Fabelverzeichnis
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Hartmann von Aue
zwischen 1210 und 1220


Er gilt neben Wolfram von Eschenbach und Gottfried von Straßburg als der bedeutendste Epiker
der sogenannten mittelhochdeutschen Klassik um 1200. Gemeinsam mit Heinrich von Veldeke steht er
am Beginn des aus Frankreich übernommenen höfischen Romans.
Von ihm sind die Verserzählungen Erec, Gregorius oder Der gute Sünder, Der arme Heinrich, Iwein,
ein unter dem Namen Klagebüchlein bekanntes allegorisches Streitgespräch sowie einige
Minne- und Kreuzlieder überliefert.

Über seine Lebensumstände ist nur sehr wenig bekannt. Die meisten Informationen über Hartmanns
Lebensumstände liefern die Prologe und Epiloge seiner Werke. Besonders in den Prologen des Armen Heinrich
und in kaum abgewandelter Form des Iwein macht Hartmann Aussagen über sich selbst:

Ein ritter sô gelêret was,
daz er an den buochen las,
swaz er dar an geschriben vant:
der was Hartmann genannt,
dienstman was er zOuwe.
 

Es war einmal ein Ritter, der so gebildet war,
daß er alles, was er in den Büchern geschrieben fand,
lesen konnte.
Er hieß Hartmann und war
Lehnsmann zu Aue.
 

Quelle:

©Reclam: Hartmann von Aue: Der arme Heinrich, Verse 1–5.
Hrsg. von  Ursula Rautenberg, übersetzt von Siegfried Grosse. Stuttgart 1993

 

Hartmann ist demnach dem unfreien Stand der Ministerialen zuzuordnen und betont seine Schulbildung,
gemeint ist die lateinische Bildung, die für einen Ritter um 1200 ungewöhnlich ist.

Da Erec und Iwein aus schriftlichen französischen Vorlagen übertragen wurden, muss Hartmann auch über ausgezeichnete
Französischkenntnisse verfügt haben.
Das literarische Schaffen Hartmanns kann nur durch Querverbindungen zu Werken anderer Dichter zeitlich eingegrenzt werden. Chrétiens de Troyes Érec et Énide und Yvain, die altfranzösischen Quellen für Hartmanns Erec und Iwein,
entstanden mutmaßlich um 1165 bzw. um 1177. Deshalb geht man davon aus, dass Hartmann nach 1180 als Dichter
in Erscheinung trat.
Spätestens 1205/10 waren alle Versromane Hartmanns bekannt.


Er wird zu den "zwölf alten Meistern" gezählt.
 

Verse aus dem Iweinlied

Iwein ist ein um das Jahr 1200 in Versen verfasster mittelhochdeutscher Artusroman von Hartmann von Aue.
Hartmann übertrug den Yvain ou Le Chevalier au lion von Chrétien de Troyes frei aus dem Altfranzösischen.
Iwein, der Held des Romans, ist einer der Ritter der Tafelrunde am Hofe König Artus.

 

1.
Sît ich den sumer truoc riuwe unde klagen,
sô ist ze fröiden mîn trôst niht sô guot,
mîn sanc ensüle des winters wâpen tragen,
daz selbe tuot ouch mîn senender muot.
wie lützel mir mîn stæte liebes tuot!
wan ich vil gar an ir versûmet hân
die zît, den dienst, dar zuo den langen wân.
ich wil ir anders ungefluochet lân
wan alsô: si hât niht wol ze mir getân.

2.
Wolte ich den hazzen, der mir leide tuot,
sô moht ich wol mîn selbes vîent sîn.
vil wandels hât mîn lîp unde ouch der muot,
daz ist an mînem ungelücke worden schîn.
mîn frouwe gert mîn niht: diu schulde ist mîn.
sît sinne machent sældehaften man,
und unsin stæte sælde nie gewan,
ob ich mit sinnen niht gedienen kan,
dâ bin ich alterseine schuldic an.

