Der Zauberer
Almansor war der größte Zauberer;
Es horchte seiner Stimme Land und Meer;
Orkane schwiegen, denen er gedroht.
Ihm waren dienstbar alle Elemente,
Vollzogen jeden Wink von ihm behende,
Und auf sein furchtbar ernstes Machtgebot
Durchbrachen Geister ihre dunkeln Klüfte,
Und schwebten, ihm zu dienen, durch die Lüfte.
Es drängte sich zu dem berühmten Mann,
Wie man sich dies leicht denken kann,
Neugierig eine große Jüngerschar,
Doch aus den Schülern allen war
So lieb ihm keiner, als Amint,
Der Sohn des Freund's, mit dem so manches Jahr
Vertrauten Umgang er gepflogen;
Noch war, als dieser starb, der Knabe unerzogen,
Drum bat er sterbend unsern Greisen,
Ihn in der höchsten Kunst zu unterweisen.
Es war ein heller Kopf, doch flüchtig, wie der Wind,
Er faßte schnell den Anfangsgrund der Lehre,
Und machte seinem Meister Ehre.
Einst war Almansor auf das Land gereist.
Es blieb Amint auf sein Geheiß
Um zu bewachen das Gemach zurück.
Neugierig fiel des Schülers Blick
Auf all die Bücher hin und Instrumente;
Es blieb nicht beim Beschau'n; er nahm bald dreist
Bald dies bald jenes Buch und Werkzeug in die Hände.
Er liest bereits mit großem Fleiß
In einem dicken Foliant,
Der neben einem Pulte stand;
Da fand er — denkt euch sein Vergnügen,
In ihm bekannten Hieroglyphen-Zügen
Die Formeln, die sein Meister las, wenn er
Dienstbarer Geister zitternd Heer
Aus ihrem Abgrund, wenn auch noch so tief,
Im Nu in seine Zauberkreise rief.
Dem kecken Schüler bangt nicht vor der Geister Grimme.
Er liest, und liest jetzt mit erhabner Stimme
Die ernste Formel der Beschwörung.
Es bebt das Haus; Geheul tönt durch die Lüfte;
Die Elemente gären in Empörung,
Und Flammen zucken durch die offnen Klüfte,
Aus denen jetzt in furchtbarer Gestalt
Ein Geisterheer empor in Schwefeldämpfen wallt.
Aus ihrem blassen Mund die dumpfe Frage schallt:
"Wir sind nun da, der Hölle Geister,
Was will von uns der Herr und Meister?"
Erschrocken stand jetzt da und bleich
Der kühne Schüler einem Marmorbilde gleich;
Er sah sich an der Hölle offnem Rand;
Es fiel das Zauberbuch aus seiner Hand;
Nicht fähig war er, nur ein Wort hervorzubringen;
Weg war sein Mut, doch die Gerufnen fingen
Mit gräßlichen Gebärden und mit Dräuen
Die ernste Frag' an zu erneuen:
"Wir sind nun da, der Hölle Geister,
Was will von uns der Herr und Meister?"
Ein Tag und eine Nacht verfloß auf diese Weise.
Da kehrt Almansor heim von, seiner Reise;
Sieht in dem Zauberkreis die Geister schweben,
"Tollkühner Knabe, was hast du getan?
Rief er, wohin riß dich dein stolzer Wahn?
Herauf berufen konntest du die Geister,
Sie zu entfernen bist du nicht der Meister.
In Schrecken ist die ganze Nachbarschaft.
Miß junger Tor, die Grenzen deiner Kraft.
Eh du wagst einen ähnlichen Versuch,
Zu lesen Formeln aus dem Zauberbuch."
Hier winket er mit zorniger Gebärde —
Und schnell verschlingt das Geisterheer die Erde.
Der Mond und die Sterne
Nacht war's; es spiegelte sich in dem klaren Teich
Der Vollmond, und mit ihm das ganze Sternenreich.
Der kleine Wilhelm sah den Mond in dem Gewässer;
"O Vater," rief er aus, "wie ist um so viel größer
Der Mond als alle diese kleinen Sterne."
Der Vater sprach: "Du irrst, denn wisse, liebes Kind,
Daß diese Sterne, deren Schein
Dem Anblick nach so unbedeutend klein,
Doch größer als der Mond um Millionen sind;
Daß klein sie scheinen, macht nur ihre große Ferne."
