Fabelverzeichnis

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Der Mühlstein und der Diamant
Die Bauern und der Pfarrer
Der Edelmann und die Bauern
Die Vögel und der Habicht
Die Tulpe und das Gras
Das Getreide und der Mühlstein
Der Schwelger und die Nachtigall
Der Feuerlärm
Die beiden Schiffe
Der Anker und der Hafen
Das Kriegsschiff und das Jagdschiff
Die geraden und die krummen Äste
Der Kräuterwein und der Burgunder
Der Großvaterstuhl und der modische Sessel
Das Fischernetz
Das Haus ohne Treppe
Die Uhr
Der Müller
Der zierliche Vogelkäfig
Der neugefaßte Schmuck
Die seidenen Segel

Der Mühlstein und der Diamant

Zum Mühlstein sprach ein Diamant,
Der neben ihm aus Zufall sich befand:
"Wie kamst du doch an meine Seite hier?
Unedler, plumper Stein; ich glaube nimmer,
Daß du es wagen wirst zu messen dich mit mir?
Du bist ein schlechter Klotz, doch ich ein Stein von Wert."—
"Groß ist," versetzt der Mühlstein ihm bescheiden,
"Der Unterschied und Abstand von uns beiden.
Doch hast du keinen Grund zu prahlen,
Ich bin bestimmt, um das Getreid zu malen,
Das alle Menschen nährt,
Du aber dienest nur zum leeren Schimmer,
Der Hab' und Gut verzehrt."

Die Bauern und der Pfarrer

In alten Zeiten war's nicht selten,
Daß Bauern selbst sich ihre Pfarrer wählten.

Einst war in einem Dorf die fette Pfarr' erledigt!
Da gab es dann in Menge Kandidaten,
Die um Verleihung dieser Pfründe baten.
Und Jeder sucht in salbungsvoller Predigt
Die Kompetenten Alle weit zu übertreffen.
Dem Dorfmagnaten ward die Wahl sehr schwer.
Da sprach der Schulz des Dorfes, Steffen
Zum hoffnungsvollen Kandidatenheer:
"Wir haben leider Eine Pfarr' nur zu verleihen,
Und die soll haben, wer herbei sich lassen kann,
Das Wetter Tag für Tag uns echt zu prophezeien.
Nur er — nur er allein ist unser Mann."
Dies schlug den Mut der Kandidaten nieder;
Sie zogen ab, und kamen nimmer wieder.

Nur Einen schreckt die heikle Ford'rung nicht.
Er wendet sich recht ehrenfest und bieder
Zu seinen Dorfspatronen, und verspricht,
Er wolle ihren, wenn gleich sonderbaren Willen
Mit aller Pünktlichkeit erfüllen.
"Nur," setzt er bei, "muß ich vor allen Sachen
Es mir zur unerläßlichen Bedingung machen,
Daß Ihr zuerst euch selbst vereinen sollt,
Was ihr am andern Tag für Wetter haben wollt;
Sonst würd' ich nichts als Zank und Händel stiften,
Und mir und euch das Leben selbst vergiften." —

Zum Beispiel sagte er zu einem alten Knaben,
Der in der Ecke lehnt, die kurze Pfeif' im Maul,
Was wollt Ihr morgen für ein Wetter haben? —
"Je nun," sprach langsam Paul,
Kommt's nur auf mich an, will ich morgen Sonnenschein,
Doch Nachmittag kann meinetwegen Regen sein." —
"Ei," sagte Hans, der auch darneben stund,
"Was Sonnenschein! Das käme mir gelegen! —
Da gingen mir die Pflanzen all zu Grund.
Nein, Regen will ich haben, Regen!
Und regnen soll's den ganzen Tag!"
"Du bist nicht klug," fiel seine Frau hier ein,
"Weißt du nicht, daß ich morgen waschen muß?
Den ganzen Tag bedarf ich Sonnenschein,
Damit ich meine Wäsche trocknen mag." —

So ging's nun eine Weile fort.
Man stritt, und wollte schon sich bei den Köpfen fassen,
Da nahm der Pfarrer-Kandidat gelassen,
Zur Ruhe sie ermahnend, so das Wort:
"Ich seh' es mit dem bittersten Verdruß,
Vergeblich ist es, zu vereinen die Parteien;
D'rum kann ich gleich das Wetter prophezeien,
So will ich's doch dem Himmel überlassen,
Mit dem hat's nicht Gefahr.
Er macht sich nichts aus euerm Zanke." —
Die Bauern lachten zu dem muntern Schwanke,
Und unser Kandidat — behielt die Pfarr'.

