Raimbaut de Vaqueiras Raimbaut D’Orange Azalaïs de Porcairagues Bernart de Ventadorn Maria von Ventadorn
Comtessa de Dia
Beatriz de Dia - auch bekannt als Comtessa de Dia bzw. Condesa de Dia - war im späten 12. Jh. eine Gräfin von Dia,
die als Trobairitz bekannt wurde. Laut ihrer Vida war sie mit Guilhem de Peitieus verheiratet, doch war sie in den
Trobador Raimbaut de Vaqueiras verliebt, dem sie zahlreiche Lieder schrieb.
Vier Liedertexte sind erhalten geblieben.
Trobairitz:
Sie waren das weibliche Gegenstück zu den Trobadors im 11. bis 13. Jahrhundert im südlichen Frankreich, speziell in
der Provence. Das Wort Trobairitz stammt, genau wie Trobador, von dem provenzalischen Wort trobar "dichten".
In den Handschriften, in welchen okzitanische Lyrik sowie den zu den Dichtern gehörenden Vidas überliefert sind,
werden etwa 20 Frauennamen als Trobairitz bezeichtnet.
Die Überprüfung der realen Existenz dieser Frauen ist jedoch nicht immer möglich.Vida: = Kurzbiographie
Eine Vida ist ein biographischer Prosatext in provenzalischer Sprache, der das Leben eines Trobadors oder einer Trobairitz des
12. und 13. Jahrhunderts erzählt.
Etwa 180 Vidas sind überliefert, wobei sie im Umfang von Kurztexten von nur wenigen Zeilen bis zu mehrseitigen Langtexten reichen.
Die Vidas enthalten Angaben über die Herkunft, die Tätigkeiten, die Orte ihres Wirkens, die von den Trobadors verehrten Damen
(bzw. die von den Trobairitz verehrten Herren) und seinen Ruf als Dichter. Sie sind im allgemeinen nicht vom beschriebenen Dichter selbst verfasst.
Vidas enthalten häufig nachprüfbare Fakten, aber auch nachweisliche Fehlinformationen bis hin zu abenteuerlichen Ableitungen basierend auf
den Liedertexten der Dichter. Somit handelt es sich bei den Vidas um wichtige Quellen, die jedoch nicht kritiklos als ganzes als Tatsachen
rezipiert werden dürfen.
Quelle:
©Reclam 2000 Frauenlieder des Mittelalters/Herausgegeben übersetzt und kommentiert ©Ingrid Kasten
~0~~0~~0~~0~~0~~0~~0~~0~~0~~0~~0~~0~~0~~0~~0~~0~~0~~0~~0~~0~~0~~0~~0~~0~
In diesem Lied wird die Liebe uneingeschränkt als positive Erfahrung gefeiert. Dabei beschwört die
Sprecherin eine Beziehung, die vom Grundsatz der Gleichheit geprägt ist und fordert für die Frau nicht nur
als Recht, sondern geradezu als Pflicht, dass sie ihre Liebe dem Mann offen zeigt, sobald sie sich von
seinem Wert überzeugt hat. (Str. 3)
Ab ioi et ab ioven mꞋapais
Von Freude und Jugend nähre ich mich
1.
Ab ioi et ab ioven mꞋapais
e iois e iovens mꞋapai,
car mos amics es lo plus gais
per qꞋieu sui coindetꞋ e gaia;
e pois eu li sui veraia
bei.s taing qꞋel me sia verais,
cꞋanc de lui amar no mꞋestrais
ni ai cor que mꞋen estraia.
2.
Mout mi plai car sai que val mais
sel qꞋieu plus desir que mꞋaia,
e cel que primiers lo mꞋatrais
Dieu prec que gran ioi lꞋatraia;
e qui que mal lꞋen retraia,
no.l creza, fors so quꞋie.l retrais:
cꞋom cuoill maintas vetz los balais
ab qꞋel mezeis se balaia.
3.
E dompna qꞋen bon pretz sꞋenten
deu ben pausar sꞋentendenssa
en un pro cavallier valen,
pois ill conois sa valenssa,
que lꞋaus amar a presenssa;
e dompna, pois amꞋ a presen,
ia pois li pro ni.ll avinen
no.n dirant mas avinenssa.
4.
QꞋieu nꞋai chausit un pro e gen
per cui pretz meillurꞋe genssa,
larc e adreig e conoissen,
on es sens e conoissenssa;
prec li qe mꞋaia crezenssa,
ni hom no.l puosca far crezen
qꞋieu fassa vas lui faillimen,
sol non trob en lui faillensa.
5.
Floris, la vostra valenssa
saben li pro e li valen,
per qꞋieu vos qier de mantenen,
si.us plai, vostra mantenensa.
~0~~0~~0~1.
Von Freude und Jugend nähre ich mich,
und Freude und Jugend sind meine Nahrung,
denn mein Freund ist fröhlicher als die anderen,
darum bin ich freundlich und fröhlich.
Und da ich ihm gegenüber aufrichtig bin,
ist es wohl recht, daß er es auch mir gegenüber ist.
Denn niemals werde ich aufhören, ihn zu lieben,
noch habe ich den Wunsch, damit aufzuhören.
2.
Es freut mich sehr zu wissen, daß er die größten Vorzüge hat,
er, von dem ich so sehr wünsche, daß er mich besitze.
Und dem, der ihn zuerst zu mir bringt,
dem schenke Gott, darum bitte ich ihn, große Freude;
und wer immer ihm etwas Schlechtes vorwirft,
dem soll er nicht glauben, außer, wenn ich es bin,
denn manchesmal sammelt einer die Ruten,
mit denen er sich selbst schlägt.
3.
