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Lieder 32-41
 

Lieder 17-31
Lieder mit deutlichen autobiographischen Bezügen und ungefähr chronologischer Folge.


Lied 17
 

1.
Ach senleiches leiden,
meiden, neiden, schaiden, das tuet we.
besser wer versunken in dem se.
Zart minnicleiches weib,
dein leib mich schreibt und treibt gen Josaphat.
herz, muet, sin, gedank ist worden mat.
Es schaid der tod,
ob mir dein treu nicht helfen wil,
aus grosser not;
mein angst ich dir verhil.
dein mündlein rot
hat mir so schir mein gir erwecket vil.
des wart ich genaden an dem zil.

2.
Mein herz in jamer vicht,
erbricht. bericht und slicht den kummer jo!
frau, schidlicher freuntschaft wart ich so
recht als der delephin,
wenn in der sinn füert hin zu wages grunt
vor dem sturm, und darnach wirt enzunt
von sunnen glast,
die im erkückt all sein gemüet.
herzlieb, halt vast
durch all dein weiplich güet!
lass deinen gast
nicht sterben, serben, werben in unfrüet!
in elenden pein ich tob und wüet.

3.
Mein haubt das ist beclait
mit waffen, slaffen, straffen die natur,
das mich zwingt ain stund für tausent ur.
Wenn ich mein lait betracht
die nacht, so wacht mein macht mit klainer kraft,
und ich freuden ganz wird sigehaft.
Mich niemant tröst,
und ist mein leiden sicher gross.
mein herz das wirt geröst
mit manchem seuftenstoss.
ach we, wann wirt erlöst
mein trauren? tauren, lauren negt und posst,
damit ich der sinn wird gar enplosst.

 

1.
Ach schmerzliches Sehnen,
Meiden, Streiten, Abschiednehmen, das tut weh.
Besser wär im Meer versunken sein.
Liebe, liebenswerte Frau,
du verbannst mich, treibst mich fort nach *Josaphat.
Herz, Fühlen, Sinnen, Denken sind mir matt geworden.
Es mag der Tod
aus großen Qualen mich erlösen,
wenn deine Treue mir nicht hilft.
Meine Angst verschweig ich dir.
Dein rotes Mündlein hat mir oft
so heftig mein Begehren erweckt;
von ihm erhoffe ich endlich Gnade.

2.
Mein Herz kämpft sich im Jammer ab,
es bricht. So ordne doch und glätte diese Pein!
Auf freundliche Schlichtung warte ich, Herrin,
ganz wie der Delphin,
wenn seine Klugheit ihm zum Grund des Meeres führt,
wenn Sturm aufzieht, doch nachher glüht er auf
im Glanz der Sonne,
die ihn im Innersten belebt.
Ach Liebste, bei all deiner weiblichen Güte:
bleib treu!
Laß den, der in dir wohnt,
nicht sterben, siechen, nicht in Trübsal leben!
Vom Schmerz des Fernseins werde ich verrückt und wild.

3.
Mein Haupt ist ganz umhüllt
von Wehklag, Mattsein, Unterdrücken meines Triebs,
was mich in einer Stunde mehr als tausendmal bedrängt.
Wenn ich bei Nacht mein Leid bedenke,
erwacht meine Männlichkeit, will stark sein
und ist doch schwach, ich unterdrücke alle Lust.
Mich tröstet niemand,
und mein Leid ist wahrlich groß.
Geröstet wird mein Herz
und stößt nur Seufzer aus.
Ach, wann werde ich erlöst aus meinem Trauern?
Das Warten und das Harren nagt und stößt,
und dabei komme ich ganz von Sinnen.

 

Anmerkung:
*Im Tale Josaphat östlich von Jerusalem wurde nach der Bibel in Joel 3/12 das jüngste Gericht erwartet.
Es ist daher nicht ganz auszuschließen, dass der Satz aufs Endgericht anspielt. Und meint damit "treibt mich in den Tod".

 
Zu Lied 18

Strophe 2/4 – Ruprecht von der Pfalz, deutscher König 1400-1410; Sigmund, deutscher König 1410-1437.
Der Adler ist das Königswappen. Bei Ruprecht handelt es sich wohl um dessen Italienfeldzug 1401, an dem Oswald demnach teilgenommen hat.
Für Sigmund kommt dessen venezianischer Feldzug 1412/13 in Frage.

Strophe 3 – Diese Erzählung gilt einem Höhepunkt der Frankreich-Spanien-Reise 1415/16 im Gefolge von König Sigmund.
3/1 Margarita de Prades, 29jährige Witwe Martins I. von Aragon.
3/4 > non maiplus disligaides< d.h. >Bindet es nicht mehr los!<
3/14-16 König Sigmund war vom 18.September bis Anfang November 1515 in Perpignan und bemühte sich, zur Beendigung des abendländischen
Schismas den Rücktritt des von westeuropäischen Herrschern gestützten Pedro de Luna als Papst Benedikt XIII. zu erreichen.
Anwesend waren in Perpignan außer den Genannten u.a. Karl III. von Navarra, Königinwitwe Katharina von Lancester, Ferdinand I. von Kastilien
und Aragonien, seine Gemahlin Eleonore von Albuquerque und die junge schöne Margarita de Prades.

 

Lied 18
 

1.
Es fuegt sich, do ich was von zehen jaren alt,
ich wolt besehen, wie die welt wer gestalt.
mit elend, armuet manigen winkel haiss und kalt
hab ich gepauet pei cristen, kriechen, haiden.
Drei pfenning in dem peutel und ein stücklin prot
das was von haim mein zerung, do ich loff in not.
von fremden freunden so hab ich manigen tropfen rot
gelassen seider, dass ich want verschaiden.
Ich loff ze fuess mit swerer buess, bis das mir starb
mein vater zwar, woll vierzen jar, nie ross erwarb,
wann aines raupt, stal ich halbs zumal mit valber varb,
und des geleich schied ich davon mit laiden.
Zwar renner, koch so was ich doch und marstallär,
auch an dem rue- der zoch ich zue mir, das war swär
in Kandia und anderswa, auch wider här.
vil maniger kittel was mein bestes klaide.

2.
Gen Preussen, Littwan, Tartarei, Türkei, über mer,
gen Lampart, Frankreich, Ispanien mit zwaien künges her
traib mich die minn auf meines aigen geldes wer.
Ruprecht, Sigmund, paid mit des adlers streifen.
Franzoisch, mörisch, katlonisch und kastilian,
teutsch, latein, windisch, lampertisch, reuschisch und roman,
di zehen sprach hab ich gebraucht, wann mir zeran;
auch kond ich fidlen, trummen, pauken, pheifen.
Ich hab umbfaren insel und aren, manig land
auf scheffen gross, der ich genoss von sturmes bant,
des hoch und nider meres gelider vast berant.
di Swarzensee lert mich ein vas begreifen,
do mir zerprach mit ungemach mein wargatin
(ein koufman was ich), doch genas ich und kam hin,
ich und ein Reuss; in dem gestreuss haubtguet, gewin
das suecht den grunt, und swam ich zu dem reifen.

3.
Ein künigin von Arragum, was schön und zart,
da für ich kniet, zu willen raicht ich ir den part,
mit hendlein weiss pant si darin ain ringlein zart
lieplich und sprach: >non maiplus disligaides.<
Von iren handen ward ich in die oren mein
gestochen durch mit ainem messin nädelein,
nach ir gewonet sloss si mir zwen ring dorein,
di trueg ich lang, und nennt man si raicades.
Ich suecht zu stund künig Sigmund, wa ich in vandt.
den munt er spreuzt und macht ein kreucz,do er mich kant.
der rueft mir schier: >du zaigest mir hie diesen dant?<
freuntlich mich fragt: >tuent dir die ring nicht laides?<
Weib und ouch man mich schauten an mit lachen so;
neun personir künigklicher zier di waren do
ze Pärpian, ir babst von Lun genant Petro,
der römisch künig der zehent, und die von Praides.

4.
Mein tummes leben wolt ich verkeren, das ist war,
und ward ein halber bekhart woll zbai ganze jar.
mit andacht was der anfang sicherlichen zwar,
hett mir di minn das ende nicht erstöret.
Di weil ich rait und suechet ritterliche spil
und dienet zu willen ainer frauen, des ich hil,
die wolt mein nie genaden einer nussen vil,
bis das ein kutten meinen leib bedöret.
Vil manig ding mir do gar ring zu handen gieng,
do mich di kappen mit dem lappen umbefieng.
zwar vor und seit mir nie kain mait so wol verhieng,
di meine wort freuntlich gen ir gehöret.
Mit kurzer schnuer die andacht fuer zum gibel aus,
da ich di kutt von mir do schutt, in nebel raus.
seit hat mein leib mit laidvertreib vil manigen strauss
gelitten und ist halb mein freud erföret.

5.
Es war zu lang, solt ich erzelen al mein not.
ja zwinget mich erst ein auserweltes mündlein rot,
da von mein herz ist wunt bis in den bittern tod.
vor ir mein leib hat manigen swaiss perunnen;
Dick rot und plaich hett sich verkert mein angesicht,
wann ich der zarten dieren hab genumen phlicht.
vor zittern, seufzen hab ich oft enphunden nicht
des leibes mein, als ob ich wer verprunnen.
Mit grossem schrick so bin ich dick zwaihundert meil
von ir gerost und nie getrost zu keiner weil.
kelt, regen, sne tett nie so we mit frostes eil,
ich prunne, wenn mich hitzt die lieben sunne.
Won ich ir pei, so ist unfrei mein mitt und mass.
von meiner frauen so muess ich pauen elende strass
in wilden rat, bis das genad lat iren hass.
und hulf mir die, mein trauren käm zu wunne.