Der Edelmann und die Bauern

Einst lebt' ein Edelmann, wie's deren manche gibt,
Und mehrere noch geben sollte,
Der seine Untertanen liebt',
Und väterlich ihr wahres Beste wollte;
Der sie mit Rat und Tat beglückte,
Und nicht mit Steu'r und Frohnen drückte.
Dafür lohnt ihn sein Herz, und seiner Bauern Dank.

Doch wandelbar ist selbst das größte Glück.
Durch mannigfaches Mißgeschick,
Krieg, Plünderung und große Lasten sank
Der wack're Edelmann herab zur Dürftigkeit.
Es war der Augenblick — der schreckliche, nicht weit.
Wo Not, allmächt'ge Not
Dem einst so reichen Kavalier gebot,
Von Gut und Schloß, dem Schauplatz vieler Freuden
Der Tugend, und der Ahnen Erb' zu scheiden.
Schon war er im Begriff, den Handel abzuschließen;
Da geht die trauervolle Kunde
Im ganzen Dorf von Mund zu Munde,
Daß sie den besten Herrn verlassen müssen.

Es traten in dem Dorf die Reichesten zusammen;
Nach kurzer Überlegung kamen
Zum Grafen sie auf's Schloß, und baten um Gehör,
Und fragten, ob es wirklich an dem wär',
Daß er sein Schloß und Gut verkaufen wollte? —
Der Graf bejahte es; es rollte
Aus seinem Auge eine Zähr',
Er sprach: "Ihr Redlichen, mich schmerzt' es mehr
Als euch noch, daß ich euch verlassen sollte,
Wie gern wollt' ich noch oft mir euern Dank erwerben,
Und dann, von euch bedau'rt, in eurer Mitte sterben.
Die Vorsicht will es nicht. — Was kann ich tun? —
Ich war Verschwender nie; doch stiegen meine Schulden
Bereits auf mehre Tausend Gulden,
Man dringt auf Zahlung; d'rum muß ich zum größten Schmerz,
Dies Schloß, das meine biedern Ahnen lang besaßen,
Verkaufen, und so, Kinder euch verlassen.
Gott weiß, mir blutet selbst das Herz.
Ihr Treuen, lebet wohl, ich reich' euch meine Hand
Zum letztenmal; ihr wart stets meiner Sorgfalt wert.
Nochmal, lebt wohl, und wenn ihr einmal hört,
Daß euer alter Herr verschied im fremden Land,
So wollet meinem Angedenken
Gebet und eure Tränen schenken." —

Da sprach der ält'ste Bau'r mit ernster Rührung:
"Nein, gnäd'ger Herr, daß dieses Gott verhüte,
Wir lassen Sie Ihr Gut verkaufen nicht.
Sie haben stets behandelt uns mit Güte,
Weit mehr an uns getan, als Ihre Pflicht.
Wir müssen es mit heißem Danke loben,
Daß nur durch ihren Rat, durch ihre weise Führung
Des Dorfes Wohlstand sich gehoben,
Und unser Reichtum sich gemehrt.
Wir waren ehmals arm; Sie waren reich,
Jetzt aber ist es umgekehrt.
Das Schicksal mag mit seinen Gütern wandeln;
Wir aber wollen dankbar handeln.
Wir steh'n, Gott sei's und Ihnen Dank!
Nicht an auf ein'ge tausend Gulden.
Kurz, Herrschaft, Dorf und Schloß bleibt Ihr;
Sie bleiben unser Herr, und Ihre Bauern wir,
Und wir — wir zahlen Ihre Schulden."
Der Graf, erstaunt, kaum seiner mehr bewußt,
Im Drang des Dankgefühles, sank
An seiner edeln Bauen, Brust,
Und netzte sie mit seiner heißen Träne,
Und Engel feierten die schöne Szene.

