Fabel 212
Vom Fuchs und Hasen
Der fuchs ward gjagt von einem hunt,
Dass er im nicht entlaufen kunt.
Wie er das spiel verloren sach,
Kert sich umb und zum hunde sprach:
"Was ists, dass mich so emsig jagst
Und mit verfolgung feindlich plagst,
Weil doch mein fleisch ist gar unäß?
Es ist kein baur so grob, ders fräß.
Dein lust lieber am hasen büß,
Des fleisch ist aus der maßen süß,
Der da leit in der kleinen hecken,
Tut baß denn alle wildpret schmecken."
Der hund verließ von stund den fuchs,
Kert sich umb nach dem hasen fluchs.
Das hort der has und lief davon,
Dass er dem hunde kaum entran.
Er kam zum fuchs und sahe gar saur,
Schalt in ein untreuen nachbaur,
Dass er in so verraten het.
Er sprach: "Ich hab dein bests geredt,
Und wird mit undank mir vergolten.
Wie denn? wenn ich dich het gescholten,
So soltstu mich gar schel angienen;
Es ist kein dank mer zu verdienen."
Vil leut haben solch füchsisch gmüte,
Dass sie wol underm schein der güte,
Wenn sie ein auch aufs höchste preisen,
Ein füchsisch schelmenstück beweisen.
Fabel 213
Vom Jupiter, Hasen und Fuchs
Der fuchs und has zusamen traten
Fürn Jupiter und fleißig baten:
Der fuchs bat, dass er wie der has
So schnell kunt laufen durch das gras;
Der has bat, dass sein sin so spitzig
Möcht werden, wie der fuchs so witzig.
Da antwort in der Jupiter:
"Solch bitt komt aus dem fürwitz her!"
Und sprach: "Wir han von anbegin
All ding aus wol bedachtem sin
Verordnet und den tiern ir leben,
Jedem sein bsondern gaben geben,
Auf dass wir keins wolten betriegen.
Daran lass im ein jedes gnügen:
Wenn wirs eim hetten alles geben,
Wer den andern zu kurz geschehn."
Gott hat sein gaben ausgeteilt
So weislich, dass an keinem feilt:
Dabei wölln wirs auch lassen bleiben,
Alls seiner güt und gnad zuschreiben.
Fabel 214
Von einem ungeschlachten Pferd
Vil rosteuscher ein mal zusamen
Mit pferden auf ein rosmark kamen,
Die sie dachten teur zu verkaufen.
Die solten in die wette laufen.
Sie tetens butzen und bestecken
Mit schönen zeumen und rosdecken,
Auf dass sie's hielten teur und wert.
Da kam auch hin ein scheußlich pfert,
Rauch, ungestrigelt, ungeschlacht,
Und ward von andern alln belacht.
Da es aber war laufens zeit,
Lief's für in allen aus gar weit.
Damit erlangets preis und lob
Und gwan seim herrn geschenk und gab.
Ein arm man wol e geben hat
Ein guten, weisen, treuen rat;
Es komt oft, dass ein schwarzes kint
Auch wol ein weißen groschen findt.
Fabel 215
Vom Bauren und seinen Ochsen
Auf ein zeit war ein armer baur,
Ließ im sein lebtag werden saur;
Doch kam er zletzt in ungemach.
Wider sein nachbaurn het ein sach,
Zu eim juristen tet sich bgeben,
Dass er bei im mocht rats geleben;
Kam in die stadt fürs doctors haus;
Er klopft; bald komt der knecht heraus,
Sprach zum bauren: "Mein herr kan nit
Sein rat dir jetzund teilen mit,
Hat ander gscheft, da macht an leit.
Kum wider auf ein ander zeit."
Dasselb trieb er nun etlich mol.
Der baur sprach: "Wie ich's machen sol?"
Gieng hin, nam seiner sach zu gut
Ein feißten ochsen von der stud,
Bracht in für des juristen tür,
Klopft; der knecht kam aber herfür,
Wie er den ochsen bölken hört,
Denn solchs het im sein herr gelert,
Sprach: "Komt herein, mein lieber freund,
Den herrn ir eben müßig findt."
Der baur sprach: "So wol gschahe mir nie!"
Fiel für dem ochsen auf die knie,
Sprach: "Billich ists, dass ich dich er,
Dass du mir hilfest zu gehör."
Es ist kein ding so gar verdrossen,
Auch keine tür so hart verschlossen,
Die nicht geöffnet wird durch gaben,
Welche er die götter gschweiget haben.