6.
Vierhundert weib und mer an aller manne zal
vand ich ze Nio, die wonten in der insel smal,
kain schöner pild besach nie mensch in ainem sal,
noch mocht ir kaine disem weib geharmen,
von der ich trag auf meinem ruck ain swäre hurd.
ach got, wesst si doch halbe meines laides burd,
mir wär vil dester ringer oft, wie we mir wurd,
und hiet geding, wie es ir müest erbarmen,
wenn ich in elend dick mein hend oft winden muess.
mit grossem leiden tuen ich meiden iren gruess,
spat und ouch frue mit kainer rue so slaff ich suess,
das clag ich iren zarten weissen armen.
Ir knaben, maid, bedenkt das laid, die minne phlegen,
wie wol mir ward, do mir di zart pot iren segen.
zwar auf mein er wesst ich nicht mer ir wider gegen.
des muess mein aug in zächern dick erwarmen.

7.
Ich han gelebt wol vierzig jar leicht minner zwai
mit toben, wüeten, dichten, singen manicherlai,
es wer wol zeit, das ich meins aigen kindes geschrai
elichen hort in ainer wiegen gellen.
So kan ich der vergessen nimmer ewikleich,
die mir hat geben muet auf disem erdereich.
in aller werld kunt ich nicht finden iren gleich.
auch fürcht ich ser elicher weibe bellen.
In urtail, rat vil weiser hat geschätzet mich,
dem ich gevallen han mit schallen liederlich.
Ich Wolkenstain leb sicher klain vernünftiklich,
das ich der werlt also lang beginn zu hellen
und wol bekenn, ich waiss nicht, wenn ich sterben sol,
das mir nicht scheiner volgt wann meiner werkhe zol.
Het ich dan got zu seim gepot gedienet wol,
so forcht ich klain dort haisser flammen wellen.

 
1.
Es fügte sich, als ich zehn Jahre alt war,
da wollt ich sehen, wie die Welt aussieht.
In Armut, Not, in manchen heißen, kalten Ecken
hab ich seither gelebt, bei Christen, Griechen, Heiden.
Drei Pfennige im Beutel und ein Stücklein Brot
war meine Wegzehrung von daheim, als ich ins Elend lief.
Von falschen Freunden hab ich manchen Tropfen Blut
seither verloren, daß ich schon zu sterben meinte.
Ich lief zu Fuß, das war eine Buße! - bis mir mein Vater starb,
wohl vierzehn Jahre lang, nie kriegte ich ein Pferd,
nur eines raubte, stahl ich mir ein Falbe war's,-
und auf die gleiche Weise wurde ich's mit Schaden
los. Ja, ich war Laufbursch, Koch und Pferdemeister,
auch an dem Ruder zog ich, das war schwer,
bis Kreta und bis sonstwohin und wieder zurück.
Oft war ein Kittel mein bestes Kleidungsstück.

2.
Nach Preußen, Litauen, Tatarei, Türkei,
übers Meer, zur Lombardei, nach Frankreich, Spanien mit zwei Königsheeren
trieb mich die Liebe auf meine eigenen Kosten
und Ruprecht, Sigmund, beide mit dem Adlerzug.
Französisch, Maurisch, Katalanisch, Kastilisch,
Deutsch, Latein, Wendisch, Lombardisch Russisch und Romanisch -
diese zehn Sprachen mußte ich sprechen, wenn es Not war;
auch konnte ich fiedeln, trompeten pauken, pfeifen.
Ich bin um Inseln, Buchten, viele Länder rumgefahren
auf großen Schiffen, die mich schützen vor der Macht des Sturms,
dessen Rauf und Runter alle Meeresglieder angriff.
Das Schwarze Meer lehrte mich ein Faß umklammern,
als mir zu meinem Pech mein Schiff zerbrach
-ich war Kaufmann,- doch blieb ich heil und kam davon,
ich und ein Russe; in dem Gefecht fuhr alle Ware
samt den Gewinn zum Grund, ich aber schwamm ans Ufer.

3.
Eine Königin von Aragon, sehr schön und zart,
vor der kniet' ich, ergeben bot ich meinen Bart ihr dar,
mit weißen Händchen knüpfte sie ein Ringlein zart hinein,
freundlich, und sprach: >non maiplus disligaides.<
Auch wurden mir von ihrer Hand die Ohren
durchstochen mit einer kleinen Messingnadel,
nach ihrer Sitte schloß sie mir zwei Ringlein hinein,
die hab ich lang getragen, man nennt sie raicades.
Alsbald ging ich zu König Siegmund, wo er gerade war.
Er verzog den Mund und schlug ein Kreuz, als er mich erkannte.
Er rief sogleich: >Was zeigst du mir denn da für Tand?<
Und freundlich: >Tun die Ringe dir nicht weh?<
Die ganze Gesellschaft betrachtete mich da lachend;
da waren neun Persönlichkeiten königlichen Rangs
in Perpignan, ihr Papst namens Petrus von Luna,
der römische König der zehnte, dazu die Frau von Prades.

4.
Mein törichtes Leben wollte ich ändern, das ist wahr,
und wurde ein halber Begarde zwei ganze Jahre lang.
Der Anfang war zwar ehrlich voller Frömmigkeit,
hätte nur die Liebe nicht das Ende mir verwirrt.
Solang ich ritt und Ritterwesen suchte und ergeben
einer Dame diente, die ich hier nicht nennen will,
da wollte die mir keine Nußschale voll Gunst gewähren,
bis endlich eine Kutte mich zum Narren machte.
Da fiel dann manches leicht mir zu,
als mich die Kotze mit den Zipfeln kleidete.
Gewiß war nie zuvor und nie danach ein Mädchen so
zugänglich, wenn ich freundlich mit ihr redete.
Die Andacht fuhr schnurstracks durchs Giebelloch,
als ich die Kutte von mir schüttelte, in den Nebel raus.
Seither habe ich ums Leidvertreiben so manchen Kampf
erlitten und ist meine Freude fast erfroren.

5.
Es wär zu lang, wollt ich all meine Not erzählen.
Noch überwältigt mich jedoch ein edler roter Mund,
von dem mein Herz zum bittern Tod verwundet ist.
In ihrer Gegenwart ist oft der Schweiß mir ausgebrochen;
oft bin ich im Gesicht erst rot, dann blaß geworden,
wenn ich dem schönen Mädchen mich zuwandte,
vor Zittern, Seufzen habe ich oft den eigenen Leib
nicht mehr gespürt, als wäre ich ausgebrannt.
Oft bin ich voll Entsetzen von ihr fortgerannt,
zweihundert Meilen weit, und schöpfte niemals Hoffnung.
Frost, Regen, Schnee, sie schmerzten mich nie so mit jäher Kälte,
daß ich nicht glühte, erhitzt von der Geliebten Sonne.
Bin ich bei ihr, bin ich unfrei, ohne Mitte, ohne Maß.
Wegen meiner Herrin muß ich fremde Wege ziehen
dorthin, wo Hilfe fern ist, bis Gnade läßt vom Haß.
Wenn die mir hilft, würde mein Leid zu Wonne.

6.
Vierhundert Frauen oder mehr, ganz ohne einen Mann,
hab ich gesehen zu Ios, sie wohnten auf der kleinen Insel.
Niemand hat je in einem Saal ein schöneres Bild erblickt.
Doch ihrer keine konnte dieser Frau etwas nehmen,
von der ich eine schwere Kräxe auf dem Rücken trage.
Ach Gott, wenn sie doch nur die Hälfte meiner Leidensbürde wüßte,
so wär mir oft viel leichter in all dem Schmerz,
und ich könnte hoffen, daß es sie erbarmte,
wenn ich oft fern von ihr die Hände ringen muß.
Mit großem Leid entbehr ich ihren Gruß, und ruhelos
kann ich nicht spät noch früh sanft schlafen,
das klag ich ihren zarten weißen Armen.
Ihr Burschen, Mädchen, die ihr liebt, bedenkt mein Leid,
denkt, wie mir wurde, als die Liebste mir den Segen gab!
Ich wußte ehrlich nicht, ob ich sie jemals wieder sähe,
davon muß oft mein Auge heiß von Tränen werden.

7.
Fast vierzig Jahre habe ich gelebt –zwei fehlen noch -
mit Tollsein, Rasen, Dichten, Singen mancherlei,
es wäre Zeit, daß ich das Schreien meines eignen Kindes
im Ehestand aus einer Wiege gellen hörte.
Doch kann ich nie und nimmer die vergessen,
die mir in diesem Leben Herz und Mut geschenkt hat.
In aller Welt konnte ich nicht ihresgleichen finden.
Auch fürchte ich sehr das Keifen von Ehefrauen.
Zu Rat und Urteil haben mich viele kluge Leute beigezogen,
denen ich mit leichtfertigen Singen gefallen hatte.
Ich Wolkenstein leb ohne Zweifel wenig vernünftig,
daß ich so lange ins Lied der Welt einstimme,
und sehe doch, daß ich nicht weiß, wann ich sterben muß,
daß mir nichts Besseres folgt als der Lohn meiner Werke.
Hätte ich da Gott gedient nach seinem Gebot,
so müßte ich dort nicht fürchten heißer Flammen Wallen.