Die Vögel und der Habicht

Als einst ein Weizenfeld voll goldner Ähren stand,
Den armen Landmann zu erfreu'n,
Den Krieg und Mißwuchs hart bedrückt, da fand
Naschhaftig sich ein Haufe Spatzen ein,
Und baten ungeladen sich zu Gast.
Der Bauer, der mit Recht die argen Diebe haßt,
Stellt, um die Näscher zu verscheu'n,
An einer Stange einen toten Habicht auf!
Die List half, doch nur in den ersten Tagen
Ließ sich durch den Popanz die Vögelschar verjagen;
Denn bald gewahrten sie, daß er nicht lebend sei.
Und nur hieher gestellt, sie tüchtig zu erschrecken,
Und nun war's auch mit aller Furcht vorbei.
Sie trieben ihren Spott, und setzten sich darauf.
Und ließen sich nunmehr die Kost noch besser schmecken.

Gesetze, denen Schutz kein ernster Richter beut,
Erschrecken Böse nur auf eine kurze Zeit.

Die Tulpe und das Gras

Sieh doch einmal, wie sehr man mich in Ehren hält,
Sprach einst die schöne Tulpe zu dem Grase,
Wo man entzückt mein Farbenspiel betrachtet.
Indessen jeder Fuß dich in den Boden tritt.
Laß dich es nicht befremden, sprach das Gras;
Es ist nun einmal in der Welt,
Du weißt es selbst, die hergebrachte Sitt',
Und wird es auch wohl immer bleiben, daß
Man, was bloß nützlich ist, und nicht auch glänzt, verachtet.

Das Getreide und der Mühlstein

Seufzend sprach einst das Getreide
Zu dem Mühlstein: Grausamer,
Sag, was tat ich dir zu Leide,
Daß du marterst mich so sehr.
Wirfst mich auf und wirfst mich nieder,
Läßt mich los, und fängst mich wieder:
Bist du nicht ein Bösewicht?
Sprach der Mühlstein: "Zürne nicht!
Tu' es nicht aus Schadenfreude,
Lieber Weizen, glaube mir,
Sondern nur, damit von dir
Ich die grobe Hülse scheide,
Denn allein auf diese Weise
Wirst du eine gute Speise.

Der Schwelger und die Nachtigall

In einem Busche schlug die Nachtigall,
Und lieblich tönten ihre sanften Lieder.
Der Wand'rer horcht entzückt vom süßen Schall,
Den Vorzug ehrend schwieg der Vögel Chor.
Da schlich ein Schwelger übern Felsenhang,
In seiner Hand das mörderische Rohr,
Und streckt die Sängerin mit einem Schuße nieder.
Wie? sprach ein Freund zu ihm, kannst du so grausam sein,
Das kleine, liebe, sanfte Tier
Mit seinem herrlichen Gesang,
Ob dem sich alle Menschen freu'n,
Voll Mordbegier tot hinzustrecken?
Ei, fiel der Prasser lachend ein,
Du schwärmst, was nützte sonst die kleine Bestie mir?
Was frag' ich viel nach ihrer Lieder Hall,
Wird sie bei meinem Abendmahl
Mir nur als guter Bissen schmecken.

Der Feuerlärm

Nacht war's; Erd' und Himmel ruht,
Alles schlummert sanft und schweigt,
Als die furchtbar' rote Glut
Lodernd auf zum Himmel steigt;
Und die Glocken stürmen: Feuer!
Und der Wächter schreiet: Feuer!
Feuer — hallt's in allen Ecken;
Ringsum Lärm und Furcht und Schrecken!
Alles läuft zu Brunn und Weiher,
Füllet Krug und Eimer voll,
Und gebärdet sich wie toll.
Trommeln werden rasch gerühret.
Und die Spritzen aufgeführet;
Und es donnerten die Brücken;
Alles trug auf Arm und Rücken
Wasser, Löschgerät herbei.
Man bekämpft das Element,
Und die Brunst hat schnell ein End'.