Und eine Frau, die sich auf wahren Wert versteht,
muß ihre Zuneigung einem
edlen, tüchtigen Ritter schenken;
sobald sie seinen Wert erkannt hat,
soll sie es wagen, ihn offen zu lieben.
Und wenn eine Frau ihre Liebe offen zeigt,
dann werden die Vornehmen und Angenehmen
nur Angenehmes darüber sagen.
4.
Ich habe einen gewählt, der tüchtig und vornehm ist,
durch den Ruhm an Glanz gewinnt und wächst,
er ist freigebig und gerecht und klug
und besitzt Verstand und Bildung.
Ich bitte ihn, mir Glauben zu schenken und daß
keiner ihn glauben machen kann,
ich würde mir etwas gegen ihn zuschulden kommen lassen,
vorausgesetzt, daß ich auch bei ihm keine Schuld finde.
5.
Floris, Eure Vorzüge
sind bei den Vornehmen und Tüchtigen bekannt,
darum bitte ich Euch jetzt,
wenn es Euch recht ist, um Eure Unterstützung.
~0~~0~~0~
Das folgende Lied verherrlicht — aus der Perspektive der Frau — die freudige Hochstimmung,
welche die Liebe hervorruft, und es thematisiert die Gefährdung dieses Glücksgefühl durch Neider und Verleumder.
Fin ioi me donꞋ alegranssa
Wahre Freude schenkt mir Frohsinn
1.
Fin ioi me donꞋ alegranssa
per quꞋeu chan plus gaiamen,
e no mꞋo teing a pensanssa
ni a negun penssamen,
car sai que son a mon dan
fals lausengier e truan,
e lor mals diz non mꞋesglaia,
anz en son dos tanz plus gaia.
2.
En mi non an ges fianssa
li lauzengier mal dizen,
cꞋom non pot aver honranssa
quꞋa ab els acordamen,
quꞋist son dꞋaltrestal semblan
com la niuols que sꞋespan
qe.l solels en pert sa raia,
per quꞋeu non am gent savaia.
3.
E vos, gelos mal parlan,
no.s cuges que mꞋan tarçan
que iois e iovenz no.m plaia,
per tal que dols vos deschaia.
~0~~0~~0~1.
Wahre Freude schenkt mir Frohsinn,
darum singe ich um so fröhlicher
und es macht mir keinen Kummer
oder irgendeine Sorge,
denn ich weiß, das falsche und betrügerische
Verleumder auf meinen Schaden aus sind,
aber ihr böses Gerede macht mir keine Furcht,
vielmehr macht es mich doppelt fröhlich.
2.
Bei mir finden die falschzüngigen
Schmeichler überhaupt keinen Glauben,
denn man kann keine Ehre haben,
wenn man mit ihnen übereinstimmt;
sie gleichen
der Wolke, die sich ausbreitet,
so daß die Sonne ihre Strahlkraft einbüßt;
darum mag ich dieses üble Volk nicht.
3.
Und ihr, ihr übelrednerischen Neider,
glaubt ja nicht, daß ich zögere,
Gefallen an Freude und Jugend zu finden,
auf daß euch das Leid zugrunde richte.
~0~~0~~0~
Die Fiktion des unverbrüchlich treuen Mannes der trobadoresken Lieder wird in diesem Lied mit Nachdruck
in Frage gestellt. Str. 2/3 Segius und Valensa sind die Helden einer verlorenen Liebeserzählung,
auf die auch einige Trobadors anspielen.
A chantar mꞋer de so quꞋieu no volria
Ich muß singen, worüber ich nicht singen möchte
1.
A chantar mꞋer de so quꞋieu no volria
tant me rancur de lui cui sui amia
car eu lꞋam mais que nuilla ren que sia;
vas lui no m val merces ni cortesia,
ni ma beltatz, ni mos pretz, ni mos sens,
cꞋatressi m sui engandꞋe trahia
cum degrꞋesser, sꞋieu fos dasvinens
2.
DꞋaisso.m conort car anc non fi faillenssa,
amics, vas vos per nuilla captenenssa,
anz vos am mais non fetz Segius Valenssa,
e platz mi mout qez eu dꞋamar vos venssa,
lo mieus amics, car etz lo plus valens;
mi faitz orguoill en digz et en parvenssa
e si etz francs vas totas autras gens.
3.
Merauill me cum vostre cors sꞋorguoilla,
amics, vas me, per qꞋai razon qe.m duoilla;
non es ges dreitz cꞋautrꞋamors vos mi tuoilla
per nuilla ren qe.us diga ni.us acuoilla;
e membre vos cals fo.l comensamens
de nostrꞋamor, ia Dompnidieus non vucilla
qꞋen ma colpa sia.l departimens!
4.
Proesa grans qꞋel vostre cors sꞋaizina
e lo rics pretz qꞋavetz mꞋan atayna,
cꞋuna non sai loindana ni vezina
si vol amar vas vos non siꞋ aclina;
mas vos, amics, etz ben tant conoisens
que ben devetz conoisser la plus fina,
e membre vos de nostres covinens.
5.
Valer mi deu mos pretz e mos paratges
e ma beutatz e plus mos fis coratges,
per qꞋieu vos mand lai on es vostrꞋ estatges
esta chansson que me sia messatges:
e vuoill saber, lo mieus bels amics gens,
per que vos mꞋetz tant fers ni tant salvatges,
non sai si sꞋes orguoills o mals talens.
6.
Mas aitan plus vos diga lo messages
qꞋen trop dꞋorguoill ant gran dan maintas gens.
~0~~0~~0~1.
Ich muß singen, worüber ich nicht singen möchte,
so sehr bekümmert mich der, dessen Freundin ich bin,
denn ich liebe ihn mehr als alles auf der Welt.