 
Lied 19
Typus: Liebeslied, überwiegend in der 3. Person gehalten, an seine Ehefrau Margarete von Schwangau.
 
Rot, weiss ain frölich angesicht
 
1.
Rot, weiss ain frölich angesicht,
emplösst aus swarzer farbe klaid,
ain klain verdackt der stieren slicht
mit ainem schlaieirlin gemait,
durchsichtiklich geschittert,
darinn ain mündlin rosenvar,
smielisch mit zendlin weiss besteckt,
verleucht von swarzen öuglin klar:
die meinem herzen freuden weckt,
das es dorinn erzittert,
frölichen kittert.
Ir wort, gepär ringt mir die swär,
wann ich das aigenlich beschau,
darzue ir jugent, freuntlich tugent
mit schallen, schimpfen pringt gelimpfen.
des freu dich, aller liebste frau!


2.
Wie wol gedenk mich lan unfrei,
so tar ich doch gesprechen nicht,
dieselbig forcht mir wonet bei.
neur dester wirser mir beschicht,
das ich die teutsch sol meiden.
Darzue üebt mich mein grobe art,
das ich so selden wird getröst.
von nöten greiset mir der bart.
seid mein herz senlich wirt geröst,
gar dick mit grossem leiden
muess ich das reiden.
Ir wort, gepär ringt mir die swär,
wenn ich das aigenlich beschau,
darzue ir jugent, freuntlich tugent
mit schallen, schimpfen pringt gelimpfen.
des freu dich, aller liebste frau!


3.
Kündlichen sehen, klaine sprach,
und wer die teutsch nicht wil verstan,
das pringt dick ainem ungemach,
das er sein not nicht werben kan.
des muess ich oft entgelten.
Mit eren, auserweltes M,
liebst du mir in meins herzen grund.
dein stolzer leib mich nicht enklemm,
der mag mir freude machen kund.
so gar an alles melden
tet ich es selden.
Ir wort, gepär ringt mir die swär,
wann ich das aigenlich beschau,
darzue ir jugent, freuntlich tugent
mit schallen, schimpfen pringt gelimpfen.
des freu dich, aller liebste frau!



 
1.
Ein heiteres Antlitz, rot und weiß,
blickt aus dem schwarzen Kleid hervor,
die Ebene der Stirn ein wenig überdeckt
von einem hübschen Schleierlein,
das durchbrochen ist, so daß man hindurchsehen kann;
ein rosenfarbnes Mündlein,
geschmückt mit weißen Zähnchen, wenn es lächelt,
wird überstrahlt von blanken schwarzen Äuglein:
Das ist, die meinem Herzen Freude weckt,
daß es hier darin zu hüpfen beginnt
und fröhlich jauchzt.
Wie sie redet, sich bewegt, erleichtert mir,
was schwer ist, wenn ich es betrachte und bedenke,
und ihre Jugend, ihre Liebenswürdigkeit,
ihr Singen, Scherzen ist mir eine Lust.
Wohl dir, du allerliebste Frau!


2.
Wiewohl Gedanken mich bedrängen,
so wage ich doch nicht zu sprechen,
so sehr bin ich von Scheu erfüllt.
Es wird mir immer schwerer zumute,
wenn ich es nicht schaffe, deutsch zu reden.
Dann plagt es mich in meinem groben Wesen,
daß ich so selten Zuspruch finde.
Mein Bart wird grau bei solcher Not,
da mir das Herz geröstet wird im Sehnen,
und oft vor lauter Schmerz
dreht es sich mir um im Leib.
Wie sie redet, sich bewegt, erleichtert mir,
was schwer ist, wenn ich es betrachte und bedenke,
und ihre Jugend, ihre Liebenswürdigkeit,
ihr Singen, Scherzen ist mir eine Lust.
Wohl dir, du allerliebste Frau!


3.
Sich wohl zu kennen und doch nicht zu sprechen,
weil man es nicht fertig bringt, auf Deutsch zu reden,*
mag einen wohl in Nöte bringen,
wenn man sein Anliegen nicht vorbringen kann.
An solchen Zustand leide ich oft.
Du bist mir, auserwähltes M,
in Ehren lieb im Herzensgrund.
Nun martere mich nicht in deiner stolzen Schönheit!
Du kannst mich Freude erfahren lassen.
So gar nicht reden zu können,
das habe ich noch nie erlebt.
Wie sie redet, sich bewegt, erleichtert mir,
was schwer ist, wenn ich es betrachte und bedenke,
und ihre Jugend, ihre Liebenswürdigkeit,
ihr Singen, Scherzen ist mir eine Lust.
Wohl dir, du allerliebste Frau!

*das bedeutet, deutlich und offen zu sprechen.

 
Lied 20
Typus: Sehnsuchtsklage des einsam Liegenden mit Umkehrung von Tageliedmotiven.

 
Ain tunkle farb in occident
 
1.
Ain tunkle farb in occident
mich senleichen erschrecket,
seid ich ir darb und lig ellend
des nachtes ungedecket.
Die mich zu fleiss mit ermlein weiss und  hendlein gleiss
kan fröleich zu ir smucken.
die ist so lang, das ich von pang in dem gesang
mein clag nicht mag verdrucken.
Von strecken krecken mir die pain,
wenn ich die lieb beseufte,
dir mir mein gir neur went allain
darzu meins vatters teuchte.

2.
Durch winkenwankh ich mich verker
des nachtes ungeslaffen.
gierleich gedankh mir nahent ferr
mit unhilflichem waffen.
Wann ich mein hort an seinem ort nit find alldort,
wie offt ich nach im greife,
so ist neur, ach, mit ungemach feur in dem tach,
als ob mich prenn der reife.
Und winden, pinden sunder sail
tuet si mich gar gen tage.
ir mund all stund weckt mir die gail
mit seniclicher clage.

3.
Also vertreib ich, liebe Gret,
die nacht piss an den morgen.
dein zarter leib mein herz durchget,
das sing ich unverporgen.
Chum, höchster schatz mich schreckt ain ratz mit grossem tratz,
davon ich dick erwache,
die mir kain rue lat spat noch frue, lieb, darzu tue,
damit das bettlin krache.
Die freud geud ich auf hohem stuel.
wenn daz mein herz bedenket,
und mich hoflich mein schöner puel
gen tag freuntlichen schrenket.

 
1.
Die Dunkelheit im Westen
schreckt mich mit Liebessehnen,
da sie mir fehlt und ich einsam liege
bei Nacht, bloß und verlassen.
Die unermüdlich mich mit hellen Armen, schimmernden Händen
lustvoll an sich schmiegen kann,
die ist so fern, daß ich vor Angst in meinem Lied
das Klagen nicht unterdrücken kann.
Vom Wälzen knacken mir die Glieder,
wenn ich nach der Lieben seufze,
die allein mir mein Verlangen stillen kann
und auch den Krampf meiner Lenden.

2.
Ich wälze, werfe mich hin und her
des Nachts und kann nicht schlafen.
Verlangende Gedanken dringen aus der Ferne
unwiderstehlich mächtig auf mich ein.
Wenn ich dann meinen Schatz nicht finde dort
an seinem Platz, sooft ich auch nach ihr greife,
so ist bei mir, ach große Plage, Feuer am Dach,
als ob der Frost mich brennte.
Dann fesselt sie mich ohne Seil
und quält mich bis zum Morgen.
Ihr Mund weckt immer wieder mir den Trieb
mit Sehnen und mit Schmerz.

3.
So, liebe Gret, verbringe ich
die Nacht bis gegen Morgen.
Dein lieber Körper geht mir durch das Herz,
das singe ich vor allen Leuten.
Komm, höchstes Gut! Mich schreckt eine Ratte und neckt mich bös,
so daß ich oft davon erwache;
sie läßt zu keiner Stunde mich in Ruhe.
Sieh zu, mein Lieb, daß unser Bettlein kracht.
Vor Freude juble ich, fühl mich auf einem Thron,
wenn ich im Herzen mir ausmale,
wie mich mein schönes Lieb mit feinem Anstand
am Morgen liebevoll umarmt.

 
Lied 21
Typus: Sängeraufruf zu Frühlings- und Liebesfreuden.
 
Wol auf, wol an
 
1.
Wol auf, wol an,
kind, weib und man,
seit wolgemuet,
frisch, frölich, fruet!
tanzen, springen,
harpfen, singen
gen des zarten
maien garten grüene!
Die nachtigall,
der droschel hall
perg, au erschellet.
zwai gesellet
freuntlich kosen,
haimlich losen,
das geit wunne
für die sunne küene.
Amplick herte,
der geferte
soll wir meiden
von den weiben ungestalt.
Mündlin schöne,
der gedöne
mach uns höne manigvalt.


2.
Raucha, steudli,
lupf dich, kreudli!
in das bedli,
Ösli, Gredli!
pluemen plüede
went uns müede
laubes decke
rauch bestecke, Metzli!
Pring den putren!
lass uns kuttren:
>wascha maidli,
mir das schaidli!<
>reib mich knäbli,
umb das näbli!
hilfst du mir,
leicht vach ich dir das retzli.<
Amplick herte,
der geferte
soll wir meiden
von den weiben ungestalt.
Mündlin schöne,
der gedöne
mach uns höne manigvalt.