Lang schon war der Lärm vorbei,
Als gelehnet an die Wand
Alles vor dem Haus noch stand.
Weidlich wurde nun gestritten,
Wer vom Feuer mehr gelitten,
Was der Grund der Brunst gewesen?
"Ja," sprach Hans zu Nachbars Grete,
"So geschieht's, wenn man mit Besen
Nicht den Rauchfang fleißig kehrt,
Und des Feuers Ausbruch wehrt."
"Ja," sprach zu ihm Nachbars Grete,
"Dies allein ist nicht genug,
Wenn man auf die Feuerstätte
Nicht zugleich auch Obacht trug."
Jörge brummt: "Auch muß man wachen,
Feu'rgefährliches Geräte,
Holz und Kohlen — solche Sachen,
Stets mit großer Sorgfalt wahren;
Dies behütet vor Gefahren."

Als sie nun so manche Stunde
Plaudernd gütlich sich getan,
Kam ein alter Mann heran,
Dieser sprach mit dreistem Munde:
"Ihr steht hier, und schwatzt euch heiser,
Jeder dünkt sich klüger, weiser;
Während es, bei meiner Ehre
Zwanzigmal gescheiter wäre,
Jeder ginge in sein Haus,
Suchet Küch' und Kammer aus,
Ob der Rauchfang wohl bestellt.
Und nichts in der Küche fehlt.
Feuerlöschen ist zwar Pflicht,
Ist ein edler, guter Brauch,
Aber ist es Pflicht nicht auch,
Daß man selbst auf Feu'r und Licht
Acht im eignen Hause gebe,
Daß sich dort kein Brand erhebe,
Der verwüstend um sich greift,
Während man zum Nachbars Haus,
Schlägt die Flamme schon heraus,
Mit dem Feuereimer läuft?"

Unserm Volk gefiel der Rat.
Alles lief jetzt in die Häuser,
Und da fand man in der Tat
Schwefel, Zunder, dürre Reiser
Nahe an das Feu'r gelegt,
Selbst den Schornstein zum Verdruß
Dick bedeckt mit Schlott und Ruß;
Lange ward er nicht gefegt.
Wer kann alle Dinge nennen,
Die man Feurs gefährlich fand!
Jeder mußte nun bekennen,
Seltsam sei es, daß der Plunder
Nicht schon lange abgebrannt;
Jeder pries es als ein Wunder,
Daß sein eignes Haus noch stand.

Die beiden Schiffe

Es segelte ein großes Schiff
Mit einem kleinen einst nach Indien;
Und da ein günst'ger Wind mit raschen Weh'n
In ihre bunten Segel pfiff,
So stand es gar nicht lange an,
Daß sie vor sich das Ziel der Reise sah'n.
Ein Hafen war's, allein wer hätte es gedacht?
Er war so enge, seicht und klein,
Daß er nur nahm das kleine Schifflein ein,
Das Große mußte auf der Höhe bleiben,
Wo es in einer schreckensvollen Nacht
Die Winde rettungslos auf Klippen treiben;
Das kleine Schiff entgeht des Sturmes wilder Macht.

Der Anker und der Hafen

Ich bin's, auf dem allein das Heil des Schiffes ruht,
So sprach der Anker einst voll Übermut
Zum Hafen, wenn der Sturm auch noch so grimmig tobt,
So bin ich's, der den Schiffer nicht verläßt,
Ich weiche nicht dem Sturm, und halte fest. —
Es klingt nicht fein, wenn man sich selber lobt,
Sprach jetzt der Hafen; auch bist du gleich groß und schwer,
So kannst du doch, wenn heft'ge Winde wehen,
Mit eig'nen Kräften dem empörten Meer
Nicht lange mutig widerstehen;
Du kannst nur dann dem Schiffe schirmend nützen,
Wenn meine Dämme dich, und auch das Schiff beschützen.

Das Kriegsschiff und das Jagdschiff

Wie kannst du — sprach zu einer Kriegsfregatte
Ein Jagdschiff einst, wie kannst du es doch wagen,
Mit mir am Rang dich zu vergleichen?
Mit mir, die ich schon oft die Ehre hatte,
Geziert, gleich einem Göttersitze
Des Fürsten Durchlaucht selbst zu tragen,
Zu führen sicher ihn an's Land,
Indessen du zu deiner Last
Matrosen und Soldaten hast.
Fühlst du nicht deinen niedern Stand,
Und willst freiwillig mir im Range weichen?
Ei, sagte die Fregatt', ich dächte gar,
Du trägst des Fürsten Durchlaucht zwar,
Ich aber bin es, die mit meinem Pulverblitze
Den Fürsten und sein Reich beschütze.

