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Schwänke
 

Winterlieder

Die Winterlieder spielen zumeist beim Tanz in der Dorfstube oder erzählen davon, und es kommt oft zum Streit mit den als
aufmüpfig gekennzeichneten döpern (oder unter diesen);
Die Winterlieder stellen Verse höfisch-konventioneller Minne in Kontrast zu wilden bäuerlichen Szenen.
Als Figur kommt hier immer wieder "Neidhart" vor, der wegen seiner Armut jedoch stets Probleme bei seinen Werbungen um die Mädchen hat.


Quelle dieser Lieder:
©Reclam 1993 Deutsche Gedichte Gedichte des Mittelalters/Ausgewählt, übersetzt und erläutert von ©UlrichMüller/©Gerlinde Weiss.

 

Winterlied 1
 

Neidharts frühes Winterlied ist mit heiterer Stimmung erfüllt. Mit Humor, feiner Ironie (Str.3 triel!-rosenrotes Schnäuzchen) und großer Freude
am realistisch geschauten Detail ist dieses Lied gezeichnet.

 

1.
Mir tuot endeclîchen wê,
daz den winder niemen des erwenden mac,
er entwinge uns abe
beide bluomen unde klê,
dar zuo mangen liehten wünneclîchen tac
(deist mîn ungehabe):
die beginnent leider alle truoben;
hin gescheiden ist ir zil.
bickelspil
wil sich aber in der stuben uoben.

2.
Des wil Küenzel meister sîn:
der verbiutet lachen, sprechen, winkelsehen;
deist durch in getân.
des ersmieret Jiutelîn
uchuch! der muoz an ir hant vil wê geschehen,
des ich sorge hân:
diu wart hiuwer wunt in einen vinger,
dôs ir muomen gersten sneit.
mir ist leit:
trûther Küenzel, slaht ein wênic ringer!

3.
Zickâ, wie si mir geviel,
dô ich rehte erblihte, wie si was getân!
wol stuont ir daz hâr
unde ir rôsenvarwer triel.
dô bat ich die guoten zuo mir sitzen gân;
sî sprach: »ine getar:
mirst verboten, daz ich mit iu iht rûne
noch zuo ziu niht sitzen sol.
tuot sô wol,
vrâget Heilken dort bî Friderûnen!«

4.
Heilken vrâgen ich began,
wer dem kinde sîne vreude het erwert:
daz tet sî mir kunt:
»dâ ist Elle schuldic an,
von der uns vil manic bunkel ist beschert.«
dô sprach Künegunt:
»diu müet uns ze kirchen und ze strâze,
dazs uns allen machet wart:
Iremgart,
triuwen, dâ soltû si umbe hazzen.«

5.
Hie mit sul wir des gedagen:
sprechen von den kinden, diu dar sint gebeten
ûf den gofenanz!
Jiutel sol in allen sagen,
daz si dâ mit Hilden nâch der gîgen treten.
michel wirt der tanz.
Diemuot, Gîsel gênt dâ mit ein ander;
al daz selbe Elle tuot.
Wendelmuot,
wergot! ruof uns Künzen durch diu lander!

6.
Sage ir, daz der man sî hie,
dazs ein kleinez röckel unde ir mantel trage,
obs in welle sehen!
des hât sî gewünschet ie:
nû kumt ez ir rehte gein dem vîretage:
dô lâz ez geschehen!
bit si, dazs ir in ir geuchel binde!
mir ist lieber, kumt si her,
danne, ob er
sî dâ heime in swacher waete vinde.

7.
Künze dô niht langer beit,
sîne gienge, dar ir Wendelmuot gebôt:
seht, dar was ir gâch!
schiere hets sich an geleit:
beide sîten wâren ir von sîden rôt;
lützel gieng ir nâch.
swer diu lant nâch wîben gar durchvüere,
der deheiner gunde ich baz
(wizzet daz!)
mîner lieben muoter zeiner snüere.

 

1.
Es tut mir bitter weh,
daß niemand den Winter davon abbringen kann,
uns gewaltsam zu nehmen
Blumen und Klee,
dazu die vielen herrlichen Sommertage
(das bekümmert mich sehr).
Sie werden leider immer trüber,
ihre Zeit ist um.
Die Würfel
wollen wieder in der Stube gespielt sein.

2.
Aufpasser dabei will Künzel sein.
Der verbietet Lachen, Sprechen und Augenwinke.
Das geschieht, wie er es will.
Darüber lacht nur Jeutelein.
Auweh! Sie muß tüchtig eins auf ihre Finger kriegen,
daß mir deshalb bange ist.
Sie verletzte sich nämlich neulich an einem Finger,
als sie für ihre Muhme Gerste schnitt.
Mir tut's leid.
Drum, verehrtester Künzel, schlagt etwas weniger fest!

3.
Heissa, wie gefiel sie mir,
als ich genau hinschaute, wie sie aussah!
Schön war ihre Frisur
und ihr rosenrotes Schnäuzchen.
Da bat ich die Schöne, sich neben mich zu setzen.
Sie aber sprach: »Ich getrau mich nicht.
Man hat mir verboten, mit euch zu tuscheln
und mich zu euch setzen.
Seid so gut,
fragt Heilke dort bei Friderun!«

4.
Heilke fragte ich aus,
wer dem Mädchen sein Vergnügen verwehrt habe.
Das erklärte sie mir:
»Da hat Elle Schuld dran,
von der uns schon viele Streiche gespielt worden sind.«
Da sprach Kunigund:
»Die ärgert uns überall, wo sie uns begegnet,
weil sie uns alle ins Gerede bringt.
Irmgard,
wahrhaftig, deswegen sollst du ihr böse sein.«

5.
Damit wollen wir es genug sein lassen und
lieber von den Mädchen reden, die aufgefordert sind
zum Tanz in der Stube!
Jeutel soll ihnen allen sagen,
daß sie da mit Hilde zur Geige tanzen können.
Toll wird der Tanz.
Diemut und Gisel tun sich da zusammen,
Elle schließt sich an.
Wendelmut,
bei Gott, ruf uns die Künze gleich durch den Zaun herbei!

6.
Sag ihr, daß ihr Schwarm hier ist
und sie ein Tanzröckchen unter ihrem Mantel tragen soll,
wenn sie ihn sehen will.
Das hat sie sich immer gewünscht
Jetzt trifft es sich recht für sie an diesem Feiertag.
Da mag's denn geschehen!
Bitte sie, sich ihr Liebeskraut einzubinden!
Mir ist lieber, wenn sie hierher kommt,
als wenn er
sie daheim im Alltagskleid antrifft.

7.
Da ließ sich Künze nicht länger Zeit
und ging, wohin sie Wendelmut aufgefordert hatte.
Seht, damit war es ihr eilig!
Schnell hatte sie sich umgezogen.
Beide Seiten ihres Kleides waren rot von Seide,
ihr Röckchen war sehr kurz.
Selbstt wenn man die ganze Erde nach Frauen durchsuchte,
fände man keine, die ich meiner lieben Mutter
(das laßt euch gesagt sein!)
eher als Schwiegertochter gönnte.

 

Winterlied 2
 

Dieses Lied ist ungewöhnlich wirklichkeitsnah, und anschaulich wird die Natur beschrieben.
Anschließend bittet Neidhart zum winterlichen Stubentanz.

 

1.
Kint, bereitet iuch der sliten ûf daz îs!
da íst der leide winder kalt:
der hât uns der wunneclîchen bluomen vil benomen.
manger grüenen linden stênt ir tolden grîs;
unbesungen ist der walt:
daz ist allez von des rîfen ungenâden komen.
mugt ir schouwen wie er hât die heide erzogen?
diust von sînen schulden val.
dar zuo sint die nahtigal
alle ir wec gevlogen.

2.
Wol bedörfte ich mîner wîsen vriunde rât
umbe ein dinc, als ich iu sage,
daz sî rieten, wâ diu kint ir vreuden sollten phlegen.
Megenwart der wîten stuben eine hât:
obz iu allen wol behage,
dar sul wir den gofenanz des vîretages legen.
ez ist sîner tohter wille, kom wir dar.
ir sultz alle ein ander sagen.
einen tanz alum die schragen
brüevet Engelmâr.

3.
Wer nâch Künegunde gê, des wert enein!
der was ie nâch tanze wê;
ez wirt uns verwizzen, ist daz man ir niht enseit.
Gîsel, ginc nâch Jiuten hin und sage in zwein,
sprich, daz Elle mit in gê!
ez ist zwischen mir und in ein starkiu sicherheit.
kint, vergiz durch niemen Hädewîgen dâ,
bit si balde mit in gân!
einen site si sulen lân:
binden ûf die brâ.

4.
Got gebiete den jungen wîben über al,
die der mâze wellen sîn,
daz si hôchgemuoten mannen holdez herze tragen,
ruckenz vorne hôher, hinden hin ze tal,
decken baz daz näckelîn!
war zuo sol ein tehtier âne ein kollier umbe den kragen?
wîp sint sicher um daz houbet her gewesen,
daz et in daz niemen brach.
swaz in anderswâ geschach,
des sints ouch genesen.

5.
Eppe zuhte Geppen Gumpen ab der hant;
des half im sîn drischelstap:
doch geschiet ez mit der riutel meister Adelber.
daz was allez umbe ein ei; daz Ruopreht vant
(jâ waen; imz der tievel gap):
dâ mit drôte er im ze werfen allez jenenther.
Eppe der was beidiu zornic unde kal;
übellîchen sprach er: »tratz!«
Ruopreht warf imz an den glatz,
daz ez ran ze tal.

6.
[Frideliep bî Götelinde wolde gân:
des het Engelmâr gedâht.
wils iuch niht verdriezen, ích sag iu daz ende gar:
Eberhart der meier muoste ez understân,
der wart zuo der suone brâht:
anders waere ir beider hende ein ander in daz hâr.
zwein vil oeden ganzen giengen sî gelîch
gein ein ander al den tac.
der des voresingens phlac,
daz was Friderîch.]

7.
Hie envor dô stuont sô schône mir mîn hâr,
umbe und umbe gie der spân.
des vergaz ich, sît man mich ein hûs besorgen hiez:
salz und koren muoz ich koufen durch daz jâr.
wê, waz het ich im getân,
der mich tumben ie von êrste in disen kumber stiez?
mîne schulde wâren kleine wider in.
mîne vlüeche sint niht smal,
swanne ich dâ ze Riuwental
unberâten bin.

 
1.
Mädchen, holt eure Schlitten hervor fürs Eis!
Der böse kalte Winter ist da.
Er hat uns die vielen herrlichen Blumen genommen.
Mancher grünen Linde Wipfel ist mit Eis und Schnee bedeckt.
Kein Gesang erfüllt den Wald.
Das ist alles vom Grimm des Reifs gekommen.
Schaut nur, wie er die Heide zugerichtet hat!
Durch sein Verschulden ist sie fahl.
Auch sind die Nachtigallen
alle davongeflogen.

2.
Dringend brauchte ich den Rat meiner klugen Freunde
in einer Sache, die ich euch wissen lassen möchte,
daß sie nämlich rieten, wo die Mädchen sich vergnügen könnten.
Megenwart hat eine große Stube.
Wenn's euch allen wohl gefällt,
wollen wir den Sonntagstanz dorthin verlegen.
Seine Tochter wünscht es, daß wir uns da treffen.
Einer soll's dem andern sagen.
Einen Tanz rund um den Tisch
bereitet Engelmar vor.

3.
Wer Kunigunde holen soll, darüber einigt euch!
Die hat sich stets nach Tanzen gesehnt.
Sie wird es uns vorwerfen, wenn man ihr nichts sagt.
Gisel, geh zu Jeute und richte es beiden aus,
sag, daß Elle mit ihnen kommen soll.
Wir haben uns fest miteinander verabredet.
Mädchen, vergiss keinesfalls Hedwig darüber,
bitte sie, sich schnell ihnen anzuschließen!
Eins sollen sie sich aber abgewöhnen:
ihr Tuch bis auf die Brauen herunterziehen.

4.
Gott möge allen jungen Frauen gebieten,
sofern sie willens sind,
frohgestimmten Männern Gewogenheit im Herz zu tragen,
daß sie ihr Kopftuch vorn höher-, hinten herunterrücken
und besser ihre hübschen Nacken bedecken!
Was soll ein Sturmhelm ohne Koller um den Hals?
Bisher brauchten die Frauen um ihren Kopf nicht zu bangen,
daß ihnen den jemand abriß.
Was ihnen anderswo geschah,
das haben sie auch überlebt.

5.
Eppe riß Geppe dem Gumpe aus der Hand auseinander,
dabei half ihm sein Dreschflegel.
Doch brachte sie mit dem Knüppel Bauer Adelber
das kam alles von einem Ei, das Ruprecht fand
(ja, ich glaube, ihm gab's der Teufel).
Damit drohte er ständig ihn von drüben her zu bewerfen.
Eppe war ebenso zornig wie kahlköpfig.
Böse rief er »Tu's doch!«
Ruprecht schmiß ihm's an die Glatze,
daß der Dotter niederfloß.