3.
Ju heia hai,
zierlicher mai,
scheub pfifferling,
die mauroch pring!
mentsch, laub und gras,
hiers, tier, den has
hast du erfreut,
die welt durchstreut grüenleichen.
Und was der winder
ser hinhinder
in die mauer
tiefer lauer
het gesmogen,
ser betrogen,
die sein erlöst,
mai, dein getröst fröleichen.
Amplick herte,
der geferte
soll wir meiden
von den weiben ungestalt.
Mündlin schöne,
der gedöne
mach uns höne manigvalt.

 
1.
Nun auf, nur zu!
Seid allesamt
nur guter Dinge,
frisch, fröhlich, munter!
Tanzen wollen wir und springen,
harfen, singen
zum Willkommen für das Grün
des lieblichen Maiengartens.
Die Nachtigall
und der Gesang der Drossel,
sie tönen durch Berg und Au.
Zu zweien gesellt
verliebt zu plaudern,
heimlich zu kosen,
das erquickt und freut
noch mehr als die kräftige Sonne.
Dem finstern Gesicht
der häßlichen Frauen
laßt uns aus dem Weg gehen,
das wollen wir meiden.
Aus schönen Mündchen
etwas zu hören,
das soll uns keck und fröhlich machen.


2.
Belaub dich Büschlein,
erheb dich, Kräutlein!
Hinein ins Bad,
Oswald und Grete!
Blumenblüten
vertreiben uns die Müdigkeit.
Mätzli, steck ein Dach
von dichtbelaubten Zweigen auf!
Bring den Bottich!
Laß uns gurren:
>Wasch mir das Scheitlein,
Mädchen!<
>Reib mich, Bub,
ums Nabelchen!
Wenn du mir hilfst,
fang ich vielleicht dein Rätzlein.<
Dem finstern Gesicht
der häßlichen Frauen
laßt uns aus dem Weg gehen,
das wollen wir meiden.
Aus schönen Mündchen
etwas zu hören,
das soll uns keck und fröhlich machen.


2.
Juchheißa hei,
du köstlicher Mai,
laß Pfifferlinge wachsen,
bring die Morcheln raus!
Du hast Menschen, Laub und Gras,
Hirsch und Hinde und den Hasen
froh gemacht,
die ganze Welt mit Grün bestreut.
Und was der Winter
ganz hinten hinein
ins Gemäuer
zu langem Warten
weggedrängt hatte
und um Freude betrogen,
das ist jetzt, Mai, durch dich
zu fröhlichem Hoffen befreit.
Dem finstern Gesicht
der häßlichen Frauen
laßt uns aus dem Weg gehen,
das wollen wir meiden.
Aus schönen Mündchen
etwas zu hören,
das soll uns keck und fröhlich machen.

 
Lied 22

Typus und Realitätsbezug: Der Hintergrund dieses Liedes ist der Hauensteinische Erbschaftsstreit im
Herbst 1421. Es kam auch zu Folterungen.
 
Ain anefangk
 
1.
Ain anefangk
an götlich forcht die leng und kranker gwissen
und der von sünden swanger ist,
das sich all maister flissen,
an got, allain mit hohem list
noch möchten si das end nicht machen guet:
Des bin ich krank
an meiner sel, zwar ich verclag mein sterben
und bitt dich, jungfrau sand Kathrein,
tue mir genad erwerben
dort zu Marie kindelein,
das es mich haben well in seiner huet.
Ich dank dem herren lobesan,
das er mich also grüesst,
mit dem ich mich versündet han,
das mich das selbe püesst.
da bei ain jeder sol versten,
das lieb an laid die leng nicht mag ergen.

2.
Ain frauen pild,
mit der ich han mein zeit so lang vertriben,
wol dreuzehen jar und dennoch mer
in treuen stät beliben
zu willen nach irs herzen ger,
das mir kain mensch auf erd nie liebers ward —
Perg, holz, gevild
in manchem land, des ich vil han erriten,
und ich der gueten nie vergass,
mein leib hat vil erliten
nach ir mit seniklichem hass,
ir roter munt hett mir das herz verschart.
Durch si so han ich vil betracht
vil lieber hendlin loss:
in freuden si mir manig nacht
verlech ir ermlin bloss -
mit trauren ich das überwint,
seit mir die pain und arm beslagen sind.

3.
Von liebe zwar
hab wir uns dick offt laides nicht erlassen,
und wart die lieb nie recht entrant,
seit das ich lig unmassen
gefangen ser in irem pand.
nu stet mein leben kränklich auf der wag.
Mit haut und har
so hat mich got swärlich durch si gevellet
von meiner grossen sünden schein,
des bin ich übersnellet.
si geit mir buess und senlich pein,
das ich mein not nicht halbs betichten mag.
Vor ir lig ich gepunden fast
mit eisen und mit sail.
mit manchem grossen überlast
si mir enphrempt die gail.
o herr, du kanst wol richten sain,
die zeit ist hie, das du mich besserst rain.

4.
Kain weiser man mag
sprechen icht, er sei dann unvernünftig,
das er den weg icht wandern well,
der im sol werden künftig;
wann die zeit bringt glück und ungevell,
und pschaffen ding für war ward nie gewandt.
Des sünders pan
die ist so abenteuerlich verrichtet
mit manchem hübschen kluegen latz,
kain maister das voltichtet
wan got, der jedem sein gesatz
wäglichen misst mit seiner hailigen hant.
Er eifert mann und freuelein,
auch alle creatur:
er wil der liebst gehaben sein
in seiner höchsten kur.
wer das versaumpt, des sünd gereift;
er hengt im nach, bis in ain latz begreifft.

5.
Lieb ist ain wort
ob allem schatz, wer lieb nützleich verpringet.
lieb überwintet alle sach,
lieb got den herren twinget,
das er dem sünder ungemach
verwent und geit im aller freuden trost.
Lieb, süesser hort,
wie hastu mich unlieblichen geplendet,
das ich mit lieb dem nie fergalt,
der seinen tod volendet
durch mich und manchen sünder kalt.
des wart ich hie in grosser sorgen rost.
Het ich mein lieb mit halbem fueg
got nützleich nach verzert,
die ich der frauen zärtlich trueg,
die mir ist also hert,
so füer ich wol an alle sünd.
o weltlich lieb, wie swer sind deine pünd.

6.
Erst-reut mich ser,
das ich den frävenlichen han erzürnet,
der mir so lang gebitten hat,
und ich mich nie enthürnet
von meiner grossen missetat.
des wurden mir fünf eisenein lätz berait.
Nach seiner ger
so viel ich in die zwen mit baiden füessen,
in ainen mit dem tenken arm,
mein taumen muesten büessen,
ain stahelring den hals erwarb;
der wurden fünf, als ich vor han gesait.
Also hiels mich die guet zu fleiss
mit manchem herten truck.
ach husch der kalten ermlein weiss!
unlieblich was ir smuck.
was ich ir klag meins herzen laid,
in barmung ist mit klainem trost berait.

7.
Mein herz das swint
in meinem leib und pricht von grossen sorgen,
wann ich bedenk den bittern tod
den tag, die nacht, den morgen
- ach we der angestlichen not -
und waiss nit, wo mein arme sel hin fert.
O Maria kind,
so ste mir Wolkenstainer bei in nöten,
da mit ich far in deiner huld.
hilf allen, die mich töten,
das si gebüessen hie ir schuld,
die si an mir begangen haben hert.
Ich nim es auf mein sterben swär,
so swer ich doch genueg,
das ich der frauen nie gefär
von ganzem herzen trueg.
schaid ich also von diser welt,
so pitt ich got, das si mein nicht entgelt.

 
1.
Ein Anfang
lange ohne Gottesfurcht, mit stumpfem Gewissen
und schwanger von Sünden —
wenn alle Meister sich bemühten,
sie könnten ohne Gott, allein, mit aller Weisheit
doch nicht das Ende gut machen.
Von solchem Anfang bin ich krank
an meiner Seele, ja ich klage, daß ich sterben muß,
und bitte dich, heilige Jungfrau Katharina,
erwirb du mir
dort bei Mariens Kindlein Gnade,
daß es in seinem Schutz mich halten wolle!
Ich danke dem Herrn er sei gepriesen,
daß er sich in der Weise mir zuwendet,
daß das, womit ich gesündigt habe,
jetzt auch das ist, womit ich büße.
Daran mag jedermann erkennen,
daß Liebe nicht auf Dauer ohne Leid bestehen kann.

2.
Eine Frau,
mit der ich meine Zeit so lange vertan habe,
dreizehn Jahre lang und mehr,
beständig ihr in Treue ergeben,
ganz so, wie sie es wollte,
so daß auf Erden ich nie jemand lieber hatte —
Gebirge, Wald und freies Feld
in manchem Land, die hab ich oft durchritten,
doch diese liebe Frau vergaß ich nie;
ich habe viel gelitten
aus zorniger Sehnsucht nach ihr.
Ihr roter Mund hatte mir das Herz verwundet.
Nun habe ich ihretwegen viel nachgedacht
über das Schicksal von lieben Händen:
In vielen freudvollen Nächten
hat sie mir ihre bloßen Arme geschenkt —
darüber komme ich jetzt mit Trauern weg,
seit meine Beine und Arme in Ketten liegen.