Die geraden und die krummen Äste

Es hatt' ein Erlenbaum sehr viele Äste
Sie waren alle stark und feste;
Doch waren sie verschieden an Gestalt.
Die einen kerzeng'rad, wie nach der Schnur gezogen;
Die andern zwergenhaft, und krumm und schief gebogen.
Da kam ein munterer Geselle durch den Wald,
Der in die Fremde reisen wollte,
Und einen Reisestab sich aus dem Forste holte.
Er schnitt sich einen Wanderstab
Aus den geraden Ästen ab;
Ein solcher nur schien ihm bequem zum Gehen.
Die krummen Äste, die seit vielen Jahren
Von den geraden Übermut erfahren,
Sie priesen glücklich sich, denn alle blieben stehen.

Der Kräuterwein und der Burgunder

Wie? sprach zum Kräuterwein der feurige Burgunder,
Ist es nicht keck — mußt du es nicht bekennen? —
Wenn du es wagst, dich einen Wein zu nennen,
Als wärest du die edle Frucht der Reben?
Wer, als der Pöbel, trinkt solch einen bittern Plunder?
O, sprach der Kräuterwein, hör' auf, dich zu erheben;
Du schmeichelst zwar des Schwelgers Gaum und Mund,
Ich aber schmecke herb, doch mein Saft ist gesund.
So mancher, der durch dich den Magen sich verdorben,
Den du gemacht hast siech und krank,
Hat nur durch meinen bittern Trank
Gesundheit wieder sich erworben.

Der Großvaterstuhl und der modische Sessel

Einst starb ein guter alter Großpapa,
Der Erbe, der sich Herr von dessen Gütern sah,
Ließ — es geschah aus Dankbarkeit —
Des Greisen Lehnstuhl im geschmückten Zimmer stehen;
Zwar riefen alle, die das seltne Möbel sehen,
Ihm zu, er sei nicht recht gescheit,
Daß er den alten Block zu schönen Möbeln stelle,
Und in der Rumpelkammer nicht
Zu altem Holzwerk ihn geselle.
Der Erbe schwieg, und blieb getreu des Dankes Pflicht.

Einst war Gesellschaft in des Erben Zimmer;
Gespottet wurde und gelacht, wie immer.
Des Lehnstuhls wegen, der bescheiden an der Wand
Just neben einem Modesessel stand,
Mit zarter Lehn' und dünnen, zarten Füßen,
Belegt mit seidenweichen Kissen.
Wie schwer und plump erschien, mit ihm verglichen,
Der alte Stuhl als wie ein Elephant.
Der Erbe saß auf ihm trotz der Gesellschaft Necken,
Indes ein junger Herr, ein Zweiter Amadis,
Sich auf dem zarten Stuhl mit Poltern niederließ.
Da brach zu seinem nicht geringen Schrecken
Der Sessel, und die zarten Füßchen wichen,
So, daß wie durch des Zaubers Schlag
Mein Herrchen auf dem Boden lag.
Der Erbe lächelt: Sehen Sie, sprach er,
Daß zierdelose Festigkeit
Zu schätzen sei unendlich mehr,
Als elegante Niedlichkeit.
Ihr Sessel konnte Sie vor Fallen nicht beschützen,
Ich aber bleibe fest im plumpen Stuhle sitzen.

Das Fischernetz

Ein junger Fischer hatt' ein feines, zartes Netz,
Das er dann über seine Schulter hing,
Wenn er im nahen Strom zu fischen ging.
Vergeblich niemals, weil er stets
Viel Krebse und viel Fische fing.