3.
Ich hân des reht, daz mîn lîp trûric sî
wan mich twinget ein vil sendiu nôt.
swaz fröiden mir von kinde wonte bî,
die sint verzinset, als ez got gebôt:
mich hât beswæret mînes herren tôt.
dar zuo sô trüebet mich ein varende leit:
mir hât ein wîp genâde widerseit,
der ich gedienet hân mit stætekeit,
sît der stunde, daz ich ûf mîme stabe reit.

4.
Dô ir mîn dienest niht ze herzen gie,
dô dûhte mich an ir bescheidenlîch,
daz sî ir werden lîbes mich erlie.
dar an bedâhte sî vil rehte sich.
zürne ich, daz ist ir spot und altet mich.
grôz was mîn wandel. dô si den entsaz,
dô meit si mich, vil wol geloube ich daz,
mêre dúr ir êre danne ûf mînen haz.
si waenet des, ir lop stê deste baz.

5.
Sî hât mich nâch wâne unrehte erkant,
dô si mich von êrste dienen liez:
dur daz si mich sô wandelbæren vant,
mîn wandel und ir wîsheit mich verstiez.
sî hât geleistet, swaz si mir gehiez;
swaz sî mir solde, des bin ich gewert:
er ist ein tump man, der iht anders gert.
si lônde mir, als ich si dûhte wert.
michn sleht niht anders wan mîn selbes swert.

 
1.
Da ich den Sommer in Schmerz und Klage verbracht habe,
ist mein Vertrauen auf Glück so gebrochen,
daß mein Gesang und auch meine sehnsüchtigen Gedanken
nur winterliche Farben der Trauer tragen können.
Meine treue Ergebenheit bringt mir keine Freude ein!
Denn: die Zeit, der Minnedienst und das geduldige hoffnungsvolle
Aushalten sind ganz und gar vergeudet.
Ich will ihr keine Vorwürfe machen,
will nur so viel sagen: sie hat sich mir gegenüber nicht richtig verhalten.

2.
Wollte ich mich gegen den wenden, der mir weh tut,
so hätte ich Grund, mein eigener Feind zu sein.
Ich bin und verhalte mich sehr unbeständig,
das hat mein Mißerfolg offenbar gemacht.
Meine Herrin fragt nicht nach mir, daran bin ich selber schuld.
Da Verständigkeit und feine Bildung allein Erfolg verheißen,
ihr Gegenteil jedoch ein beständiges Glück verhindert,
bin ich, wenn meinem Dienst rechte Verständigkeit und Bildung fehlen,
am Mißlingen ganz und gar allein schuldig.

3.
Ich habe alle Ursache, traurig zu sein;
denn mich peinigen Sehnsucht und Schmerz.
Was ich auch seit meinen Kindertagen an Glück besaß,
das ist nach Gottes Ratschluß nun aufgewogen:
der Tod meines Herrn hat mich im Innersten getroffen.
Hinzu kommt eine Betrübnis, die indessen vorübergehen wird:
Meine Herrin hat mir die Huld aufgekündigt,
der ich seit der Zeit,
da ich noch mein Steckenpferdchen ritt, treu gedient habe.

4.
Es schien mir, als mein Werben keinen Eindruck auf sie machte,
ein Zeichen ihrer Einsicht zu sein, daß sie mir ihre hehre Person entzog.
Darin handelte sie nur vernünftig.
Zürne ich deswegen, kann sie darüber nur lachen,
ich aber werde alt und grämlich.
mein Dienst war sehr unbeständig.als sie davor erschrak,
mied sie mich – mehr, wie ich glaube,
ihres Ansehens wegen als aus Feindschaft gegen mich.
Sie meint wohl, ihr Ruhm habe desto festeren Bestand.