Fabel 216
Vom Jüngling und einem Wolfe
Es war ein frischer jüngeling,
Derselb zu seinem vatter gieng
Und sprach: "Ich kan nicht also bleiben,
Drumb helft mir, dass ich möge weiben;
Und weil ir seid an gütern reiche,
Kan wol erneren zwo zugleiche.
Erzeigt euch billich in den sachen:
Ist's eine müe ein hochzeit machen?"
Der vatter sprach: "Mein lieber son,
Ich bitt, far mit der sachen schon:
Es ist auch wol bedenkens wert,
Ist nit als wenn du keufst ein pfert,
Welchs du magst nach deim willn verkaufen
Oder lassens naus ins gras laufen.
Des hast du mit dem weib nicht macht;
Darumb die ding erst wol betracht.
Ists dass du wilt meins rats geleben,
Lass dir zum ersten eine geben,
Mit ders ein jar versuchen tust.
Hastu denn nach zu einer lust
Und kanst den fürwitz ja nicht stillen,
So nim noch ein, hab deinen willen."
Er tet im so, nam eine vor,
Die het er bei eim halben jar.
Begab sichs, dass die leut in stetten
Zamen ein wolf gefangen hetten
Lebend, der het vil kü zerrissen,
Vil kelber, schaf und lemmer bissen.
Ratschlagten, welche straf und pein
Für solche mistat gnug möcht sein,
Das woltens für ein urteil fell.
Da sprach derselbig jung gesell:
"Wolt irn strafen an seel und leib,
So rat ich im, gebt im ein weib,
Die im, wie mir, das mus kan kochen,
So habt ir euch an im gerochen."
Wem solcher unfall ist beschert,
Dass im ein solche widerfert
Als Herodias und Jesabel,
Der hat hie mer denn eine hell.
Fabel 217
Vom alten Man und Jüngling
Ein alter man het einen garten,
Darin tet er der äpfel warten.
In dem so kam ein junger knab,
Stieg auf den baum und brach sie ab.
Da in der alte man ersach,
Mit guten worten bat und sprach:
"Weist nit, was dich die schrift tut lern?
Solt nit deins nehsten gut begern."
Er achtets nicht, belacht den alten,
Sprach: "Wil sie wol für dir behalten.
Mit worten wird an mir nicht gschafft;
Straf mich mit kreutern; die haben kraft."
Da rupft der alte gras und kraut,
Macht balln und warf in auf die haut.
Da lacht der bub; verdross den alten,
Dass er in tet so nerrisch halten,
Dass er in meint mit kraut und gras
Zu zwingen, dass er abelass.
"Wenn wort und kraut nicht helfen wöllen,
Muss ich mich warlich anderst stellen.
Hab oft gehört", sprach er zum knaben,
"Dass auch die steine kraft solln haben."
Und facht in hart mit steinen an;
Verließ den baum und lief davon.
Ein weiser man sol als versuchen,
Erst gute wort, denn schelten, fluchen;
Wenn das nicht hilft, die sünd zu strafen,
Mit ernst greift man denn zu den waffen.
Fabel 218
Von der Nachtigall und dem Sperber
Es sang die liebe nachtigall
Auf eim baum, dass im wald erschall,
Auf einer buchen singen tet,
Da sie ir nest mit jungen het.
Dasselb ein sperber ward gewar,
Floh hin, wolt sie auffressen gar.
Die mutter bat; er sprach: "Wil nit
Ir schon, du singst mir denn ein liet."
Die nachtigall hub an zu singen,
Dass tet im weiten wald erklingen,
Sang mit dem maul; ir herz fürwar
Betrübt und ser beengstet war.
Der sperber sprach: "Das ist geklagt
Mer denn gsungen, drumb mirs nit bhagt."
Fraß ire jungen; da sie's sach,
Ein scharpfes schwert ir herz durchstach.
In dem ein vogler kam geschlichen,
Het sein leimruten fein bestrichen,
Darin der sperber blieb behangen.
Die nachtgall sahe, dass er gefangen
Und von dem vogler ward bestrickt:
Da ward ir herz zum teil erquickt.
Wer hat gefürt ein böses leben,
Dem wird ein böses end gegeben,
Und wer mit unrecht zwingt die frummen,
Mag zu keim guten ende kummen.
Bilch ist's, dass solchen also get,
Gleich wie im psalm geschrieben stet,
Dass dem, der's frommen nicht verschont,
Mit gleicher bzalung werd gelont,
Auf dass die, den unrecht geschehen,
Sich freuen, wenns ir feinde sehen,
Dass in wird wider heim gebracht
Das leit, welch sie selb hetten gdacht
Auf die unschuldigen zu brengen,
Selb bleiben in dem strick behengen.
