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Fabeln 242 - 271
 

Vom Fuchs und dem Dornbusch
Vom Fuchs und dem Luchs
Vom Fuchs und dem Jäger
Vom hölzen Abgott
Wie ein Hund ward zu Gast geladen
Von einem Man und dem Adlar
Vom alten Weingartner
Vom Pfeifer, der fischen gieng
Von zweien Fischern
Vom armen kranken Man
Von dreien Fischern
Vom alten Man, der den Tot fordert
Von einer Frauen und dem Arzte
Von zweien Feinden
Vom Knaben und dem Glück
Von Mensen und der Katzen
Vom Affen und Fuchs
Vom Schmit und seinem Hund
Von einem Maul

Vom Dieb und der Sonnen
Von einem Arzt
Vom Hund und Wolfe
Vom Löwen und Ochsen
Vom Löwen und dem Bauren
Von einer Löwin und dem Fuchs
Von zweien Hanen
Vom Rehekalb und seinem Vatter
Von Jupiter und einer Binen
Von einer Fliegen

Vom jungen Gesellen und einer Schwalben

Fabel 242
Vom Fuchs und dem Dornbusch

Es ward ein fuchs so hart gejagt,
Dass er am leben schier verzagt,
Wolt fliehen über einen zaun;
Dran stund ein busch, het dörner braun.
Dieselben stachen in so hart,
Dass er an füßen hinken wart.
Er sprach: "Wie magstu stechen mich,
Weil ich mich doch als gut's versich
Zu dir?" Da sprach derselbig dorn:
"Den undank wust ich wol zuvorn.
Hettest mich lassen ungebrochen,
Werst auch wol blieben ungestochen.
Het ich mich nicht gegn dir gewert,
Hetst mich villeicht baß mores glert."

Solln uns nicht guts zu dem versehen,
Von dem uns nicht kan gut's geschehen.
Ein böser gibt kein guten rat;
Der dornbusch keine feigen hat.
Wie der han ist, so ist das gschrei;
Ein böser vogel, böses ei.

Fabel 243
Vom Fuchs und dem Luchs

In einem loch da wont ein fuchs.
Zum selbigen kam einst ein luchs,
Hub an freundlich mit im zu schwatzen
Von zobeln, mardern, wilden katzen
Und andern tierlin, die man hegt,
Ir belg für belz und futer tregt,
Und sprach, wie under disen allen,
Die in dem wilden wald umbwallen,
Er selb allein der edelst wer
Und besser denn all ander tier;
Und rümt die tugent seiner alten,
Wie adelich sie sich gehalten,
Sein eltern und all sein vorfarn
Groß tat getan in alten jarn,
Dass sie bilch auf der ganzen ert
Wern alles lobs und eren wert.
Da lacht der fuchs, sprach: "Lieber freund,
Wenn ich's nit wist und nit verstünd,
Wer's doch dabei zu merken wol,
Das dein eltern fast allzumal
Des jägers strick keiner ist entflohen,
Dem nicht sein haut sei abgezohen.
Ja, wer mir dies nicht glauben wil,
Sich dunken lässt, ich red zu vil,
Der schau beim kürsner auf die stangen,
Daselb ir vil beinander hangen.
Dabei mans auch geschrieben findt,
Wie redlich sie gewesen sind."

Die fabel lert uns, dass wir söllen
Keinem großsprecher glauben stellen,
Denn sie oft liegen unbedacht.
Wenn sie es denn han übermacht,
Zuletzt die tat ein überzeugt,
Dass er das merer teil erleugt.

Fabel 244
Vom Fuchs und dem Jäger

Der fuchs ward gejagt von eim jäger
Uber ein berg aus seinem läger;
Ward müd, dass er zoh langsam her;
Ein holzhauer fand ongefer.
Den bat er, dass er in verbürg,
Dass in der jäger nit erwürg.
Er sprach: "Verkriech dich in mein hütten;
Da bistu frei, wil dein wol hüten."
Der jäger folget eilend nach,
Denn nach dem fuchs war im so gach.
Er sprach zu dem: "Hast nit vernomen
Den fuchs? ist er nit hieher komen?"
Er sprach: "Ich weiß sein, trauen, nit.
Wo er sich da nicht hat verhütt,
So weiß ich euch nit anzuzeigen",
Und tet sich nach der hütten neigen.
Der jäger merket nicht die wort;
Er eilet und zohe immer fort.