3.
Aus Liebe, gewiß,
haben wir uns oft schon Leid angetan,
und niemals wurde die Liebe ganz zerrissen,
auch nicht, seit ich in unerhörter Weise
in ihren Fesseln gefangen liege.
Nun schwebt mein Leben unsicher auf der Waage.
Mit Haut und Haar hat Gott
mich ihretwegen schwer belastet fallen lassen,
weil er meine großen Sünden sah.
So ist die andere Waagschale hochgeschnellt.
Sie legt mir Buße auf und Qual des Sehnens,
daß ich meine Not nicht halb aussprechen kann.
Vor ihr lieg ich da, fest gebunden
mit Eisenschellen und mit Stricken.
Durch übergroße Beschwernisse
hält sie die Freude von mir fern.
O Herr, du weißt beim Richten zuzuwarten,
jetzt ist die Zeit, da du mich durch Buße reinigst.

4.
Kein vernünftiger Mensch
kann, wenn er nicht von Sinnen ist, behaupten,
er werde den Weg nicht betreten,
der künftig seiner sein soll;
denn die Zeit bringt Glück und Unheil,
und Vorbestimmtes ist gewiß noch nie vermieden worden.
Der Weg des Sünders
ist so unvorhersehbar
mit vielen feinen, passenden Schlingen eingerichtet.
Kein Meister kann es zu Ende denken oder dichten,
nur Gott, der jedem seinen Anteil
abwägend zumißt mit seiner heiligen Hand.
Er achtet eifersüchtig auf Mann und Mädchen
und alle Kreatur:
Er selbst will am meisten geliebt werden
in seiner höchsten Freiheit.
Wer das versäumt, dessen Sünde reift heran.
Gott läßt ihn laufen, bis eine Schlinge ihn erfaßt.

5.
Liebe ist ein Wort, teurer als alle Schätze,
wenn einer Liebe ersprießlich übt.
Liebe überwindet alles,
Liebe zwingt Gott den Herrn,
daß er vom Sünder Pein abwendet
und ihm Hoffnung auf alle Freuden gibt.
Liebe, du köstliches Gut,
wie hast du mich lieblos geblendet,
daß ich dem nie mit Liebe dankte,
der seinen Tod durchlitten hat
für mich und viele kalten Sünder.
Darum liege ich hier im Feuerofen großer Ängste.
Hätte ich meine Liebe nur halbwegs richtig
zu meinem Heil auf Gott verwendet,
statt sie zärtlich für diese Frau zu hegen,
die so hart zu mir ist,
so könnte ich leicht und ohne Sünde sterben.
Ach, weltliche Liebe, wie schwer sind deine Fesseln!

6.
Nun erst reut es mich bitter,
daß ich mutwillig den erzürnt habe,
der doch so lange auf mich gewartet hat,
und daß ich nie die Hörner meines großen Unrechts
abgeworfen habe.
Dafür sind nun fünf Eisenschlingen mir bereitet worden:
Nach seinem Willen
bin ich in zwei mit meinen beiden Füßen gefallen,
in eine mit dem linken Arm,
meine Daumen mußten büßen,
ein Stahlring hat den Hals ergriffen.
So wurden es fünf, wie schon gesagt.
So hat die Gute eifrig mich umarmt
mit manchem harten Druck.
Ach husch, die kalten weißen Ärmchen!
Nicht liebevoll war es, wie sie sich anschmiegten.
Soviel ich ihr auch klage, was mein Herz beschwert,
Erbarmen zeigt sich nicht und wenig Hoffnung.

7.
Das Herz vergeht mir
im Leib und bricht vor großer Furcht,
wenn ich den bitteren Tod bedenke
bei Tag, bei Nacht, am Morgen
- ach diese Qualen der Angst -
und ich nicht weiß, wohin meine arme Seele fährt.
O Kind Mariens,
steh mir, dem Wolkensteiner, bei in Not,
daß ich in deiner Huld hinfahre.
Hilf allen, die mich töten,
daß sie noch hier ihre Schuld abbüßen dürfen,
die sie so hart an mir begangen haben.
Ich nehme es auf mein schweres Sterben
(damit beteuere ich es doch genugsam),
daß ich von ganzem Herzen dieser Frau
nie etwas Böses wollte.
Wenn ich nun so aus dieser Welt hinscheide,
so bitte ich Gott, daß sie für mich nicht Strafe leide.

 
Lied 23

Typus und biographischer Hintergrund:
Aufruf des hinkenden Sängers zu Fastnachts- und Frühlingsfreude und zur Liebe.
Unter den Folgen der Gefangenschaft leidend, beschuldigt Oswald seine frühere Geliebte der Heimtücke.

 
Es nahenet gein der vasennacht
 
1.
Es nahenet gein der vasennacht,
des sol wir gail und frölich sein.
ie zwai und zwai zesamen tracht
recht als die zarten täubelein!
Doch han ich mich gar schon geselt
zu meiner krucken,
die mir mein puel hat ausderwelt
für lieblich rucken.
Und ich die kruck vast an mich zuck,
freuntlichen under das üechsen smuck,
ich gib ir manchen herten truck,
das sie muess kerren.
wie möcht mir gein der vasennacht
noch bas gewerren?
Plehe, nu lat eur plerren!


2.
Seint das die wilden voglin sind
gezwait jet schon an allen neit,
wes wolten dan die zamen kind
nu feiern gein der lieben zeit
mit halsen, küssen ain schönes weib?
smutz, la dich niessen!
haimlichen brauch dein jungen leib
an alles verdriessen!
Und ich die kruck vast an mich zuck,
freuntlichen under das üechsen smuck,
ich gib ir manchen herten truck,
das sie muess kerren.
wie möchte mir gein der vasennacht
noch bas gewerren?
Plehe, nu lat eur plerren!


3.
Die vasennacht und des maien wat
die pheifen vast aus ainem sack.
was sich das jar verborgen hat,
das tuet sich eugen an den tag.
Doch hett mein frau ir tück gespart
mit valschem winken
all gein dem herbest, ich schrau ir vart,
seid ich muess hinken.
Und ich die kruck vast an mich zuck,
freuntlichen under das üechsen smuck,
ich gib ir manchen herten truck,
das sie muess kerren.
wie möchte mir gein der vasennacht
noch bas gewerren?
Plehe, nu lat eur plerren!

 
1.
Jetzt kommt schon bald die Fastnacht,
da sollten wir fröhlich und lustig sein.
Je zwei und zwei sollen sich zusammenfügen
so wie die zärtlichen Täubchen.
Ich aber habe mich gar hübsch gesellt
zu meiner Krücke,
die sich mein Schatz für mich ausgedacht hat
statt Liebesruckeln.
Wenn ich die Krücke fest an mich ziehe,
sie zärtlich unter die Achsel schmiege,
dann drücke ich sie oft so fest,
daß sie knarren muß.
Was könnte mich in der Fastnachtszeit
noch besser ärgern?
Bläh, nun laßt euer Blöken!


2.
Da nun die wilden Vöglein alle
sich haben gepaart ganz ohne Streit,
was sollten da die nicht so wilden jungen Leute
nun träge sein in dieser Freudenzeit,
ein schönes Weib zu umarmen, zu küssen?
Schmatz, laß dich kosten!
Schön heimlich genieß deinen jungen Leib,
ganz unbeschwert!
Wenn ich die Krücke fest an mich ziehe,
sie zärtlich unter die Achsel schmiege,
dann drücke ich sie oft so fest,
daß sie knarren muß.
Was könnte mich in der Fastnachtszeit
noch besser ärgern?
Bläh, nun laßt euer Blöken!


3.
Die Fastnacht und der grüne Mai,
die pfeifen aus dem selben Sack:
Was sich übers Jahr verborgen hatte,
das kommt hervor und zeigt sich dem Tag.
Nur meine Dame hat ihre Tücke
mit falschen Gesten versteckt bis zum Herbst.
Ich schreie hinaus, wie sie es treibt,
denn ich muß hinken.
Wenn ich die Krücke fest an mich ziehe,
sie zärtlich unter die Achsel schmiege,
dann drücke ich sie oft so fest,
daß sie knarren muß.
Was könnte mich in der Fastnachtszeit
noch besser ärgern?
Bläh, nun laßt euer Blöken!

 
Lied 24

Typus: Beispielreihe zur Bosheit schöner Frauen, an die Oswald als letztes Exempel sich selbst anschließt.
Die Beispiele entstammen überwiegend der biblischen Geschichte.
 
Wenn ich betracht
 
1.
Wenn ich betracht,
streflich bedenk den tag durch scharpfs gemüete
der creaturen unterschaid,
ir übel und ir güete,
so vind ich ains in solichehem klaid,
des übel, guet niemt bessern, bösern mag.
Ich han gedacht,
der slangen haubt, davon Johannes schreibet,
das in der welt kain pöser frucht
sich auf der erden scheibet.
vil snöder ist unweiplich zucht,
von ainer bösen schönen frauen plag.
Man zemet liephart, leuen wild,
den püffel, das er zeucht;
der ainem weib die haut abfilt,
und sie die tugent fleucht,
noch künt man sie nicht machen zam.
ir üble gift ist aller welde gram.