Bei ihm nützen mir weder Entgegenkommen noch höfische Art,
noch meine Schönheit, mein Ansehen und meine Klugheit,
denn ich bin ebenso betrogen und verraten,
wie wenn ich unfreundlich wäre.
2.
Ich tröste mich damit, daß ich nie in irgendeiner Weise,
Freund, gegen Euch gefehlt habe,
vielmehr liebe ich Euch mehr als Segius Valensa,
und es freut mich sehr, daß ich Euch im Lieben besiege,
mein Freund, denn Ihr seid unvergleichlich an Wert.
Kühl zeigt Ihr Euch mir mit Wort und Miene,
während Ihr zu allen anderen Leuten freundlich seid.
3.
Es wundert mich, daß Ihr so abweisend zu mir seid,
Freund, darum habe ich Grund, traurig zu sein.
Es ist nicht recht, daß eine andere Liebe mir Euch raube,
wie immer sie zu Euch sprechen und Euch empfangen mag.
Erinnert Euch doch, wie es am Anfang
unserer Liebe war! Verhüte Gott,
daß ich Schuld an der Trennung trage!
4.
Die außerordentliche Tüchtigkeit, die in Euch wohnt,
und das hohe Ansehen, das Ihr habt, beunruhigen mich,
denn nicht eine kenne ich, ob nah oder fern,
die, wenn sie wünschte zu lieben, Euch nicht geneigt wäre.
Aber Ihr, Freund, seid gewiß so sicher im Urteil,
daß Ihr die Beste wohl kennen müßt.
Und denkt an unsere Abmachung!
5.
Nützen sollten mir mein Ansehen und mein Adel
und meine Schönheit und mehr noch mein edles Herz.
Deshalb sende ich Euch dieses Lied dorthin,
wo Euer Aufenthalt ist, damit es mir als Bote diene.
Und ich möchte wissen, mein schöner, lieber Freund,
warum Ihr so stolz und so grausam zu mir seid,
ich weiß nicht, ob aus Hochmut oder bösem Willen.
6.
Aber um so mehr will ich, Bote, daß du ihm sagst,
daß viele Leute sich durch zuviel Stolz oft sehr schaden.
~0~~0~~0~
Das nun folgende Lied gilt als eines der schönsten Liebesgedichte, das von Frauen verfaßt wurde.
Estat ai en greu cossirier
Ich hatte große Sorge und Kummer
1.
Estat ai en greu cossirier
per un cavallier qꞋai agut,
e vuoill sia totz temps saubut
cum eu lꞋai amat a sobrier;
ara vei qꞋieu sui trahida
car eu non li donei mꞋamor,
don ai estat en gran error
en lieig e qand sui vestida.
2.
Ben volria mon cavallier
tener un ser e mos bratz nut,
qꞋel sen tengra per ereubut
sol qꞋa lui fezes cosseillier;
car plus mꞋen sui abellida
no fetz *Floris de Blanchaflor;
eu lꞋautrei mon cor e mꞋamor
mon sen, mos huoills e ma vida.
3.
Bels amics, avinens e bos,
cora.us tenrai e mon poder?
e que iagues ab vos un ser
e qe.us des un bais amoros!
sapchatz gran talan nꞋauria
qe.us tengues en luoc del marit,
ab so que mꞋaguessetz plevit
de far tot so quꞋeu volria.
1.
Ich hatte große Sorge und Kummer
eines Ritters wegen, der einst mein war,
und ich will, daß man für alle Zeiten weiß,
wie übermäßig ich ihn geliebt habe.
Nun sehe ich, daß ich verraten bin,
weil ich ihm nicht meine Liebe schenkte.
Deshalb habe ich schwer gelitten,
Tag und Nacht.
2.
Ich wünschte wohl, meinen Ritter
einen Abend nackt in meinen Armen zu halten.
und ich wollte, daß er sich glücklich schätzte,
allein darum, daß ich ihm als Kissen diente.
Denn ich bin verliebter in ihn
als Floris in Blanchafleur,
ich schenke ihm mein Herz und meine Liebe,
meinen Sinn, meine Augen und mein Leben.
3.
Schöner, höfischer, lieber Freund,
wann werde ich über Euch verfügen können?
Wenn ich doch einen Abend bei Euch liegen
und Euch einen zärtlichen Kuß geben könnte!
Glaubt mir, ich hätte große Lust,
Euch anstelle des Ehemannes zu haben —
vorausgesetzt, daß ihr mir geschworen hättet,
alles zu tun, was ich wünschte.
*Floris und Blanchaflor sind die Helden einer mittelalterlichen Liebeserzählung, die im Mittelalter in vielen
verschiedenen Sprachen und Mundarten übersetzt wurde.
Der erste Teil erscheint in Europa etwa 1160 im ꞋaristokratischemꞋ Französisch.
Etwa zwischen dem Zeitraum 1200 und 1350 gehörte sie zu einer der beliebtesten aller romantischen Erzählungen.
Über den Autor - Konrad Fleck - des Versromans "Flore und Blanscheflur" ist nur wenig bekannt. Nicht eine einzige Urkunde berichtet von ihm und auch in seinem Werk lassen sich keine Hinweise auf seine Biographie finden.
Seinen Namen kennen wir lediglich durch Rudolf von Ems, der ihn unter anderem im "Willehalm von Orlens"
- Here Flec der guote Cuonrat erwähnt.
Hier die Kurzversion der Erzählung.
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Raimbaut de Vaqueiras
† nach 1202
war ein südfranzösischer Trobador aus Vaucluse (Vaqueiras) in der Provence,
der hauptsächlich in Italien wirkte.