"Ei," rief der kleine Mann, "dies hätt' ich nicht gemeint."
—
"Zieh nie dem Großen vor, was groß zu sein nur scheint."
Die zwei Schwestern
(Eine wahre Begebenheit)
Zwei Schwestern ergriffen den Wanderstab
Zu lösen fromme Gelübde
In der heiligen Mutter zu Ötting Gnadenkapelle.
Sie fuhren nach Passau den Inn hinab.
Auf seiner grünlichen Welle.
Sie fuhren nicht lang, als plötzlich der Himmel sich trübte;
Ein stürmischer Wind, der Bote des Sturmes, pfiff
Hin über die Fluten; es rauschte der Regen in Strömen;
Bald konnten die Schiffer nicht mehr den Kahn bezähmen;
Die schäumenden Wogen bedeckten das Schiff;
Es sank: mit ihm die unglücklichen Leute;
Brüllender griff der Strom seine Beute,
Und mit dem Tode die Menschen rangen
In Fluten, die Grabeslieder sangen.
Jetzt bezeichnet am Gestad eine Tafel die Stätte,
Wo achtzig Menschen im Inn fanden ihr Sterbebette.
Unsere Schwestern, unverehlicht die eine,
Mutter die andre, zu Hause fünf Kleine,
Schwammen dahin auf einem Brette,
Das die zitternde Hand ergriff;
Doch bot es nicht lange Rettung mehr,
Denn es war für zwei Menschen zu schwer.
Da zur Mutter die ledige Schwester spricht:
"Liebe Marie, das Brett trägt uns beide nicht:
Zu schwer ist die doppelte Last.
Ich weiß, daß du fünf Kinder zu Hause hast,
Ich aber bin allein und ledig;
Drum will ich, das Brett dir überlassen,
Du rettest dich, kannst du's allein umfassen.
Gott sei meiner armen Seele gnädig!"
Hier ließ sie fahren das Brett; die Wellen deckten sie zu;
Gerührt tönte leiser die wilde Flut;
Und Engel hoben in harmonischem Chor
Die fromme sich opfernde Seele empor
Zum Himmel, wo bei Gott sie ruht.
Ehrfurcht gegen das
Alter
Begonnen hatten die olymp'schen Spiele,
Der Griechen Stolz, zu denen Klein und Groß
Aus allen Gegenden zusammen floß;
Gespannt war Aug und Ohr, besetzt schon alle Stühle.
Da wand ein Greis sich mühsam durchs Gedränge,
Der sich verspätete; sein Auge irrt umher,
Und findet unter der in Schaun vertieften Menge
Für sich den kleinsten Platz nicht mehr;
Ja, einige junge Leker von Athen,
(Es waren schöne Geister) spotteten
Im Übermut des armen Manns sogar;
Der wollte nun den Schauplatz schon verlassen;
Da kam er zu dem Ort, wo die Spartaner saßen,
Hier standen plötzlich auf, kaum nahte er sich ihnen,
Die Jüngling' all mit ehrfurchtsvollen Mienen,
Und machten ihm wetteifernd Platz; so findet er
Der vorhin noch um einen Sitz verlegen war,
Für sich auf einmal hundert Sitze leer.
Da flossen Tränen von des Greisen Wangen;
Er schüttelte bewegt das graue Haar;
"Weh mir!" rief er, "die Griechen alle prangen
Mit dem Gefühl für's Schöne und für Tugend,
Doch lehrt mich heut der Sparter edle Jugend,
Daß alle Griechen zwar die Tugend lieben,
Doch die Spartaner nur sie wirklich üben."
Die rückgängige
Verlobung
Dorant sah nahe schon den schönen Augenblick,
Nach dem er sich so viele Jahre sehnte,
Wo in Themirens seligem Besitze
Zufriedner Ehe hohes Glück
Den kühnsten seiner Wünsche krönte.
Er kam jetzt täglich zum Besuch,
Und fand in einem Andachtsbuch
Themiren lesen, ganz vertieft.
"Wie?" rief er aus mit schalem Witze,
"Ist's möglich, reizende Themire,
Daß solche alberne Lektüre,
Die nur von Fabeln und von Dummheit übertrieft,
Sie, bestes Mädchen, unterhalten kann?"
"Es handelt," sprach sie sanft, "von Christus frommer Lehre;
Daß Ihnen die mißfällt, macht Ihnen wenig Ehre." —
Ihr Blick ward ernster; doch dies stört nicht unsern Mann.
