusamen einhin treten.
Der adlar wolt die gest nach grad
Setzen, eim jedern nach seim stat,
Und setzt die widhopf oben an,
Darumb dass sie trug eine kron,
Het federn viler farben gstalt.
Solchs allen vögeln misgefallt,
Sprachen: "Die stinkend widehopf
List nimmer guts in iren kropf;
Wie ein sau wület stets im kot,
Ist nicht wert, dass sie ere hot."

Der adlar hat sein gleich auf erden,
Leut, die durch schein betrogen werden,
Geberde, prangen und das prachten
Höher denn kunst und tugent achten.

Fabel 177
Vom Pfaffen und den Birn

Es war ein pfaff ganz faul und fressig,
Auch mit saufen ganz unmeßig;
Denselben aus einer andern stadt
Ein man zu seiner hochzeit bat.
Ungessen wolt er frü hingan;
Ein birnbaum fand beim wege stan;
Da lag ein haufen hübscher birn,
Die erst zusamen glesen wern;
Warn reif, schmackhaftig und ganz süße.
Der pfaff verachts und trats mit füßen
Und bseicht dieselben birn gar nass,
Und sprach: "Solt ich jetzt fressen das?
Es komt in mich nicht solche speis:
Heut ich's gar wol zu bessern weiß."
Gieng fort, zum essen war im gach.
Bald kam er an ein großen bach,
An ein wasser, da war ein steg
Von größ des wassers gflossen weg;
Lief lang das wasser auf und ab.
Zuletzt sein hoffen übergab,
Denn er sahe, dass unmüglich war,
Überzukommen one far,
Kert wider umb on seinen dank.
Der hunger in so heftig zwang,
Het er die bseichten birn nicht funden,
Für hunger wer er gar verschwunden.

Was dich dünket ein unnütz ding,
Soltu nit halten allzu gering.
Hüt dich, nicht ee das klein verstoß,
Du hast denn in der hand das groß.
Die alten schuh verwerf nicht gar,
Du hast denn erst ein neues par.

Fabel 178
Von der Sau und einem Pferd

Als ein sau sahe ein schönes ros,
Jung, welig, freidig, stark und groß,
Behangen mit sattel und zaum,
Mit batsen; dass mans sahe kaum,
Sprach sie: "Du armes tolles tier,
Solch hoffart solt nicht gelten mir.
All tag mustu dein leben wagen,
Dass du wirst gschossen oder gschlagen:
Was hilft dich denn dein großer pracht?"
Das pferd sprach: "Schweig, du ungeschlacht!
Stirb ich, so far ich hin in ern
Mit fürsten, edelleut und herrn.
Du aber welzest dich im kat;
Dein leben keine ere hat.
Zuletzt erstickst in deinem blut
On er, wie man den säuen tut."

Ein frommen, tapfern, künen man
Stet es erlich und gar wol an,
Mit eren sich in tot zu geben,
Denn dass er hie solt erlos leben.

Fabel 179
Vom Cartenser und Landsknecht

Ein heilger man im kloster lag,
Zum selben kam auf einen tag
Ein landsknecht, der im war gefründt,
Zu sehen, wie es umb in stünd.
Derselb in freundlich grüßen tet;
Er sahe, dass er vil schrammen het,
Sein kleit zerhudelt und zerhackt,
Die finger von den feusten gzwackt.
Da sprach der münch: "Ach lieber ohm,
Ich rat dir, dass du würdest from,
Hinfürder solch leben abstell.
Du bist nun mer ein alter gsell.
So macht das kriegen manchen buben;
Wenig, die es on sünden üben,
Drumb dich fürbaß zufrieden gib,
Hab deiner seelen seligkeit lieb!"

Er sprach: "Ich wil im auch so tun;
Es ist kein glaub auf erden nun:
Die fürsten wölln den solt nit geben;
So kan man doch des lufts nit leben.
Das garten, mausen und das rauben
Wil man uns auch nicht mer erlauben;
Darumb tu ichs euch jetzt geloben,
Ich wil's hienechst gar sein enthoben."