2.
Wirt si geert,
so kan sie niemt mit hochfart überwueten.
ist si versmecht, so tobt ir muet
geleich des meres flueten.
armt si an wirden oder an guet,
so ist sie doch der boshait allzeit reich.
Ein weib entert
das paradeis, das Adam ward geschendet.
Matusalem, der stark Sampson
geswechet und geplendet
von weiben, David, Salamon
durch frauen sind betrogen fräveleich.
*Aristoteles, ain maister, gross,
ain weib in überschrait,
zwar seiner kunst er nicht genoss,
hoflichen si in rait.
künig Alexander, mächtig hön,
von frauen viel und Absolon der schön.

3.
Ain schön bös weib
ist ain gezierter strick, ain spiess des herzen,
ain valscher freund, der augen want,
ain lust trüglich der smerzen.
des wart Helias ver versant
und Joseph in den kerker tief versmit.
Ain heilger leib,
hiess sand Johanns Baptista, wart enthaubet
durch weibes rach, da von uns krist
behüet. auch wart betaubet,
gefangen durch ains weibes list
der Wolkenstain, des hank er manchen trit.
Darumb so rat ich jung und alt:
Fliecht böser weibe glanz,
bedenkt inwendig ir gestalt,
vergiftig ist ir swanz,
und dient den gueten frauen rain,
der lob ich preis für all karfunkelstain.

 
1.
Wenn ich bedenke,
mit angespanntem Sinn den ganzen Tag nachgrüble,
wie unterschiedlich die Geschöpfe sind,
was böse und was gut an ihnen ist,
so finde ich eines von solcher Art,
daß es an Bosheit, Güte niemand übertreffen kann.
Ich dachte immer,
das Schlangenhaupt, von dem Johannes schreibt,
das sei die schlimmste Ausgeburt,
die in der Welt und auf dem Erdkreis lebt.
Viel schlimmer noch ist das unweibliche Gezücht,
die Plage einer schönen, bösen Frau.
Man zähmt wohl Leoparden, wilde Löwen,
den Büffel richtet man zum Zugtier ab.
Doch einer Frau, die vor der Tugend wegläuft,
der könnte man die Haut abziehen,
man würde sie doch nicht zähmen.
Ihr böses Gift ist allen Menschen feind.

2.
Wird sie geehrt,
so könnte niemand wahnsinnigere Hoffart zeigen.
Ist sie verachtet, rast ihr Sinn
den Meeresfluten gleich.
Mag sie an Würden arm sein oder an Besitz,
an Bosheit ist sie immer reich.
Ein Weib verletzte die Ehre des Paradieses,
dafür wurde Adam in die Schande gestoßen.
Methusalem, der starke Samson,
sie wurden schwach und blind gemacht
von Frauen, David, Salomon
von Frauen mutwillig betrogen.
Der große Lehrer *Aristoteles,
er wurde übertrumpft von einem Weib,
all seine Weisheit half ihm nichts,
sie ritt auf ihm nach höfischer Art.
König Alexander, stolz und mächtig,
durch Frauen fiel er und der schöne Absalom.

3.
Eine schöne böse Frau
ist ein geschmückter Strick, ein Spieß durchs Herz,
ein Freund, der den verrät, der nur mal wegblickt,
ist eine Lust, die schmerzhaft trügt.
Elia wurde darum ins Exil geschickt
und Josef tief im Kerker festgeschmiedet.
Ein heiliger Mann,
der Täufer Sankt Johannes, wurde enthauptet,
weil ein Weib sich rächen wollte – Gott behüte uns
vor derlei Rache! Betört und dann gefangen gesetzt
wurde auch durch eines Weibes List
der Wolkenstein, er mußte davon lange hinken.
Darum rate ich den Jungen und den Alten:
Flieht vor dem Glanz böser Frauen,
bedenkt, wie es in ihrem Innern aussieht,
ihre Schwanz (Herrlichkeit) ist voller Gift,
und dient den tugendhaften Frauen,
die lob ich, rühm ich höher als jeden Karfunkelstein.

 
Lied 25

Typus und Datierung:
Altersklage mit Betonung des körperlichen Verfalls, auch als Mahnung an die Jugend.
1425, als das Lied in die Handschrift A eingetragen wurde, war Oswald etwa 48 Jahre alt, war viel auf Reisen,
 und danach lebte er noch zwanzig Jahre.
 
Ich sich und hör
 
1.
Ich sich und hör,
das mancher clagt verderben seines guetes;
so clag ich neur die jungen tag,
verderben freies muetes,
des ich vor zeiten dar inn pflag
und clain empfant, do mich die erde trueg.
Mit kranker stör
haubt, ruck und pain, hend, füess das alder meldet.
was ich verfrävelt hab an not,
her leib, den muetwill geldet
mit plaicher farb und augen rot,
gerumpfen, gra; euer sprüng sein worden clueg.
Mir swärt herz, muet, zung, und die trit,
gepogen ist mein gank.
das zittern swechet mir all gelid.
awe ist mein gesangk,
dasselb quintir ich tag und nacht,
mein tenor ist mit rimphen wol bedacht.

2.
Ein kraus weiss har
von locken dick hett ainst mein haubt bedecket;
das selb plasnirt sich swarz und gra,
von schilden kal durchschecket.
mein roter mund wil werden pla,
darumb was ich der lieben widerzam.
Plöd, ungevar
sind mir die zend und slaunt mir nit ze keuen,
und het ich aller werlde guet,
ich kunt ir nit verneuen
noch kaufen ainen freien muet,
es widerfüer mir dann in wanes tram.
Mein ringen und das laufen snell
hat einen widersturz.
mit huesten sing ich durch die kel,
der atem ist mir kurz,
und gieng mir not der küelen erd,
seit ich pin worden swach und schir unwert.

3.
Ach jüngelingk,
nim war pei dem: tröst dich nit deiner schöne,
gered noch sterk! halt dich empor
mit gaistleichem gedöne!
wer du itzund pist, der was ich vor.
kumst du zu mir, dein guettat reut dich nicht.
Für alle dingk
solt ich itzt leben got zu wolgevallen
mit vasten, peten, kirchengan,
auf knien venien vallen.
so mag ich kainem bei bestan,
seit mir der leib von alder ist enwicht.
Für ainen sich ich alzeit vier
und hör durch groben stain.
die kinder spotten mein nu schir,
darzue die fräulein rain.
mit anewitz ich das verschuld.
nu füeg uns got das end mit seiner huld.

 
1.
Ich seh und höre,
wie mancher um verlorene Güter klagt;
doch ich beklage nur die Jugendtage,
Verlust des ungebundnen Sinns,
den ich damals in jener Zeit besaß,
da ich kaum bemerkte, wo ich auf der Erde stand.
Mit Schwäche und Beschwerden zeigen mir
Kopf, Rücken, Beine, Hände, Füße das Alter an.
Was ich gesündigt habe ohne Not,
Herr Leib, für diesen Mutwillen zahlt Ihr jetzt
mit Blässe, roten Augen und runzligem Grau.
Eure Sprünge sind jetzt vorsichtig geworden.
Mir werden Herz, Gemüt, Zunge und Schritte schwer,
gebeugt ist mein Gang,
und Zittern schwächt mir alle Glieder.
Mein Singen lautet nur >o weh<,
das musizier ich Tag und Nacht.
Meine Stimme ist von Runzeln ganz bedeckt.

2.
Krauses, blondes Haar
wuchs einst in dichten Locken mir auf dem Haupt;
das präsentiert sich jetzt ganz schwarz und grau,
mit kahlen Flecken durchsetzt.
Mein roter Mund beginnt sich blau zu färben.
Drum war ich meiner Liebsten widerwärtig.
Stumpf und mißfarbig sind meine Zähne
und taugen mir kaum noch zum Kauen;
und hätte ich den Reichtum der ganzen Welt,
ich könnte sie nicht erneuern
noch mir Unbeschwertheit kaufen
außer vielleicht in einem trügerischen Traum.
Meine Bewegungen und mein schnelles Laufen
sind stockend und stolpernd geworden.
Beim Singen hust ich durch die Kehle,
der Atem ist mir kurz,
und angemessen wäre mir die kühle Erde,
seit ich schwach und ganz verächtlich geworden bin.

3.
Ach, junger Mann,
daran erkenne: Vertraue nicht auf Schönheit,
auf Stärke oder geraden Wuchs! Wende dich nach oben
mit geistlichem Gesang!
Was du jetzt bist, das war ich früher. Wenn du so wirst
wie ich, dann werden gute Werke dich nicht reuen.
Vor allen Dingen
müßt ich jetzt leben nach Gottes Wohlgefallen
mit Fasten, Beten, zur Kirche Gehen
und auf den Knien büßen.
Jedoch vermag ich bei all dem nicht auszuharren,
seit mir der Leib vom Alter unbrauchbar geworden ist.
Statt einem seh ich immer vier
und höre wie durch eine dicke Wand.
Bald spotten schon die Kinder über mich
und auch die hübschen jungen Damen.
Das bringt mir meine Torheit ein.
Nun geb uns Gott gnädig ein gutes Ende!