Mit mattem Scherz, den er aus Modeheften sog,
Belacht' er die Religion, und zog
Zu Felde wider sie; es wagt sein frecher Spott
Sich endlich selber an das Heiligste, an Gott! —
"Nicht weiter mehr in diesem Ton,"
Sprach zu dem kecken Spötter jetzt Themire,
Unfähig, ihren Zorn noch mehr zu unterdrücken;
"Sie lassen mich, mein Herr, tief in Ihr Inners blicken.
Sie haben mit Gott und mit der Religion
Nun lang genug den kecksten Scherz getrieben;
D'rum hören Sie, mein Herr, nie werd' ich mehr die Ihre;
Ich danke meinem Gott, daß ich sie lernte kennen;
Erdreisten Sie Sich nie, mich ferner Braut zu nennen;
Der Mann, der Gott nicht liebt, wird auch sein Weib nicht
lieben."
Der Riese und der Zwerg
(Nach Goldsmitt)
Es waren einmal, wie die Fabel uns erzählt,
Ein Riese und ein Zwerg vertraute Herzensfreunde,
Die gleicher Durst nach Ruhm zum festen Bund vereinte,
Hinaus zu ziehen in die weite Welt,
Manch kühnes Abenteuer zu bestehen,
Und eher nicht als nur gekrönt mit Lorbeern heimzugehen.
Sie reisen ab; das Glück begünstiget ihr Sehnen,
Und ihren Durst nach Ruhm; zwei bärt'ge Sarazenen
Zu Pferd (die Rüstung strahlt im Sonnenschein)
Das Schwert gezücket, dringen auf die Wandrer ein.
Es blitzt der blanke Stahl in ihrer Hand,
Doch unsre Helden leisten wackern Widerstand.
Es führt der Kleine einen grimm'gen Hieb,
Doch schade, daß die Wund' ein blauer Fleck nur blieb.
Der Mohr, der lachend ihm den Streich zurücke gab,
Hieb ihm den linken Arm zum Gegengruße ab.
Sein Reis'gefährte doch, so kräftig als behende,
Macht dem verweg'nen Kampfe schnell ein Ende,
Und streckte bloß mit einem Schlag der Hand
Die Sarazenen beide in den Sand.
Die Sieger stimmten an nun ein Triumphgeschrei;
Erbost lief auch das Zwerglein gleich herbei.
Und hieb dem toten Feind, der ihn des Arms beraubt.
Mit vielen Streichen mühsam ab das Haupt.
Sie zogen fort; es nahm sie auf ein dichter Wald,
Aus dem ein weiblich Hilfgeschrei entgegenschallt.
Zwei Satyre sehen sie, ein Mädchen in der Mitte,
Das diese ziegenförm'gen Ungeheuer
Taub gegen alles Fleh'n und jammervolle Bitte,
Barbarisch mit Gewalt entführen.
"Ha," rief der Riese aus, "willkommnes Abenteuer,
Das uns das Glück verschafft, mit Lorbeern uns zu zieren,
Denn Frau'n zu schützen ist die echte Rittersitte;"
Und hiermit griffen sie die frechen Räuber an.
Der Zwerg blieb nicht zurück: er stand auch seinem Mann.
Der Riese focht, wie mans von ihm erwarten kann,
Mit Kraft und Mut; es muß vor seinen schweren Streichen,
Erschrocken das gehörnte Paar entweichen;
Sie floh'n zur Lebensrettung schnell in's Weite,
Den Siegern überlassend ihre Beute.
Die Dame ward befreiet von den Mohren,
Doch hatte unser Zwerg ein Aug verloren.
Die holde Dame dankt dem großen Sieger,
Der sie erlöset von der Wut der Tiger,
Und dem zum Lohne sie jetzt Hand und Herz verehrt:
Den armen Zwerg hielt sie kaum eines Blickes wert.
Sie waren wen'ge Stunden fortgezogen,
Als vom Gebirg herab sechs kühne Räuber flogen,
Sie hießen sie, wenn ihnen lieb ihr Leben,
Die Börsen her und auch die Dame geben.
Den Reisenden blieb eine schlechte Wahl;
Die Räuber waren überlegen an der Zahl,
Doch unser Riese stolz auf die massiven Glieder,
Dringt statt der Antwort auf die Räuber ein;
Ein jeder Schlag der Faust streckt einen Gegner nieder;
Es wollte unser Zwerg auch nicht der letzte sein.