5.
Sie hatte mich auf bloße Vermutung hin falsch eingeschätzt,
als sie es anfänglich zuließ, dass ich ihr diente:
meine Unbeständigkeit und ihre Vernunft
waren der Grund meiner Verstoßung.
Sie hat erfüllt, was immer sie mir versprach.
Wenn mir gegenüber eine Verpflichtung bestand, der ist sie nachgekommen.
Töricht ist, wer etwas anderes verlangt:
ihr Lohn entsprach genau ihrer Einschätzung meiner Person.
So schlägt mein eigenes Schwert mir Wunden.

 

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1.
Swes fröide an guoten wîben stât
der sol in sprechen wol
und wesen undertân.
daz ist mîn site und ouch mîn rât,
als ez mit triuwen sol.
daz kan mich niht vervân
an einer stat,
dar ich noch ie genâden bat.
dâ habe ich mich vil gar ergeben
und wil dar iemer leben.

2.
Moht ich der schœnen mînen muot
nâch mînem willen sagen
sô liez ich mînen sanc
nu ist mîn sælde niht sô guot
dâ von muoz ich ir klagen
mit sange, daz mich twanc.
swie verre ich sî
sô sende ich ir den boten bî,
den sî wol hœret und eine siht:
der enméldet mîn dâ niht.

3.
Ez ist ein klage und niht ein sanc,
daz ich der guoten mite
erniuwe mîniu leit.
die swæren tage sint alze lanc,
die ich sî gnâden bite
und sî mir doch verseit.
swer selhen strît,
der kumber âne vröide gît,
verlâzen kunde, des ich niene kan,
der wære ein saelic man.


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1.
Wessen Glück von edlen Frauen abhängt,
der soll gut von ihnen sprechen
und ihnen ergeben sein.
So verhalte ich mich wenigstens und so rate ich auch,
wie ich es redlich tun soll.
Das kann mir jedoch nichts nützen
an einer Stelle,
an der ich seit eh und je um Huld flehe.
Was sie auch tut, ich habe mich ihr ergeben
und will immer für sie leben.

2.
Könnte ich der schönen Frau meine wahre Gesinnung,
so wie ich es möchte, mitteilen,
dann gäbe ich meinen Sang auf.
Nun ist mir aber mein Geschick nicht so günstig,
und deshalb muß ich ihr
mit Gesang klagen, was mich bezwungen hat.
Wie fern ich auch sei,
doch sende ich den Boten zu ihr,
den sie wohl hört und im Geheimen sieht:
der verrät mich dort nicht.

3.
Es ist eine Klage und nicht ein Gesang,
womit ich der edlen Frau
mein Leid von neuem künde.
Die beschwerlichen Tage halten schon zu lange an,
in denen ich sie um Huld bitte
und sie mir dennoch den Rücken weist.
Wer solch einen Kampf,
der Qual ohne Glück einbringt,
abbrechen könnte – was ich niemals kann -,
der wäre ein glücklicher Mann.


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Quelle:
©Fischer TB Verlag 2004/Minnesang/Herausgegeben, übersetzt von©Helmut Brackert

 

1.
Ich sprach, ich wolte ir iemer leben:
daz liez ich wîte maere komen.
mîn herze hete ich ir gegeben:
daz hân ich nû von ir genomen.
swer tumben antheiz trage,
der lâze in ê der tage,
ê in der strît
beroube sîner jâre gar.
alsô hân ich getân:
ir sî der kriec verlân.
für diese zît
sô wil ich dienen anderswar.

4.
Sît ich ir lônes muoz enbern,
der ích manic jâr gedienet hân,
so gerúoche mich got eines wern,
daz ez der schoenen müeze ergân
nâch êren unde wol.
sît ich mich rechen sol,
dêswâr daz sî,
und doch niht anders wan alsô
daz ich ir heiles gan
baz danne ein ander man,
und bin dâ bî
ir leides gram, ir liebes frô.