Raimbaut ist ein bedeutender Vertreter der Trobadordichtung, der das literarische
Repertoire dieser Dichtung nicht nur beherrschte, sondern auch selbständig erweitert
hat. Seine Lieder sind in der okzitanischen Dichtersprache Südfrankreichs verfasst, die
sich zu dieser Zeit als Leitsprache der höfischen Sangesdichtung an den europäischen
Höfen, so auch an den Kulturzentren des deutschen Minnesangs, ausbreitete und in
Italien nicht nur von zugewanderten Trobadors wie Raimbaut, sondern bald auch von
Italienern als Lied- und Dichtungssprache verwendet wurde.
Quelle:/
©Reclam 2000 Frauenlieder des Mittelalters/Übersetzt und herausgegeben ©Ingrid Kasten
Altas undas que venez suz la mar
Ihr hohen Wellen, die ihr über das Meer kommt
1.
Altas undas que venez suz la mar,
que fay lo vent çay e lay demenar,
de mun amic sabez novas comtar,
qui lay passet? No lo vei retornar!
Et oy Deu, dꞋamor!
Ad hora.m dona joi et ad hora dolor!
2.
Oy, aura dulza, qui vens dever lai
un mun amic dorm e sejornꞋ e jai,
del dolz aleyn un beure mꞋaporta.y!
La bocha obre, per gran desir quꞋen ai.
Et oy Deu, dꞋamor!
Ad hora.m dona joi et ad hora dolor!
3.
Mal amar fai vassal dꞋestran païs,
car en plor tornan e sos jocs e sos ris.
Ja nun cudey mun amic me trays,
quꞋeu li doney ço que dꞋamor me quis.
Et oy Deu, dꞋamor!
Ad hora.m dona joi et ad hora dolor!
~0~~0~~0~1.
Ihr hohen Wellen, die ihr über das Meer kommt,
die der Wind bald hierhin, bald dorthin treibt,
habt ihr Neues von meinem Freund zu erzählen,
der dort hinüberzog? Ich sehe ihn nicht zurückkehren!
Ach, Gott! Die Liebe,
bald schenkt sie mir Freude und bald Leid.
2.
O du sanfter Wind, der du von dorther kommst,
wo mein Freund schläft und lebt und ruht,
bring mir einen Zug von seinem süßen Atem!
Ich öffne den Mund, so große Sehnsucht habe ich danach.
Ach, Gott! Die Liebe,
bald schenkt sie mir Freude und bald Leid.
3.
Es tut weh, einen Ritter aus fremdem Land zu lieben,
denn seine Scherze und sein Lächeln werden zu Tränen.
Niemals glaubte ich, daß mein Freund mich verraten werde,
denn ich schenkte ihm das, worum er mich aus Liebe bat.
Ach, Gott! Die Liebe,
bald schenkt sie mir Freude und bald Leid.
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Raimbaut D’Orange
oder in okzitanisch Raimbaut d'Aurenga
ca. 1147 – 1173
Raimbaut war der Fürst von Orange und Aumelas. Er war der einzige Sohn von Wilhelm
von Aumelas und Tiburge und der Tochter von Raimbaut, Graf von Orange.
Er starb sehr jung, und hinterließ ein beträchtliches Werk von rund vierzig Liedern.
Quelle:
©Reclam 2000 Frauenlieder des Mittelalters/Übersetzt und herausgegeben ©Ingrid Kasten
*Tenzone [zu vulgärlateinisch tentio "Kampf", "Streit"] die, italienische Form des mittelalterlichen, aus dem
12. und 13. Jahrhundert überlieferten romanischen Streitgedichts, geht auf die altprovenzalische "tensó" zurück.
Gegenstand der Auseinandersetzung zwischen zwei Gesprächspartnern sind meistens Fragen der Liebeskasuistik
sowie politische und soziale Probleme.
Bei diesem Gedicht handelt es sich um ein fingiertes Streitgedicht, das einem besonderen Typus dieser Gattung,
der Tenzone, zuzurechnen ist.
Amics, en gran cossirier
Freund, in großer Sorge
1.
»Amicx, en gran cossirier
Suy per vos, et en greu pena;
E del mal qꞋieu en sufier
No cre que vos sentatz guaire.
Doncx, per que.us metetz amaire,
Pus a me laissatz tot lo mal?
Quar amdui no.l partem egual?«
2.
ꞋDonꞋ, Amors a tal mestier,
Pus dos amicx encadena,
Que·l mal qꞋan e lꞋalegrier
Sen chascus, so.ill es vejaire.
QuꞋieu pens, e non suy guabaire,
Que la dura dolor coral
Ai eu tota a mon cabal.Ꞌ
3.
»Amicx, sꞋacsetz un cartier
De la dolor que.m malmena,
Be viratz mon encombrier;
Mas no.us cal del mieu dan guaire;
Que – quar no mꞋen puesc estraire –
Cum que.m an vos es cominal –
An me ben o mal atretal.«
4.
ꞋDompna, quar yst lauzengier,
Que mꞋan tout sen et alena,
Son uostrꞋ anguoyssos guerrier
Lays mꞋen, non per tala vaire;
QuꞋar no·us suy pres, quꞋab lur braire
Vos an bastit tal joc mortal
Que no jauzem jauzen jornal. Ꞌ
5.
»Amicx, nulh grat no.us refier,
Quar ia.l mieus dans vos refrena
De vezer me, que.us enquier.
E si vos faitz plus guardaire
Del mieu dan quꞋieu no vuelh faire,
Be.us tenc per sobreplus leyal
Que no son silh de lꞋEspital.«
6.
ꞋDona, ieu tem a sobrier –
QuꞋaur perdi, e vos arena –
Que per dig de lauzengier
NostrꞋamors tornes en caire;
Per so dey tener en guaire
Trop plus que vos, per Sanh Marsal,
Dar etz la res que mais me val.Ꞌ
7.