Doch leider büßt er ein im Kampf sein linkes Bein:
Bald war die kecke Räuberschar zerstreut.
"Wohlan, mein kleiner Alexander,"
Rief jetzt dem Zwergen zu der Riese hocherfreut,
"Laßt uns noch zieh'n ein wenig miteinander,
Wenn wir nur einen Sieg, nur einen noch erfochten,
So ist für immer unser Lorbeerkranz geflochten."
Der Zwerg doch, der im Kampf mit Satyrn, Räubern, Mohren,
Ein Bein und einen Arm und auch ein Aug verloren.
Der nach gekühltem Blut verständiger geworden,
Lehnt diesen Antrag ab, und spricht mit dürren Worten:
"Ich bin des Kämpfens müd', und darum dank' ich sehr
Für euer Angebot; nicht weiter zieh' ich mehr:
Mein lieber Ries, ich kenn' jetzt eure Pfiffe;
Bei diesem Handel büß' ich ein:
Ihr zieht bei jedem Sieg den Dank und Lohn allein,
Und mir — mir bleiben nur die Püffe."
Der Kater und die Mäuse
Es hatte sich des reichen Kleon Haus
Ein Mäuseheer zum Wohnplatz ausersehen;
Hier fanden sie in Küchen und in Kellern,
In Töpfen, Gläsern und auf Tellern,
Wie man sich denken kann, manch fetten Schmaus;
Nichts blieb vor ihnen sicher stehen,
Im Überfluß der Dinge alle
Blieb unberühret Gift und Falle.
Dem Hausherrn war dies keineswegs gelegen,
Er dachte, wie dem Übel abzuhelfen, nach.
Nachdem er lange sich den Kopf zerbrach,
Kam ihm ein guter Einfall in den Sinn.
Er ging an einem Morgen früh dahin,
Und kam nach läng'rer Zeit zuwegen
Mit einem Kater, der im Mausen praktiziert,
Der wird zum Mäusejäger installiert.
In welchem Amt er auch sehr großen Nutzen schuf.
Er war so eifrig im Beruf,
Daß er die so verhaßten Mäuse
Fing und verzehrte dutzendweise. —
Mit Schrecken nahm der Mäuse Schar
Das Ende ihrer Herrschaft wahr;
Sie durften sich zu ganzen Tagen
Nicht mehr aus ihren Löchern wagen. —
Herr Murner hatte einst zum Glück
Geschäfte auf des Nachbars Felde,
Da sammelt sich zum großen Rat in Bälde
Die ganze Mäuserepublik,
Die jetzt auf Mittel, sich vom Tod zu retten, dachte;
Wobei nach hergebrachtem Gruß
Der Senior des Areopagus
Den Horchenden solch einen Vortrag machte:
"Ihr wißt, welch herrliche, welch gold'ne Tage,
Wir einst in diesem Haus genossen, bis zur Plage
Der ganzen Mäusezunft, der Wirt hier unsern Erbfeind
eingeführt.
Der seine Klauen färbt mit unserm Blute rot.
Und unserm Staat mit Untergange droht.
Unmöglich ist's, den Mächt'gen zu bezwingen,
D'rum müssen wir vor allen Dingen
Auf irgend ein probates Mittel denken,
Des Feindes Ankunft auszuspüren,
Der ausstudiert in vielen argen Ränken
In allen Ecken und an allen Türen
Auf uns beständig Wache hält,
Damit, wenn wir auf Tischen oder Bänken
Uns unsre Mahlzeit lassen schmecken,
Wir sein Herannah'n schnell entdecken,
Und eh er uns heimtückisch überfällt,
Und zeitlich flüchten an den sichern Ort." —
Ein junger Ratsherr nahm nunmehr das Wort,
Er legt in ernste Falten sein Gesicht,
Aus dem die schlaueste Politik spricht.
Und zeigte nun der aufmerksamen Schar
In einer Rede, die reich an Figuren war.
Es sei der einz'ge Weg, wo Rettung noch zu finden,
Dem Kater eine Rolle anzubinden.
"Dann" schloß der Redner sehr gelehrt,
"So wird der Feind sein Nah'n uns selbst verkünden,
Und wir — wir können dann schnell in das Loch verschwinden.—
Dixi;" — es spitzten die geschwänzten Senatoren
Hoch bei den Vorschlag ihre Ohren,
Und alle hielten ihn des höchsten Beifalls wert,
Und den Erfinder für ein höh'res Wesen.