5.
Mir sint diu jâr vil unverlorn
diu ich an sî gewendet hân:
hât mich ir minne lôn verborn,
doch troestet mich ein lieber wân.
ich engerte nihtes mê
wan müese ich ír als ê
ze frouwen jehen.
manic mán der nimt sîn ende alsô
dem niemer liep geschiht,
wan daz er sich versiht,
deiz süle geschehen,
und tuot in der gedinge frô.

6.
Der ich dâ her gedienet hân,
durch die will ich mit fröuden sîn,
doch ez mich wênic hât vervân.
ich weiz wol daz diu frouwe mîn
niwán nâch êren lebet.
swer von der sîner strebet,
der habe im daz.
in betrâget sîner jâre vil.
swer álsô minnen kann,
der ist ein valscher man.
mîn muot stât baz:
von ir ich niemer komen wil.

 
1.
Ich sprach, ich wollt' ihr immer leben,
weit ließ ich davon Kunde kommen.
Ich hatte ihr mein Herz gegeben,
das habe ich jetzt von ihr genommen.
Wer Törichtes versprach,
strebe ihm nicht lange nach,
daß über dem Streit
nicht altere Jahr um Jahr sein Herz.
Alsdann so räume ich ihr
getrost das Kampfrevier.
Für diese Zeit
will ich nun dienen anderwärts.

2.
Weil ihren Lohn ich muß entbehren,
der ich gedienet manches Jahr,
so wolle Gott mir eines gewähren,
der Schönen möge es immerdar
geziemend gehen wohl.
Da ich mich rächen soll,
fürwahr, es sei,
und doch nicht anders denn also:
Ich wünsche ihr Gutes an,
mehr als ein andrer Mann,
und bin dabei
gram ihres Grams, froh mit ihr froh.

3.
Mir sind die Jahre unverloren,
die ich an ihren Dienst vertan.
Versagt sie auch den Lohn mir Toren,
so tröstet mich ein lieber Wahn.
Nichts weiter wünsche ich mir,
als daß wie ehe ich ihr
in Pflicht mich gebe.
Gar mancher Mann harrt aus also,
ob Liebes auch ihn flieht,
daß dennoch es geschieht
und er es erlebe.
Und solche Hoffnung stimmt ihn froh.

4.
Der ich verschrieben war bisher,
durch sie will ich in Freuden sein,
hilft es mir minder oder mehr.
Wohl weiß ich, daß die Herrin mein
nur nach der Ehre lebt.
Wer von der seinen strebt,
bedenke sich,
daß ihn nicht seine Jahre reuen.
Wer also minnen kann,
der ist ein falscher Mann,
doch besser ich:
in ihrem Dienst will ich mich freuen.

 

Quelle:
©Reclam 1978/Deutscher Minnesang/Nachdichtung von ©Kurt Erich Meurer
 

1.
Maniger grüezet mich alsô
— der grouz tuot mich ze mâze frô —:
»Hartmann, gên wir schouwen
ritterlîche frouwen!«
mac rr mich mit gemache lân
und île er zuo den frouwen gân!
bî frouwen triuwe ich niht vervân,
wan daz ich müede vor in stân.

2.
Ze vrowen habe ich einen sin:
als sî mir sint, als bin ich in;
wand ich mac baz vertrîben
die zît mit armen wîben.
swar ich kum, dâ ist ir vil,
dâ vinde ich die, diu mich dâ wil;
diu ist ouch mînes herzen spil.
waz touc mir ein ze hôhez zil?

3.
In mîner tôrheit mir geschach
daz ich zuo zeiner vrowen gesprach:
»vrouwe, ích hân mîne sinne
gewant an iuwer minne.«
dô wart ich twerhes an gesehen.
des wil ich, des sî iu bejehen,
mir wîp in solher mâze spehen
diu mir des niht enlânt beschehen.