6.
[Friedelieb wollte mit Gotelind tanzen.
Das hatte auch Engelmar vorgehabt.
Wenn's euch nicht verdrießt, sag ich euch gleich, wie's ausging.
Der Meier Eberhard mußte dazwischentreten;
der wurde zur Aussöhnung herbeigebracht.
Sonst hätten die beiden sich in den Haaren gelegen.
Wie zwei erzdumme Gänseriche gingen sie
den ganzen Tag aufeinander los.
Der beim Tanz vorgesungen hat,
das war Friederich.]

7.
Früher hatte ich eine gepflegte Frisur,
rundherum gingen die Locken.
Damit war's aus, seit man mich einen Haushalt versorgen ließ.
Salz und Korn muß ich das ganze Jahr über kaufen.
Ach, was hatte ich ihm nur getan,
der mich Unerfahrenen zuerst in diese Not stieß?
Meine Schuld ihm gegenüber war gering.
Doch meine Flüche sind gewaltig,
wenn ich da in Reuental
dem Mangel preisgegeben bin.

 
Winterlied 3
 

Das vielleicht bekannteste Winterlied Neidharts enthält die eingehendste Schilderung eines bäuerlichen Wintertanzes, das wir besitzen.
Str. 1/1: Das ist eine schmeichelnde Zurede des Bauernmädchens und bedeutet in etwa: »Fang mit deinem Gesang an, mein Schatz,
und ich belohne dich nach Wunsch!«

 

1.
»Sinc an, guldîn huon! ich gibe dir weize«,
(schiere dô
wart ich vrô)
sprach si, nâch der hulden ich dâ singe:
alsô vreut den tumben guot geheize
durch daz jâr.
würde ez wâr,
sô gestuont nie mannes muot sô ringe,
alsô mir der mîne danne waere.
mac si durch ir geilicheit
mîniu leit
wenden? ja ist mîn kumber klagebaere.

2.
Los ûz! ich hoer in der stuben tanzen.
junge man,
tuot iuch dan!
da ist der dorefwîbe ein michel trünne.
dâ gesach man schône ridewanzen.
zwêne gigen;
dô si swigen
(daz was geiler getelinge wünne),
seht, dô wart von zeche vor gesungen!
durch diu venster gie der galm.
Adelhalm
tanzet niwan zwischen zwein vil jungen.

3.
Rûmet ûz die schämel und die stüele!
heiz die schragen
vuder tragen!
hiute sul wir tanzens werden müeder.
werfet ûf die stuben, sô ist ez küele,
daz der wint
an diu kint
sanfte waeje durch diu übermüeder!
sô die voretanzer danne swîgen,
sô sult ir alle sîn gebeten,
daz wir treten
aber ein hovetänzel nâch der gîgen:

4.
Gôzbrecht, Willebolt, Gumpreht und Eppe,
Willebreht,
meiers kneht,
Werenbolt und ouch der junge Tuoze,
Megenbolt, des meiers sun, und Reppe,
Irenwart,
Sigehart,
Gîselher und Fridegêr und Uoze:
der ist ein vil tumber Holingaere;
er gêt vrîen durch daz jâr
(des nemt war!)
unde ist doch den meiden gar unmaere.

5.
Sâht ir ie gebûren sô gemeiten,
als er ist?
wizze krist!
er ist al ze vorderst anme reien.
niuwen vezzel zweier hende breiten
hât sîn swert.
harte wert
dünket er sich sîner niuwen treien:
diust von kleinen vier und zweinzec tuochen,
di ermel gênt im ûf die hant:
sîn gewant
sol man an eim oeden kragen suochen.

6.
Dörperlîch stât allez sîn gerüste,
daz er treit.
mirst geseit,
er sinn Engelboltes tohter Âven:
den gewerp erteile ich im ze vlüste.
si ist ein wîp,
daz er lîp
zaeme wol ze minne einem grâven;
dâ von lâze er sich des wîsen tougen!
zecke er anderthalben hin!
den gewin
trüege er hin ze Meinze in sînem ougen.

7.
Imst sîn treie nie sô wol zerhouwen
noch sîn kel
nie sô hel,
er enmüge sî sîn wol erlâzen.
disen sumer hât er sî gekouwen
gar vür brôt.
schamerôt
wart ich, dô si bî ein ander sâzen.
wirt si mir, der ich dâ gerne diene,
guotes gibe ich ir die wal,
Riuwental
gar vür eigen: deist mîn Hôhiu Seine.

 
1.
»Sing los, goldenes Huhn, ich geb dir Weizen!«
Sogleich
wurde ich froh,
als ich das sprach, um deren Huld ich singe.
So freut sich der Tor über ein süßes Versprechen
das ganze Jahr hindurch.
Würde es Wahrheit,
hätte niemandes Herz je so froh geschlagen
wie dann das meine.
Kann sie mit ihrem Frohsinn
meine Leiden
denn wenden? Wahrlich, mein Kummer ist beklagenswert.

2.
Horch hin! Ich höre Tanz in der Stube.
Ihr Burschen,
vorwärts mit euch!
Da ist ein ganzer Schwarm Dorfmädchen.
Einen Ridewanz sah man da zünftig tanzen.
Zwei Geiger spielten auf.
Wenn sie pausierten
(das machte den übermütigen Bauernburschen das größte Vergnügen),
seht, dann wurde der Reihe nach zum Tanz vorgesungen.
Durch die Fenster dröhnte der Lärm.
Adelhalm
tanzte nur mit zwei blutjungen Mädchen auf einmal.

3.
Räumt die Schemel und Stühle aus!
Laß die Tische
forttragen!
Heute wollen wir bis zum Umfallen tanzen.
Reißt die Türen auf, dann ist es luftig,
so daß der Wind
den Mädchen
kühlend durch ihre Mieder wehen kann.
Wenn die Vortänzer dann mit ihrem Lied zu Ende sind,
seid ihr alle aufgefordert,
mit uns zu treten
wieder ein höfisches Tänzchen nach der Geige.

4.
Ihr alle: Gozbrecht, Willebold, Gumprecht und Eppe,
Willebrecht,
des Meiers Knecht,
Werenbold und auch der junge Tuoze,
Megenbold, des Meiers Sohn, und Reppe,
Irenwart,
Sieghart,
Giselher, Friedger und Uoze.
Das ist ein erzdummer Bauer.
Das ganze Jahr ist er hinter den Dirnen her
(seid dessen versichert!)
und ist ihnen doch völlig egal.

5.
Habt ihr je einen Bauern so keck gesehen,
wie er ist?
Weiß Gott!
Er ist beim Reigen stets der erste.
Einen neuen Gurt, zwei Hände breit,
hat sein Schwert.
Überaus vornehm
dünkt er sich wegen seines neuen Wamses.
Das ist aus vierundzwanzigerlei Flicken zusammengemustert.
Die Ärmel reichen ihm bis auf die Hand.
Solch Gewand
findet man gewöhnlich an Tölpels Halse.

6.
Den Bauernnarren verrät sein ganzer Putz,
den er trägt.
Ich hörte,
er freie um Engelbolds Tochter Ava.
Diese Rechnung hat er ohne den Wirt gemacht.
Sie ist ein Weib,
deren Leib
selbst einem Grafen zur Minne ziemte.
Deshalb lasse er sich darin heimlich belehren!
Verfüg er sich doch woanders hin!
Den Erfolg seines Werbens
könnte er bis nach Mainz im Auge tragen.

7.
So schön ist sein Wams nicht geschnitten
und seine Kehle
nicht so hell,
daß er sie unbedingt mit seiner Person belästigen müßte.
Diesen Sommer hat er sie geradezu gekaut
ganz wie Brot.
Schamrot
wurde ich, wenn sie beisammen saßen.
Wird sie mein, der ich mit Freuden diene,
steht ihr mein Gut zur Wahl,
ja Reuental
wird ihr Besitz: das ist mein Hoch-Siena.

 
Winterlied 4
 

Dieses Lied zeigt den werbenden Sänger in einer zwischen Erfolg und Misserfolg wechselnden Rolle. Es dreht sich hier zum größten Teil um einen
geraubten gläsernen Griffel. In dieser Zeit mag es ein volkstümliches Brauchtum gewesen sein, dass der, welcher besagten Griffel hatte –
aber nur der Mann!
Siehe Strophe 4/5- ihn als Pfand nahm und daraus das Recht auf Liebesgunst geltend machen konnte.
(Erinnert das nicht ein wenig an die heutigen Pfänderspiele?)

 

1.
Nu ist der kleinen vogelîne singen
und der liehten bluomen schîn vil gar zergân.
wolde ein wîp mir liebez ende bringen,
mir waer, als ichs immer bêde solde hân,
diu mich ir genâden ie verzêch von kindes beine;
doch bit ich die guoten, dazs ir triuwe an mir erscheine,
mînes herzen küneginne ich meine.

2.
Niemen sol an vrouwen sich vergâhen.
des wart ich wol inne: mirst diu mîne gram.
der getrat ich leider alsô nâhen,
daz ich ûz ir hende ein glesîn grüffel nam
(daz wart ir gekoufet: in der krâme stuont ez veile):
daz wart mir verwizzen sît nâch grôzem mîme unheile,
dô si reit mit kinden ûf dem seile.

3.
Wan daz guote liute mir gewâgen,
jâ waer ich gehoenet unbe ir rôtez glas.
sî begunde mich in zorne vrâgen:
»sagt mir, liupper herre, dûhte ich iuch sô blas,
daz ir mir mîn grüffel nâmet unverdienter dinge?
jâne wil ich nimmer iuwern treieros gesingen
noch nâch iu den reien niht enspringen.«

4.
»Vrouwe, zallen dingen hoeret mâze:
zürnet sô, daz iu der zorn iht missezem!
mîne stîge gênt an iuwer strâze:
schaffet, daz man mir ein phant dar umbe iht nem!«
»wâ gesâhet ir ie wîp die man alsô gephenden?
jâ getrûwe ichz sust nâch mînem willen wol volenden.«
nâch dem grüffelîne muose ich senden.

5.
Ich gesach nie jungez wîp sô lôse,
diu ir lîp den mannen kunde baz versagen
unde ir werkes immer iht verbôse.
hei, sold ich daz heu mit ir hin hinder tragen,
als wir hie bevor in unser gämelîche tâten!
vaste wir ez mit den vüezen zuo dem zûne trâten
mangen âbent vruo und sunder spâten.

6.
Si ist an allen dingen wol ze prîsen
noch ist in dem kreize niemen alsô wert.
ir gebende ist niwan glanze rîsen:
wol genaetiu hüetel truoc si dannoch vert.
wirt si mir, ich hân mîn leit mit vröuden überwunden.
ich waen, alle, die der sint, ein bezzer kint niht vunden,
wan daz ir diu vüezel sint zeschrunden.

7.
Ich bin von der guoten ungescheiden
mînes lîbes und der ganzen triuwen mîn.
wol gelinge uns mit ein ander beiden!
sî sol mîn gewaltic zeinem vriedel sîn.
maneger sagt den wîben von dem guote grôzen griule:
kumt si mir ze Riuwental, si vinder dürre miule;
dâ ist rede ein wint, ein slac ein biule.

 

1.
Nun ist das Singen der zarten Vöglein verklungen
und der bunte Blumenschimmer völlig dahin.
Wollte eine Frau meine Wünsche endlich erfüllen,
wär mir, wie wenn ich beides immerzu hätte.
Sie hat mir seit frühester Jugend stets ihre Huld versagt.
Doch bitte ich die Geliebte, ihr Wohlwollen mir zu zeigen.
Meines Herzens Königin hab ich im Sinn.

2.
Niemand soll es bei Frauen zu eilig haben.
Das habe ich genau erfahren: die ich anbete, ist mir gram.
Der war ich leider insofern nahegetreten,
als ich ihrer Hand einen gläsernen Griffel entriß
(den hatte man ihr gekauft: beim Krämer lag er feil).
Das wurde mir später zu meinem großen Unglück zum Vorwurf gemacht,
als sie mit Freundinnen auf dem Seil schaukelte.

3.
Hätten mir nicht gute Leute geholfen,
wär ich doch ihres roten Glases wegen geschmäht und gekränkt worden.
Sie begann mich empört zu fragen:
»Sagt mir lieber Herr, erschien es euch so gering,
daß ihr mir meinen Griffel unverdientermaßen wegnahmt?
Ich denke nicht dran, euer Tanzlied noch einmal zu singen
und weiter nach eurer Pfeife den Reigen zu tanzen.«

4.
»Herrin, zu allen Dingen gehört das rechte Maß.
Zürnt so, daß euch der Zorn nicht entstellt!
Unsere Wege führen doch zusammen.
Sorgt deshalb dafür, daß man mir mein Pfand darüber nicht abnimmt!«
»Wo habt ihr je Frauen die Männer so pfänden gesehen?
Ja ich traue mir zu, auch anders ans Ziel meiner Wünsche zu kommen.«
Den kleinen Griffel mußte ich holen lassen.