Der kleine Zweifel war hier nur noch aufzulösen,
Wer für's gemeine Wohl sich würde nun bequemen,
Das schwierige Geschäft zu übelnehmen,
Herrn Murner dieses Halsband umzubinden.
Nachdem man lang verlegen an sich sah,
So wollte dennoch sich kein Mausesävola
Zu dieser kühnen Rolle finden.
Der Redner selbst verstummt, und sah verlegen nieder,
Und hiermit blieb's beim Alten wieder. —
Es ist der schönste Plan vergebliches Bemühen,
Wenn's Niemand wagt, ihn zu vollziehen.
Die Hühner und der
Fuchs
Es kam der Fuchs einst einem Hühnerhofe nah.
Ganz still und heimlich, wie gewöhnlich, angezogen;
Doch kaum, daß ihn der Hühner Schar ersah,
Als Alle schnell auf einen nahen Eichbaum flogen.
"Warum so scheu?" sprach jetzt mit süßer Stimme
"Der Fuchs;" ihr fürchtet euch doch nicht vor meinem Grimme?
Ich kann es zwar mit Wahrheit nicht verhehlen,
Daß oft die Not mich zwang,
Und was vermag nicht Not! ein Hühnchen mir zu stehlen.
Die Reue quälet mich dafür schon lang,
Darum verzeiht mir tief zerknirschtem Sünder!
Doch nun seid auch nicht länger bang,
Kommt keck zu mir herab, ihr guten Kinder!
Versichert sind auf immer eure Kehlen.
Ihr wißts vielleicht noch nicht, ihr lieben Seelen,
Daß an des Löwen Hof — glaubt mir, ich schwör' es euch.
Ich komm just davon her, für aller Tiere Reich
Heut abgeschlossen wurde ein Vergleich,
Daß alle Feindschaft aufzuheben,
Die wechselseitige Verfolgung aufzugeben,
Und zwischen allen Tieren Fried' und Eintracht sei:
Wer dies Mandat nicht durch Gehorsam ehrt,
Wird als ein Feind des Reichs erklärt;
D'rum will von heute an ich nur von Pflanzen leben. —
Ihr glaubt's nicht, wie die Botschaft mich erfreute;
Doch, liebe Freundinnen, legt Mißtrau'n nur bei Seite;
Verbannt aus eurer Brust den argen Wahn,
Und kommt zu dem, der euch die frohe Kunde gab,
Hübsch nachbarlich auf ein Gespräch herab." —
Da sprach zu ihm vom Baum' ein alter, kluger Hahn,
Der statt des ganzen Hühnervolks das Wort genommen:
"Verzeih' ein wenig nur; ich seh' des Hausherrn Hund
Den treuen Sultan schon im vollem Laufe kommen;
Er wird, wie du, mit vollem Mund
Die frohe Nachricht uns verkünden."
Kaum hörte dies der Fuchs, als er mit schnellem Fuße
Den Rückweg sucht, um sicher zu verschwinden. —
"Wohin, Herr Reineke," so kräht der Hahn ihm nach:
"Wozu so eine Flucht nach diesem Friedensschlusse?"
Worauf der Fuchs zu ihm schon im Entfliehen sprach:
"Er hat vom Friedensschlusse nichts erfahren,
Weil Hunde nicht dabei zugegen waren."
Die gefährliche Wunde
Ein junger Hasenfuß erhielt in einer Schenke
Bei einer Schlägerei einst einen kleinen Ritz,
Er säumte nicht, nach dem Chirurg zu senden.
Der kam auch gleich gerannt als wie der Blitz,
Mit Salben, Pflastern und Scharpie in beiden Händen,
Und aufmerksam besah er unsern Patienten.
"Lauf gleich nach Haus," sprach er zum Knecht, der bei ihm
war,
"Und bringe Spiritus!" — "Es hat Gefahr?"
Rief der erschrockne Patient; — "Ich denke,
Die höchste," sprach der Arzt, denn wenn der Bursch nicht
eilt;
So ist noch, eh' er kommt, die Wunde zugeheilt."