Der fuchs kam raus, macht sich von dan
Und trollet sich den berg hinan.
Der man schalt in und rief im nach,
Lestert den fuchs mit worten hoch
Und sprach: "Du bös, undankbar tier,
Hab dich verborgen hie bei mir;
Laufst so davon, für alles das
Sprichst nit einst Deo gratias!"
Er kert sich umb und blieb bestan
Und sprach: "Du bist ein frommer man,
Und blieb dein frumkeit unverrückt,
Wo du dich da nicht hetst gebückt."

Mancher under dem schein des glauben
Sein nehsten tut des seinen brauben,
Rümet sich doch der tugent frei
Under dem schein der gleisnerei.
Wirft im heimlich ein stein in garten,
Des doch jener nit tet erwarten,
Und sehe gern, dass ein ander het
Die axt im kopf und im we tet,
Dennoch also, dass im nicht selb
Wurd gsehen in der hand das helb.
Das sein die schädelichsten katzen,
Die vorn lecken und hinden kratzen.

Fabel 245
Vom hölzen Abgott

Es het ein man ein hölzen götzen;
Den tet er in ein winkel setzen,
All morgen mit eim liechtlin ert,
Dass er im etwas guts beschert.
Das weret lang; da ward nit aus:
Sein gut nam ab teglich im haus.
Zuletzt ward zornig auf das bild;
"Ich sihe, dass du nicht tügen wilt",
Sprach er und nam in bei dem bein,
Schlug in gar hart an einen stein,
Dass er zerbrach zu kleinen stücken.
Vil goldes het er in dem rücken;
Das nam er an und hets gar gern,
Sprach: "Da ich dich in großen ern
Hielt, da tetestu mir kein dienst;
Geschlagen bringest guten gwinst."

Wenn ein böser tut gut aus zwang,
So tut ers doch on seinen dank.
Gut ist's, dass solche werden gschlagen:
Frag den nussbaum, er wird dir's sagen.

Fabel 246
Wie ein Hund ward zu Gast geladen

Sein freund ein man zum essen lud,
Wie ein nachbaur dem andern tut;
Sprach: "Wolt doch komen zu der stund!"
Da lud sein hund des andern hund,
Dass er auch kem mit seinem herrn
Und mit einander frölich wern.
Der herr kam; der hund seumet nicht,
Sahe, dass war köstlich zugericht,
Dacht: wilt dich heut also versorgen,
Dass du gnug hast auf übermorgen.
Gieng mit dem andern hund in dküchen,
Er nascht und tet fast umbher suchen.
Das sahe der koch on als gefar,
Dass ein fremder hund da war.
Beim schwanz erwischt in da der koch,
Warf in rücklings durchs küchenloch
In tiefen kot naus auf die gassen.
Davor ein haufen hunde saßen,
Sprachen: "Du hast so wol gelebt,
Dass dir der dreck an oren klebt."
Er sprach: "Ich hatt mich voll gesoffen
Und bin also hindurch geschloffen:
Das han gemacht die süßen bissen,
Dass ich bin umb und umb beschissen."

Wenn eim das glücke tut entlaufen,
Schleht jederman dreck auf mit haufen;
Wer schaden und den unfall hot,
Der darf nit sorgen für den spot.

Fabel 247
Von einem Man und dem Adlar

Ein weidman aus nach vögeln gieng,
Ein lebendigen adlar fieng;
Den trug er mit im heim zu haus,
Rauft im die langen federn aus,
Damit im tet sein macht vermindern,
Und ließ in laufen mit den hünern.
Ein fremder man den adlar kauft.
Als er sahe, das im ausgerauft
War all sein zier und sein gefider,
Besteckt er in mit federn wider,
Damit er im sein sterk erneut;
Des ward der adlar hoch erfreut,
Dass er nun wider fliegen kunt,
Flohe bald hinaus, erwischt von stund
Ein hasen und denselben bracht
Dem, dern het wider fliegend gmacht.
Das sahe der fuchs, sprach zu dem man:
"Wirstu lang bhalten disen han,
So schau, dass er dich nicht auch feht,
Und dir gee, wies dem hasen get."
Da bdacht er sich und nam dem adlar
All sein gefider ganz und gar,
Tet in gleich wie vorhin berupfen,
Dass er sich nicht mer kunt auflupfen
Und stetes bei der erden blieb
Und seinem herrn nit bös zutrieb.

Oft kumts, dass einr ein fremden hegt
Und großen unkost an in legt,
Dafür sich der ein zeitlang stellt
Demütig und der maßen helt,
Als ob er dank für die woltat;
Darnach, wenn ers zu wandlen hat,
In wider dafür hönt und schmecht,
Gleich wie der henker lont seim knecht.
Man sagt, was man den fremden hunden
Zu gut tut und den fremden kinden,
Das wird mit unflat und mit stank
Bezalt, denn solchs ist der welt dank.