5.
Ich habe nie ein so keckes Mädchen gesehen,
das sich den Männern besser versagen konnte
und doch stets sich auf gute Arbeit verstand.
Hei, könnte ich wieder das Heu mit ihr nach hinten tragen,
wie wir es früher in unserem Übermut taten!
Kräftig stampften wir es mit den Füßen am Zaun zusammen
in mancher frühen Abendstunde, ohne zu säumen.

6.
Man muß sie in jeder Hinsicht hoch rühmen,
und es gibt keine ihresgleichen im ganzen Umkreis.
Ihr Kopfschmuck besteht nur aus glänzendem Schleier.
Schön bestickte Hütchen trug sie dazu noch voriges Jahr.
Wird sie mein, hab ich mein Leid glücklich überstanden.
Ich glaube, niemand auf der Welt hat ein vollkommeneres Mädchen gefunden,
nur sind ihr die Füßchen aufgesprungen.

7.
Ich bin der Geliebten verbunden
mit meiner Person und meiner ganzen Treue.
Mögen wir beide Glück miteinander haben!
Sie soll über mich als ihren Geliebten verfügen!
Mancher prahlt vor den Frauen ganz schauerlich mit seinem Besitz.
Kommt sie nach Reuental, findet sie nur dürre Maultiere.
Da wird nicht erst geredet, sondern gleich zugeschlagen.

 

Winterlied 5
 

Hier tritt die Verspottung des bäuerlichen Spielleiters und seiner dumm-anmaßenden Gegenstücke beim Tanz in den Vordergrund.
Diesem Lied widmet Neidhart dem Natureingang nur wenige Worte, er lässt seinen Rachegelüsten und Drohungen freien Lauf.
Erklärung zu Str. I/7 rûmegazze:scherzhafte Bezeichnung des Schwertes. Der Sinn der Zeile lautet:
»Er trägt das Schwert in geckenhafter Weise hinten weit weggespreizt."
 

1.
Dô der liebe summer

ureloup genam,
dô muose man der tänze
ûfm anger gar verphlegen.
des gewan sît kummer
der herre Gunderam:
der muose ouch sîn gestränze
dô lazzen under wegen.
der ist bickelmeister disen winder:
oeder gouch ist in dem lande ninder,
sîn rûmegazze kaphet zallen zîten wol hin hinder.

2.
Waz er an den meiden
wunders dâ begât,
ê daz mîn vrouwe Schelle
volender ir gebot!
erst vil unbescheiden:
wan swelhe er bestât,
diu wirt von slegen helle
und mîdende den spot;
dâ von lâzen alle ir smutzemunden,
des die jungen niht verheln enkunden!
des hât ir hant von solher meisterschefte dicke enphunden.

3.
Immer, sô man vîret,
sô hebent sî sich dar
mit einer samenunge,
den ich wol schaden gan.
Werenbreht der lîret,
sô sumbert Sigemâr.
daz in dâ misselunge,
daz laege et eben an!
daz sich doch vil lîhte mac verrîden:
wellents ir getelse niht vermîden,
sich mugen zwêne an mîner weibelruoten wol versnîden.

4.
Koeme ich zeinem tanze,
dâs alle giengen bî,
dâ wurde ein spil von hende
mit beiden ekken zuo.
lîhte geviele ein schanze,
daz vor mir laegen drî.
ich hielte ez âne wende,
verbüte ez einer vruo.
sige und saelde hulfen mir gewinnen,
daz si halbe müesen dan entrinnen.
nu ziehen ûf und lâzen
in ir gogelheit zerinnen!

5.
Sîne weidegenge
die verewent mich grâ,
swenn er verwendeclîchen
vür mîne vrouwen gât.
trîbet erz die lenge,
bestât er danne dâ,
man hilft im ûz der kîchen,
daz er vil riuwic stât.
er und etelîcher sîn geselle,
den ich tanzent an ir hant ersnelle,
des sî gewis, ich slahe in, daz sîn offen stât ein elle!

6.
Im hilft niht sîn treie
noch sîn hiubelhuot;
ez wirt im in getrenket:
er zuhte ir einen bal.
erst ein toerscher leie;
sîn tumbelîcher muot
der wirt im dâ bekrenket.
wil er vür Riuwental
hin und her sô vil gewentschelieren,
er wirt wol zeteiset under vieren.
her Werenbreht, waz mag ich des, wirt im der umberieren?

 
1.
Als der freundliche Sommer
sich verabschiedet hatte,
mußte man mit den Tänzen
auf der Wiese aufhören.
Das bekümmerte seitdem
den Herrn Gunderam.
Der mußte nun auch seine Großtuerei
sein lassen.
Diesen Winter überwacht er das Würfelspiel.
Einen widerwärtigeren Toren gibt es nirgends im Land.
Sein Gassenräumer gafft stets weit nach hinten.

2.
Was er sich bei den Mädchen
da für unerhörte Dinge herausnimmt,
bevor Frau Glocke
ihren Einsatz beendet!
Er ist höchst unverschämt,
denn jede, der er sich nähert,
schreit laut auf vor Schlägen
und meidet fortan jeden Scherz.
Deswegen sollen alle ihr Herumalbern lassen,
das die Jungen noch nicht verbergen konnten!
Dafür hat ihre Hand unter solcher Aufsicht oft leiden müssen.

3.
An jedem Feiertag
machen sie sich auf
mit einer ganzen Gesellschaft,
denen ich wahrhaftig Schaden gönne.
Werenbrecht leiert,
während Siegmar trommelt.
Möchte ihnen der Erfolg dabei versagt bleiben!
Das wäre nur angemessen.
Es kann sich doch sehr leicht auch zum Schlimmern wenden:
wollen sie mit ihrem Klamauk nicht aufhören,
können sich zwei züchtig an meinem Schwert schneiden.

4.
Käme ich zu einem Tanz,
wo sie alle mitmachten,
finge ein Spiel an
mit beiden Schwertschneiden.
Vielleicht fiele ein Glückswurf,
daß drei vor mir lägen.
Ich hielte den Einsatz unabänderlich,
auch wenn mir einer sogleich hart zusetzte.
Siegesglück würde mir dazu verhelfen,
daß sie zur Hälfte davonlaufen müßten.
Nun mögen sie ihren Einsatz einziehen und sich
ihre Possen vergehen lassen!

5.
Seine Jagdzüge
machen mir graue Haare,
wenn er den Kopf eitel umherwendend
vor meine Herrin hintritt.
Treibt er das auf die Dauer
und bleibt er dabei,
verhilft man ihm schon aus dem schweren Atem,
daß er sehr traurig dasteht.
Wenn ich ihn oder einen seiner Gesellen
beim Tanz mit ihr erwische,
kann er gewiß sein, daß ich ihm ein ellengroßes Loch schlage.

6.
Ihm hilft weder sein Wams
noch sein Haubenhelm.
Es wird Rache an ihm genommen,
hat er ihr doch einen Ball entrissen.
Er ist ein närrischer Kerl.
Sein torenhafter Verstand
wird ihm dann noch kleiner gemacht.
Wenn er vor Reuental
so viel umherstreichen will,
wird er unter manch andern gewiß zerzaust.
Herr Werenbrecht, was kann ich dafür, wenn auch für ihn etwas abfällt?

 
Winterlied 6
 

Die Verknüpfung von Bauernsatire und höfischer Minneklage und die derben Töne geben diesem Lied sein Gepräge.
Dass das umworbene Dorfmädchen einen Namen trägt (Elsemut), ist eine Ausnahme.
Erklärung zu Str.2/6 kepelîsen: Das ist die spöttische Bezeichnung für das "Schwert eines Bauern".

 

1.
Nu ist der liebe sumer hin gescheiden;
die bluomen und der vogele sanc
müeze wir dem leiden winder lâzen:
den ungemach
mehte ein ieglîch herze wol von wâren schulden klagen.
hôchgemüete het ich von in beiden.
diu wîle dûhte mich sô lanc,
daz si niht ensprungen ûf den strâzen.
mîn ouge an sach,
daz si giengen al den tac als ein gesmirter wagen,
eben unde lîse, niht bedrungen,
daz in diu swert
ûf den versen klungen.
sich dûhten sumelîche dâ vil manger bône wert.

2.
Die daz wâren, die wil ich iu wîsen:
deist Engeldîch und Adelvrit,
Willebreht und Enzeman der junge
und Berewîn,
Sigelôch und Ekkerîch und jener Engelram.
wol gevürbet sint ir kepelîsen,
ir helze klingent nâch dem trit,
lûte bî dem reien nâch dem sprunge.
si wellent sîn
tumber, danne der uns Vriderûn ir spiegel nam.
des gewaltes was uns hie zerunnen;
nu sint ez jene,
die mir vröude enbunnen
und mir die guoten verrent, nâch der ich mîn herze sene.

3.
Der ich her gedienet hân von kinde
und noch ouch in dem willen bin,
daz ich wil belîben an ir staete
vil mangen tac,
sô wol mich, daz ich siie sô minneclîchen vant!
sî ist mînes herzen ingesinde.
diu wîle gêt mir schône hin,
swenne ich sî in wolgetâner waete
gesehen mac:
sô dünk ich mich rîcher, danne ich hiete ein eigen lant.
ich gesach nie wîp sô wolgetâne,
des muoz ich jehen.
sunne und ouch der mâne
gelîchent sich der schoenen niht, od ich enkan niht spehen.

4.
Der mir mîner vrouwen hulde erwende,
der wizze daz, wirt mir sîn stat,
daz ich im ein punkelîn erzeige,
als hiwer ich tet
einem gouche, der mîn ouch niht wol hin zir gewuoc!
Frideliep, sô wê dir in die zende!
dû bist der gogelheit sô sat,
daz dû wil, swar sich dîn houbet neige
durch minne bet,
daz dir iemen iht versage. owê, daz im vertruoc
Elsemuot sîn üppeclîch geriune,
des der dâ phlac.
ir sint leider niune,
die mir daz geu verbietent mangen liehten vîretac.

5.
Die gehellent alle Berewîne,
wan Enzeman und Willebreht:
die enziehent mit in niht gelîche.
nu sprichet er,
sî daz ers ersnellen mege, sî sîn bêde tôt:
er slahs, daz diu sunne durch si schîne.
si rouften sînes vater kneht
hiuwer vor dem meier Friderîche
umb nie niht mêr,
wan daz er ein krenzel truoc, daz was von bluomen rôt:
daz verseite er dâ zehant in beiden.
nu wizzet daz,
wirt ez niht gescheiden,
ez wehset lîhte zwischen in ein ungevüeger haz!

6.
Daz die dörper alle ein ander slüegen!
(daz lieze ich alsô hine gân;
wan si tuont mir vil ze widerdrieze:
ir üppikeit
diust sô grôz, daz ir die wîsen spottent über al):
daz sich doch vil lîhte mac gevüegen.
nu wer ot er sich, Enzeman!
triffet ern mit sînem scharfen spieze,
den er dâ treit,
er gedranget mich niht mêre dâ ze Riuwental.
ich bin vreuden gar von in versûmet:
daz ist niht guot.
wurde mir gerûmet
von in, daz müese wir verklagen, ich und Elsemuot.

 

1.
Nun ist der freudenspendende Sommer dahingegangen
Die Blumen und der Gesang der Vögel
müssen wir dem verhaßten Winter ausliefern.
Dieses Unglück
darf jedes Herz wohl mit vollem Recht beklagen.
Frohsinn hatte ich von beiden empfangen.
Die Zeit erschien mir so lang,
daß sie nicht mehr auf den Straßen sprangen.
Ich habe zugesehen,
wie sie den ganzen Tag einem geschmierten Wagen gleichgingen,
glatt und lautlos, ohne Gedränge,
so daß nur ihre Schwerter
an den Fersen klirrten.
Manche kamen sich da ungemein wichtig vor.

2.
Die das waren, die will ich euch nennen:
nämlich Engeldich und Adelfried,
Willebrecht und der junge Enzemann
und Berewin,
Siegloch und Eckerich und jener Engelram.
Blank gewienert sind ihre >Schwerter<.
Ihre Griffe klingen bei jedem Schritt,
laut im Reigen bei jedem Sprung.
Sie wollen noch närrischer sein
als der, der Friderun den Spiegel abnahm.
Mit dessen Herrschaft war's hier für uns aus.
Nun sind es jene,
die mir Freude mißgönnen
und die Geliebte mir fernhalten, nach der sich mein Herz sehnt.