Die schlauen Neger
Im Schatten eines Kokosbaumes saßen
Zwei Neger; plötzlich wurden sie gewahr,
Daß oben in des Baumes Gipfel
Sich aufhielt eine große Affenschar,
Die schweigend lauschten in dem grünen Wipfel,
Und schwere Kokosnüsse aßen.
"Hör Bruder," sprach ein Neger zu dem Andern,
"Laß uns die argen Tiere doch verjagen;
Mich lüstet selbst nach diesen schönen Nüssen,
Die Bestien sollen uns bald weiter wandern."
Doch der Erfahrne spricht: "Du kennst die Tiere nicht
Nicht ratsam ist's, mit ihnen einen Kampf zu wagen;
Im offnen Feld schon gar! Wie würden sie mit Bissen
Zerfleischen uns den Leib und das Gesicht.
Kein Kluger läßt sich ein in ein Gefecht mit ihnen:
D'rum wollen wir uns einer List bedienen.
Wir wollen hinter Bäume uns verstecken.
Und heimlich sie mit manchem Steinwurf necken."
Gedacht, getan! — Gleich fliegt ein Stein hin auf die Äste.
Wie tobten hier die langgeschwänzten Gäste? —
Die Affen, die sich angegriffen wähnen,
Sie zischen, sprudeln, klappern mit den Zähnen.
In Aufruhr ist die ganze Affenband',
Und da sich keine and're Waffe fand.
Kein Stein, kein Prügel und kein Stab,
So wirft man mit geschäft'ger Hand
Die Kokosnüsse dutzendweis herab.
Die unbekümmert auf dem Rasen
Die Neger auf mit Lachen lasen,
Und mit der leicht erworbnen Beute
Vergnügt begaben sich in's Weite. —
Klug ist's, vor einem stärkern Feind zu flieh'n,
Doch klüger ist's, Gewinn sogar aus ihm zu zieh'n.
Der Palast und die
Hütte
"Wie töricht sind doch reiche Leute,"
Sprach der Palast zu einer Bauernhütte,
"Zu dulden Dich an meiner Seite,
Dich, die allein gehört in eines Dorfes Mitte.
Wie schäm ich mich solch einer Nachbarschaft.
Wie schlecht verträgst du dich mit meinem Schimmer,
Der jedes Wandrers Aug entzückt." —
Noch während diesem Streite
Zückt ein Erdbeben durch den Boden hin mit Kraft:
Der prahlende Palast stürzt hin in Schutt und Trümmer,
Die kleine Hütte bleibet unverrückt.
Das Klavier
Ein großer Meister saß vor dem Klavier,
Und seine Hand entlockt ihm Zaubertöne;
Kaum war er fort, so kamen seine Söhne,
Und sprachen: "Künstler sind auch wir,"
Und traten hin, und stürmten auch
Recht toll auf's Ungefähr zugleich
In des Klaviers vielfache Tasten. —
Welch' eine gräßliche Musik! —
Es murrten laut die Leute auf den Straßen,
So heillos stümperten der Tonkunst kecke Jünger.
Der Meister kam zum Glück
Ganz unverhofft von einem Gang zurück,
Und klopft die freche Schar verweisend auf die Finger.
"Nur dann," sprach er, "entstehet Harmonie,
Wenn nach den Noten auf den Instrumenten,
Ein Echter Künstler spielt, doch nie;
Wenn eine Stümperschar nach eigner Phantasie,
Zugleich in Saiten stürmt mit ungeübten Händen."
Die Giftpflanze
"Verderbliches Gewächs!" sprach zu des Tollkrauts Pflanze
Ein Mann, "mich täuschest du nicht mit der Beeren Glanze;
In deiner schönen Blüte droht
Dem Unerfahrnen bittrer Tod." —
"Und doch," sprach das Gewächs, "enthalten meine Säfte
Sehr wunderbare Heileskräfte,
Die oft der weise Arzt benutzt.
Damit die Kranken vor dem Tode schützt."—
So nützt oft Gott das Giftgewächs der Sünder
Zu einer Arzenei für seine frommen Kinder.
Die Wiege und der Sarg
In eines Tischlers Werkstatt stand
Ein Sarg und eine Wiege an der Wand.
Da sprach die Wiege zu dem düstern Leichenbrette:
"Wie sanft schläft doch das Kind, von Unschuld eingewiegt,
In meinem Schoß, in seinem weichen Bette." —
"Wie ruhet," sprach der Sarg, "so süß, wie friedlich liegt
In meinem Schoß auf einem weichen Kissen
Der Redliche, und schläft den langen Schlummer,
Frei von Verfolgung, Not und Kummer,
Mit fleckenlosem Herz und lohnendem Gewissen!