»Amicx, tan vos sai leugier
En fait dꞋamoroza mena
QuꞋieu cug que de cavalier
Siatz devengutz camjayre;
E deg vos o ben retraire
Quar ben paretz que pessetz dꞋal
Pos del mieu pensamen no.us cal.«
8.
ꞋDona, ja mais espervier
No port, ni cas ab serena,
SꞋanc pueys que.m detz joi entier
Fui de nulhꞋautrꞋ enquistaire;
Ni no suy aital bauzaire,
Mas per enveja.l deslial
MꞋo alevon e.m fan venal.Ꞌ
9.
ꞋAmicx, creirai vos per aital
QuꞋ aissi.us aya tostemps leyal.Ꞌ
10
»Dona, aissi mꞋauretz leyal,
Que ja mais non pensarai d’al.«
~0~~0~~0~1.
»Freund, in großer Sorge
bin ich wegen Euch, und schwer bekümmert;
und von dem Leid, das ich erdulde,
glaube ich nicht, daß Ihr auch nur etwas spürt.
Also, warum gebt Ihr Euch als Liebender aus,
wenn Ihr alles Leid mir überlaßt?
Sollten wir es beide nicht zu gleichen Teilen tragen?«
2.
ꞋHerrin, mit der Liebe hat es folgende Bewandtnis:
Wenn sie zwei Liebende mit ihren Fesseln bindet,
dann fühlt jeder, so scheint es ihm,
das Leid und auch die Freude.
Ich aber denke, und ich scherze nicht,
daß ich die bittere Herzensqual
ganz auf meiner Seite habe.Ꞌ
3.
»Freund, wenn Ihr ein Viertel
von dem Schmerz hättet, der mich quält,
würdet Ihr meine Not wohl verstehen,
aber Euch kümmert mein Leid überhaupt nicht,
und – denn ich kann mich ihm nicht entziehen —
es ist Euch ganz gleich, wie es um mich steht,
sei es gut oder auch schlecht.«
4.
ꞋHerrin, weil diese Übelredner,
die mir Verstand und Leben nehmen,
Eure erbitterten Feinde sind,
halte ich mich zurück, nicht etwa aus Unbeständigkeit.
Denn ich bin jetzt nicht bei Euch, weil sie mit ihrem Gerede
Euch in so tödliche Gefahr gebracht haben,
daß wir keinen genußvollen Tag genießen.Ꞌ
5.
»Freund, keinen Dank sage ich Euch dafür,
daß die Rücksicht auf mich Euch daran hindert,
mich aufzusuchen, obwohl ich Euch darum bitte.
Und wenn Ihr Euch zu einem eifrigeren Wächter
über mein Ansehen macht, als ich es selbst zu sein wünsche,
dann halte ich Euch allerdings für einen weitaus
größeren Ehrenmann als einen Ordensritter.«
6.
»Herrin, ich fürchte über die Maßen —
denn ich verliere Gold und Ihr nur Sand —,
daß durch das Gerede der Lügner
unsere Liebe eine schlimme Wende nimmt,
darum muß ich auf der Hut sein,
weit mehr als Ihr, beim heiligen Martial!
Denn Ihr seid es, die mir mehr als alles andere bedeutet.«
7.
ꞋFreund, ich weiß, daß Ihr so leichtfertig
in Liebesdingen seid,
daß ich meine, Ihr habt Euch von einem Ritter
in einen 'Wechsler' verwandelt.
Und ich muß Euch dies wohl vorhalten,
denn Ihr scheint an etwas anderes zu denken,
da Euch mein Leid gleichgültig ist.Ꞌ
8.
»Herrin, niemals mehr will ich einen Sperber
halten oder mit dem Falken jagen,
wenn ich, seit ich Euch ganz genießen durfte,
je um irgendeine andere geworben habe;
solch ein Betrüger bin ich nicht.
Aber aus Neid sagen mir die Falschen
das nach und verunglimpfen mich.«
9.
ꞋFreund, ich werde Euch glauben,
damit Ihr immer so treu und aufrichtig zu mir seid.Ꞌ
10.
»Herrin, Ihr werdet mich so treu und aufrichtig finden,
daß ich niemals an etwas anderes denken werde.«
~0~~0~~0~
Azalaïs de Porcairagues
war eine Trobairitz des späten 12. Jahrhunderts. Über ihr Leben ist wenig überliefert.
Laut ihrer Vida heißt es: "Azalais de Porcairagues stammte aus der Gegend von Montpellier. Und sie verliebte sich in den Herrn Gui Guerrejat, den Bruder des Herrn Guillaume de Montpellier. Und die Dame verstand sich aufs Liederdichten (auf das trobar) und machte viele gute Lieder über ihn."
Azalais de Porcairagues gilt als die früheste, namentlich bekannte Trobairitz.
Obwohl nur ein Lied und eine Vida erhalten sind, scheint sie zu ihrer Zeit durchaus mit Trobairitz wie Beatriz de Dia oder Castelloza verglichen worden zu sein.
Der Trobador Raimbaut d'Aurenga, mit dem sie in Korrespondenz stand, war das Objekt der Begierde in ihren Liedern. Raimbaut d'Aurenga bezeichnete sie in seinen Werken
mit dem Pseudonym– "Joglar" (Spielmann).
Quelle:
©Reclam 2000 Frauenlieder des Mittelalters/Übersetzt und herausgegeben ©Ingrid Kasten
Ar em al freg temps vengut
Nun haben wir Winter
1.
Ar em al freg temps vengut
E.l gels e.l neus e la faingna
E.l aucellet estan mut,
CꞋus de chantar non sꞋafraingna;
E son sec li ram pels plais,
Que flors ni foilla no.i crida,
Ni rossignols non i crida,
Que lꞋamꞋ e mai me reissida.