3.
Ich habe ihr von früher Jugend auf gedient
und bin auch jetzt noch gern bereit,
ihr weiterhin treu zu bleiben
viele Tage.
Ich Glücklicher, daß ich sie je so liebreich fand!
Sie wohnt in meinem Herzen.
Die Zeit geht mir angenehm dahin,
wenn ich sie hübsch gekleidet
ansehen kann.
Dann komm ich mir reicher vor, als wenn ich ein eigenes Land besäße.
Ich habe nie eine so schöne Frau erblickt,
das muß ich gestehen.
Weder Sonne noch Mond
kommen der Schönen gleich, oder ich verstehe nicht recht hinzusehen.

4.
Wer mir die Gunst meiner Herrin abspenstig machen will,
soll wissen, daß ich, sobald ich Gelegenheit dazu habe,
ihm einen Faustschlag sehen lasse
wie jüngst
einem Lümmel, der mich auch bei ihr angeschwärzt hatte.
Friedlieb, dann wehe deinen Zähnen!
Du bist so übervoll von Eitelkeit,
daß du meinst, wo sich dein Kopf auch hinneigt
mit Liebesanträgen,
da dürfte dir niemand was abschlagen. Ach, daß ihm
Elsemut sein unverschämtes Geflüster erlaubte,
was er sich da herausnahm.
Ihrer neune sind es leider,
die mir die Gegend an manchem schönen Feiertag in Beschlag nehmen.

5.
Die sind alle ein Herz und eine Seele mit Berewin,
außer Enzemann und Willebrecht:
Die ziehen mit ihnen nicht am gleichen Strang.
Darum erklärt er jetzt,
wenn er sie erwische, seien sie beide des Todes.
Er wolle sie schlagen, daß die Sonne durch sie scheinen könne.
Sie hatten sich nämlich mit seines Vaters Knecht
neulich vor dem Meier Friedrich
um weiter nichts gebalgt,
als daß er einKränzchen trug, das aus roten Blumen war.
Das hatte er den beiden da, ohne zu zögern, verweigert.
Nun laßt euch das gesagt sein:
wird der Streit nicht geschlichtet,
erwächst zwischen ihnen leicht riesengroße Feindschaft.

6.
Möchten sich doch die Bauern alle gegenseitig umbringen!
(Das ließe ich gern hingehen,
denn sie machen mir viel Verdruß.
Ihre Aufgeblasenheit
ist so groß, daß sich alle Verständigen über sie lustig machen.)
Das kann sich freilich sehr leicht fügen.
So wehr er sich doch, Enzemann!
Trifft er ihn mit seinem scharfen Spieß,
den er da trägt,
dann belästigt er mich nicht mehr in Reuental.
Sie haben mich um alle Freuden gebracht.
Das ist alles andere denn schön.
Würde ich befreit
von ihnen, könnten wir das verschmerzen, ich und Elsemut.

 

Winterlied 7
 

Durch die neuartige Erprobung traditioneller Sprach-, Denk-und Fragemuster und die vollendete formale Struktur
zeigt sich Neidhart auf der Höhe seiner Kunst.

 

1.
Bluomen und daz grüene gras
beidiu sint verswunden.
nu treit uns aber diu linde vür die sunne nindert
schat; ê, dô sî geloubet was,
dô hiet man dâ vunden vil maneger
hande vreuden: dâne gêt nu nindert phat,
dâ wir dô
ie sô vrô
bî ein ander wâren. diu
vreude het ein ende,dô diu zît begunde swâren;
des trûret manic herze, des gemüete stuont ê hô.

2.
Rôsen ist diu heide blôz
von des rîfen twange.
diu vogelîn in dem walde habent nindert obedach.
winder, dîn unstaetic lôz
twinget uns ze lange:
von dir und einem wîbe lîde ich leider ungemach,
der ich gar
mîniu jâr
hân gedienet lange
von herzen williclîchen, eteswenne mit gesange.
des ist mir niht gelônet noch, wie kleine ist umbe ein hâr.

3.
Man sol willetôre sîn
aller guoten wîbe,
und in ir willen hengen, der ir hulde welle haben:
daz ist der geloube mîn,
swie sô mir mîn schîbe
ze wunsche niht enloufe. ich waene, ich werde alsô begraben,
dazs ir muot
mir ze guot
gein mir iht verkêre.
diu schult diu lît ûf Watken unde ûf jenem Ôtegêre,
daz sî nu alsô dicke mir toubez ôre tuot.

4.
Geuden giengen sî gelîch
hiwer an einem tanze:
dâ muosten drîe vor im gîgen, und der vierde pheif.
sîner vreuden was er rîch
under sînem kranze.
er nam im, dâ diu schoene gie, vil manegen umbesweif:
Erkenvrit
allez mit
vaste an sînem diehe;
er wunschte, daz er mir an ir daz helmel vor geziehe.
er hât den vuoz verlenket hiwer an einem geilen trit.

5.
Dienest âne saelikeit
niemen kan volenden.
ich hân ez rehte ervunden: kleiner lôn ist mir beschert.
mîn verloren arebeit
will mich dicke phenden
an vreuden: ungelücke maneger saelden mich behert.
ich verzage,
daz mîn klage
niht ir herze entsliuzet
und daz er gegen ir in rûnewarten bölzel schiuzet,
sich güffent, daz er mich ze jungist von ir dienste jage.

6.
Swer versmaehet mînen sanc
und sîn spottelachet,
wol singen unde rûnen habent ungelîchen lôn.
ê, do'r in diu ôren klanc,
was er ungeswachet.
nu klinget er ûf zwîvel, niene ûf rehten lobes dôn.
minne riet,
daz ich liet
nâch ir hulden sunge.
daz tet ich unde wânt des niht, daz mir dâ misselunge:
nu laet mir niht gelingen ein vil hiuziu dörperdiet.

 

1.
Die Blumen und auch das grüne Gras
sind verschwunden.
Nun spendet die Linde uns keinen Schatten mehr gegen die Sonne.
Früher, als sie belaubt war,
hätte man unter ihr finden können
vielfältige Freuden. Dahin geht nun kein Pfad mehr,
wo wir einst
stets so froh
beieinander waren.
Das Glück hatte ein Ende, als die Jahreszeit trist wurde.
Darüber trauern viele Herzen, die zuvor froh gestimmt waren.

2.
Von Rosen entblößt ist die Heide
wegen des grimmigen Reifs.
Die Vöglein im Wald haben kein Obdach mehr.
Winter, was du treulos geboten hast,
plagt uns lange.
Ungemach erdulde ich leider wegen dir und einer Frau,
der ich
mein ganzes Leben
lang gedient habe
aus bereitwilligem Herzen, dann und wann auch mit Liedern.
Dafür erhielt ich noch nicht den geringsten Lohn.

3.
Man muß sich freiwillig als Tor
allen verehrenswerten Frauen hergeben
und ihnen ganz zu Willen sein, will man ihre Gunst erringen.
Daran glaube und halte ich mich,
wiewohl sich für mich das Glücksrad
nicht nach Wunsche dreht. Ich fürchte, ich werde noch begraben,
ohne daß sie ihre Gesinnung
mir gegenüber
zu meinem Vorteil ändert.
Die Schuld liegt bei Watke und jenem Oteger,
daß sie jetzt so oft nur taube Ohren für mich hat.

4.
Wie zum Angeben schritten sie
neulich bei einem Tanze einher.
Da mußten drei vor ihm geigen, während ein vierter die Flöte pfiff.
Mächtig viel Vergnügen hatte er
unter seinem Kranz.
Wo die Schöne ging, strich er unablässig herum.
Erkenfried
ständig dabei
dicht auf seinen Fersen.
Er wünschte, er könne mich den kürzeren  bei ihr ziehen lassen.
Den Fuß hat er sich heuer bei einemausgelassenen Gehopse verrenkt.

5.
Minnedienst ohne Beglückung
kann niemand auf die Dauer leisten.
Ich habe das wirklich erfahren: geringer Lohn ist mir zuteil geworden.
Mein vergebliches Bemühen
will mir oft rauben
die Freude. Der Mißerfolg bringt mich um viele Seligkeiten.
Ich fürchte
daß meine Klage
ihr Herz nicht mehr öffnet
und daß er sie beim heimlichen Tuscheln mit Liebespfeilen beschießt
und sich dabei brüstet, er werde zuletzt mich aus ihrem Dienst verjagen.

6.
Wenn jemand meinen Gesang verschmäht
und über ihn spöttisch lacht, dem sage ich:
kunstvolles Singen und heimliches Liebesgeflüster erhalten ungleichen Lohn.
Früher, als er noch Gehör fand,
war er nicht verächtlich.
Jetzt erklingt er unsicher, nicht mehr im Ton des rechten Preisliedes.
Die Minne riet mir,
Lieder
um ihre Huld zu singen.
Das hab ich getan, ohne aber zu erwarten, daß mir der Erfolg versagt bliebe.
Mein Glück verwehrt mir nun ein freches Bauerngesindel.

 

Winterlied 8
 

Der Kampf zwischen Sommer und Winter dargestellte Natureingang dieses Liedes gehört zu den ausführlichsten und bemerkenswerten Beispielen seiner Art.
Es sind auch in diesem Winterlied bereits Aggression und Missgunst der bäuerlichen Kontrahenten vorgeprägt.

 

1.
Owê, sumerzît,
daz dir niemen hilfe gît!
waz dir hazzes unde nît
aber ûf dînem rucke lît,
ê der winder sînen strît
andir gar volende, als im sîn wille gegen dir stât!
er ist dir gehaz,
ich enweiz niht, umbe waz.
sît er dînen stuol besaz,
selten er des ie vergaz,
erne twunge ie vürebaz.
sîn gewalt wol tûsent ellen vür den dînen gât.
er hât in diu lant
dir ze schaden her gesant
allez sîn gesinde, daz dich roubet offenlîche
mit gewalticlîcher hant.

2.
Sîne winde kalt
habent dînen grüenen walt
harte jâmerlîch gestalt,
des diu heide sêre enkalt
an ir bluomen manicvalt:
si ist verderbet, daz si sich ze hove will beklagen.
bluomen unde loup
was des rîfen êrster roup,
den er in die secke schoup:
er enspielt in noch enkloup.
des ist manic herze toup,
daz an sînenvröuden wol von schulden muoz verzagen.
îs und anehanc
hât der vogelîne sanc
gar gestillet in den welden,
dâ si müezen swîgen allen disen winder lanc.

3.
Bluomen unde klê,
manger hande wünne mê,
die verderbet uns der snê.
disiu sorge tuot mir wê,
daz uns iht vor im bestê.
sumer, dîne holden von den huoben sint gevarn.
leit ist mir geschehen
an der liehten sunne brehen,
die wir dicke trüebe sehen,
des wir alle müezen jehen.
beidiu vinger unde zehen
sol ein ieslîch man vor disen winden wol bewarn.
ougen unde brâ
vor der winderraezen schrâ
sult ir wol behüeten, wan si verwet einen jungen,
daz man waenet, er sî grâ.

4.
Swaz ich tumber klage
bluomen und die liehten tage
unde an freuden niht verzage
bî dem kumber, den ich trage
(mêre, denne ich iemen sage),
daz ist ir gedienet, der ich vil gedienet hân
unde ir dienen wil
unz an mîner jâre zil,
ir sî lützel oder vil:
disen ruom ich nieman hil.
habe siz immer für ein spil,
doch sô wil ich dienen ir ûf einen guoten wân.
lîhte kumt ein tac,
daz ich sô gedienen mac,
daz mir von der guoten wirt gelônet,
daz ich von ir füere freuden vollen sac.

5.
Aller mîn gerinc
daz ist ein verloren dinc.
swenne ir alle sprechet: »sinc,
ungemüete von mir swinc!«
sône lât ein getelinc
sî niht hoeren mînen sanc: daz lât iu wesen leit!
derst ir dicke bî
unde heizet mandelzwî;
wie der gouch getoufet sî,
der gewizzen bin ich vrî.
sîner nâchgebûren drî
habent ungevrâget etewenne alsô geseit,
daz er Eberzant
in der toufe sî genant.
disen sumer habent si mich verdrungen,
er und ener sîn geloufte Herebrant.

6.
Die zwên geugeweten,
sint von Künehôhesteten,
als ein lewe an einer keten
gênt si an dem tanze treten
bî der lieben ungebeten.
swaz si dâ mit ir gerûnent, deist mîn ungewin
unde ist mir getân.
owê, welch ein sunderwân!
waz ich ungemaches hân
(mêre, danne ein ander man),
des ich niht erwenden kan!
sô mit ungenâden loufent mîne tage hin.
wê, gelückes rat,
wenne sol ich mîne stat
ûf dir vinden, oder wenne sol ich mînen vuoz
gesetzen in der saelden pfat?

7.
In der saelden pfat
ich noch leider nie getrat.
dâ ich ie genâden bat,
dâ verstiez mich mîner stat
ein gebûwer gogelsat.
solher vlüste hân ich her gespilt wol drîzec jâr,
minnehalp verlorn
beide schaden unde zorn,
den ich lîhter het verborn,
daz doch nimmer wirt verkorn,
des ich tiuwer hân gesworn.
an der lieben Vriderûnen huop ez Engelmâr,
der ir spiegel nam,
des im gouche niht gezam.
des ist unvergezzen, ich getuo ir einem sînes herzen
küneginne alsam.