Es ist fürwar ein schlechte buß,
Dass einer von sünden lassen muss;
Wenn er nicht mer kan laster treiben,
Denn wil ers erst für sünde schreiben.
Dank hat der dieb, er lässt sein stelen.
Wenn sich sein hend für im verhelen,
So wil er sein recht frum und treu;
Das heißt auf teutsch ein galgenreu.
Gott wil eim gern die sünd vergeben,
Der bei zeiten bessert sein leben.
Harr nicht, bis entlich komt zum treffen:
Es lässt sich Gott fürwar nicht effen.
Wer sich hat lang im glauben geübt
Und oft für seine sünd betrübt,
Der darf wol, dass in Gott annimt,
Wenns zu den letzten zügen kümt.

Fabel 180
Vom Witwer und Witwen

Ein witwer eine witwe nam:
Der teufel zu seiner mutter kam.
Der man het vor gehabt ein weib,
Die in gleich irem eignen leib
In allen eren het geliebt
Und solchs auch mit der tat geübt.
Aber dies weib bracht im stets für
Irn ersten man da für die tür,
Sein großen ernst, erliche taten,
Die im zu ern geholfen hatten,
Tet im ein wort verschweigen nicht,
All malzeit bracht fürs erst gericht
Irs erst gestorben mannes kopf,
Dass auch zuletzt der arme tropf
Umb friedens willn must vil verschweigen
Und ließ sie immer anhin geigen.

Einsmals hets einen feißten capaun
Gebraten hübsch rotlecht und braun;
Zum abentmal tets in aufsetzen
Und doch den man mit worten hetzen.
Zur tür ein betler sich da naht,
Durch Gottes willn ein almos bat
Umb aller christen seelen willen.
Auf das sie möcht irn trutz erfüllen
Und an dem man sich weidlich rechen,
Den Capaun in zwei stück tet brechen,
Sprach zum betler: "Hab dir das teil
Für meins vorigen mannes seel!"
Der man rief bald dem betler wider,
Er sprach: "Mein weib so frum und bider,
In irem leben keusch und treu,
Gott geb ir heint die ewig reu.
Sehe, hab dir das! Denk ir dabei,
Geb, dass ir seel bei Gotte sei!"
Und reicht im hin das ander teil.
Da was bei allen beiden feil,
Und must das weib und auch der man
Allbeid ungessen schlafen gan.

Du solt nicht wüten oder schelten
In den, der dirs kan widergelten.
Wer einen stein wirft oben aus,
Dem fellt er auf sein eigen haus.
Für dem starken soltu dich krümmen;
Bös ist's, gegen das wasser schwimmen.
Fall nicht dem größern in die straf,
Und nicht gegen backöfen gaff.

Fabel 181
Vom Wachs

Das wachs erseufzet einst und sprach:
"Ach dass mir je so leid geschach!
Ich bin meins lebens überdrüßig,
Dass ich so weich, schmeidig und flüssig;
Muss leiden, dass man mich zustückt
Und alles, was man in mich drückt,
Und tu doch jedem wol behagen,
Von vilen bin zusamen tragen.
Wil schaffen, dass ich auch hart werd.
Es werden doch von weicher erd
Die ziegelstein und hart gebacken
Im heißen ofen wie die wacken;
Ich wil mich auch in solcher maßen
Im heißen ofen herten lassen,
Dass ich mag weren tausent jar."
Da es nein kam, verschmalz es gar.

Ein ding ist ferlich anzuheben,
Wo die natur tut widerstreben.
Mancher, dem sein stant nit behagt
Und sich in einen andern wagt,
Wenn er meint, dass ers wol het troffen,
Betreugt in doch sein eigen hoffen,
Und wird auch in demselben treg,
Dass er's zuletzt gern besser sech.