2.
Tant ai lo cor deseubut
Per quꞋieu soi a trotz estraingna,
E sai que lꞋom a perdut
Molt plus tost que non gasaigna;
E sꞋieu faill ab motz verais:
DꞋAurenga me moc lꞋesglais,
Per quꞋieu nꞋ estauc esbaïda
E pert solatz en partida.
3.
Dompna met mot mal sꞋamor
QuꞋab trop ric ome plaideia,
Ab plus aut de vavassor,
E sꞋil o fai il folleia;
Car so dis om en Veillai
Que ges per ricor non vai,
E dompna que nꞋes chausida
En tenc per envilanida.
4.
Amic ai de gran valor
Que sobre toz seignoreia,
E non a cor trichador
Vas me, que sꞋamor mꞋautreia.
Ieu dic que mꞋamors lꞋeschai,
E cel que ditz que non fai
Dieus li don malꞋ escarida,
QuꞋieu mꞋen teing fort per guerida.
5.
Bels amics, de bon talan
Son ab vos toz jornz en gatge,
CortezꞋe de bel semblan,
Sol no.m demandes outratge;
Tost en venrem a lꞋassai
QuꞋen vostra merce.m metrai:
Vos mꞋavetz la fe plevida
Que no.m demandes faillida.
6.
A Dieu coman Belesgar
E.n plus la ciutat dꞋAurenga
E GlorïetꞋe.l caslar —
E lo seignor de Proenza
E tot can vol mon ben lai —
ElꞋarc on son fag lꞋassai.
Celui perdiei cꞋa ma vida
E.n serai toz jornz marrida!
7.
Joglar, que avetz cor gai,
Ves Narbona portatz lai
Ma chanson ab la fenida
Lei cui Jois e Joven guida.
~0~~0~~0~1.
Nun haben wir Winter
mit Eis und Schnee und Schlamm,
und die Vögelchen sind verstummt,
keines von ihnen ist geneigt zu singen.
Und kahl sind die Zweige an den Hecken,
weder Blüte noch Blatt wächst dort,
und auch die Nachtigall singt dort nicht,
die im Mai meine Seele weckt.
2.
So sehr enttäuscht bin ich im Herzen,
daß ich allen gegenüber abweisend bin;
und ich weiß, daß man viel schneller
verloren hat als daß man gewinnt.
Und wenn ich auch mit wahren Worten irre:
von Orange her rührte mein Schmerz,
darum bin ich bestürzt
und verliere einen Teil meiner Freude.
3.
Eine Frau handelt sehr schlecht in der Liebe,
wenn sie sich mit einem zu ranghohen Mann einläßt,
einem, der höher steht als ein niederer Lehnsmann.
Wenn sie das aber tut, ist sie töricht;
denn man sagt im Velay,
daß die Liebe nicht nach Rang und Reichtum geht,
und wenn eine Frau ihre Wahl so trifft,
verliert sie für mich ihre Ehre.
4.
Ich habe einen Freund mit vorzüglichen Qualitäten,
der allen anderen überlegen ist,
und er hat mir gegenüber kein trügerisches Herz,
denn er schenkt mir seine Liebe.
Ich erkläre, daß auch meine Liebe ihm gehört,
und wer behauptet, daß dies nicht stimmt,
dem soll Gott ein schlimmes Los bescheren,
ich aber halte mich dadurch für geheilt.
5.
Schöner Freund, bereitwillig
verspreche ich mich Euch für immer,
höfisch und hübsch wie ich bin,
nur dürft Ihr nichts Ehrenrühriges von mir verlangen.
Bald werden wir die Probe machen,
denn ich werde mich in Eure Gnade ergeben:
Ihr habt mir den Eid geschworen,
daß ihr nichts Unrechtes von mir verlangen werdet.
6.
Gott schütze Beauregard
und auch die Stadt Orange
und Gloriette und die Burg —
und den Herrn von Provence
und alles, was mir wohl will dort —
und den Triumphbogen, auf dem die Kampfszenen abgebildet sind.
Ich verlor den, der mein Leben hat,
und darüber werde ich immer traurig sein.
7.
Joglar, der Ihr fröhlich seid,
dorthin nach Narbonne bringt
mein Lied mit dieser Tornada,
zu ihr, bei der Freude und Jugend herrschen.
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Bernart de Ventadorn
(auch: Bernart de Ventadour) 1125-1195
war ein Troubadour, Komponist und Poet.
Das Lerchenlied
1.
Can vei la lauzeta mover
De joi sas alas contraꞋl rai,
Que s'oblid'e.s laissa chazer
per la doussor c'al cor li vai,
Ai! Tan grans enveya m'en ve
De cui qu'eu veya jauzion!
Meravilhas ai, car desse
Lo cor de dezirer noꞋm fon.
2.
Ailas! Tan cuidava saber
D'amor, e tan petit en sai!
Car eu d'amar noꞋm posc tener
Celeis don ja pro non aurai.
Tout m'a mo cor, e tout m'a me,
E se mezeis e tot lo mon;
E can seꞋm tolc, noꞋm laisset re
Mas dezirer e cor volon.
3.
Anc non agui de me poder
Ni no fui meus de l'or'en sai
QueꞋm laisset en sos olhs vezer
En un miralh que mout me plai.
Miralhs, pus me mirei en te,
M'an mort li sospir de preon,
C'aissiꞋm perdei com perdet se
Lo bels Narcisus en la fon.
4.
De las domnas me dezesper;
Ja mais en lor noꞋm fiarai;
CꞋaissi com las solh chaptener,
Enaissi las deschaptenrai,
Pois vei c'una pro no m'en te
Vas leis queꞋm destrui eꞋm cofon,
Totas las doptꞋ e las mescre,
Car be sai c'atretals se son.