 

1.
Ach, Sommerzeit,
daß dir niemand Hilfe leistet!
Wieviel Feindseligkeit und Mißgunst
lastet wieder auf deinem Rücken,
ehe der Winter seinen Kampf
mit dir so ausgetragen hat, wie er es vorhat.
Er ist dir feind,
ich weiß nicht, warum.
Seitdem er deinen Thron eingenommen hat,
hat er nie vergessen,
dir immer noch mehr Gewalt anzutun.
Seine Macht übertrifft die deine sicherlich tausendfach.
Er hat in die Lande
dir zum Schaden ausgesandt
alle seine Vasallen, die dich unverhohlen
mit gewalttätiger Hand ausplündern.

2.
Seine kalten Winde
haben deinen grünen Wald
höchst beklagenswert zugerichtet.
Durch ihr Wüten litt die Heide großen Schaden
an ihren bunten Blumen.
Sie ist entblößt, so daß sie bei Hof sich beklagen will.
Blumen und Laub
waren die erste Beute des Reifs,
die er in seine Säcke stopfte.
Er machte nicht viel Umstände.
Freudlos ist deswegen manches Herz,
da es allen Grund hat, an seinem Glück zu verzweifeln.
Eis und Schnee
haben der Vöglein Gesang
zum Verstummen gebracht in den Wäldern,
wo sie nun den ganzen langen Winter über schweigen müssen.

3.
Blumen und Klee
und vieles mehr, was uns erfreut hat,
macht uns der Schnee zunichte.
Es schmerzt mich die Sorge,
daß nichts vor ihm standhalten kann.
Sommer, deine Getreuen haben die Hufen verlassen.
Schwer hat mich getroffen,
was dem Glanz der strahlenden Sonne zugestoßen ist,
die wir oft trübe sehen.
Das müssen wir alle gestehen.
Finger und Zehen
soll jedermann vor diesen Winden sorgsam behüten.
Augen und Brauen
sollt ihr vor dem rauen Schneegestöber
gut schützen, denn es färbt einen Jungen,
daß man meint, er sei grau.

4.
Wie sehr ich Tor trauere
um Blumen und helle Sommertage
und an der Möglichkeit zum Glück dennoch nicht verzweifle,
trotz dem Kummer, den ich trage
(er ist größer, als ich jemand sagen kann),
das ist ihr zu Diensten getan, der ich lange gedient habe
und der ich dienen will
bis ans Ende meiner Jahre,
seien es noch so wenigeoder viele
Dieses Gelöbnis verheimliche ich niemand.
Auch wenn sie es immer nur für einen Scherz hält,
will ich ihr doch in der Hoffnung auf ein gutes Ende dienen.
Vielleicht kommt noch der Tag,
an dem mir solcher Dienst glückt,
daß mir von der Geliebten gelohnt wird und ich mit einem
Sack voller Freuden von ihr scheiden kann.

5.
Mein ganzes Werben
ist eine erfolglose Sache.
Sobald ihr alle sagt: »Sing,
vertreib meinen Mißmut!«
dann läßt doch ein Bauernrüpel
sie meinen Gesang nicht hören: das laßt auch euch nahegehn!
Der ist oft in ihrer Nähe
und wird Mandelzweig genannt.
Wie der Narr wirklich heißt,
das weiß ich nicht.
Drei seiner Nachbarn
haben ungefragt früher einmal gesagt,
daß er auf den Namen Eberzahn
getauft sei.
Diesen Sommer sind sie mir in die Quere gekommen,
er und einer seiner Kumpanen namens Heerbrand.

6.
Die zwei Spießgesellen,
Landsleute aus Königsstetten,
tapsen wie ein angeketteter Löwe
im Tanz mit der Liebsten herum,
ohne dazu aufgefordert zu sein.
Was sie da mit ihr flüstern, ist zu meinem Nachteil
und geht auf meine Rechnung.
Ach, welch dreiste Zuversicht!
Wieviel Unglück habe ich doch
(mehr als jeder andere Mensch),
das ich nicht abwenden kann!
So gehen meine Tage trostlos dahin.
Ach, Glücksrad,
wann werde ich meinen Platz
auf dir finden oder wann meinen Fuß
auf den Glückspfad setzen?

7.
Den Weg des Glücks
habe ich leider noch nie betreten.
Wo ich um Gunst je flehte,
da stieß mich beiseite
ein frecher Bauernlümmel.
So verlustreich hab ich schon gut dreißig Jahre gespielt,
der Liebe wegen umsonst gehabt
Schaden und Zorn,
die ich besser gemieden hätte.
Nie wird das jedoch vergessen und verziehen,
das habe ich hoch und heilig geschworen.
Bei der geliebten Friderun fing es mit Engelmar an,
der ihren Spiegel nahm,
was ihm Narren nicht zustand.
Ich denke schon dran, einer ihrer Herzensköniginnen
dasselbe anzutun.

 

Winterlied 9
 

Die Zeit- und Verfallsklage ist das eigentliche Thema dieses Liedes.
Dieses ist verbunden mit dem Preis auf den Wiener Hof Friedrichs des Streitbaren, – Herzog Friedrich II. von Österreich (1230-1246) –
der als letzte Zuflucht für die personifizierte Frau Vrômuot =Frau Frohsinn – erscheint. Siehe Str. 2/7
Str. 4/5:
Dieser Herr Tröstelein des Liedes ist identisch mit dem aus niederstem Adel, der zum Landschreiber ob der Enns (1246)
aufgestiegen ist.
Kurze Zeit später wurde er ein enger Vertrauter Friedrich des Streitbaren und einflussreicher Landespolitiker.
Meinhart genannt Tröstel (von Zierberg), urkundlich bezeugt in den Jahren 1239, 1241-1264.
Str. 5/3: Tulln =Stadt an der Donau, etwa 30 km flussaufwärts von Wien.
Str. 7: Haube und Ringellocken, die Kennzeichen des frech über seinen Stand hinausstrebenden Bauern.
 

1.
Owê, lieber sumer, dîner süeze bernden wünne,
die uns dirre winder mit gewalte hât benomen!
lebt ab iemen, der ez zwischen iu versüenen künne?
ez ist manic herze gar von sînen vröuden komen,
diu sich vröuten dîner zît
immer gein dem meien.
winder niemen vröude gît
wan den stubenheien.

2.
Vrômuot vert in trûren nû von lande hin ze lande,
ob si iemen vinde, der in ganzen vröuden sî.
wer ist nû sô sicher,
der ir irren boten sande,
dem sî künde, sî sî alles ungemaches vrî?
wer ist nû sô vreuden rîch,
dâ si sî gesinde,
wan der vürste Vriderîch?
kom, dâ sî den vinde!

3.
[Sî hât mit versuochen elliu tiutschiu lant durchwallen,
dazs eht leider niemen gar in ganzen vröuden vant;
swar si ie kam, dâ vant si niht wan trûren bî in allen.
nû hât sî ir spehe ûz in daz Ôsterlant gesant:
diu vert wider unde vür
allez tougenlîchen,
ob si in vröuderîcher kür
vinde Vriderîchen.]

4.
Wil er sî behalten, sî wil gerne dâ belîben:
sî was in dem willen, dô der bote von im schiet;
sî und ir gespilen wellen dâ die zît vertrîben.
wê, wer singet uns den sumer niuwiu minneliet?
daz tuot mîn her Troestelîn
und mîn hoveherre;
der gehelfe sollte ich sîn:
nu ist der wille verre.

5.
Weiz ab iemen, war die sprenzelaere sîn verswunden?
der waen ninder einer in dem lande sî beliben.
wê, waz man ir hiete ûf Tulnaere velde vunden!
ez ist wol nâch mînem willen, sint si dâ vertriben.
alle dûhten sî sich wert
mit ir langem hâre,
hiuwer tumber danne vert.
seht an Hilfemâren!

6.
Der treit eine hûben, diu ist innerthalp gesnüeret
und sint ûzen vogelîn mit sîden ûf genât.
dâ hât manic hendel sîne vinger zuo gerüeret,
ê si sî gezierten: daz mich niemen liegen lât.
er muoz dulden mînen vluoch,
der ir ie gedâhte,
der die sîden und daz tuoch
her von Walhen brâhte.

7.
Habt ir niht geschouwet sîne gewunden locke lange,
die dâ hangent verre daz kinne hin ze tal?
in der hûben ligent sî des nahtes mit getwange
und sint in der mâze sam die krâmesîden val.
von den snüeren ist ez reit
innerthalp der hûben,
volleclîche hände breit,
so ez beginnet strûben.

8.
Er wil ebenhiuzen sich ze werdem ingesinde,
daz bî hoveliuten ist gewahsen unde gezogen.
begrîfents in, si zerrent im die hûben alsô swinde:
ê er waene, sô sint im diu vogelîn enpflogen.
solhen kouf an solhem gelt
niemen sol versprechen.
jâ hât vil daz Marichvelt
solher zügelbrechen.

 

1.
O weh, lieber Sommer, deine Süße bringende Wonne
hat uns dieser Winter mit Gewalt genommen.
Lebt denn niemand, der euch versöhnen könnte?
Viele Herzen sind um ihr ganzes Glück gekommen,
die sich auf dich stets freuten.
wenn der Mai nahte.
Der Winter schenkt niemand Freude
außer den Stubenhockern.

2.
Frau Frohsinn zieht nun trauernd von Land zu Land
auf der Suche nach jemand, der in ungetrübter Freude lebt:
Wer ist jetzt so sorgenfrei, daß er der Obdachlosen
einen Boten senden könnte
mit der Nachricht, all ihr Ungemach habe ein Ende?
Wer ist jetzt so freudenreich,
daß sie sich seinem Gefolge anschließen könnte?
Nur der Fürst Friedrich!
Zu ihm möge sie kommen!

3.
[Sie hat suchend alle deutschen Lande durchpilgert,
doch leider ohne jemand in ungetrübter Freude zu finden.
Wohin sie auch kam, überall fand sie nur Trauer.
Jetzt hat sie ihre Späher nach Österreich ausgesandt.
Die ziehen hin und her
ganz im Verborgnen,
ob sie wohl in freudenreicher Stimmung
Friedrich finden können.]

4.
Bietet er ihr Herberge, will sie sich gern bei ihm niederlassen.
Dazu war sie bereit, als ihn der Bote verließ.
Sie und ihre Gespielinnen wollen an seinem Hof leben.
Ach, wer singt uns dann im Sommer neue Minnelieder?
Das tut mein Herr Tröstelein*
und mein Hofherr.
Meine Sache wäre es, ihr Helfer zu sein,
doch fehlt mir jetzt noch die Lust dazu.

5.
Weiß aber jemand, wohin die Gecken verschwunden sind?
Mir scheint, kein einziger ist von denen im Lande geblieben.
Ach, wie viele von ihnen hätte man sonst auf dem Tullner Feld gesehen!
Es ist ganz nach meinem Wunsch, daß sie von da vertrieben sind.
Alle kamen sie sich vornehm vor
mit ihrem langen Haar,
und doch werden sie dümmer von Jahr zu Jahr.
Seht euch nur Hildemar an.

6.
Der trägt eine Mütze, die hat innen Schnüre
und außerdem sind kleine Vögel aus Seide draufgestickt.
Dafür hat manches Frauenhändchen seine Finger gerührt,
ehe sie ausstaffiert war. Das wird jeder zugeben.
Der aber muß sich meinen Fluch gefallen lassen,
der sie ausgedacht hat
und der die Seide und den Stoff
aus dem Welschland einführte.

7.
Habt ihr seine langen Ringellocken nicht gesehen,
die da bis ans Kinn weit herunterhängen?
Nachts sind sie in der Haube eingezwängt
und sind ebenso blond wie Krämerseide.
Durch das Schnüren in der Haube
ist das Haar lockig.
Eine ganze Hand breit aber steht es ab,
sobald es nicht mehr gepflegt wird.

8.
Er will sich mit vornehmen Hausgenossen auf eine Stufe stellen,
die bei Hofleuten aufgewachsen und erzogen worden sind.
Erwischen die ihn, zerreißen sie ihm die Mütze so schnell,
daß ihm, ehe er's denkt, die Vöglein davongeflogen sind.
Wer so zahlt, handelt solche Ware ein,
da ist kein Widerspruch erlaubt.
Ja, auf dem Marchfeld gibt es noch viele
solcher zügellosen Burschen.

 

Winterlied 10
 

nach oben
 

In seiner Altersrolle setzt er sich mit leidenschaftlichem Ernst mit der Welt auseinander und sagt sich enttäuscht und resigniert von ihr los.
Nach dem üblichen Winterliedeingang folgt ein hart einsetzendes, erbarmungslos kritisiertes und anklagendes Scheltlied.
Die bildhafte Schlussstrophe ist an eine an Herzog Friedrich gerichtete Bitte um Freigebigkeit zu verstehen.
Str. 8/4: Weil Herzog Friedrich II. von Österreich, der bei seinen Truppenaushebungen für den Krieg mit Ungarn und Böhmen auch auf den Bauernstand zurückgriff.
 