Fabel 248
Vom alten Weingartner

Als ein alt man het ein weingarten,
Davon er gute frücht tet warten;
Da nun sein letzte zeit war komen,
Sein söne fordert er zusamen
Und sprach: "In des weingartens platz
Hab ich vergraben meinen schatz;
Ist's dass ir wölt denselben haben,
So müst ir fleißig darnach graben."
Damit er starb; die söne gunden
Fleißig zu graben, doch nicht funden.
Dieweil sie aber fleißig süchten,
Trug der weinberg vil guter früchten,
Und wurden reich von zeit und stunden:
Daraus des vatters red verstunden.

Ein treger schelm und fauler henz,
Der sich stets stechen lässt den glenz,
Streckt sich dahin und wil nit tun,
So lang im ein gebraten hun
Etwan herflöh ins offen maul,
Den solt man werfn mit eiern faul.
Solch leut sind wert, dass sie verderben
Und im elende hungers sterben.
Ein jeder sol sein unverdrossen
Zur arbeit und Gott sorgen lassen.
Wer sich im schweiß seins angsichts nert
Im glauben, dem wird gnug beschert.

Fabel 249
Vom Pfeifer, der fischen gieng

Als ein pfeifer wolt fischen gan
Und het gar kein verstand davon,
Er gieng zum wasser hin allein
Und trat auf einen großen stein,
Und blies ganz laut in sein schalmeien
Und macht den fischen einen reien,
Und meint, sie solten ausher springen,
Dass er's so möcht zu lande bringen.
Als aber keiner ausher kam,
Hört auf und ward im selber gram.
Er nam zuletzt das fischergarn,
Damit zwerch durch das wasser farn
Und tet in einem zug erwischen
Ein eben haufen guter fischen;
Zohs naus, dass auf dem lande sprungen.
Er sprach: "Jetzt tanzt ir ungesungen!
Ir seid fürwar gar tolle tier:
Vor wolt ir nicht gehorchen mir;
Jetzt, weil ir nimmer kunt entgan,
So faht ir erst zu tanzen an."

Ein jede sach hat ire zeit,
Wie solchs Gott und das glücke geit;
Wenn als zu rechter zeit geschicht,
Kan man daran sündigen nicht.

Fabel 250
Von zweien Fischern

Zween fischer furen auf ein zeit
Zu fischen auf das wasser weit,
Fischten und brauchten all ir kunst
Ein ganzen tag, doch gar umbsunst.
Zuletzt, da sie vil arbeit gwagt,
Zohen sie heim wol halb verzagt.
Sihe da, ein fisch lief ongefer,
Ein großen lachs jagt vor im her,
Gar neidisch hinden auf in drang.
Der lachs für angst ins schifflin sprang.
Die fischer wurden samtlich fro,
Liefen allbeid mit freuden do,
Sprachen: "Der komt uns wol zu steur!"
Ward bracht zu mark, verkauft gar teur.

Die leut oft trachten nach den dingen,
Könnens doch nicht zu wegen bringen:
Doch bringts das glück on alle schwer.
Erfarnheit han wir des zu ler.
Die schrift sagt von dem könig Saulen,
Der sucht mit fleiß seins vatters maulen
Und fand das reich zu Israel,
Wie im anzeigt der Samuel.


Fabel 251
Vom armen kranken Man

Zu bet ein armer man lag siech,
Sprach: "Jupiter, erhöre mich!
Hilf mir aus diser todesfar,
So wil ich dir auf dein altar
Zwenzig ochsen gar feißt und schon
Opfern zu dank und dir zu lon!"
Jupiter erhört seine bitt,
Gedacht: ist arm, vermag sie nit,
Lass sehn, wo wil er ochsen nemen?
Wird sich des glübdes müssen schemen.
Er ward gesund; da fur er zu,
Gedacht: ich weiß wol, wie ich tu!
Gieng naus und las zusamen fein
Im feld vil toter ochsen bein,
Opferts dem Jupiter gar bald,
Sprach: "Hie hab mein gelübd bezalt."

Der gott ward zornig und gedacht:
Solchs muss dir werden widerbracht!
Dieselbe nacht gab im ein traum,
Wie under einem eichenbaum
Im wald ein schatz verborgen leg.
Macht sich frü auf und war nit treg,
Lief hin, begunt daselb zu graben.
Kamen drei schnaphan her getraben,
Schlugen in, bis er nimmer mucht,
Das er in saget, was er sucht.
"Ein schatz", sprach er, "lasst mich nur leben,
So wil ich euch denselben geben!"
Da schlugen sie in, dass er starb,
An seiner hoffnung gar verdarb,
Umb traumes willen ward erstochen;
Da het sich Jupiter gerochen.