5.
D'aissoꞋs fa be femna parer
Ma domna, per qu'euꞋlhꞋ o retrai,
Car no vol so c'om deu voler,
E so c'om li deveda, fai.
Chazutz sui en mala merce,
Et ai be faih coꞋl fols en pon;
E no sai per que m'esdeve,
Mas car trop puyei contra mon.
6.
Merces es perduda, per ver
Et eu non o saubi anc mai,
Car cilh qui plus en degr'aver,
Non a ges, et on la querrai?
A! Can mal sembla, qui la ve,
Qued aquest chaitiu deziron
Que ja ses leis non aura be,
Laisse morir, que no l'aon.
7.
Pus ab midons noꞋm pot valer
Precs ni merces niꞋl dreihz qu'eu ai,
Ni a leis no ven a plazer
Qu'eu l'am, ja mais noꞋlh o dirai.
AissiꞋm part de leis eꞋm recre;
Mort m'a, e per mort li respon,
E vau m'en, pus ilh noꞋm rete,
Chaitius, en issilh, no sai on.
8.
Tristans, ges non auretz de me,
Qu'eu m'en vau, chaitius, no sai on.
De chantar me gic eꞋm recre,
E de joi e d'amor m'escon.
1.
Wenn ich die Lerche sehe, wie sie voller Freude ihre Flügel zu
den Strahlen der Sonne trägt,
Wie sie sich dann voller Lebenslust
Vergißt und fallen läßt,,
– Weh mir! – wie beneide ich dann
Alle, die ich glücklich sehe,
Und ich wundere mich, daß mein Herz
Nicht sofort vor Sehnsucht zerspringt.
2.
Weh mir! Wie viel glaubte ich von der Liebe zu wissen,
Und wie wenig weiß ich davon!
Denn ich kann nicht anders, als die lieben,
Bei der ich nie etwas erreichen werde.
Mein Herz hat sie mir genommen, und mich selbst,
Und dann sich und damit die ganze Welt.
Und da sie sich mir nahm, ließ sie mir nichts
Als Sehnsucht und ein unstillbares Verlangen.
3.
Nie mehr hatte ich Macht über mich,
Nie mehr gehörte ich mir selbst
Seit der Stunde, da sie mich in ihre schönen Augen sehen ließ:
In einen Spiegel, der mir so sehr gefällt.
Spiegel, seit ich mich in dir spiegelte,
Haben mich die Seufzer aus der Tiefe getötet,
Und ich verlor mich, so wie sich
Der schöne Narziss verlor, in der Quelle.
4.
An den Frauen verzweifle ich;
Nie mehr werde ich ihnen vertrauen.
Stets habe ich mich für sie eingesetzt,
Aber jetzt werde ich sie im Stich lassen.
Weil ich sehe, daß auch nicht eine einzige mir helfen will
Bei derjenigen, die mich vernichtet,
Fürchte ich sie alle und mißtraue ihnen,
Denn ich weiß wohl: Sie sind alle gleich.
5.
Darin läßt sich meine Dame als wahres Weib erkennen
– Und deshalb werfe ich ihr das auch vor –,
Daß sie nicht will, was man wollen soll,
Und das tut, was man ihr verbietet.
Ich bin in Ungnade gefallen,
Und ich habe mich benommen wie der Narr auf der Brücke
Und ich weiß nicht, warum mir das geschieht
– Außer vielleicht, weil ich mich zu hoch verstieg.
6.
Die Gnade ist wirklich verlorengegangen,
Und ich wußte es nicht, bis jetzt.
Denn diejenige, die am meisten Gnade haben sollte,
Hat überhaupt keine – wo soll ich sie jetzt suchen?
Ach! Wie soll man glauben, wenn man sie sieht,
Daß sie diesen unglücklichen Verehrer,
Der ohne sie niemals Freude haben wird,
Sterben läßt – erbarmungslos?
7.
Da mir bei meiner Dame nichts helfen will,
Weder Bitten, noch Mitleid noch mein Recht,
Und weil es ihr nicht gefällt,
Daß ich sie liebe, werde ich ihr nie mehr davon sprechen.
Ich nehme Abschied von der Liebe und ziehe mich zurück,
Sie wollte meinen Tod und soll ihn haben.
Und ich gehe, da sie mich nicht zurückhält,
Unglücklich ins Exil, weiß nicht, wohin.
8.
Tristan, Ihr werdet nichts mehr von mir bekommen,
Denn ich gehe, jämmerlich, weiß nicht wohin.
Ich verzichte auf das Singen
Und verberge mich fern der Lebensfreude und der Liebe
Quelle des französischen Text:
Wikisource la bibliothèque libre
~0~~0~~0~(Bec: 1972, 186-188; Übers. nach Robert Lug).
Quelle:
© Dr. Angelica Rieger
Lehr- und Forschungsgebiet Interkulturelle Studien – Romanistik
RWTH Aachen University
Kármánstraße 17-19
52062 Aachen
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Maria von Ventadorn
Sie war die Ehefrau des Vizegrafen Eble V. von
Ventadorn, den sie vor 1183 geheiratet hatte. Der Hof von Ventadorn gehörte seit den
Anfängen zu den bedeutendsten Zentren der Trobadorlyrik.
Diese Tradition setzte Maria durch die Förderung verschiedener Dichter fort. Maria von Ventadorn ist vermutlich 1221 gestorben.
Gui D'Ussel
Gui d’Ussel stammte aus einer Familie,
deren Besitz die Burg Ussel im Limousin
(heute: Département de la Corrèze)
war. Neben Gui haben auch seine Brüder Eble und Pèire sowie sein Cousin
Elias d’Ussel als Trobadors gewirkt.