1.
Si klagent, daz der winder
koeme nie vor manger zît
scherpfer noch sô swinder:
sô klag ich: mîn vrouwe diust noch herticlîch gemuot;
sist wider mich ze strenge.
got ir ungenâden niht
immer gar verhenge
nâch ir willen über mich! sist wirser danne guot.
ich hân mîniu jâr
ir gedienet âne mâze.
niemem sol mir wîzen, ob ich mîne vrouwen lâze:
dâ vinde ich liebes lônes niht als grôz als umbe ein hâr.

2.
Verschamtiu umbetrîbe,
sünden schanden reizelklobe,
lôsiu hoverîbe!
dienet man ir immer, sî gelônet nimmer wol.
ir lôn ist süeze selten.
vrouwen unde guotiu wîp
habe ich niht ze schelten:
diese rede ich wol von mîner vrouwen sprechen sol.
diust an êren kranc:
dem gebâret sî gelîche.
do ichs alrest erkande, dô was sî sô tugentrîche,
daz ich ir mîniu liedelîn ze dienste gerne sanc.

3.
Nu hât si sich verkêret;
schamelôser, valscher diet
ist ir hof gunêret.
triuwe, kiusche, guot gelaeze vindet niemen dâ:
die wâren ê gesinde;
des ich noch gedenke wol
aldâ her von kinde.
swers nu vinden wil, der muoz si suochen anderswâsî
sint von ir stat
âne ir willen hin gedrungen.
wîlent was ein munt berihet wol mit einer zungen:
nu sprechent zwô ûz eime; des ir hof die menge hât.

4.
[Min vrouwe ist wandelbaere,
got und elliu guoten dinc
diu sint ir gar unmaere.
swer die besten minnet, demst si nîdic und gehaz.
swer sich ze gote naehet,
er sî eigen oder vrî,
der wirt von ir gesmaehet.
zuht und êre stüende mîner vrouwen verre baz.
sist der werke vrî,
diu nâch hôher wirde ringen.
ich hoer niht ir lop ze hove schalleclîchen singen.
nu seht, ob ich ze vrouwen wol an ir behalten sî!]

5.
Miner vrouwen êre
diust an allen liden lam
unde strûchet sêre.
sist gevallen, daz siz überwinden nimmer mac.
si lît in einer lachen,
daz si niemen âne got
reine kan gemachen.
sî gewinnet nimmer mêre rehten süezen smac.
sünden rîchen man,
hüetet iuwer vor ir wâze!
stêt in iuwer huote dâ ze kirchen und ze strâze!
ir saelden siechen vrouwen, verret iuch her wider dan!

6.
[Ahzic niuwer wîse
loufent mir nu ledic bî,
diech ze hôhem prîse
mîner vrouwen lange her ze dienste gesungen hân.
ditze ist nû diu leste,
die ich mêre singen wil,
an vröuden niht diu beste,
als ir an dem wunderlîchen sange iuch müget verstân.
diust sô künstelôs
beide an worten unde an rîme,
daz mans ninder singen tar ze terze noch ze prîme.
ich klage,daz ich solhe vrouwen ie ze dienste erkôs.]

7.
[Nu nimt genuoge wunder,
wer diu selbe vrouwe sî,
diech mit sange besunder
mit mîm hôhen lobe sô rehte wol getiuret hân.
si heizet Werltsüeze.
daz mich unser herre got
vor ir befrîen müeze!
guotiu wîp diu enhabent mir ze leide niht getân:
mîner vrouwen nam
derst von wîben underscheiden.
mir und mêre liutes muoz wol in ir dienste leiden.
swâ man lop erkennet, da ist ir lop unlobesam.]

8.
Ich hiet ein ureliuge,
daz ich lange hân getragen
mit vil grôzer smiuge.
daz hât mir versüenet wol der vürste ûz Ôsterlant.
die geilen dorefsprenzel,
die dâ wâren in dem geu
alle voretenzel
der vüert iegeslîcher nû ein îsenîn gewant
in die herevart,
dâ der vürste hin gebiutet.
jungiu wîp, ir werdet selten mê von in getriutet:
si sint nu hereliute, Bereliup und Irenwart.

9.
Irenwart und Uoge,
die von rehte solten phlegen
bûwes mit ir phluoge,
die sach man ze Wienne koufen currît und platen.
Uoge der kouft eine,
dar zuo zwei vil dickiu leder
vür diu schinebeine.
wer solt im ze Ruste mêre tanzens vor gestaten?
er hât einen neven
dâ bî im ze Michelhûsen.
wil der rihter hôher bî der Persenicke mûsen,
dâ ist ir vil, strît ûf kirichtagen künnen heven.

10.
Swer einen vogel haete,
der mit sange dur daz jâr
sînen willen taete,
der solt underwîlen zuo dem vogelhûse sehen
und gebe im guote spîse!
sô sung im der selbe vogel
gerne süeze wîse
und müeste er im mit willen guoter meisterschefte jehen.
wolte er sînen sanc
gerne hoeren in dem meien,
sô solt er in den winter mit geraete ein lützel heien
die vogele:sagent mit sange guoter handelunge danc.

 

1.
Jedermann klagt, daß der Winter
seit langem nicht strenger
noch ebenso grimmig gekommen sei.
Ich aber klage: meine Herrin ist immer noch hartherzig.
Sie ist mir gegenüber allzu unerbittlich.
Möge Gott ihrem Willen nicht nachgeben
und nicht für immer
ihre Mißgunst über mich verhängen! Sie ist durch und durch schlimm.
Ich habe mein Leben lang
ihr übermäßig gedient.
Niemand darf mir Vorwürfe machen, wenn ich meine Herrin jetzt aufgebe.
Bei ihr finde ich nicht die Spur von liebem Lohn.

2.
Schamlose Herumtreiberin,
Leimrute der Sündenschande,
freche Hofdirne!
Wie sehr man sie hofiert, sie vergilt es nicht recht.
Ihr Lohn ist niemals süß.
Edlen Damen und sittsamen Frauen
habe ich nichts vorzuwerfen.
Aber meine Herrin muß ich mit Recht so schmähen.
Ihr Ehrgefühl ist gering,
entsprechend führt sie sich auf.
Als ich sie kennenlernte, war sie so tugendhaft,
daß ich ihr zu Diensten gern meine Liedchen sang.

3.
Jetzt ist sie anders geworden.
Zuchtloses, falsches Gesindel
hat ihren Hof geschändet.
Treue, Sittsamkeit und gutes Benehmen findet da niemand mehr.
Die gehörten einst zum Gefolge.
Das habe ich noch in guter Erinnerung
von früher Jugend an.
Wer sie jetzt finden will, muß sie anderswo suchen.
Sie sind von ihrer Stätte
nicht aus freien Stücken verdrängt worden.
Einst war ein Mund mit einer Zunge zufrieden,
jetzt sprechen zwei aus einem. Davon hat ihr Hof jede Menge.

4.
[Meine Herrin ist mit Fehlern behaftet,
Gott und alles Ehrenwerte
sind ihr vollkommen egal.
Wer die edelsten Frauen liebt, dem ist sie mißgünstig und feind.
Wer sich zu Gott hinwendet,
ob Knecht oder Herr,
wird verächtlich von ihr behandelt.
Anstand und Ehre stünden meiner Herrin weit besser an.
Sie ist von jeglichem Tun frei,
das nach Höherem strebt.
Ich höre nichts davon, daß man bei Hofe ihr Loblied singt.
Seht also, ob ich mit ihr als Herrin gut dran bin!]

5.
Meiner Herrin Ehre
ist lahm an allen Gliedern
und strauchelt sehr.
Ja, sie ist gefallen, daß sie sich nie mehr davon erholen kann.
Sie liegt in einer Schmutzlache,
so daß sie niemand außer Gott
reinigen kann.
Sie gewinnt nie wieder ihren richtigen süßen Duft zurück.
Ihr sündhaften Männer,
hütet euch von ihrem Hauch!
Nehmt euch in acht, drinnen und draußen!
Ihr unglücklichen Frauen, macht euch schnell wieder davon!

6.
[Achzig neue Weisen
laufen mir jetzt herrenlos zur Seite,
die ich höchst kunstvoll
bislang im Dienste meiner Herrin gesungen habe.
Diese ist nun die letzte,
die ich für alle Zeit singen will.
Sie ist freilich nicht die fröhlichste,
wie ihr an dem seltsamen Gesang merken könnt.
Sie ist so kunstlos,
was Sprache und Versbau angeht,
daß man sie bei keiner Gelegenheit zu singen wagt.
Ich beklage, eine solche Herrin je zum Dienst mir erwählt zu haben.]

7.
[Nun möchten manche gern erfahren,
wer denn diese Herrin ist,
die ich mit jedem Lied
so hoch gepriesen und so sehr verherrlicht habe.
Sie heißt Frau Weltsüße.
Möchte mich Gott, unser Herr,
von ihr befreien!
Ehrbare Frauen haben mir nichts zuleide getan.
Meiner Herrin Name
hat aber nichts mit gewöhnlichen Frauen zu tun.
Mir und auch andern wird es in ihrem Dienste zuwider.
Überall, wo man sich auf Lob versteht, ist das ihre nicht am Platz.]

8.
Ich war in Händel verwickelt,
die ich lange Zeit ertragen habe
mit sehr großer Mühe und Not.
Die hat der Herzog von Österreich gründlich für mich beigelegt.
Die übermütigen Bauerngecken,
die in der ganzen Gegend
Vortänzer waren,
ziehen nun alle mit eisernen Rüstungen
in die Heerfahrt,
zu der der Fürst aufbietet.
Junge Frauen, ihr werdet nie wieder von ihnen umarmt!
Sie sind nun richtige Kriegsleute, Berelieb und Irenwart.

9.
Irenwart und Uoge,
die nach Recht und Stand den Acker
mit ihrem Pflug bestellen sollten,
die sah man in Wien Harnisch und Panzer kaufen.
Uoge besorgte sich einen,
außerdem zwei mächtig dicke Ledergamaschen
zum Schutz der Schienbeine.
Wer könnte in Rust ihm jetzt noch weiteres Vortanzen gestatten?
Er hat einen Neffen,
der in Michelhausen lebt.
Würde der Kriegsknechtewerber weiter oben an der Perschling umhersuchen,
da wären noch viele zu haben, die sich auf Kirchtagsraufereien verstehn.

10.
Wer einen Vogel besitzt,
der das ganze Jahr über mit Gesang
seine Wünsche erfüllt,
sollte doch ab und zu nach dem Käfig sehen
und dem Vogel gutes Futter geben!
Dann sänge er seinem Betreuer
mit Freude liebliche Weisen,
und er müßte ihm bereitwillig meisterhafte Sangeskunst zugestehen.
Möchte er seinen Gesang
gern im Mai hören,
dann sollte er ihn den Winter über reichlich mit Vorrat versorgen.
Die Vögel bedanken sich mit ihrem Singen für gute Behandlung.

 

Winterlied 11
Ein "Alterslied"
 

Die Zeitklage und die Absage von der Welt in diesem Lied sind Ausdruck einer bußfertigen Stimmung des singenden Dichters.
In seiner Altersrolle beherrscht ihn seine innere Not und die Angst um sein Seelenheil.

 

1.
Allez, daz den sumer her mit vreuden was,
daz beginnet trûren gein der winderlangen swæren zît.
sanges sint diu vogelîn geswigen über al.
gar verdorben sint die bluomen unde gras.
schouwet, waz des kalten rîfen oben ûf dem walde lît!
ez ist wol von sînen schulden, ist diu heide val.
daz ist ein gemeiniu klage,
diu mich vröuden wendet:
daz ist an mînem lesten tage
leider unverendet.

2.
Sô nimt lîhte wunder, waz diu klage sî,
diech durch bezzerunge mînen lieben vriunden hân geseit.
ich wils iuch bescheiden, daz ir sprechet: »ez istwâr.«
bî der werlde niemen lebet sünden vrî:
ja ist ez sô ie lenger sô ie boeser in der kristenheit.
mîne tage swindet unde kurzent mîniu jâr.
solde ich dâ bî vröuden phlegen,
diu niht von herzen gienge,
und dienest lâzen under wegen,
der mich baz vervienge?

3.
Swenne ich sündehafter solte in riuwen baden,
sô wil sî, mîn vrouwe, deich ir kinden singe niuwen sanc:
sô muoz ich mich ir gewaltes mit verzîhen wern.
sî endarf mich nimmer mê an sich geladen:
von ir dienest umbe ein scheiden sô stêt aller mîn gedanc
ich bin in dem willen, daz ich wil die sêle nern,
diech von gote geverret hân
mit üppiclîchem sange.
der engel müeze ir bî gestân
und hüete ir vor getwange!