Einst stieg er früh schon in den Fischerkahn,
Als noch im nahen Wald die Lerchen sangen.
Er hatte schon der Fische viel gefangen;
Sein Tagwerk schien für heut bereits getan.
Da merkt er etwas, das sich im Gewässer rührt.
Es schien ein großes, großes Tier zu sein
Es brausten ungestüm die Wellen,
Als wollten sie den kleinen Kahn zerschellen.
Der Fischer, der des Tieres Nähe spürt,
Fährt mit dem Netz rasch in den Strom hinein;
Allein indem er schon im Geist den fetten Bissen
Zum Teile teu'r verkauft, zum Teile selbst verzehrt.
Fühlt er mit einem Schlag sein ganzes Netz zerrissen.
Es hebt ein großer Wels den Kopf empor,
Der höhnend zu ihm sprach: Du junger Tor,
Bist du nicht des Verlachens wert,
Daß du, weil dir bis jetzt gelang
Der Krebsen und Forellen Fang,
Nun wähnst, mit deinem Spinngewebe
Uns große Welse zu berücken?
Verlangst du, daß ich ab dir eine Beute gebe,
Mein Freund, so mußt du starke Netze stricken.

Das Haus ohne Treppe

Ein reicher Pächter baute sich ein Haus;
(Durch welche Wege und auf welche Art,
So großen Mammon sich erworben unser Held,
Das will ich hier nicht prüfen noch entscheiden;
Genug, er hatte vieles Geld)
Es müßte selbst ein Feind es ihm zum Lobe sagen,
Daß er die Kosten nicht gespart.
Darum ward auch der Bau geführt mit Lust und Freuden,
Und schon nach zweimal dreißig Tagen —
Nicht glauben konnte es, wer es nicht selber sah,
Stand fertig unser Lusthaus da.
Man konnte sich nicht satt an dem Gebäude sehen;
Stets fand man dort gedrängte Scharen stehen,
Die voll Verwunderung hin auf das Kunststück wiesen,
Und dessen Eigner glücklich priesen.

Der reiche Mann beschloß, sein Haus
Durch einen großen, fetten Schmaus
Zum Wonnetempel einzuweihen.
Geladen ward in aller Hast
So mancher angeseh'ne Gast,
Um mit den Herrn sich zu erfreuen.
Er führt die Kommenden beim Lampenschein
Selbst in das Feenschloß hinein.
Allein — man denke sich des Eigentümers Schrecken,
Der Gäste leisen Spott, vertrauter Freunde Necken,
Als man zum obern Stock an keiner Mau'r und Wand
Auch die geringste Spur von einer Treppe fand.
Man hatte viel geplant, gezirkelt und gemessen,
Zierarten ohne Ende angebracht;
Bequemlichkeit und Pomp allseitig ausgedacht.
Und nur — die Treppe hatte man vergessen.
Nun mußte man — verdrießlich war's zu schauen,
An das so schöne Haus ein schmales Trepplein bauen.

Die Uhr

Ein großer Künstler, Meister in dem Fach,
(Was er erdacht, macht ihm kein And'rer nach)
Verfertigte einst eine seltne Uhr.
Zu seinem Ruhm, nicht auf den Kauf.
So etwas ward' noch nie erfunden.
Sie zeigte nicht allein der Sonn und Sterne Lauf,
Die Monden, Tage, Stunden nur,
Und jeden kleinsten Teil der Zeit
Mit deutlicher Genauigkeit
Sie hatte auch ein sehr harmonisch Glockenspiel.
Bald wurde allgemein sie der Bewund'rung Ziel.
Dies ging natürlich ab nicht ohne Neid.

Als unser Künstler einst verreist,
War eine Stümperschar so dreist,
Zerlegte Stück für Stück die Uhr,
Zu folgen der Erfindung Spur,
Allein obgleich sie sich die größte Mühe gaben,
So wollt' es ihnen dennoch nicht gelingen.
Sieh, da kam unverseh'ner Dingen
Der Meister heim. Was ihr verwegnen Knaben,
Schrie er im Zorn, habt ihr mit meiner Uhr gemacht?
Zerleget habt ihr sie in ihre kleinsten Glieder,
Daß ihr nicht fähig seid, sie zu vereinen wieder,
Hat euer Leichtsinn nicht bedacht.

Es braucht nur eine Kinderkraft,
Um zu zertrennen, was ein Meister schafft.
Doch um es wieder schicklich zu vereinen,
Muß man selbst Meister sein, und nicht bloß Meister scheinen.