In nöten oft die leut geloben,
Das sie doch nit zu geben haben,
Wie der hollender auf dem mer.
Fürt ein kravel ein reicher schiffer,
Hub sich ein großer grausam sturm,
Wuchs im im herz der zage wurm.
Zwei wetter sich zu gleich erhuben;
Er globt mit all den schiffesbuben,
Und riefen all sanct Niclaus an.
Er sprach: "Du bist ein treuer man!
So frist uns heut schiff, gut und leben,
So wil ich dir ein wachsliecht geben,
So groß und lang die schonfarmast:
Dasselb dafür zu lone hast,
Und wil dir solchs zu eren ton."
Da het er einen kleinen son,
Der sprach: "Vatter, dich nit verkall!
Ich mein fürwar, dass du seist mall.
Zu solchem liecht ghört ein last wachs
Und zu dem dacht ein schippunt flachs.
Mit allen unsern freund und magen
Sölln wir solch unkost nit ertragen."
Sprach: "Halt das maul! du weist nit drumb,
Bis ich wider zu lande kum.
Möcht uns nur dise reis gelingen;
Zu land wolten wir mit im dingen
Und mit eim klein zu frieden stellen,
Geben im, was wir selber wöllen.
Ja, wenn ichs jetzund bessern kunt,
Ich geb sanct Niclaus kaum ein strunt."


Fabel 252
Von dreien Fischern

Drei fischer sich zusamen gsellten
Und ire garn anander stellten,
Mit kleinen stricken zamen bunden,
Dass sie dest weiter reichen kunden,
Und zohens durch ein große flut,
Wie man denselben netzen tut;
Dest mer gedachten zu beziehen,
Dass in auch keiner mocht entfliehen,
Und zohen dran mit allen henden.
Zuletzt, da sie nun wolten lenden
Und brachtens bei dem ufer her,
Da wards zu ziehen allzu schwer.
Derhalben sie sich freuen teten,
Meinten, dass vil gefangen hetten.
Da sie es aber recht besahen,
Zween große stein darinne lagen.
Da ward zuhand ir große freut
Verwandelt in ein traurigkeit.
Da sprach der eltest under in:
"Ich bitt euch, legt all trauren hin
Und lasst an nichtes nicht erwinden:
Ich weiß, es ist noch glück dahinden.
Denn so gets in menschlichen sachen,
Unfall tut sich erst zuher machen;
Wer sich damit nicht lässt bewegen,
Dem scheint die sonn bald nach dem regen."

Die fabel tut uns zeigen an,
Wie menschlich hendel sein getan,
Dass glück und unglück, lieb und leit
Eins das ander am rücken treit.
Wer solchs mit fürsichtigkeit merkt,
Im unfall tröst und selber sterkt,
Das er im unglück nit wird brochen,
Der hat sich an seim feind gerochen,
Wird bilch gehalten für ein man,
Der glück und unglück tragen kan.

Fabel 253
Vom alten Man, der den Tot fordert

Als ein alter man zu seim schaden
Im wald auf seinen rücken gladen
Von dorrem holz ein schwere last,
An eine wid zusamen gfasst,
Wolts heim tragen ein langen weg,
Ward auf der reis ganz müd und treg,
Setzt sich nider auf einen stein
Und warf das holz an einen rein,
Und sprach: "Ich wolt, dass der tot kem
Und mich aus disem jamer nem!"
Saß lang und klagt sein leit so ser;
Der tot rauscht durch die hecken her,
Greulicher gstalt tet für im stan
Und sprach: "Was wiltu von mir han?"
Der alt erschrack und sprach zum tot:
"Die bürd mich ser geschwechet hot,
Dass ich mich drunder gar ergeben,
Die hilf mir auf die schultern heben."

Wenn jemand ist in angst und leiden
Und kan dasselb unglück nit meiden,
So wünschet er im selb den tot,
Den er doch ja nit gerne hat.
Ja, wenn ern sehe heimlich herschleichen,
Solt er sich wol für im verkriechen;
Denn also lieb ist uns das leben,
Dass einer solt alle welt drumb geben.