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1.
Mancher begrüßt mich so —
und über diesen Gruß freue ich mich nur mäßig:
»Hartmann, auf, hofieren wir
die vornehmen Damen.«
Er soll mich in Ruhe lassen
und alleine zu den Damen eilen!
Bei Damen traue ich mir nichts zuwege zu bringen
als lustlos vor ihnen zu stehen.

2.
Über die Damen habe ich folgende Meinung:
So wie sie zu mir sind, so bin ich zu ihnen.
Denn ich kann besser meine Zeit
mit Frauen verbringen, die nicht von Stand sind.
Wo ich auch hinkomme, da gibt es viele von ihnen,
und da finde ich diejenige, die auch mich will:
die ist dann auch die Freude meines Herzens.
Was nützt mir ein zu hochgestecktes Ziel?

3.
In meiner Unerfahrenheit passierte es mir,
daß ich zu einer Dame sagte:
»Herrin, ich habe mein ganzes Sinnen
auf Eure Liebe gerichtet.«
Da wurde ich aber schief angesehen!
Darum will ich, das sei euch klar gesagt,
nach Frauen von solcher Art suchen,
die mich nicht auf diese Weise behandeln.


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Swelch vrowe sendet ir lieben man
mit rehtem muote ûf diese vart,
diu koufet halben lôn dar an,
obe sî sich heime alsô bewart,
Daz sî verdienet kiuschiu wort.
sî bete vür siu beidiu hie,
sô vert er vür siu beidiu dort.

 

Die Frau, die ihren lieben Mann in der
richtigen Gesinnung auf diesen Kreuzzug sendet,
die erkauft damit halben Lohn,
wenn sie sich zu Hause so bewahrt,
daß sie es verdient, züchtig genannt zu werden.
Sie soll hier für beide beten,
er aber zieht für beide dorthin.

 

Quelle:
©Reclam 1993 Deutsche Gedichte des Mittelalters/Ausgewählt, übersetzt und erläutert von ©UlrichMüller/©Gerlinde Weiss

 

Zwei Kreuzlieder

Hartmanns Kreuzlieder spielen entweder auf den dritten Kreuzzug (1189) oder den von Heinrich VI. vorbereiteten sogenannten deutschen
Kreuzzug (1197) an, der wegen Heinrichs Tod nicht zur Ausführung kam.
Eine eigene Teilnahme Hartmanns an einem Kreuzzug ist umstritten.
Der Tod eines Gönners, der in den Kreuzliedern zweimal angesprochen wird, ist als Tod des Zähringers Berthold IV. 1186 interpretierbar.


Was sind Kreuzlieder? zum nachlesen! bei den Begriffen in: die Literatur im Mittelalter.
 

Lied 1
 


 
1.
Ich var mit iuweren hulden, herren unde mâge.
liut unde lant die müezen saelic sîn!
ez ist unnôt, daz ieman mîner verte vrâge,
ich sage wol vür wâr die reise mîn.
Mich vienc diu minne und lie mich varn ûf mîne sicherheit.
nu hât sie mir enboten bî ir liebe, daz ich var.
ez ist unwendic, ich muoz endelîchen dar.
wie kûme ich braeche mîne triuwe und mînen eit!

2.
Sich rüemet maniger, waz er dur die minne taete.
wâ sint diu werc? die rede hoere ich wol.
doch saehe ich gern, daz sî ir eteslîchen baete,
daz er ir diente, als ich ir dienen sol.
Ez ist geminnet, der sich durch die minne ellenden muoz.
nu seht, wie sî mich ûz mîner zungen ziuhet über mer.
und lebte mîn her Salatîn und al sîn her
dien braehten mich von Vranken niemer einen vuoz.

3.
Ir minnesinger, iu muoz ofte misselingen,
daz iu den schaden tuot, daz ist der wân.
ich wil mich rüemen, ich mac wolvon minnen singen,
sît mich diu minne hât und ich si hân.
Daz ich dâ wil,seht, daz wil alse gerne haben mich.
sô müest aber ir verliesen underwîlent wânes vil:
ir ringent umbe liep, daz iuwer niht enwil.
wan müget ir armen minnen solhe minne als ich?