 
Lied 26

Typus: Politisches Parteilied mit Gefechtsbericht.
Historischer Hintergrund:
Auseinandersetzungen zwischen Herzog Friedrich von Österreich und dem Tiroler Adel zogen sich über Jahre hin.
Kampfhandlungen im Umkreis von Burg Greifenstein sind außer durch dieses Lied nur durch knappe urkundliche Erwähnung bekannt.
 Die Ereignisse, auf die sich das Lied bezieht, dürften am ehesten 1423 vor dem 17. Dezember stattgefunden haben.
 
>Nu huss!< sprach der Michel von Wolkenstain
 
1.
>Nu huss!< sprach der Michel von Wolkenstain,
>so hetzen wir!< sprach Oswalt von Wolkenstain,
>za hürs!< sprach her Lienhart von Wolkenstain,
>sie müessen alle fliehen von Greiffenstain geleich.<

2.
Do hueb sich ain gestöber aus der gluet
all nider in die köfel, das alles bluet.
banzer und armbrost, darzu die eisenhuet
die liessens uns zu letze, do wurd wir freuden reich.

3.
Die handwerk und hütten und ander ir gezelt
das ward zu ainer aschen in dem obern veld.
ich hör, wer übel leihe, das sei ain böser gelt.
also well wir bezalen, herzog Fridereich.

4.
Schalmützen, schalmeussen niemand schied.
das geschach vorm Raubenstain in dem ried,
das mangem ward gezogen ain spann lange niet
von ainem pfeil, geflogen durch armberost gebiet.

5.
Gepauren von Sant Jörgen, die ganz gemaine,
die hetten uns gesworen falsch unraine.
do komen guet gesellen von Raubenstaine:
>got grüess eu, nachgepauern, ewr treu ist klaine.<

6.
Ein werfen und ein schiessen; ain gross gepreuss
hueb sich an verdriessen. glöggel dich und seuss!
nu rüer dich, guet hofeman, gewinn oder fleuss!
ouch ward daselbs besenget vil dächer unde meuss.

7.
Die Botzner; der Ritten und die von Meran,
Häfning, der Melten die zugen oben hran,
Serntner, Senesier, die fraidigen man,
die wolten uns vergernen, do komen wir dervon.

 
1.
>Nun hussa!< sprach der Michael von Wolkenstein,
>Dann hetzen wir!< sprach Oswald von Wolkenstein,
>Drauf los!< sprach Herr Leonhard von Wolkenstein,
>Sie müssen allesamt fliehen von Greifenstein<

2.
Da erhob sich ein Gestöber von Feuersglut
hinunter in die Felsen, daß alles blühte.
Panzer und Armbrüste schenkten sie uns zum Abschied,
dazu die Eisenhüte, da haben wir uns gefreut.

3.
Die Maschinen und Buden, ihr ganzes Lager,
das wurde zu Asche da im oberen Feld.
Man sagt, wer übel ausleiht, kriegt es bös zurückgezahlt.
So wollen wir bezahlen, Herzog Friedrich.

4.
Scharmützeln, Scharmetzeln hat niemand getrennt.
Da passierte es so manchem in Ried vor Ravenstein,
daß ihm ein spannenlanger Nagel eingezogen wurde,
ein Pfeil, von einer Armbrust losgeschickt.

5.
Die Bauern von Sankt Georgen, die ganze Gemeinde,
die hatten uns falsch und dreckig geschworen.
Da kamen gute Freunde vom Ravenstein:
>Grüß Gott, ihr Nachbarn, wo bleibt eure Treue?<

6.
Ein Schleudern und Schießen, ein großer Radau
fing da recht munter an. Schwing dich und saus!
Jetzt reg dich, lieber Höfling, gewinn oder verlier!
Da ist auch manches Dach verbrannt mitsamt den Mäusen.

7.
Die Bozener, der Ritten und die von Meran,
die aus Hafling und Mölten zogen oben herbei,
Sarntaler und Jenesier, verwegene Leute:
Die wollten uns einfangen. Da sind wir entwischt.

 
Lied 27

Typus und biographischer Hintergrund:
Klage über die bedrängte Lebenssituation des beim Herzog Friedrich in Ungnade gefallenen Landadel. Zu datieren ist das Lied
in den Herbst-Winter 1426/27, als der Herzog fast den gesamten Adel unterworfen hatte.
Oswald fühlte sich zunehmend isoliert.
 
Durch Barbarei, Arabia
 
1.
Durch Barbarei, Arabia
durch Harmanei in Persia,
durch Tartarei in Suria,
durch Romanei in Turkia,
Ibernia,
der sprüng hab ich vergessen.
Durch Preussen, Reussen, Eifenlant,
gen Litto, Liffen, übern strant,
gen Tenmark, Sweden, in Probant,
durch Flandern, Frankreich, Engellant,
und Schottenland
hab ich lang nicht gemessen.
Durch Arragun, Kastilie,
Kranaten und Afferen,
aus Portigal, Ispanie
bis gen dem Finstern Steren,
von Profenz gen Marsilie -
in Races bei Saleren,
daselben bleib ich in der e,
mein ellend da zu meren
vast ungeren.
Auf ainem kofel rund und smal,
mit dickem wald umbfangen,
vil hocher perg und tiefe tal,
stain, stauden, stöck, snestangen,
der sich ich täglich ane zal.
noch aines twingt mich pangen:
das mir der klainen kindlin schal
mein oren tuet bedrangen;
hat durchgangen.

2.
Wie vil mir eren ie geschach
durch fürsten, künigin gefach
und was ich freuden ie gesach,
das büess ich als under ainem dach.
mein ungemach
der hat ain langes ende.
Vil guetter witz der gieng mir not,
seid ich muess sorgen umb das brot,
darzue so wirt mir vil gedrot
und tröst mich niena mündlin rot
den ich e bot,
die lassen mich ellende.
Wellend ich gugg, so hindert mich
köstlicher ziere sinder.
der ich e pflag, da für ich sich
neur kelber, gaiss, bock, rinder
und knospot leut, swarz, hässelich,
vast rotzig gen dem winder;
die geben muet als sackwein vich
vor angst slach ich mein kinder
offt hinhinder.
Dann kompt ir mueter zue gepraust,
zwar die beginnt zu schelten
gäb si mir aines mit der faust,
des müesst ich ser engelten,
si spricht:>wie hast du nu erzaust
die kind zu ainem zelten!<
ab Irem zoren mir da graust,
doch mangel ich sein selten,
scharpf mit spelten.

3.
Mein kurzweil die ist manger lai,
neur esel gesang und pfaun geschrai
wünscht ich mir nicht mer umb ain ai.
vast rauscht der bach nur hurlahai
mein haupt enzwai,
das es beginnt zu kranken.
Also trag ich mein aigen swär.
täglicher sorg, vil böser mär
wirt Hauenstain gar selten lär.
möcht ichs gewenden an gevär,
oder wer das wär,
dem wolt ich immer danken.
Mein landesfürst der ist mir gram
von böser leute neide.
mein dienst die sein im widerzam,
das ist mir schad und laide,
wie wol mir sust kain fürstlich stamm
pei meinem gueten aide
geswechet hab, leib, er, guet, nam
in seiner fürsten waide
köstlich raide.
Mein freund die hassen mich über ain
an schuld, des muess ich greisen.
das klag ich aller welt gemain,
den frumen und den weisen,
darzu vil hohen fürsten rain,
die sich ir er land breisen,
das si mich armen Wolkenstain
die zwölf nicht lan erzaisen,
gar verwaisen.

 
1.
Durch Berberland, Arabien,
durch Armenien nach Persien,
durch die Tatarei nach Syrien,
durch Romanei ins Türkenland,
Ibernien -
die Sprünge habe ich verlernt.
Durch Preußen-, Russen-, Eifenland
nach Litauen, Livland, über die Küste
nach Dänemark, Schweden, nach Brabant,
durch Flandern, Frankreich, England
und Schottland
bin ich lange nicht gezogen.
Durch Aragon, Kastilien,
Granada und Navarra,
aus Portugal und aus León
bis hin zum Finstern Stern,
von der Provence bis nach Marseille-
in Ratzes hier am Schlern,
da bleibe ich in meinem Hausstand,
widerwillig,
und lasse mein Unglück wachsen.
Auf einem schmalen, runden Kofel
umgeben von dichtem Wald,
da sehe ich lauter hohe Berge, tiefe Täler,
sehe Felsen, Büsche, Wurzelstöcke und Schneestangen,
unzählige und Tag für Tag.
Dabei treibt eines mich in Angst:
daß mir der Lärm der kleinen Kinder
an die Ohren dringt,
sie schon ganz durchbohrt hat.

2.
Was mir an Ehren je erwiesen wurde
von all den Fürsten, Königinnen
und was ich je an Freuden erlebte,
das büße ich alles ab unter einem Dach.
Meine Bedrängnis
zieht sich in die Länge.
Ich bräuchte eine Menge guter Einfälle,
seit ich um das Brot mich sorgen muß.
Und noch dazu wird mir dauernd gedroht,
und niemals tröstet mich ein rotes Mündlein.
Die früher mir gehorchten,
die lassen mich im Stich.
Wohin ich blicke, stoße ich
auf Schlacken all der Köstlichkeiten.
Statt meiner früheren Gesellschaft
sehe ich nur Kälber, Geißen, Böcke, Rinder
und knorrige Leute, schwarz und häßlich
und voller Rotz im Winter.
Die muntern auf wie Sauerwein das Vieh.
Aus Angst schlage ich oft meine Kinder
und treib sie in die Ecke.
Dann kommt ihre Mutter hergebraust,
die fängt nicht schlecht zu schelten an;
wenn ich von ihrer Faust eins abbekäme,
das würde ich wohl spüren.
Sie sagt: >Was hast du da die Kinder
gerauft und zu einem Fladen gemacht!<
Vor ihrem Zorne graust mir dann,
doch ich entgehe ihm nie,
scharf und spleißend, wie er ist.