Fabel 254
Von einer Frauen und dem Arzte

Als ein weib krank war an irm gsicht,
Dass sie beinahe kunt sehen nicht,
Sie kriegt ein arzt, dem tet sie loben,
Wenn er ir hülf, geschenk und gaben;
Jedoch bedinget sie daneben,
Wenn er nit hülf, wolt sie nit geben.
Der arzt het wol ir list vernommen,
Gedacht demselben für zu kommen.
So oft er zu ir gieng ins haus,
Nam etwas mit und trugs heraus.
Darnach die frau auch sehend ward:
Der arzt fordert sein lon so fort.
Die frau im den zu geben weigert,
Drumb er sie vor gerichte steigert.
Die frau im da gestendig war,
Dass sie im het verheißen, bar
Zu geben ein bestimte summen,
Wenn sie ir gsundheit het bekummen;
Dass er aber sprach unbedacht,
Wie er sie het gesund gemacht,
Gestund sie im in keinem weg,
Denn sie jetzund weniger sech
Im haus von all irm hausgerät,
Denn da sie noch den gbrechen het.

Es komt wol oft, dass die gesellen,
Die sich mit lügen decken wöllen,
Werden in irem strick gefangen,
In irem eignen netz behangen.

Fabel 255
Von zweien Feinden

Zwen feind waren in einem schif
Ueber zu farn das mer so tief,
Konten sich nit zamen vertragen;
Darumb sie von einander lagen:
Der eine lag im fürcastel,
Der ander saß im hinderteil.
In dem ein großer wind her webt,
Ein grausam sturm sich bald erhebt,
Dass die schifleut beid leib und leben
Und alles hetten übergeben.
Da fragt der vorn im schiffe war:
"Welchs end des schiffs kriegt erst die far?"
Der steurman sprach: "Das hinderteil."
Da antwort der: "So hats kein feil;
Wenn ich mein feind erst sterben sich,
Dest lieber wil begeben mich!"

Wenn ein mensch tut den andern hassen,
Der weiß sein selber keine maßen.
Mancher get dest lieber in tot,
Wenn er der pein ein gsellen hot.

Fabel 256
Vom Knaben und dem Glück

Das glück fand einen knaben sitzen
Schlafen bei einer tiefen pfützen;
Es weckt in auf und sprach: "Geheim!
Wenn du fielst ongefer hinein,
So müst ich tragen die unhuld;
Sprechen: es ist des glückes schuld!"

Wenn wir aus unvorsichtigkeit
Fallen in unlust oder leit,
Auf dass wir uns selber verschon,
Hangen die schuld dem unglück an.

Fabel 257
Von Mensen und der Katzen

Vil meus waren in einem haus;
Da fieng die katz alltag ein maus,
Dass sie abnamen an der zal.
Drumb kamens zamen auf ein mal,
Solch teglich schaden wol betrachten,
Rieten, hinfürder wie sies machten.
Da antwort eine von den alten:
"Ich rat, dass wir uns hie enthalten;
Denn hoch hie oben kan die katzen
Uns nicht wie so da niden fatzen,
Sie kan herauf nicht zu uns kommen."
Da solchs die katze het vernommen,
Ein neue list sie bald erdenkt:
Bein hindern füßen sich aufhenkt
An einem nagel wie ein hasen.
Ein meuslin sah's, sprach: "Liebe basen,
Ich kenn dich wol mit deinen renken.
Wenn ich dich schon sehe tot da henken,
Dein haut und har gar abgeropft,
Dein fell mit heu und stro gestopft,
Dennoch wolt nit so fürwitz sein,
Dass ich wolt glauben solchem schein."
Wo der esel ist gfallen nider,
Auf die stett bringt man in nit wider.
Ein weiser man acht haben sol,
Nicht werd genarrt zum andern mal.

Fabel 258
Vom Affen und Fuchs

Vil tier ein reichstag zamen heten;
Da kam ein aff heraus getreten,
Rang, sprang und spielet für in allen,
Dass allen tiern tet wol gefallen,
Hielt sich ganz höflich mit geberden,
Gedacht also könig zu werden.
Verdross den fuchs; rief's auf ein ort,
Sprach zum affen: "Hör mich ein wort!
Ich sehe, du wirst doch könig werden.
Ich weiß ein schatz, leit in der erden,
Der doch von recht der herrschaft ghürt."
Ein wenig baß ins holz in fürt;
Sahe in eim hag ein kleine lücken,
Da warn den tiern gestellet stricke.
Er sprach: "Wölst durch die lucken laufen,
Da wirstu finden gelt mit haufen."
Bald da der aff war nein geschloffen,
Da ward er mit den fallen troffen.
Er schalt den fuchs: "Hast mir gelogen,
Mit deinen fuchsschwenzen betrogen!"
Er sprach: "Du wilt dich auch erheben,
E denn dir Gott das glück hat geben,
Und wilt doch fliehen hin in Sachsen,
E dir die federn sein gewachsen."