 
1.
Ich ziehe auf Fahrt mit eurer Erlaubnis, Herrin und Verwandte.
Leute und Land sollen gesegnet sein!
Es ist nicht nötig, daß mich jemand über meine Fahrt ausfragt,
denn ich gebe offen Auskunft über meine Reise:
Die Liebe hat mich gefangengenommen und ließ mich dann auf Ehrenwort frei.
Nun hat sie mir, wenn ich sie nicht verlieren will, geboten, daß ich die Fahrt
antrete. Es ist nicht mehr zu ändern, ich werde unbedingt dorthin gehen.
Keinesfalls würde ich mein Versprechen und meinen Eid brechen!

2.
Viele brüsten sich damit, was sie aus Liebe alles tun würden.
Wo sind die Taten? Die Worte nur höre ich deutlich.
Doch seh ich es gerne, wenn sie einen von jenen bitten würde,
daß er ihr so dient, wie ich ihr dienen werde.
Denn das heißt Liebe, wenn einer aus Liebe in die Fremde geht.
Nun seht, wie sie mich aus meiner Heimat übers Meer zieht.
Auch wenn Herr Saladin und sein ganzes Heer noch lebten,
diese brächten mich niemals einen Fußbreit aus Franken fort.

3.
Ihr Sänger der Liebe, ihr werdet oft Mißerfolg haben:
denn was euch Schaden zufügt, das ist eure unbegründete Hoffnung.
Ich will mich rühmen, daß ich gut von Liebe zu singen verstehe,
weil nämlich mich die Liebe hat und ich sie.
Was ich will, seht, das will ebenso gerne auch mich haben.
Ihr dagegen werdet immer wieder viel von euren leeren Hoffnungen verlieren:
Ihr bemüht euch um einen Partner, der euch nicht will.
Warum könnt ihr armen Toren nicht eine solche Liebe finden wie ich?

 

Quelle:
©Reclam 1993 Deutsche Gedichte des Mittelalters/Ausgewählt, übersetzt und erläutert von ©UlrichMüller/©Gerlinde Weiss

 

Lied 2
 


 
1.
Dem kriuze zimet wol reiner muot
und kiusche site,
sô mac man sælde und allez guot
erwerben dâ mite.
ouch ist ez niht ein kleiner haft
dem tumben man,
der sînem lîbe meisterschaft
niht halten kan.
ez wil niht, daz man sî
der werke dar under frî.
waz touget ez ûf der wât,
der sîn an dem hérzen niene hât?

2.
Nu zinsent, ritter, iuwer leben
und ouch den muot
durch in, der iu dâ hât gegeben:
beidiu lîp und guot.
swes schilt ie was zer welte bereit
ûf hôhen prîs,
ob er den gote nû verseit,
der ist niht wîs.
wan swem daz ist beschert,
daz er dâ wol gevert,
daz giltet beidiu teil,
der welte lop, der sêle heil.

3.
Diu werlt lachet mich triegende an
und winket mir.
nu hân ich als ein tumber man
gevolget ir.
der hacchen hân ich manigen tac
geloufen nâch.
dâ niemen stæte vinden mac
dar was mir gâch.
nu hilf mir, herre Krist,
der mîn dâ vârende ist,
daz ich mich dem entsage
mit dînem zeichen, daz ich hie trage.

4.
Sît mich der tôt beroubet hât
des herren mîn,
swie nû diu werlt nâch im gestât,
daz lâze ich sîn.
der fröide mîn den besten teil
hât er dâ hin,
und schüefe ich nû der sêle heil,
daz, wær ein sin.
mac ich íme ze helfe komen,
mîn vart, die ich hân genomen,
ich wíl ime ir hâlber jehen.
vor gote müeze ich in gesehen.