Der Müller

Müller Jakob war bekannt
In der Stadt wie auf dem Land.
Alt und wunderlich und reich
Trieb er manche Possen auch,
Die man öfter laut belachte.
Doch wer nichts daraus sich machte,
War der Müller, — jederzeit
Liebt' er aber Redlichkeit.

Einst im Winter fror wie Stein
Seiner Mühle Wasser ein.
Jakob will nicht müßig bleiben,
Darum ließ die Mühle er
Nun von einem Esel treiben.
Aber schon am dritten Tag
War's (die Arbeit war zu schwer)
Daß sein Esel ihm erlag.
Doch selbst dieser Unglücksschlag
Konnte nicht den Müller beugen
Seine Mühle darf nicht schweigen.
Er verlegt sie auf den Hügel
Und zwei große Windesflügel
Zwingen nun den Ost, Süd, Nord,
Daß das Werk sie treiben fort.
Unser Müller schien am Ziele;
Tag und Nacht lärmt seine Mühle,
Aber endlich wird es schwüle,
Und die Mühle stehet stille.
Scherz und Spott wird nicht gespart,
Jakob brummet in den Bart.

Alles menschliche Bemühen
Kann dem Schicksal nicht entfliehen.
Dulden muß man jede Plage,
Bis an ihm belieb'gen Tage —
Sei es auch in später Zeit,
Uns das Glück davon befreit.

Der zierliche Vogelkäfig

Hänschen ging auf Vogelfang
Aus oft ganze Tage lang.
Stellte künstlich Netz und Schling',
Bis es ihm am Ende glückte
Daß er eine Nachtigall,
Die durch ihrer Lieder Schall
Alles ring's herum entzückte,
Mit dem Vogelgarn berückte
Und das arme Tierchen fing.
Hänschen starb vor Freude fast,
Und er sperrt den teuren Gast
Schnell in einen Vogelbauer,
Schön gemacht und auf die Dauer.
Ausgeziert wie ein Palast,
Der von Gold und Silber strahlt,
Grün und rot und gelb bemalt.
Futter gab er ihr die Fülle,

Doch die Nachtigall blieb stille
Hing die Flügel voller Trauer,
Seufzte laut, und klagte bitter.
Oft stieß sie vor Raserei
An des Käfig's goldnem Gitter
Sich das Köpfchen fast entzwei.
Hänschen sprach im Zorn zu ihr:
Sage mir, was an dich ficht?
Nachtigallchen; bist du nicht
Recht ein undankbares Tier?
Hab' dir da ein Haus gebaut,
Das man mit Erstaunen schaut;
So wohnt selten nur ein König,
Laß dir's nicht am Futter fehlen.
Laß' dich ganze Tage ruh'n,
Ohne jemals dich zu quälen,
Wie's oft and're Knaben tun.
Dennoch ist der Dienst zu wenig;
Dennoch — dennoch trau'rst du immer,
Hängst die Flügel, singest nimmer.
Bist du, Männchen, sage mir
Nicht ein undankbares Tier?

Nachtigall zum Knaben spricht:
Liebes Hänschen, zürne nicht.
Aller Prunk und aller Schimmer,
Futter, reichlich vorgesetzt,
Deine Schmeichelei ersetzt
Mir die goldne Freiheit nimmer,
Die im dunkeln Waldes Schoß
Froh und sorglos ich genoß,
Lieber Knabe, willst du wieder
Hören meine schönen Lieder,
Gib mir mein verlornes Glück,
Gib die Freiheit mir zurück.

Der neugefaßte Schmuck

Die einz'ge Erbin einer reichen Großmama
Fand unter ihrer Schätze Last
Auch einen Schmuck, antik gefaßt.
So wie man ihn zur Zeit des Schwedenkrieges trug.
Doch dessen Wert ein Kenner, der ihn sah,
An auf viel tausend Taler schlug.
Die Erbin, selber reich, will diesen Schmuck nicht lassen
Allein, so wie er war, kann sie ihn doch nicht tragen,
Weil sonst, wie auf ein Altertum aus Noahs Tagen
Die ganze Stadt mit Fingern auf sie wies.
Doch sie besann sich schnell, und ließ
Durch einen kunsterfahrnen Juwelier
Den alten Schmuck nach neuster Mode fassen.