Fabel 219
Vom Löwen und der Sau
Von tiern der löw begeret hat
Etlich zu kiesen in sein rat,
Derhalb vil tier sich zu im kerten,
Die all in seinen rat begerten.
Doch welet er von allen kein
Denn eine alte sau allein.
Sie fragten, warumb er das tet;
Er sprach, wie er's erfunden het,
Dass under allen keins so trau
Wer als dieselbig alte sau,
Dass, wem sie erst freundschaft verhieß,
In keinen nöten stecken ließ.
Wenn du wilt einen freund erwelen,
So mustu gar genaue zelen,
Seiner zusag nicht zu hoch vermessen,
Habst denn vil salz erst mit im geßen.
Fabel 220
Von der Mücken und einer Binen
Bald kam ein mück in winter tagen
Fürn binstock, tet sich ser beklagen,
Sprach: "Mein leben muss ich verlieren,
Für hunger sterben und erfrieren;
Nemt mich hinein für disem frost,
Ich wil euch dienen umb die kost
Und eure kinder, welch mich hören,
Die schöne kunst der music leren."
Da sprach ein alte under in:
"Es solln mein kinder, die jungen bin,
Irs eltervatters handwerk lernen
Und so vil sammeln in der ernen,
Dass sie im winter sich ernern,
Des hungers und des frosts erwern."
Musica und solche künst seind gut,
Wo man sie meßig brauchen tut
Und doch daneben sucht ein kunst,
Die in ernert mit ern und gunst.
Fabel 221
Vom Esel und Hasen
Als die tier in alten zeiten
Wolten wider die vögel streiten,
Ein haubtman war der alte ber.
Der sahe den esel in dem her
Und den hasen bei dem haufen,
Tet zum löwen, dem könig, laufen.
Er sprach: "Was tut der forchtsam has
Und der esel, das faule as?
Ich mags nit underm haufen han;
Lass laufen und fürn teufel gan."
Er sprach: "Zum boten han wir hasen,
Der esel sol zu tische blasen
Und den haufen zum krieg erwecken,
Mit seiner stimm die feinde schrecken."
Es ist kein deckel so gering,
Er schickt sich etwan auf ein ding.
Das wir verachten und verschwern,
Desselben können wir nit entbern.
Fabel 222
Von den Sperbern und Tauben
Die sperber hetten einen schnader;
Daraus entstund ein großer hader,
Wurden zuletzt so übergeben,
Trachten einander nach dem leben.
Der andern vögel sie vergaßen,
Dass sie die zeit nicht einen fraßen.
Solch brüderkrieg erbarmt die tauben,
Teten die sach fleißig beklauben,
Schickten zu inen zwen legaten
Und sie im weg der freundschaft baten,
Dass sie sich wolten lassen stillen.
Zuletst folgeten sie irm willen,
Vertrugen und zu frieden gaben.
Huben an wider sie zu toben,
Namens, wo sies mochten fahn.
Sprachens: "Was haben wir getan?
Das gut wird uns zum ergsten kert!
Wir han mit unserm eignen schwert
Uns selb geschlagen solche wunden,
Zu unserm rück ein ruten gbunden."
Wenn der boshaftig und die reichen
In freundschaft können mit irs gleichen,
So muss ir schwert den armen schneiden:
Zur zeugnuß han wir Christus leiden.
Fabel 223
Von einer jungen Frauen
Gar ein kluger man hette gnommen
Ein weib; als erst ins haus war kommen,
Het sie ein fackel angebrant,
Trugs in das haus in irer hant.
Da fragten in daselb die leut,
Was doch die brennend fackel bdeut,
Welch die braut het ins haus getragen.
Da sprach der man: "Ich wils euch sagen.
Es bdeut, dass ich sol holz verfügen,
Damit ich mög das feur vergnügen,
Welchs von irm vatter zu mir tregt,
Damit mir wird die tasch gefegt."
Sparwar ist bei den frauen teur;
Sie sind gleich wie ein fressend feur:
Was vatter und der son ernern,
Tut unser liebe frau verzern.
Fabel 224
Von einem Landpfleger
Ein könig einen haubtman het,
Dem er gar vil vertrauen tet,
Setzt in zum pfleger in ein land,
Daselb er reiche leute fand;
Die schetzt er ser und tet sie plagen,
Jederman wust davon zu sagen,
Dass auch den fremden man mishagt.