Gui ist nur in einer Urkunde aus dem
Jahr 1195 bezeugt.
Das Lied ist keine fingierte, sondern vermutlich eine >echte< Tenzone, die von zwei verschiedenen Personen gedichtet wurde.
Für diese Form des Streitgedichtes gibt es in Frankreich viele Beispiele; selten ist es allerdings,
dass dabei eine Frau als Partnerin auftritt.
Quelle:
©Reclam 2000 Frauenlieder des Mittelalters/Übersetzt und herausgegeben ©Ingrid Kasten
Gui d'Ussel, be.m pesa de vos
Gui d'Ussel, Ihr betrübt mich sehr
1.
»Gui d'Ussel, be.m pesa de vos
Car vos etz laissatz de chantar,
E car vos i volgra tornar,
Per que sabetz dꞋaitals razos,
Vuoill qe.m digatz si deu far egalmen
Dompna per drut, can lo qier francamen,
Cum el per lieis tot cant taing ad amor
Segon los dreitz que tenon lꞋamador.«
2.
ꞋDompna Na Maria, tenssos
E tot cant cujava laissar;
Mas aoras non posc estar
QuꞋieu non chant als vostres somos;
E respon vos de la dompna breumen
Que per son drut deu far comunalmen
Cum el per lieis ses garda de ricor:
QuꞋen dos amics non deu aver major.Ꞌ
3.
»Gui, tot so don es cobeitos
Deu drutz ab merce demandar,
E dompna pot o comandar,
E deu ben pregar a sazos;
E.l drutz deu far precs e comandamen
Cum per amiga a per dompna eissamen,
E.il dompna deu a son drut far honor
Cum ad amic, mas non cum a seignor.«
4.
ꞋDompna, sai dizon de mest nos
Que, pois que dompna vol amar,
Engalmen deu son drut onrar,
Pois engalmen son amoros;
E sꞋesdeven que lꞋam plus finamen,
E.l faichs, els dichs en deu far aparen,
E si ellꞋ a fals cor ni trichador,
Ab bel semblan deu cobrir sa follor.Ꞌ
5.
»Gui d'Ussel, ges dꞋaitals razos
Non son li drut al comenssar,
Anz ditz chascus, qan vol prejar
Mans jointas e de genolos:
>Dompna, voillatz qe.us serva franchamen
Cum lo vostrꞋom;< et ella enaissi.l pren;
Eu vo.l jutge per dreich a trahitor,
Si.s rend pariers ei.s det per servidor.«
6.
ꞋDompna, so es plaich vergoignos,
Ad ops de dompnꞋa razonar
Que cellui non teigna per par
Ab cui a faich un cor de dos;
O vos diretz, e no.us estara gen,
Que.l drutz la deu amar plus finamen;
O vos diretz quꞋil son par entre lor;
Que ren no.lh deu lo drutz mas per amor.Ꞌ
1.
»Gui d'Ussel, Ihr betrübt mich sehr,
weil Ihr das Singen aufgegeben habt,
und da ich Euch wieder dazu bewegen möchte,
weil ihr Euch auf solche Dinge versteht,
will ich, daß Ihr mir sagt, ob eine Dame
für den Geliebten, wenn er sanft darum bittet,
ebenso alles tun muß in der Liebe wie er für sie,
nach den Gesetzen, die unter Liebenden herrschen.«
2.
ꞋMadame Maria, Streitgedichte
und allen Sang wollte ich eigentlich lassen;
aber nun kann ich nicht anders,
als daß ich singe, da Ihr mich darum bittet.
Was die Damen betrifft, so antworte ich ganz kurz,
daß sie für den Geliebten das gleiche tun muß
wie er für sie, ohne Rücksicht auf den gesellschaftlichen Rang,
denn unter zwei Freunden darf keine Ungleichheit sein.Ꞌ
3.
»Gui, alles, wonach sein Verlangen steht,
muß ein Geliebter demütig erbitten,
und die Dame kann es ihm gewähren,
und manchmal soll auch sie wohl bitten;
und der Mann muß ihre Bitten und Befehle ausführen,
als ob sie seine Freundin und zugleich seine Gebieterin wäre,
die Dame aber soll den Geliebten wie
einen Freund ehren, nicht wie einen Gebieter.«
4.
ꞋMadame, man sagt hier bei uns,
daß, wenn eine Frau lieben will,
sie den Geliebten ebenso ehren soll wie er sie,
da sie gleichermaßen verliebt sind.
Und wenn es so kommt, daß sie ihn mehr liebt,
soll sie es in Wort und Tat zeigen,
wenn ihr Herz aber falsch und trügerisch ist,
soll sie ihre Torheit hinter einer freundlichen Miene verbergen.Ꞌ
5.
»Gui d'Ussel, am Anfang verhalten sich
verliebte Männer keineswegs nach solchen Regeln,
vielmehr sagt dann jeder, wenn er werben will,
mit gefalteten Händen und auf den Knien:
>Herrin, erlaubt, daß ich Euch ergeben
als Euer Lehnsmann diene!< Unter diesen Umständen nimmt sie ihn.
Ich betrachte ihn Euch gegenüber mit gutem Grund als Verräter,
wenn er Gleichheit beansprucht, nach dem er sich zum Diener erklärt hat.«
6.
ꞋMadame, es ist eine Schande,
zugunsten einer Dame zu argumentieren,
die den nicht für gleich halten will,
mit dem sie zwei Herzen zu einem vereint hat.
Entweder Ihr sagt, und das wäre nicht nett von Euch,
daß der Mann sie mehr lieben muß,
oder Ihr sagt, daß sie füreinander gleich sind,
denn nichts schuldet ihr der Liebende außer aus Liebe.Ꞌ