Nun trug sie ihn als größte Zier,
Und brüstete damit sich wie ein Pfau.
Allein der Juwelier ward ihr zu schlau;
Er nahm manch falschen Edelstein,
Und faßt ihn nach der Mode ein.
Und diesen falschen Schmuck brach' er der Dam',
Indessen er für sich die echten Steine nahm.
Sie merkt nicht den Betrug, bis einst nach manchem Jahr
Ein Vetter, der hierin ein großer Kenner war,
Sie über diese List belehrt.
Und sonnenklar ihr zeigt, es sei
Die Fassung zwar sehr elegant und neu,
Allein zu trau'n sei nicht dem Scheine;
Es seien lauter falsche Steine,
Und dieser ganze Schmuck nicht hundert Taler wert.

So werden auch wir Menschen oft betrogen,
Wenn wir, vom Reiz der Neuheit angezogen,
Der Väter Tugenden, die fromme Redlichkeit
Vertauschen um den Geist der Zeit.

Die seidenen Segel

Es lebte einst im heißen Mohrenland
Ein reicher Prinz, nah' an des Meeres Strand
Lag schimmernd, prachtvoll, reizend, groß
Auf einer Höh' die Burg, gleich einem Zauberschloß.
Und ein Kanal, der in das Meer sich mündet,
Zog von dem Schloß sich durch das breite Tal
In hoher Palmen königlichem Schatten.
Kein Wunder, daß der Prinz, der statt der Ahnen Taten
Nur Müßiggang und träge Ruhe liebt,
Sich einzig dem Genuß ergibt.

Die Zeit, die schnell den guten Fürsten schwindet,
Sehr lange und sehr lästig findet.
Es zogen schwer wie Blei dahin des Tages Stunden.
Zwar fütterte er Schmeichler viel,
Wo werden die an Höfen nicht gefunden!
Es sorgte stets sein Koch für delikates Mahl,
Die Musik rauschet durch den goldnen Saal.
In Schlummer wieg't ihr süßes Saitenspiel.
Selbst der Kanal schien recht bequem zu liegen
Hier konnte unser Held selbst ohne blut'gen Siegen
Sich brüsten als ein Admiral.
Der sichern Schiffahrt droht kein falscher Felsenriff
Hier pflegte unser Prinz mit seinem kleinen Schiff
Oft ganze Tage hin und her zu fahren,
Und wenn er Fische fing in großen Scharen,
So fei'rten er und seine Gaste
Den wichtigen Triumph mit einem Siegesfeste.

Dies Schiff — des Prinzen größte Freude,
War auch, wie man's zuvor entraut,
Sehr zierlich und sehr schön gebaut.
Die zarten Ruder Elfenbein,
Die Masten Ebenholz, die beiden Segel Seide.
So schwebte es in Morgens Rosenschein
Sanft auf der blauen Wasserbahn,
Indessen sich ein Fischerkahn,
Der schüchtern aus dem hohen Schilfe ragte,
Kaum in des Schiffes Nähe wagte.

Einst fuhren beide im Kanal,
Und waren nah' dem Ozean,
Als ein Orkan mit einemmal
So heftig in die Segel pfiff,
Daß unsers Fürsten prächtig Schiff,
So wie der kleine Kahn, trotz allem Widerstand
Pfeilschnell sich auf der offnen See befand.
Wie stürmte Boreas los auf den Fleck von Seide.
Ein Stoß zerfetzte ihn gleich einem alten Kleide,
Indes zugleich mit fürchterlichem Krachen
Die elfenbeinen' Ruder brachen.
Verloren war das Schiff, der schwache Kiel zerschlagen.
Es konnte unser Prinz vom größten Glücke sagen,
Daß er im kleinen Fischerkahn,
Den er in Bälde zu verbrennen dachte,
Noch einen sichern Platz gewann,
Der ihn dann auch, eh Fluten ihn bedeckten,
Nach überstandnen größten Schrecken
An's sichre Land zu seinem Hofstaat brachte.