Solchs ward dem könig angesagt.
Er ward zornig; gar bald hinschickt,
Denselben pfleger hart bestrickt,
Mit hertigkeit in dahin zwang,
Dass er must wider seinen dank
All, was er het sein ganzes leben
Geraubt, den leuten wider geben.
Er sprach: "Das ist ein harte buß,
Wiewols dennoch geschehen muss!"
Ein weiser man dasselbig sach,
Zu seinem nehsten er da sprach:
"Der haubtman helt der frauen weis,
Die sich zum man mit allem fleiß
Halten, wenn sie die kind entpfahn,
Und große wollüst daran han;
Wenn sies aber solln wider zelen,
Das gschicht mit schmerzen und mit quelen."
Also geschicht noch manchem dieb,
Der zu stelen hat große lieb:
Wenn ers denn widerstatten sol,
So hebt sich not und große qual,
Und gschicht oft mit solchem unmut,
Dass im auch an dem hals we tut.
Fabel 225
Vom alten Man und dem Tod
Als ein alter man lang het glebt,
Dem tod, wie er kunt, widerstrebt,
Zuletzt der tod rauscht her behend,
Der alles dinges ist ein end,
Und wolt denselben alten nemen.
Er sprach: "Lass mich ein weil bezemen,
Dass ich mein testament mög machen
Und was mir dient zu solchen sachen."
Der tod sprach: "Hast das nicht zuvorn
Bestellt und gemacht für vilen jarn,
Da ich dir oft solchs an ließ sagen?"
Er sprach: "Ich hab dich all mein tage
Nicht mer für mir wie jetzt gesehen;
Sag mir, wenn ist dasselb geschehen?"
Der tod sprach: "Da ich nam die alten,
Ir keiner kunt sich vor mir enthalten.
Dein gnoßen sein von dir gewichen
Und so einzeln zu mir geschlichen:
Weib, man, kind, jungfrauen und knaben
Ließ ich stets für dir über traben.
Du soltest werlich han gedacht,
Sie hetten dir ein mumschanz bracht
Und dich ermant, dieselb zu halten.
Dazu ist dir der mag erkalten;
Dein gsicht, gehör, verstand und sin
Fallen auch teglich stückweis hin;
Dein bein sein schwach, der leichnam schwer,
An einem stecken zeuhst daher.
Dabei soltst je verstanden han,
Dass auch müstest ein mal davon.
Noch sprichst, du habst nicht drumb gewist:
Kum her, du hast nit lenger frist."
Hieaus han wir gnugsam anzeig,
All menschen sein zum tode feig;
Niemand lass im zu früe bedunken,
Des weinkaufs han wir all getrunken.
All, was auf erd das leben hat,
Muss ghorsam sein dem bittern tod,
Und was sich tut im leben gerben,
Das muss allsam des todes sterben.
Bald wird dies leben angefangen,
Ist über uns das urteil gangen
Und steckt uns stetes in der haut:
Für solche krankheit ist kein kraut.
Fabel 226
Vom Geizigen und seinem Geltsack
Ein wuchrer het bei seinen tagen
Vil gelt und gut zusamen gschlagen.
Da er zum letsten sterben solt,
Ließ er ein großen sack mit golt,
Welchs er mit sünd gewunnen het,
Her zu im bringen für das bet.
Sprach: "Sack, ich far hin meine straßen,
Muss dich mit all dein gülden lassen,
Und kan mein sach nit leng verhelen.
Sag an, wem sol ich dich befelhen,
Wenn ich heut oder morn sol sterben?"
Er sprach: "Dein ungezohen erben,
Die mich mit huren brengen umb,
Mit schwelgen jagen durch den brum,
Bis sie's verschlemmen ganz und gar,
Und deine seel zum neuen jar,
Mit meien bsteckt, dem teufel gsant,
Ewig werd in der hell gebrant."
Am wasser Ganges in Indian,
Wie die historien zeigen an,
Die ameisen das golt auflesen
Bei kleinen körnlin und bei fefen,
Tragens in dlöcher, da sie wonen,
Mit großer müe, keiner arbeit schonen;
Selb brauchens nicht, nur dass sie's bewaren.
So tun die kargen mit irm sparen,
Schatzen, kratzen ir ganzes leben
Und niemand einen heller geben;
Brauchens selb nit, auch nimmer nützen,
Drauf wie die henn aufn eiern sitzen,
Bis nach irm tod ein fremder kümt,
Ders ungezelt all gar hinnimt.