Sie wachen beide auf, — das Kind zur Mutterbrust,
Der Fromme zu des ew'gen Sabbats Lust."—
Die zwei Brüder
Zwei Brüder segelten nach einem fernen Lande.
Ihr Zweck war Handelschaft; doch sehr verschieden waren
Die Güter, die sie auf die Schiffe luden.
Der jüng're Bruder, töricht, unerfahren,
Belud sein Schiff mit lauter Puppentande,
Der Quintessenz armsel'ger Trödelbuden,
Mit falschen Steinen, Glaskorallen.
Kurz, Dinge die nur Kindern wohlgefallen.
Sein Bruder hat das Bessere getroffen,
Denn seine Fracht bestand in nützlichen Metallen,
In echtem Schmuck und schweren Silberstoffen. —
Kaum war man an der Insel angekommen,
So wurde gleich die Fracht in Augenschein genommen;
Des ältern Bruders wohlgewählte Waren
Gefielen unsern Insulanern Allen:
Sie drängten sich zum Kaufe hin in Scharen.
Des Jüngern Spielzeug lag am Strand verachtet.
Hast du, sprach man zu ihm, als Kinder uns betrachtet
Als kleine, unerfahrne Knaben,
Die nur Geschmack an Tändeleien haben?
Wir sind kein rohes Volk in irgend einer Wüste,
Uns täuscht man nicht durch Hirngespinste,
Wir ehren Wissenschaft und Künste." —
O, du des Erdenlebens Wanderer!
Wenn einst du segelst über's stille Meer
Der Ewigkeit nach jener fernen Küste,
O hüte dich mit Scheinverdienste,
Statt Tugenden und edeln Taten
Dein Schifflein töricht zu beladen;
Du würdest es zu spät erfahren,
Daß dort nur gelten echte Waren.
Der Epheu und die Lilie
"Was kannst du doch darin für eine Lust empfinden,
Um jene Ulme sklavisch dich zu winden?
Ist's möglich, daß so wenig du die Freiheit liebst.
Daß du dich ihrer selbst begibst?
Ich bin kein solcher Tor,
Ich wachse kühn und ohne Stütz' empor."
So sprach die Lilie zum Epheu; doch,
Eh dieser sich verteidigt noch,
Braust ein Orkan schon stürmisch durch die Fläche,
Zerknickt die Lilie, die allein so prahlend stand.
Dem Epheu schad't er nicht, der im Gefühl der Schwäche
Sich um die starke Ulme wand.
Der Flugsand
An einem heißen Sommertage stand
Ein Jüngling an des Stromes Strande:
"Es könnte," sprach er, "mir nicht schaden,
Im Fluß ein wenig mich zu baden.
Das Wasser ist nicht tief; die klaren Wellen fließen
So lieblich über den gefärbten Sand."
Er legt gleich seine Kleider ab,
Steigt in die kühle Flut hinab.
Der falsche Flugsand wich schnell unter seinen Füßen,
Und er fand in dem Strom sein Grab. —
Wähl' Menschen nie zu deiner Hoffnung Stab,
Die unbeständig sind, und wankend in Entschlüssen.
Der Haifisch
Ein großer Haifisch zog einst einem Schiffe nach.
Ein Schiffer sah's, und warf zum Zeitvertreib
Dem Ungeheuer die Harpune in den Leib,
Das zum Matrosen ächzend sprach:
"Was hab' ich dir, Barbar, getan,
Daß du mich mordest, mich, den treuen Reisgespann,
Der wahrlich nur beseelt vom Triebe
Der allerreinsten Menschenliebe,
Dem Sturme trotzend, und den Wogen
Euch lange treulich nachgezogen?"
Doch der erboste Schiffer spricht:
"Mich täuschest du, o Heuchler, nicht;
Behüt' mich Gott vor solchen Reisgefährten,
Die manchen wackern Seemann schon verzehrten.
Du ziehst uns nach, und lauerst lang
Nur auf des Schiffers Untergang." —
So laur't des Wuch'rers schlauer Sinn
Nur auf der Brüder Unglück und Ruin,
Und sein verderbliches Bemühen,
Gewinn für sich daraus zu ziehen,
Entweiht der ärgste aller Diebe
Noch mit dem Namen: Menschenliebe. —
Die Hyäne
Nacht war's, als die Hyäne sich
Auf einen nahen Kirchhof schlich.