4.
Min vrouwe diu ist elter danne tûsent jâr
unde ist tumber, dan bî siben jâren sî ein kindelîn:
mit sô swacher fuore wart mir vrouwe nie bekant.
sî hât mich verleitet an daz ende gar
und hât noch gedingen zeinem immer wernden diener mîn
alsô sagte mir ein bote; den het si mir gesant
unde enbôt mir offenbâr
ir dienest unde ir minne:
dô widersagte ich ir vil gar:
si valschiu triegaerinne!

5.
Êrelôsiu vrouwe, wê; waz welt ir mîn?
lât iu tûsent junge dienen hinne vür an mîner stat!
ich wil einem herren dienen; des ich eigen bin:
ich enwil niht langer iuwer senger sîn.
daz ich iu ze dienest ie sô mangen geilen trit getrat,
daz ist mînes heiles, mîner sêle ungewin.
daz ich iuch dô niene vlôch,
daz ist min meistiu swaere,
und mich ze herren niht enzôch,
des lôn noch bezzer waere.

6.
Sît die wîsen alle heizent gotes kint
(waere ich danne wîs sô koeme ich mit in an der kinderschar
zuo der samenunge: da ist mir leider verre hin)
und der Werlde holden alle tôren sint,
herre got von himelrîche, gip mir dîn geleite dar!
kraft ob allen kreften, nû gesterke mir den sin,
daz ich mîner sêle heil
um dich verdienen müeze
und immer wernder wünne teil
durch willen dîner süeze!

7.
Swenne ich an ein trûren wende mînen muot,
sô kumt einer unde sprichet. »guote, singet etewaz!
lât uns mit iu singen, tuot uns vröudehelfe schîn!
swaz man nû gesinget, daz ist niht ze guot.
mîne vriunde sprechent, ir gesunget wîlen verre baz.
sî nimt immer wunder, war die dörper komen sîn,
die dâ waeren hie bevor
ûf Tulnaere velde.«
ez vert noch einer mit ir spor,
des üppekeit ich melde.

8.
Erst geheizen rehtes namen Limizûn.
er und einer sîn geselle (derst getoufet Holerswam),
er ist ninder hie, der ie gesaehe ir beider gaten.
des einen hâr ist reideval, des andern -brûn.
erst noch toerscher danne der uns Vriderûn ir spiegel nam
oder jene, die ze Wienne wîlen kouften platen.
ir beider buosem sint beslagen
wol mit knophelînen,
zweier zîle alumbe den kragen,
dazs ot verre schînen.

9.
Ir hüete, ir röcke, ir gürtel die sint zinzerlîch,
ir swert gelîche lanc, ir schuoch unz ûf daz knie ergânt gemâl:
alsô truogen sîs den sumer ûf den kirichtagen.
üppiclîches muotes sint sî ellenclîch,
daz sî waenent, sî sîn künftic von der Treisem hin ze tal.
wie moht mîn vrou Süezel Limezûnen daz vertragen,
daz er an ir hende spranc
den reien? von der tschoyen
sîn houpt er zoedeclîchen swanc
gein ir zem turloyen.

 

1.
Alles, was den Sommer über fröhlich war,
wird nun traurig, da die lange harte Winterszeit beginnt.
Alle Vöglein sind mit ihrem Gesang verstummt.
Dahin sind Blumen und Gras.
Seht nur, wieviel eisiger Reif den Wald bedeckt!
Allein durch sein Verschulden ist die Heide fahl.
Das ist jedermanns Klage,
die auch mich traurig macht:
das wird an meinem letzten Tag
leider noch nicht anders sein.

2.
Vielleicht interessiert es euch auch, was dagegen die Klage bedeutet,
die ich, um zu bessern, an meine lieben Freunde gerichtet habe.
Ich will's euch erklären, daß ihr sagt: »Es ist wahr!«
Auf Erden lebt niemand ohne Sünden.
Ja, es wird je länger desto schlimmer in der Christenheit.
Meine Tage schwinden dahin, mein Leben ist nur noch kurz.
Sollte ich mich dabei Vergnügungen hingeben,
die nicht aus dem Herzen kämen,
und den Dienst verweigern,
der mir förderlicher wäre?

3.
Wenn ich Sünder in Reuetränen baden sollte,
will sie, meine Herrin, daß ich ihren Kindern neue Lieder singe.
Dann muß ich mich ihres Drängens mit einem klaren Nein erwehren.
Sie darf mich nie wieder zu sich beordern.
Alle meine Gedanken sinnen darauf, den Abschied aus ihrem Dienst zu nehmen.
Ich bin gewillt, meine Seele zu retten,
die ich Gott entfremdet habe
mit leichtfertigem Gesang.
Möchte ihr Engel ihr beistehen
und sie vor Bedrängnis bewahren!

4.
Meine Herrin ist älter als tausend Jahre
und doch törichter als ein siebenjähriges Kind.
Eine Frau mit so liederlichem Gebaren hab ich noch nie kennengelernt.
Sie hat mich total in die Irre geführt
und glaubt dennoch, ich bliebe ihr Diener für immer.
So sagte mir ein Bote. Den hatte sie mir geschickt,
und durch ihn bot sie mir unverhohlen
ihren Dienst und ihre Liebe an.
Da sagte ich mich ganz und gar von ihr los,
von ihr, der falschen Betrügerin.

5.
Ehrlose Herrin, ach, was wollt ihr von mir?
Laßt tausend Jünglinge euch hinfort anstatt meiner dienen!
Ich will einem Herrn dienen, dem ich mit Leib und Seele angehöre.
Ich will nicht länger euer Sänger sein.
Daß ich euch zu Diensten jemals so viele übermütige Tänze tanzte,
schadet meinem Seelenheil.
Daß ich euch damals nie entfloh,
ist mein größter Kummer,
und, mich nicht einem Herren anschloß,
dessen Lohn doch viel besser wäre.

6.
Da die Weisen alle Gottes Kinder heißen
(wäre ich weise, würde ich also mit ihnen in die Kinderschar
eingereiht werden: leider bin ich noch weit davon entfernt)
und da die Freunde der Frau Welt alle Toren sind,
gib mir, Herr Gott des Himmelreichs, dein Geleit dahin!
Allmächtiger, stärke meinen Sinn,
damit ich würdig werde,
mein Seelenheil von dir zu erlangen
und meinen Anteil an der ewigen Wonne
um deiner Güte willen.

7.
Wenn ich mich meiner Trauer hingeben will,
kommt gleich einer und spricht: »Guter, singt etwas!
Laßt uns mit euch singen, verhelft uns zu unserm Vergnügen!
Alles, was man jetzt singt, ist nicht sonderlich gut.
Meine Freunde sagen, ihr hättet einst weitaus besser gesungen.
Sie wollen immerzu wissen, wo die Bauern hingekommen seien,
die früher zu finden waren
auf dem Tullner Feld.«
Einer verfolgt noch ihre Spur,
dessen Aufgeblasenheit ich enthüllen will.

8.
Er heißt mit seinem richtigen Namen Leimdenzaun.
Er und einer seiner Spießgesellen (namens Hohlerschwamm)
sind ein Gespann, wie es niemand hier je gesehen hat.
Des einen Haar ist blond-, des andern braungelockt.
Er ist noch närrischer als der, der Friederuns Spiegel raubte,
oder als jene, die in Wien einst Harnische kauften.
Beider Brustpanzer sind schön
mit Knöpfchen beschlagen,
in zwei Reihen um den Hals herum
damit sie auch ja weithin funkeln.

9.
Ihre Hüte, Röcke und Gürtel sind putzig,
ihre Schwerter eins lang wie das andre, ihre Schuhe kniehoch und bemalt.
So waren sie den Sommer über auf den Kirchtagen ausstaffiert.
Eingebildet sind sie wie alle Bauern,
weil sie glauben, man erwartet ihr Kommen im ganzen Traisental.
Wie konnte meine Herrin Süßel Leimdenzaun nur erlauben,
daß er an ihrer Hand den Reigen
sprang? Vor Freude darüber
schwang er höchst widerwärtig seinen Kopf
ihr beim Tanze entgegen.

 

Winterlied 12
 

Dieses Lied gibt einen im Grunde tiefernsten Ausdruck bitterster Resignation wieder. Zeit- und Weltklage erhalten durch den Vergleich mit der
glücklicheren Vergangenheit eine neue Perspektive.
Str. 7/5: Atzenbruck liegt am linken Ufer der Perschling nördlich von Michelhausen.
Str.8/5: riutelstap: "Pflugreute", Stab zum Beseitigen der sich an das Pflugbrett hängenden Erde.
Weil die Minne ihre Gunst dem Bauernknecht, nicht dem Ritter schenkt, stattet sie Neidhart mit dem bäuerlichen Reutelstab
als Zeichen ihrer Macht und Würde aus.

 

1.
Sumers und des winders beider vîentschaft
kann ze disen zîten niemen understân.
winder der ist aber hiwer mit sînen vriunden komen:
er ist hie mit einer ungevüegen kraft;
erne hât dem walde loubes niht verlân
und der heide ir bluomen unde ir liehten schîn benomen.
sîn unsenftikeit
ist ze schaden uns bereit.
sît in iuwer huote! er hât uns allen widerseit.

2.
Alsô hân ich mîner vrouwen widersagt:
sî endarf mîn niht ze dienestmanne jehen;
ich gediene ir williclîchen nimmer einen tac,
sît si guoten vriunt in vîndes stricke jagt.
ich will mir ein lange wernde vrône spehen,
diu mich hin ze gotes hulde wol gebringen mac.
die verliust si mir:
deste wirs getrouwe ich ir.
sî sol wizzen, daz ich ir ze vrouwen wol enbir.

3.
Ist daz niht ein wandel an der vrouwen mîn?
swer ir dienet, dem ist kranker lôn beschert.
sî verleitet manegen, daz er in dem drûhe lît;
des muoz leider liebes lônes âne sîn,
der ouch in ir dienste hin ze helle vert.
er ist saelic, swer sich von ir verret bî der zît,
daz er ze mittem tage
sînen phenninc hie bejage,
den er um die vesperzît verdienet mit im trage.

4.
Swaz ich nû gesinge, daz sint klagliet:
dâ envreut sich lützel leider iemen von.
ê dô sang ich, daz den guoten liuten wol gezam.
sît daz mich daz alter von der jugende schiet,
muoz ich dulden, des ich ê was ungewon.
niemen sich verzîhe, im geschehe vil lîhte alsam!
wirt er als ich grâ,
sô ist missebieten dâ.
sô der wolf inz alter kumt, sô rîtet in diu krâ.

5.
Ê dô kômen uns sô vreuden rîchiu jâr,
dô die hôchgemuoten wâren lobesam:
nu ist in allen landen niht wan trûren unde klagen,
sît der ungevüege dörper Engelmâr
der vil lieben Vriderûne ir spiegel nam.
dô begunde trûren vreude ûz al den landen jagen,
daz si gar verswant.
mit der vreude wart versant
zuht und êre; disiu driu sît leider niemen vant.

6.
Der mir hie bevor in mînen anger wuot
und dar inne rôsen zeinem kranze brach
unde in hôher wîse sîniu wineliedel sanc,
der beswârte nie sô sêre mir den muot
als ein dinc, daz ich von Willekinde sach.
do'r den krumben reien an ir wîzen hende spranc,
dô swanc er den vuoz,
des mîn vreude swinden muoz.
er und Gätzeman gewinnet nimmer mînen gruoz.

7.
Er spranc winsterthalben an ir wîzen hant:
houbet unde hals gie im vil vaste entwer,
dem gelîche, als der des lîbes niht gewalten mac.
dô wart mir der oede krage alrest bekant.
wê, wer brâhtein ie von Atzenbrucke her?
dâ hât er gesungen vor vil manegen vîretac:
des tuot er wol schîn.
er will alsô tiuwer sîn
als er durch daz röckel trat der lieben vrouwen mîn.

8.
Minne, wer gap dir sô rehte süezen namen,
daz er dir dâ bî niht guoter witze gap?
Minne, hôhe sinne sollten dîn geleite sîn.
ich muoz mich ze manegen stunden vür dich schamen:
dû verliusest dicke dînen riutelstap.
daz dû swachen vriunden gîst dîn haerîn vingerlîn,
dêst dîn êre kranc.
daz dû, vrouwe, habest undanc!
in dîn haerîn vingerlîn ein kneht den vinger granc.

9.
Daz siz niht dem ritter an den vinger stiez,
dô iz in der niuwe und in der wirde was!
dannoch hete siz dem knehte wol vür vol gegeben.
ich weiz rehte niht, war umbe sî daz liez.
lîhte was der kneht ir ougen spiegelglas.
Minne ist sô gewaltic, dâ si hin beginnet streben,
Minne ist sô gemuot,
der mit werke ir willen tuot,
daz si dâ hin minnet, dâ ir êre ist unbehuot.