Fabel 227
Vom Fuchs und Steinbock
Reinhart und Bartman von den ziegen
Zusamen in ein pfützen stiegen,
Dass sie sich beide mochten trenken.
Herr Reinhart tet sich erst bedenken,
Wie er wider hinauf möcht kummen,
Und sprach: "Zu unser beider frummen
Ich wil uns bringen one trauren
Hinaus; trit du fest an die mauren
Und halt wol an mit deinen zweigen,
So wil ich oben auf dich steigen
Und so hinauf zu lande springen.
Desgleichen solt dir auch gelingen.
Wenn ich hinaus gesprungen bin,
Wil bald zum bauren laufen hin
Und eine kleine leiter holen;
So magstu an denselben spolen
Auch tun, wie ich jetzt hab getan;
So magst der ferlichkeit entgan."
Herr Bartholt strecket sich zum strauß,
Reinhart sprang von seim rücken naus.
Als er stund auf dem ufer hoch,
Sprang rund herumb, sprach: "Folg mir nach!"
Herr Bartholt sprach: "Du böses tier,
Also hast nicht gelobet mir."
Er sprach: "Hetst so vil sinn im kopf,
So vil du bürsten hast im schopf,
Hetst solche far nicht angenumm,
Du wistest denn heraus zu kummen."
Ein weiser man nimt stetes acht,
Was er für hat, das end betracht,
So kumt all ding an seinen ort,
Denn weislich anschleg gen gern fort.
Fabel 228
Von etlichen Hanen und einer Spree
Es het ein bürger etlich han
Zusamen in ein korb getan,
Dazu kauft er im noch ein spren
Und tet sie zu denselben zwen.
Sie bissen in, denn er war klein;
Forcht sich, im winkel saß allein,
Gedacht: dass sie mich so durchechten,
Macht, dass ich nicht von irm geschlechte.
Bald sich die hanen wurden beißen
Und einander den kam ausreißen.
Da sprach die spree: "Nun wil ich mich
Nicht mer bekümmern, weil ich sich,
Dass die, welch einer mutter kind,
Under sich nit zu frieden sind."
Wenn dir die fremden leides tan,
Lass dir's nicht ser zu herzen gan,
Wütens doch in ir eigne kind:
Zerbrochen töpf aller enden find.
Fabel 229
Von einem rumretigen Menschen
Vom adel zoh ein junger knab
Mit andern hin zum heilgen grab,
Damit sich in der welt versucht,
Und dass er weidlich liegen mocht,
Wenn er kem wider heim zurück.
Denn solchs ist wol das beste stück,
Da man die lügen mit verblümt;
Wenn einer aus fremden landen kümt
Zu den seinen in sein heimut,
Dem helt man wol ein lüg zu gut.
Denn wer darf strafen, da er nicht gwesen,
Hats auch selb nicht in büchern glesen?
Drumb hat einer da eins worts wol macht.
Das het der gsell vor wol bedacht,
Rümt sich seinr großen degenheit
Und sprach: "Mit meiner gschicklichkeit
Und sonderlich mit ringen, springen
Und allen ritterlichen dingen
Tet ich's alln, die zu Rodus warn,
Weit über aus und vil zuvorn."
Und rief bald drüber all Rodiser,
Die daselb warn, als für beweiser.
Im antwort einer, der umbher stund,
Und sprach zu im: "Hör, lieber fründ,
Was ist dir not, dass du rüfst zeugen?
So du war redst, wirds niemand leugen."
Wer liegen wil und sich hoch rümen,
Der muss mit viler red verblümen;
Die warheit, obs schon wird getrutzt,
Doch sich mit wenig worten schützt,
Ist bstendig, lässt sich nit verneinen,
Stet allzeit fest auf zweien beinen.
Auf einem bein die lügen hinkt,
Und wie man sagt: eigen lob stinkt.
Fabel 230
Vom Apollo und einem Buben
Den Apollo die heiden fragten,
Denn er zukünftig dinge sagte;
Dasselb im jederman zutraut.
Zu Delphis war ein tempel baut:
Da kam ein böser bub verflucht,
Denselben weisen gott versucht
Mit einem sperling, den er het,
Undern mantel verbergen tet.
"Hie hab ich etwas", sprach zum gott,
"Sag an, lebts oder ist es tot?"
Dacht: wenn er spricht, dass es wird leben,
So wil ich im ein drücklin geben;
Spricht er, es sei im blut ersoffen,
So kan ich in doch lügen strafen.
Apollo merkt seins herzen gir
Und sprach: "Sein leben stet bei dir.
So du in tötest, muss er's han,
Oder magst in lebend fliegen lan."