Wer sich aus frevel unbedacht
Höher, denn sich gebürt, ausmacht,
Der tut sich selber oft betören
Und muss den spott zum schaden hören.

Fabel 259
Vom Schmit und seinem Hund

Es war ein hund bei einem schmit,
War faul und treg, tet nimmer nit.
So oft der schmit zu tische saß,
Da folget im der faule fraß;
Underm tisch allenthalben sucht,
Dass er sein balg auch füllen mocht,
Als, was vom tisch da fiel herunder.
Wenn er voll war, so legt sich nider.
Davon der hund ward feißt und groß,
Bis das zuletzt den schmit verdross.
Er sprach: "Du treger schelm so faul,
Du sihst wol, wenn ich reg das maul;
So lang ich aber für den hammer,
Legstu dich schlafen in die kammer.
Ich wil dich aus dem schlaf einst wecken,
Mit einem heißen eisen schrecken!"

Die faulen buben, die nicht wöllen
Sich, wie sichs gbürt, zur narung stellen,
Sein wert, dass mans mit flegeln etzt
Und mit hunden zum land aushetzt.

Fabel 260
Von einem Maul

Als ein maul ward frisch und wol gmäst,
Ward stolz und sich vil dunken lässt
Und sprach: "Mein vatter war ein ros,
Lief ser und war an tugent groß;
Warumb solt mich nit understan,
In gleichen eren halten lan?"
Gieng zun pferden, rief in haufen:
"Wil mit eim in die wette laufen!"
Da wards im laufen faul und treg,
Blieb ligen wol auf halbem weg,
Sprach: "Mich betreugt mein eigensin,
Ich sihe, dass ich ein esel bin."

Wer da wil wissen, wer er sei,
Frag seiner nachbaurn zwen oder drei
Und mess sich mit sein eignen füßen,
So tut er selb den kützel büßen.

Fabel 261
Vom Dieb und der Sonnen

In einem dorf wont ein erzdieb,
Der gewan ein junge metzen lieb,
Er nams, macht hochzeit alsofort
Und bat die leut am selben ort
Zur hochzeit, dass zu sein eren
Kemen und mit im frölich weren.
Sie kamen all mit freuden dar.

Des ward ein weiser man gewar;
Demselben gfiels nit allzu wol
Und sprach: "Die sonn wolt auch ein mal
Sich in den eestand tun begeben,
Kunt nit lenger alleine leben;
Darumb wolt ir ein weib erweln,
Möcht so irs gleichen kinder zeln."
Da solchs der erd ward angesagt,
Erschrack sie ser und kleglich klagt
Dem Jupiter ir angst und not,
Bat, er wolt wie ein weiser gott
Mit fleiß in solche sachen sehen,
Lassen solch heirat nit geschehen;
"Denn wo die sonne nimt ein weib
Und kinder zeugt, von irem leib
Geboren werden noch mer sonnen,
Fürwar, so geb ich gar gewonnen
Und würd so dürr, dass ich fürbaß
Kein korn könt geben, kraut noch gras.
Denn sie fürhin so scharpf und spitz
Sticht, dass ich oft vor großer hitz
Zerreißen muss und gar vertrucken:
So hart tuts mich im sommer drucken;
Und wo die sonn gewint ein erben,
Bin erlegen und muss verterben
Und alle welt mit mir vergan;
Seht zu, was nutzs habt ir davon?"

So werden auch des diebes kind
Gleich werden wie der vatter gsinnt.
Wie er getan, wird sie auch lern,
Denn katzenkinder mausen gern.
Drumb komts den leuten nicht zu frommen,
Die auf ein solche hochzeit kommen.
Besser, am galgen zu vertreugen,
Denn dass er solt mer kinder zeugen.
Vergebens ist's, dass man holz spalt
Und tregts zum überfluss in walt.
Wo man mit öl wil leschen feur,
Da ist fürwar das wasser teur.
Den wolf darf man an dschaf nit hetzen,
Auch in den belz die leus nit setzen.


Fabel 262
Von einem Arzt

Ein doctor tet ein kranken arzen
So lang, bis im vergieng das farzen.
Wie man in da zu grabe trug,
Sprach er: "Wer der gewesen klug,
Het sich enthalten von dem wein,
Es möcht im jetzund besser sein,
Und het genommen ein clystier,
Er lebet noch, fürwar glaubt mir."
Da sprach einer von denselben fründen,
Die dasselbig mal umb in stunden:
"Herr doctor, ir solt bei seim leben
Im ein solchen rat han geben,
So het er gtögt, jetzt taug er nicht;
Bös rat, der nach der tat geschicht!"