5.
Mîn fröide wart nie sorgelôs
unz an die tage,
daz ich mir Kristes bluomen kôs,
die ich hie trage.
die kündent eine sumerzît,
diu alsô gar
in süezer ougenweide lît.
got helfe uns dar
hin in den zehenden kôr,
dar ûz ein hellemôr
sîn valsch verstôzen hât
und noch den guoten offen stât.

6.
Mich hât diu welt alsô gewent,
daz mir der muot
sich zeiner mâze nâch ir sent.
dêst mir nu guot:
got hât vil wol ze mir getân,
als ez nu stât,
daz ich der sorgen bin erlân,
diu menigen hât
gebunden an den vuoz,
daz er belîben muoz,
swanne ich in Kristes schar
mit fröiden wunneclîche var.

 
1.
Dem Kreuz geziemt reiner Sinn
und keusche Sitte:
nur so kann man himmlisches Heil und irdisches
Glück mit der Kreuzfahrt erwerben.
Doch ist es eine ziemliche Fessel
für den Toren,
der seinem Körper keine Beherrschung
auferlegen kann.
Denn es läßt nicht zu, daß man sich
der Werke enthält.
Was nützt es auf dem Kleid,
wenn es einem nicht ins Herz geprägt ist.

2.
Jetzt, Ritter, setzt euer Leben
und euere Kraft zum Pfand
für den, der euch beides gegeben hat:
Leben und Besitz.
Wer seinen Schild jemals im weltlichen Kampf
eingesetzt hat zu eigenem hohen Ruhm,
wenn der ihn Gott nun verweigert,
dann ist der ein Tor.
Denn wem das vergönnt ist,
daß er sich dort ganz bewährt,
der erlangt beides:
den Ruhm der Welt, das Heil der Seele.

3.
Die Welt lacht mich trügerisch an
und winkt mir.
Nun habe ich ihr wie ein Tor
Folge geleistet.
Ihrem Köder bin ich lange Zeit
nachgelaufen.
Wo niemand Beständigkeit finden kann,
dahin eilte ich.
Nun hilf mir, Herre Christ,
mich von dem, der mir da nachstellt,
im Zeichen des Kreuzes, das ich hier trage,
freizumachen.

4.
Seit mir der Tod
meinen Herrn geraubt hat,
ist es mir einerlei,
wie nun die Welt danach aussehen mag.
Den besten Teil meines Glückes
nahm er mit sich,
und wenn ich mich jetzt um mein Seelenheil
kümmerte, das wäre sinnvoll.
Wenn ihm die Fahrt, die ich auf mich genommen habe,
zu helfen vermöchte,
dann will ich ihm die Hälfte davon zusprechen:
vor Gottes Angesicht möge ich ihn wiedersehen.

5.
Über meine Weltfreude hing immer die Sorge
bis zu der Zeit,
da ich mir Christi Blumen erwählte,
die ich jetzt hier trage.
Die künden von einer Sommerzeit,
die ganz und gar
dem Auge reine Freude schenkt.
Gott verhelfe uns dazu,
daß wir in den zehnten Engelschor gelangen,
aus dem die eigene Hinterhältigkeit
den finsteren Herrn der Hölle verstoßen hat,
der aber allen guten Menschen immer noch offen steht.

6.
Mir hat die Welt so übel mitgespielt,
daß ich mich
überhaupt nicht mehr nach ihr sehne.
Das ist nur gut für mich.
Gott hat mich,
so wie es nun um mich steht, gnädig geführt,
daß ich von der Sorge frei bin,
die manch einen
mit gebundenen Füßen zurückhält,
so daß er nun verharren muß,
wenn ich in der Schar Christi
mit seliger Freude auf die Kreuzfahrt ziehe.

 

Quelle:
©Fischer TB Verlag 2004/Minnesang/Herausgegeben, übersetzt von©Helmut Brackert

 


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