Die fabel solche meinung hat,
Dass man nicht scherzen sol mit Gott:
Es ist bös wider in zu kriegen,
Darumb lass ab, du wirst nicht siegen.
Fabel 231
Vom Pferd und Esel
Als pferd und esel zamen wern
Und dienten beid bei einem herrn,
Da het der man zu seinem schaden
Denselben esel überladen.
Da sprach der esel zu dem pferd:
"Wiltu, dass ich erhalten werd,
So nim von mir der last ein teil,
Sonst werd ich übern kleine weil
An meiner kraft und macht verzagen,
So mustu doch alleine tragen."
Das pferd achtet nit solche red;
In dem der esel fallen tet
Und starb; bald lief sein herre dar,
Nam den sattel und alle war,
Legts auf das pferd, die eselshaut,
Die er abzohe; da schrei es laut
Und sprach: "Awe, ich armes tier!
Unglück komt auf ein haufen mir;
Für meine unbarmherzigkeit
Komt auf mich alle dises leit.
Wer ich dem esel hiflich gwesen,
Villeicht wer er vom tot genesen.
Nun muss ich's tragen alle gar,
Dazu des esels haut und har."
Wir solln dem nehsten bhülflich sein,
Dass er nicht trag die last allein;
Wo jederman die hand hin reicht,
Machen vil hend die arbeit leicht.
Fabel 232
Von einer Frauen und einer Hennen
Ein arme witwe het ein hun,
War all ir vih, hielt vil davon,
Mit ganzem fleiß dieselben hegt,
Drumb dass all tag ein ei ir legt.
Gedacht: du wilt sie noch baß speisen,
So wird sie sich auch baß beweisen
Und alle tag zwei eier brengen.
Drumb tet sie's stets mit gersten drengen.
Ward feißt, dass sich kaum kunt bewegen,
Und hört gar auf mit eier legen.
Wenn einer lebt in vollem fraß,
Der wird faul, treg, gleich wie ein as;
Drumb ist die füll und überflut
Schedlich, zu keiner tugent gut.
Fabel 233
Vom Man, den ein Hund gebißen
Gebissen het ein man ein hund
In einen arm gar ser und wund;
Er sucht eins glerten arztes hand,
Bis er ein seiner freunde fand.
Der sprach: "Du darfst zum arzt nit gan,
Wil dir sagen, was du solt tan.
Gee hin, nim einen bissen brod,
Netz in in selbem blute rot;
Gibs dem hund, der dich hat geletzt,
Darnach sich bald der schmerzen setzt."
Er lacht und sprach: "Ja, tet ich das,
So würde mir doch nimmer baß;
Wer wert, dass mich all hunde bissen
Und gar zu kleinen stücken rissen."
Die fabel tut so vil bedeuten,
Dass man ir findt vil undern leuten,
Die gut's bezaln mit bösen gaben,
Davon wir oben gschrieben haben.
Fabel 234
Von dem Biber
Der biber ist ein tier vierfüßig,
Lauft zu land, ist auch wasserflüssig.
Sein hoden sein zur medicin
Für pestilenz und all venin;
Dieselben nennt man bibergeil
Und hats in apoteken feil:
Derhalben wird es oft geplagt.
Eins mals ward im auch nachgejagt,
Und sahe, dass er nit mocht entgan,
Schnitt dhoden aus und lief davon;
Denn er wist wol, dass er so hart
Der hoden halb gedrungen ward.
Drumb er sein bruder gar verflucht,
Dass er das leben retten mocht.
Schwert, feur und alles ist zu leiden,
Wo man des todes far mag meiden;
Auf dass du retten mögst das leben,
Soltest ein königreich aufgeben.
Fabel 235
Vom Meerschwein und dem Sälen
Das meerschwein jagt ein kleinen sälen;
Das leben dacht er im zu stelen.
Der säl gar emsig vor im floh;
Dem eilt das meerschwein heftig nach.
Der säl ward von einer wasserwagen
Gar hart an einen stein geschlagen,
Dass er ganz kraftlos anhin floss.
Wie im das große tier nach schoss,
Da trafens auch dieselben fluten,
Das im zuhand vergieng das wüten,
Sein kopf auch an den felsen stieß,
Dass er allda sein leben ließ.
Das sahe der säl und sprach: "Wolan,
Den tod nem ich dest lieber an,
Weil ich auch sehe mein feint verscheiden,
Der mir hat zugefügt dies leiden."