Wenn dir dein freunt ein rat wil geben,
Der tus zu rechter zeit und eben.
Gibt ern zu spat oder zu fru,
So denk, er spottet dein dazu.

Fabel 263
Vom Hund und Wolfe

Für eim haus lag ein hund und schlief.
Bald ein hungriger wolf herlief,
Erwischt den hund, wolt in verzer.
Er sprach: "Herr wolf, mein lieber herr,
Wie wolt ir sein also vergessen,
Mich dörren, magern schelmen freßen?
Harrt, dass ich werde baß bei leib.
Es nimt mein herr jetzt bald ein weib,
Wil ich mich in der hochzeit mesten
Und gar wol leben mit den gesten.
Wenn ich denn worden glat und feißt,
Wil ich mich euers willn geleist;
So b'ger ich auch nicht leng zu leben,
Wil mich euch willig übergeben."
Der wolf glaubt im und nam das an.
Da war ein halbes jar vergan;
Da kam der wolf des nachtes wider,
Fordert den hund, sprach: "Bistu bider,
So kum heraus und halt dein wort."
Das het der hund im haus gehort;
Er lief bald auf den suller hoch,
Antwort im durch ein enges loch
Und sprach: "So oft du wider kümst
Und mich außen der tür vernimst,
Es sei im vorhof oder garten,
So darfstu keiner hochzeit mer warten."

Wenn ein weiser in unfall kümt,
An einem ort ein schaden nimt,
Vil baß siht er sich darnach für,
Dass im nit mer kum für die tür.

Fabel 264
Vom Löwen und Ochsen

Der löw im feld ein ochsen sach;
Demselben schlich er heimlich nach,
Aus list sprach er im freundlich zu:
"Bit, wölst mir zu gefallen tun!
Ich hab ein feißtes schaf geschlacht,
Kum heint und iss mit mir zu nacht."
Er sagt ims zu; wie er da kam,
In der kuchen kein schaf vernam,
Denn dass da an einer großen stangen
Ein kessel übers feur gehangen.
Der löw hieß in freundlich willkummen.
Da kert der ochs bald wider umbe.
Der löw rief im und sprach: "Wo hin?"
Er sprach:"»Dein gast ich heut nicht bin,
Dieweil ich sihe kein schaf hie nicht;
Ein ochsen zu kochen ist zugericht.
Im kessel wol vier schäpsen süd,
Und an dem spieß ein ochsen briet."

Ein man, der weis und witzig ist,
Der merkt gar bald der bösen list,
Die underm schein des friedens wüten,
Dest baß weiß sich für in zu hüten.

Fabel 265
Vom Löwen und dem Bauren

Mit eim baurn war ein löw bekant;
Einsmals sich gegen im ermant,
Bat in, er wolt sein tochter geben
Seim son zum weib ins elich leben.
Da sprach der baur: "In keinem weg!
Solchs wer nit gut, wenn es geschech",
Und sprach: "Das sei gar fern von mir,
Dass ich mein tochter geb eim tier."
Der löw ward zornig, sahe ganz saur.
Da sprach weiter derselbig baur:
"Wenn dein son wolt mein tochter han,
Müst er ir etwas zwillen tan,
Umb irer lieb ein wenig leiden
Und seine klauen erst beschneiden
Und all seine zen ausschlagen,
Sunst wird er nicht der dirn behagen."
Der junge löw ward sere fro,
Lief balde hin, tet im also,
Schlug aus die zen, schnitt ab die tatzen,
Auf dass er nit die braut wolt kratzen,
Kam wider zu dem bauren balde,
Bat in, dass er sein wort wolt halten.
Er sahe den löwen one wer,
Erwischt ein kolben groß und schwer,
Tet im damit ein hochzeit machen,
Dass im vor angst vergieng das lachen,
Und zelt im da den brautschatz bar,
Dass im we tet ein halbes jar.

Wem der vorwitz so ser beliebt,
Dass er sein vorteil übergibt,
Fellt darnach in der feinde hend,
Dem gschicht recht, dass er wird geschendt.

Fabel 266
Von einer Löwin und dem Fuchs

Die löwin ward allzeit belacht
Vom fuchs und nur darumb veracht,
Dass, so oft sie geberen tet,
Nit mer denn nur ein junges het.
Sie sprach: "Es ist war, aber gar schon,
Und ist dazu eins löwen son."