Und dort, als ihr es Niemand wehrte,
Verscharrte Leichname verzehrte.
Der Wächter sah's vom Turm, und rief ihr zu:
"Laß, Ungeheuer, doch die Leichname in Ruh',
Ist's nicht genug, daß unter deinen Bissen
Am Tage Tier und Menschen bluten müssen?"
"O, schweige still," sprach jetzt der Menschenfresser,
"Macht's etwa ihr, ihr weisen Menschen, besser.
Wie oft wird eines Biedermannes Ruf,
Der hier im Leben nichts als Gutes, schuf,
Und nur, von euch verfolget und verkannt,
Im Grabe endlich Ruhe fand,
Von euerm Lästermund noch nach dem Tod zerrissen?"
Das Tiergefecht
Einst trat vor Mahmoud, des Kalifen Thron
Am frühen Morgen die geliebte Königin,
Und sprach zu ihm im zorn'gen Sinn:
Es hat ein kühner Bösewicht
Zu meiner Würde offenbaren Hohn
Mit falschem Schmucke mich betrogen.
Halt, mein Gemahl, jetzt über ihn Gericht!
Zur strengsten Strafe werde er gezogen.
Der König zeigt sich zum Vollzuge willig,
Und spricht zur Königin: "Dein Wunsch ist billig.
Es soll der allzu freche Mann
Den Tod im Löwenzwinger finden.
Wir sehen Morgen selbst des Spruchs Vollziehung an,
Man mag sein Schicksal ihm indessen schon verkünden." —
Die Königin frohlockt; es schlich die Nacht
Ihr viel zu langsam hin; in aller Früh'
Betritt das königliche Paar in größter Pracht
Schon die geschmückte Galerie.
Zuschauer drängen sich herbei, und schau'n hinab
In's tiefe, fürchterliche Grab,
Wo schon der Arme seinem Tod entgegen sieht.
Es herrschet eine feierliche Stille,
Nur unterbrochen von dem schrecklichen Gebrülle
Verschloßner Löwen! — Schweigt! Der König winkt;
Die Tür' des Käfiges fliegt auf: es sinkt
Erstarrt vor Schrecken der Gefangne nieder,
Und aus dem offnen Zwinger kam —
Ein Löwe? — Nein, ein weißes, sanftes Lamm,
Das sich zu seinen Füßen legt,
Und ihm erwärmet die vom Tod durchschaurten Glieder.
Die Königin erblaßt vor Zorn und bebt,
Doch das vergnügte Volk erhebt
Ein fröhliches Geschrei, der König aber spricht
Zur Königin, die stand mit flammendem Gesicht:
"Warum, o Fürstin, so betrübt? —
Ich hab' im Grunde nur Gerechtigkeit geübt.
Der Mann hat uns mit falschem Schmuck getauscht;
Dies war ein Frevel, der Vergeltung heischt,
Und sieh, wir tauschten ihn hinwieder
Er sah im Geiste schon von Löwen sich zerrissen,
Und sieht ein Lamm zu seinen Füßen,
Ein junges Lämmchen, fein und zart
Dies, glaub' es Fürstin, ist die Art,
Wie Könige sich rächen müssen."
Das Spinngewebe
und die Trauben
Ein reicher Gutsbesitzer auf dem Land
Ging in den Weinberg einst, und fand
Die schönen, halb schon reifen Reben
Bedeckt mit dichten Spinngeweben.
Voll Ärger rief er: "Was soll dieser Unrat hier?
Er schändet dieser edeln Reben-Zier,"
Und gleich gibt er Befehl, die Netze wegzukehren.
Ihn sucht umsonst der Nachbar zu belehren.
"Wißt ihr," sprach er zu ihm, "daß euch die Spinnen nützen,
Weil sie durch ihr Geweb die Trauben selbst beschützen,
Daß kein Insekt den edeln Früchten schade?"
Doch unser Mann blieb taub, und er ließ ohne Gnade
Zerstören die Gewebe mit dem Besen
Allein zu bald reut seine Härte ihn,
Als segenreich der Herbst erschien,
Und er die Trauben, die die Netze sonst bedeckten,
Und so ihr Schutz gewesen,
Zerfressen fand von einem Schwarm Insekten.
|