Wenn einer komt in not und leid,
So ist im das zum teil ein freud,
Wenn er sein feint auch leiden sicht,
Von dem im solcher schad geschicht.
Fabel 236
Von einem Warsager
In einer stadt da war ein man,
Tet sich mit worten understan,
Wie er zukünftig ding könt sagen.
Einmal begab sichs in den tagen,
Stund auf dem markt und saget war,
Und umb in her ein große schar.
Zuhand im einer verkünden tut,
Sprach: "Dein haus brent in heißer glut."
Er macht sich auf und sprach: "Hilf Gott!"
Da rief im einer nach zum spott,
Sprach: "Kanstu sagen das zukünftig
Den andern, bist nicht so vernünftig,
So vil von deiner kunst erarnt,
Dich für deim eigen schaden gwarnt."
Wer sein nehsten zum gut ermant
Und selb nit taug, tut, wie im brand
Einer seins nachbaurn haus tut reumen
Und tut das sein daheim verseumen.
Fabel 237
Vom Vögler und einer Droscheln
Ein vögler het sein netz gestalt
Auf einen platz in grünem walt.
Das sahe ein droschel hoch dort oben,
Dass er das garn, hütten und kloben
Het ausgestellt; sie floh hinzu,
Grüßt in und fragt, was er da tu.
Er sprach: "Ich wil ein stadt hie bauen."
Sie glaubts und wolts noch baß beschauen,
Floh baß hinzu; da bliebs bekleben.
Da sie sahe, dass es galt ir leben,
Sie sprach: "Wiltus nicht anderst bginnen,
Wirst nicht vil alter bürger gwinnen."
Das gmeine best wechst weit und breit
Durch frum gottfürchtig oberkeit;
Ein bös tyran all ding zerrütt,
In allem tun das mus verschütt.
Fabel 238
Vom Boten und einer Taschen
Als ein bot im het fürgenon,
Ein großen langen weg zu gon,
Er globt und sprach: "Wenn ich was fund
Auf disem weg, wil ichs von stund
Behalten halb, das ander gar
Opfern aufs Jupiters altar."
Zuhand fand er ein große taschen;
Er tet in allen fachen naschen:
Da fand er eitel mandelnüss
Und frische tatteln, waren süß.
Von wandeln fraß er all die kern
Und schütt die schaln in seinen gern;
Die tatteln außen umb benagt,
Derselben kern im kein behagt:
Sie warn zu essen allzu hart,
Drumb er's dem Jupiter verwart
Und all an einen haufen hegt,
Auf sein altar zum opfer legt;
Sprach: "Gleich wie du mirs hast beschert,
Hab ich dich mit der helft geert.
Auf dass dir nicht davon zerrinne,
Gib dir's halb außen und halb innen."
Ein verzweifelt mensch, ein böser,
Ein geiziger und gottloser,
Der tut sich keiner sünde schemen,
Solts wol vom heilgen kreuz weg nemen.
Fabel 239
Vom ungezohen Kind und seiner Mutter
Es het ein frau ein kleinen son,
Denselben ließ zur schule gon;
Da stal er einem andern knaben
Ein büchlin, wie die kinder haben,
Brachts heim; die mutter ließ geschehen
Und solchs dem knaben übersehen.
Nicht lang darnach bracht ein baret,
Das er auch so gestolen het:
Das ließ die mutter ungestraft:
Damit irn beiden leid verschafft.
Denn wie an jaren wuchs der knab,
Nam an der dieberei nicht ab
Und meint, es wer im alles frei,
Geriet zu großer dieberei,
Stal immer mer, bis er gefangen,
Verurteilt ward, am galgen zhangen.
Da folgt im nach ein große schar,
Da ward er seiner mutter gwar,
Die in beweinet und beklagt.
Der dieb da zu dem henker sagt:
"Mein liebe mutter stet alldort;
Ich hab ir noch ein nötigs wort
Heimlich zu sagen in ein or,
Wolt nicht gerne, dass jemand hör."
Ein stadtknecht rief, da ward es stille;
Man wolt im solches tun zu willen.
Er sprach: "Mutter!" Sie kam zu stund,
Hielt im das or nah an den mund,
Das sie im seines willens pfleg:
Da biss er's ir vom kopf hinweg.
Sie schrei gar laut; da ward im haufen
Der gschicht halb ein großes zulaufen;
Sprachen: "Ein solch verzweifelt bub
Wer wert, das man in baß betrub."
Denn er wer nicht ein schlechter dieb,
Sondern vergess natürlich lieb,
Wer gar verzweifelt und verblendt,
Dass er also sein mutter schend,
Welch Gott zu ern geboten het,
Wer wert, dass man im mer antet.