 

1.
Die Feindschaft zwischen Sommer und Winter
kann niemand auf Erden schlichten.
Der Winter ist wieder mit seinen Freunden gekommen,
er ist hier mit einem grimmigen Heer.
Er hat dem Wald kein einziges Blatt gelassen
und die Heide ihrer Blumen und ihres bunten Leuchtens beraubt.
Seine Unannehmlichkeiten
stehen bereit, um uns zu schaden.
Seid auf der Hut! Er hat uns allen Fehde angesagt.

2.
So hab ich auch meiner Herrin die Freundschaft
gekündigt. Sie darf mich nicht mehr zu ihren Dienern
zählen. Ich diene ihr freiwillig keinen einzigen Tag
mehr, da sie ihren guten Freund ins Netz des Feindes
jagt. Ich will mich nach einem dauerhaften Dienst
umsehen, der mich zur Gnade Gottes sicher geleiten
kann. Um die bringt sie mich: desto weniger
traue ich ihr. Sie soll wissen,
daß ich sie als Herrin gut entbehren kann.

3.
Ist das nicht ein Makel an meiner Herrin?
Wer ihr dient, erhält nur schlechten Lohn.
Sie verführt manchen, daß er im Fangnetz hängt.
Daher muß leider selbst der ohne freundlichen Lohn
bleiben, der in ihrem Dienst nieder zur Hölle fährt.
Glücklich, wer sich beizeiten von ihr wegmacht,
um am Mittag
sich um seinen Lohn hier zu mühen, den er
dann abends wohlverdient bei sich tragen kann!

4.
Alles, was ich jetzt singe, sind Klagelieder.
Da hat leider niemand seine Freude daran.
Früher sang ich, was den hohen Herrschaften gut gefiel.
Seitdem mich das Alter von der Jugend getrennt hat,
muß ich erdulden, was ich früher nicht gewohnt war.
Niemand streite ab, daß es ihm vielleicht ebenso ergehen werde!
Wird er grau wie ich,
trifft auch ihn schlechte Behandlung.
Wenn der Wolf ins Alter kommt, reitet ihn die Krähe.

5.
Früher waren für uns die Jahre so freudenreich,
als es noch fröhliche Menschen zu loben gab.
Jetzt herrscht in allen Landen nur Trauer und Klage,
seit der plumpe Tölpel Engelmar
der geliebten Friderun den Spiegel nahm.
Damals begann Trauer, die Freude aus allen Landen zu verjagen,
daß sie schließlich ganz entschwand.
Mit der Freude wurden verbannt
Zucht und Ehre. Diese drei hat seither leider niemand gefunden.

6.
Der mir einst auf meinen Anger drang
und dort Rosen für einen Kranz abbrach
und mit lauter Stimme seine Liebeslieder sang,
der hat mir das Herz nie so sehr bekümmert
wie das, was ich Willekind tun sah.
Als er an ihrer weißen Hand den krummen Reigen sprang,
da schwang er den Fuß,
daß meine Freude schwinden muß.
Ihm und Gätzemann versag ich hinfort meinen Gruß.

7.
Er sprang links an ihrer weißen Hand.
Kopf und Hals gingen ihm tüchtig hin und her,
wie wenn einer die Herrschaft über seinen Körper verloren hat.
Da lernte ich de n Widerling zuerst kennen.
Wehe, wer hat ihn je aus Atzenbruck hierher gebracht?
Da ist er Vorsänger gewesen an vielen Feiertagen.
Das gibt er deutlich zu erkennen.
Er will ebensoviel gelten wie der,
der meiner lieben Herrin das Röckchen beim Tanze zerriß.

8.
Minne, wer hat dir einen so wahrhaft süßen Namen gegeben?
ohne dir dazu den rechten Verstand zu verleihen?
Minne, edle Sinne sollten deine Begleitung sein.
Ich muß mich manchesmal für dich schämen.
Du verlierst oft deine Würde.
Daß du niederen Freunden deinen Haarring schenkst,
tut deiner Ehre Abbruch,
Sei verwünscht, Herrin!
In dein härenes Ringlein hat ein Bauernbursch seinen Finger gezwängt.

9.
Ach, daß sie ihn nicht dem Ritter an den Finger steckte,
als er noch neu und kostbar war!
Dann hätte sie ihn dem Knecht immer noch als vollwertig geben können.
Ich weiß wirklich nicht, warum sie das ließ.
Vielleicht war der Knecht der Liebling ihrer Augen.
So rücksichtslos ist die Minne, wenn sie einen begehrt,
und so gesinnt,
wenn jemand mit seinem Tun ihren Willen erfüllt,
daß sie sich selbst da hingibt, wo ihre Ehre nicht gehütet wird.

 

Winterlied 13
 

Der Streit mit den Bauern findet ein Ende, um 1230 verliert er sein bayrisches Lehen – es wurde ihm niedergebrannt - und er tritt nach Österreich über.
Str. 8-9. Hier fand er in Friedrich dem Streitbaren einen neuen Gönner.

 

1.
Sumer, dîner süezen weter müezen wir uns ânen:
dirre kalde winder trûren unde senen gît.
ich bin ungetroestet von der lieben wolgetânen:
wie sol ich vertrîben diese lange swaere zît
diu die heide velwet unde mange bluomen wolgetân?
alsô sint die vogele in dem walde des betwungen
daz si ir singen müezen lân.

2.
Alsô hât diu vrouwe mîn daz herze mir betwungen
daz ich âne vröude muoz verswenden mîne tage.
ez vervaehet niht swaz ich ir lange hân gesungen.
mir ist alsô maere daz ich mêre stille dage.
ich geloube niht des daz sî mannen immer werde holt.
wir verlisen swaz wir dar gesingen unde gerûnen,
ich und jener Hildebolt.

3.
Der ist nû der tumbist under geilen getelingen,
er und einer, nennet man den jungen Willeher.
den enkunde ich disen sumer nie von ir gedringen,
sô der tanz gein âbent an der strâze gie entwer.
mangen twerhen blic den wurfen sî mich mit den ougen an,
daz ich sunder mînes guoten willen vor in beiden
ie ze sweime muose gân.

4.
Wê daz mich sô manger hât von lieber stat gedrungen
beidiu von der guoten unde ouch wîlent anderswâ.
oedelîchen wart von in ûf mînen tratz gesprungen.
ir gewaltes bin ich vor in mînem schophe grâ.
iedoch sô neic diu guote mir ein lützel über schildes rant.
gerne mugt ir hoeren wie die dörper sint gekleidet:
üppiclîch ist ir gewant.

5.
Enge röcke tragent sî und enge schaperûne,
rôte hüete, rinkelohte schuohe, swarze hosen.
Engelmâr getet mir nie sô leide an Vriderûne
sam die zwêne tuont. ich nîde ir phellerîne phosen
die sî tragent: dâ lît inne ein wurze, heizet ingeber.
der gap Hildebolt der guoten eine bî dem tanze;
die gezuhte ir Willeher.

6.
Sagte ich nû diu maere wie siz mit ein ander schuofen,
des enweiz ich niht: ich schiet von danne sâ zehant.
manneglîch begunde sînen vriunden vaste ruofen.
einer der schrei lûte »hilf, gevater Weregant!«
er was lîhte in grôzen noeten dô er sô nâch helfe schrê.
Hildeboldes swester hôrte ich eines lûte schrîen
»wê mirmînes bruoder wê!«

7.
Rädelohte sporen treit mir Fridepreht ze leide,
niuwe vezzel; dar zuo hât er zweier hande kleit.
rucket er den afterreif hin wider ûf die scheide,
wizzent, mîne vriunde, daz ist mir ein herzenleit.
zwêne niuwe hantschuoh er unz ûf den ellenbogen zôch.
mugt ir hoeren wie der selbe gemzinc
von der lieben hiuwer ab dem tanze vlôch?

8.
Wâ von sol man hine vüre mîn geplätze erkennen?
hie envor dô kande man iz wol bî Riuwental.
dâ von solde man mich noch von allem rehte nennen:
nust mir eigen unde lêhen dâ gemezzen smal.
kint, ir heizet iu den singen der sîn nû gewaltic sî:
ich bin sîn verstôzen âne schulde: mîne vriunt,
nû lâzet mich des namen vrî.

9.
Mîner vînde wille ist niht ze wol an mir ergangen:
wolde ez got, sîn mähte noch vil lîhte werden rât.
in dem lande ze Oesterrîche wart ich wol enphangen
von dem edeln vürsten der mich nû behûset hât.
hie ze Medelicke bin ich immer âne ir aller danc.
mir ist leit daz ich von Eppen und von Gumpen
ie ze Riuwental sô vil gesanc.

 
1.
Sommer, auf dein schönes Wetter müssen wir jetzt verzichten.
Dieser kalter Winter bringt uns nur Kummer und Schmerz.
Denn ich erfahre keinen Trost von der lieben Schönen:
Wie soll ich diese lange und schwere Zeit hinter mich bringen,
welche die Wiese und viele schöne Blumen welk macht?
Daher sind die Vögel im Wald dazu gezwungen,
daß sie ihr Singen sein lassen müssen.

2.
So sehr hat meine Herrin mir das Herz bezwungen,
daß ich freudlos meine Tage verschwenden muß.
Es nützt nichts, was ich ihr an Liedern so lange gesungen habe.
Mir ist das einerlei, so daß ich künftig schweige.
Ich glaube nicht, daß sie Männern jemals wieder gewogen sein will.
Es ist umsonst, was wir ihr singen und zuflüstern,
ich und jener Hildbolt.

3.
Der ist derzeit der dümmste der kraftstrotzenden Kerle,
er und jener, den man den jungen Willeger heißt.
Den konnte ich diesen Sommer über nie von ihr wegdrängen,
wenn der Tanz abends auf der Gasse hin und her ging.
Viele böse Blicke warfen sie mir aus ihren Augen zu,
so daß ich entgegen meiner Absicht vor den beiden
immer das Weite suchen mußte.

4.
Ach, daß mich so viele von einem lieben Ort verdrängt haben,
jetzt hier von der Schönen und auch schon früher von anderswo!
Widerwärtige Sprünge beim Tanz taten sie mir zum Ärger.
Ihre Gewalttätigkeit machte mir zu früh graue Haare.
Dennoch nickte mir die Schöne ein bißchen, über den Schildrand hinweg, zu.
Gerne könnt ihr hören, wie die Bauernlümmel angezogen sind:
Übertrieben sind ihre Kleider!

5.
Enge Westen tragen sie und zierliche Mäntelchen,
rote Hüte, Schnallenschuhe, schwarze Hosen.
Selbst Engelmar tat mir bei Friederune nie so Böses,
wie es jetzt diese beiden tun. Mich ärgern die Seidenbeutelchen,
die sie tragen: darin liegt eine Wurzel, die heißt Ingwer.
Davon gab Hildbolt der Lieben eine beim Tanz,
doch Willeger riß sie ihr wieder weg.

6.
Sollte ich berichten, was sie dann miteinander taten,
so weiß ich es nicht: Denn ich machte mich schnell davon.
Jeder fing an, heftig nach seinen Freunden zu rufen.
Laut schrie einer: »Hilfe, Gevatter Wergant!«
Er war vielleicht in großen Nöten, als er so sehr um Hilfe schrie.
Hildbolts Schwester hörte ich auf einmal rufen:
»O weh mir, mein armer Bruder, weh!«

7.
Radförmige Sporen trägt Friedbrecht, mir zum Ärger,
und einen neuen Schwertgurt; auch trägt er zweierlei Gewand.
Wenn er den Schwertring wieder auf die Scheide zieht,
dann wißt, meine Freunde, daß mir das aus tiefstem Herzen weh tut!
Zwei neue Handschuhe zog er an, die gingen bis zum Ellenbogen hoch.
Wollt ihr hören, wie dieser Gamsbock die Liebste in
diesem Jahr mitten im Tanz fluchtartig verließ?

8.
Woran soll man künftig mein Geplärre erkennen?
Früher erkannte man es gut an der Erwähnung von »Reuental«.
Danach sollte man mich weiterhin mit vollem Recht nennen:
Doch jetzt habe ich dort keinen Eigenbesitz und kein Lehen mehr.
Mädchen, heißt denjenigen singen, der jetzt dort das Sagen hat!
Ich bin ohne Verschulden von dort vertrieben. Meine Freunde,
nennt mich also nicht mehr danach!

9.
Der böse Wille meiner Feinde hatte für mich keine guten Auswirkungen:
Wollte Gott, so gibt es vielleicht noch dagegen Abhilfe.
Im Land Österreich wurde ich gut aufgenommen
von dem edlen Fürsten, der mir jetzt ein Dach gab.
Hier in Mödling bin ich jetzt gegen den Willen von ihnen allen.
Mir ist es leid, daß ich von Eppe und Gumpe
so viel in »Reuental« gesungen habe.

 

 

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