Was kleine ist und doch ganz gut,
Mir baß denns groß behagen tut.
Ich nem ein kleine muscatnuss
Für eine große rüben süß.

Man pflegt zu sagen: groß und faul,
Ich sah mein tag kein schlimmern gaul.

Fabel 267
Von zweien Hanen

Als zwen han teten zamen kempfen:
Welcher den andern erst könt dempfen,
Solt das regiment gwunnen han,
Bleiben allein der hennen man.
Sie kempften, bis der eine floch,
Für scham in die nesseln verkroch.
Als der ander gewunnen sach,
Vor freuden floh er auf das dach,
Krät laut und rümt sich mechtig ser.
Da floh ein adlar gschwind daher,
Erwischt und trug in in sein nest.
Da ward der ander han der best,
Und kamen zu im all die hennen,
Für iren herrn teten erkennen.

Wer dem glück allzu ser vertraut,
Aufs ungewis gewisses baut,
Gar oft in größer unglück fellt,
Welchs im oft heimlich wird gestellt.

Fabel 268
Vom Rehekalb und seinem Vatter

Das kalb redt seinen vatter an
Und sprach: "Du bist ein feiner man,
Von allen glidern, kopf und achsen
Und hohen beinen, wol gewachsen;
Zwei schöne hörner mit vil zacken,
Die sein auch herter denn die wacken,
Und bist vil grader denn die hund:
Wie komts denn, dass dich alle stund
Für in förchtest, wenn sie dich jagen,
Und an dir selber tust verzagen?"
Da lacht der hirsch und sprach zum son:
"Wiewol ich solches alles hon,
Doch wenn ich hör die hunde bellen,
So tut mirs g'hirn im kopf zuschwellen,
Und muss an meiner macht verzagen:
Denn lass ich mich von hunden jagen."

Wer in seim herzen ist verzagt,
Derselb kein tapfer taten wagt;
Ein unbeherzt verzagter man
Der get fürwar kein künen an.

Fabel 269
Von Jupiter und einer Binen

Als die bin dem Jupiter zlob
Bracht einst vom honig ire gab,
Ward er des fro, behagt im wol,
Sprach: "Sag, was ich dir geben sol?
Was du bittest, wil ich dich gwern."
Sie sprach: "Ich tu nicht mer begern,
Denn dass, der zu dem binstock kümt
Und uns das wachs und honig nimt,
Das der von stund da müsse sterben,
Ich solches mög bei euch erwerben."
Jupiter lacht, bedacht sich recht,
Denn er liebt ser das menschlich gschlecht,
Und sprach: "Lass dir's sein gnug daran,
Dass, wenn du stichest einen man
Und lest da deinen angel stecken,
Dass dich denn bald der tod sol schrecken;
Und so du hast verlorn den angel,
Solt han an allen kreften mangel."

Wer heimlich durch den zaun tut stechen,
Mit list sich an seim feind zu rechen,
Der fellt oft in sein eigen spieß,
Gewint schaden, spot und verdrieß.

Fabel 270
Von einer Fliegen

Es fiel ein flieg in ein fleischtopf,
Dass sie ward nass an bauch und kopf.
Da sie lang in der brü geschwummen,
Sah, dass dem tod nit mocht entkommen,
Sie sprach: "Ich hab nun gessen sat,
Getrunken und mich wol gebadt,
So stirb ich hie in disem schlauch
Mit freuden und mit vollem bauch."

Wer ein unglück nit meiden kan,
Der gee nur frisch mit freuden dran:
Das leit, so man mit freud annimt,
Dest leichter in dasselb ankümt.

Fabel 271
Vom jungen Gesellen und einer Schwalben

Ein jüngling het im wein und fraß
Verbrasst, verschlemmet alles das,
Was im sein eltern glaßen nach;
Zuletzt het nur ein mantel noch.
Ongfer ein schwalben het vernomen,
Sprach: "Nun wird bald der sommer komen!"
Verzehrt den mantel auch im wein
Und meint, es solt nun sommer sein.
Da kam ein frost und tiefer schnee:
Für großer kelte ward im we,
Und war erfroren mer denn halb.
Fand ligen eine tote schwalb;
Er sprach: "Jetzt müt mich nit mein schad,
Weil die auch iren lon jetzt hat."

Ein einig schwalb macht keinen sommer;
Ein bissen brot stillt nit den kummer.
Ein jeglich ding hat sein bescheit,
Wenn es geschicht zu rechter zeit.