Da sprach der dieb: "Ach lieben leut,
Denkt dran, was ir gesehen heut,
Und lasst euch solchs zur warnung sein.
Ja, wenn mich het die mutter mein
So jung gestraft und virgas geben,
Dörft jetzt an mir nit solchs geleben.
Het ich gehabt straf unde zwang,
So gieng ich jetzt nit disen gang."
Die eltern sein dazu geschaffen,
Dass sie mit fleiß ir kinder strafen;
Darumb sie Gott so hoch geert,
Wie uns denn sein gesetze lert,
Dass sie die höchste er solln han,
Die er in amptes halben gan.
Die straf komt den kindern zu gute,
Wenn mans züchtigt mit einer ruten
Bei zeit, weil sie sich strafen lan.
So lert der weise Salomon:
"Wer die straf an dem son verseumt,
Damit die tugent auch wegreumt
Und gibt groß ursach zu den sünden:
Weiche ärzt machen stinkend wunden."
Fabel 240
Vom Jüngling und einem Löwen
Ein edler ritter het vil gut
Und einen son, jung, wolgemut:
Der het sein freud und alln behagen
An hunden und an wildprät jagen.
Von im sein vatter het ein traum,
Wie er stund under einem baum
Und sehe herlaufen aus dem walt
Ein grimmig tier, eins löwen gstalt,
Sein son für im da angefallen
Und in zerrissen für in allen.
Wie er von solchem traum erwacht,
Erschrack, und wunderlich gedacht,
Wie er die sach weislich vornem
Und solchem schaden underkem,
Denn ern zu jagen gneiget sach.
Ließ im bauen ein neu gemach,
Hoch wie ein turn und oben gviert,
Mit allem vorrat schön geziert,
Mit stuben, kamern, schönen salen.
Darin ließ schön figuren malen,
Vogel und tier mancher gestalt;
Damit ward auch ein löw gemalt.
Da ward der jüngling aufenthalten
Vil jar von seim vatter, dem alten.
Einsmals, wie er allein spaciert
Und solch gemälde contempliert,
Sahe er die gstalt des löwen grim,
Da ward er zornig, sprach zu im:
"Ei du böses und schnödes tier,
Allhie muss ich zu gfallen dir
Und umb den traum des vatters mein
Verschlossen und gefangen sein.
Weiß nicht, wie ichs zuletzt sol machen."
Aus unmut schlug er in in rachen
Ein harten schlag mit seiner hand.
Da stack ein nagel in der wand,
Derselb im durch die hand hinfur,
Das sie blutet, eitert und schwur,
Zuletzt dazu ein fieber kam,
Dass er von tag zu tag abnam.
Also vom löwen tötet ist:
Dafür half nicht des vatters list.
Was einem ist von Gott beschert,
Das wird durch keine list gewert,
In gwalt hat tot und leben gar,
On in fellt nicht vom kopf ein har.
Fabel 241
Vom Fuchs one Schwanz
Im strick da ward ein fuchs gefangen
Und blieb bei seinem schwanz behangen
Und sahe, dass er nit mocht entgan,
Bis ab den schwanz und lief davon.
Des schemet sich derselbig fuchs,
Dass er sahe hinden wie ein luchs;
Er dacht zu suchen einen fund,
Dass er dennoch mit ern bestund,
Und fordert alle füchs zusamen.
Auf ein bestimmten tag sie kamen.
Er sprach: "Ir brüder, freund und magen,
Etwas nötigs hab ich zu sagen.
Ir wisst, wie uns die langen schenzen
Nachzoten wie die gippenfenzen,
Werden uns oft vom regen schwer,
Ziehen wie nasse fliegen her.
Ich rat, ein jeder wöll abschneiden
Sein schwanz, vil ferlichkeit zu meiden;
Dest weniger habt ir zu tragen."
Die red tet alln füchsen behagen;
Doch widersprachs ein alter fuchs:
"Wolt, dass der mein noch lenger wuchs.
Gott hat uns drumb den schwanz beschert,
Dass im sommer den fliegen gwert,
Und ist zu tragen gar gering.
Weil dich's dünkt so ein nütze ding,
So bhalt den vorteil dir allein
Und machen nicht eim jedern gmein."
Wenn eine ku in kot gefallen,
Dieselb bekleckt die andern allen.
Wer kommen ist in unfall groß,
Freut sich, dass er hat ein genoss,
Wie solchs die fabel tut entdecken
Von den fischern und von den schnecken.
|