3.
Meine Unterhaltung ist recht abwechslungsreich:
nur Eselsgesang und Pfauengeschrei -
kein bißchen mehr würde ich mir davon wünschen.
Der Bach rauscht mir mit Hurlahei
den Kopf kaputt,
daß er ganz matt und krank wird.
So trage ich meine ganz besondere Last.
Von Tagessorgen, schlechten Nachrichten
ist Hauenstein kaum je verschont.
Könnte ich dem einfach eine Wendung geben,
oder täte es ein anderer,
ich wäre ihm ewig dankbar.
Mein Landesfürst ist böse auf mich,
weil schlechte Leute mich nicht leiden können.
Meine Dienste sind ihm unwillkommen,
das schädigt und das schmerzt mich,
da mir doch sonst bei meinem heiligen Eid
kein Fürstenhaus
je an Besitz, Leib, Ehre, guten Ruf
etwas zuleide tat
in seinem kostbar strahlenden Fürstenglanz.
Die Freunde hassen mich, der eine wie der andere,
ganz ohne Grund, das macht mich alt.
Ich klage es der ganzen Welt,
den Anständigen und den Weisen
und vielen großen, edlen Fürsten,
die sich doch gerne rühmen lassen,
daß sie mich armen Wolkensteiner
die Wölfe nicht zerzausen lassen
und ganz vertreiben.

 
Lied 28

Typus: Bericht über die Gefangenschaft nach dem mißglückten Fluchtversuch am 1 Mai 1427 und Einkerkerung
in Fellenberg bei Innsbruck.
Strophe 2: 1-4: Eroberung von Ceuta
am 21.Aug. 1415. Einziges Zeugnis für Oswalds Beteiligung.
H
eute gehört Ceuta politisch zu Spanien, geografisch jedoch zu Afrika.
5-6: Die maurischen Könige von Granada aus dem Geschlecht der Nasriden führten den Beinamen: "Söhne des Roten".
Strophe 4/2: Fellenberg oder Vellenberg ist eine herzögliche Burg bei Innsbruck.

 
Durch abenteuer tal und perg
 
1.
Durch abenteuer tal und perg
so wolt ich raisen, das ich nicht verläge.
Ab nach dem Rein gen Haidelberg,
in Engelant was mir der sin nit träge,
gen Schottland, Ierland über se
auf hölggen gross gen Portigal zu siglen.
Nach ainem plüemlin was mir we,
ob ich die liberei da möcht erstiglen
von ainer edlen künigin,
in mein gewalt verriglen.

2.
Von Lizabon in Barbarei
gen Septa, das ich weilend half gewinnen,
da manger stolzer mor so frei
von seinem erb muest hinden aus entrinnen,
Granaten het ich pas versuecht,
wie mich der rote Küng noch hat enphangen.
Zu ritterschaft was ich geschuecht,
vor meinen kindlin wer ich dair inn gangen.
da für muest ich zu tisch mit ainem
stubenhaizer prangen.

3.
Wie wol ich mangen herten straif
erfaren het, des hab ich klain genossen,
do ich ward zue dem stegeraif
mit paiden sporen seuberlich verslossen.
Dieselbig kunst ich nie gesach,
doch hab ich si an schaden nicht gelernet.
Do klagt ich got mein ungemach,
das ich mich hett von Hauenstain verfernet.
Ich forcht den weg gen Wasserburg,
wenn sich die nacht versternet.

4.
In ainem winkel sach ich dort
ze Vellenberg zwen boien eng und swere.
Ich swaig und rett da nicht vil wort,
iedoch gedacht ich mir notleicher mere:
Würd mir die ritterschaft zu teil,
in disen sporen möcht ich mich wol streichen.
Mein gogelhait mit aller gail
geriet vast traurigkleich ab in ain keichen.
Was ich in antlas darumb gab,
das tet ich haimeleichen.

5.
Darinn lag ich etlichen tag.
der Römisch Küng die sorg mir nicht vergulde,
das ich nicht west, wenn mir der nack
verschroten würd, wie wol ich hett kain
schulde. Zwar oben niden hinten vor
was mir die huet mit leuten wol bestellet.
>Wart, Peter Märkel, zu dem tor,
er ist bescheid, das er uns nicht entsnellet!<
Mein listikait het in der fürst
die oren vol erschellet.

6.
Darnach so ward ich gen Insprugk
ain preussenvart gen hof köstlich gefüeret,
dem meinen pfärd all über ruck
verborgenlichen niden zue versnüeret.
Ellender rait ich hinden ein und
het doch nicht des kaisers schatz verstolen.
Man parg mich vor der sunne schein.
für springen lag ich zwainzig tag verholen.
Was ich da auf den knien zerraiss,
das spart ich an den solen.

7.
Ain alter Swab, gehaissen Plank
der ward mir an die seiten dick gesetzet.
Ach got, wie pitterlich er stank!
von seinem leip wird ich des nicht ergetzet.
Er trueg ain pain mit ainer kluft,
der autem gieng im wilde von dem munde,
darzue so felscht er dick den luft
vast ungehäbig hinden an dem grunde.
Und ob er noch den Rein verswelt,
wie wol ich im des gunde!

8.
Der Peter Haizer und sein weip,
Plank und ein schreiber, der was teglich
trunken, die machten grausen meinem leip,
wenn wir das brot zesamen wurden dunken.
Simm, ainer kotzt, der ander hielt
den pomhart niden mit der langen masse,
als der ain büx von ander spielt,
die überladen wer, durch pulvers lasse.
Hofieren das was mangerlai
von in durch volle strasse.

9.
Mein frölichait gab tunkel schein,
do mich gednk hin hinder machten switzen,
das mich der Phalzgraf von dem Rein
vor kurzlich pat ob im ze tische sitzen.
Wie gleich der falk den kelbern was!
der Römisch Küng het mein da gar vergessen,
pei dem ich auch vor zeiten sass
und half das kraut aus seiner schüssel essen.
Da wider was ich ab dem vierst
gevallen ungemessen.

10.
Noch wais ich ainen in der leus
mit namen Kopp, den kund ich nie geswaigen;
Der snarcht recht als ain hafenreuss,
wenn in der stark truminner trang ze saigen.
Zwar sölchen slaf ich nie gehort,
des muest ich paide oren dick verschieben.
Mein haupt hat er mir vil bedort,
als er mir von ainander wolde klieben.
Wer ich ain weip, umb alles guet
so möcht er mir nicht lieben.

11.
Der Kreiger und der Greisnegger,
Mol Trugsass retten all darzue das peste,
der salzmair und der Neidegger,
frein, grafen, Säldenhorn, freund und geste,
die baten all mit rechter gier,
den fursten reich durchleuchtig hochgeporen,
damit er wer genädig mir
und tet kain gäch in seinem ersten zoren.
Er sprach :>ja werden solcher leut
von holz nicht vil geporen.<

12.
Der selbig red was wol mein fueg.
mit meines puelen freund muest ich mich
ainen, die mich vor jaren auch beslueg
mit grossen eisen niden zu den painen.
Was ich der minn genossen hab,
des werden meine kindlin noch wol innen;
Wenn ich dort lig in meinem grab,
so müessen si ire hendlin darumb winden,
das ich den namen ie erkant
von diser Hausmaninnen.

13.
Do rett der herr aus zornes wan
gen  seinen räten gar an als verdriessen:
>Wie lang sol ich in ligen lan?
künt ir die taiding nimmer mer versliessen?
Was hilft mich nu sein trauren da?
mein zeit die traut ich wol mit im vertreiben:
Wir müessen singen fa sol la
und tichten hoflich von den schönen weiben.
Pald ist die urfech nicht perait,
so lat si kurzlich schreiben.<

14.
Dem canzler ward gepoten zwar,
aus meiner vänknus half er mir behende,
geschriben und versigelt gar.
des dank ich herzog Fridereich an mein ende.
Der marchschalk sprach:>nu trit mir zue!
der fürst hat deins gesanges koum erpitten.<
Ich kom für in, do lacht er frue.
secht, do hueb sich ain heulen ane sitten.
Vil mancher sprach:>Dein ungevell
soltu nicht han verriten.<

15.
Do batt ich in an allen hass
für meinen freund, der ist für war ain freie,
der neunthalb jar gelegen was,
gevangen in des edlen fürsten kreie.
Er sprach:>nun füer in mit dir haim
und hilf im durch sein freund genade suechen!<
Also kert ich gen Hauenstain.
Zwar disem fürsten sol ich nimmer fluechen,
das er mir noch so wol getraut.
des helf mir got geruechen.

16.
Der wirdig got, der haimlich got,
der wunderlich in den vil auserkoren,
der lies mir nie kain freis gepot
die leng, des hab ich dick ain spil verloren.
Mit tentschikait und üppig er
ist mir durch in an wasser oft erloschen.
Wann zeuch ich hin, so wil er her.
in disem streit pin ich vil überdroschen.
Verdiente straf von seiner macht
bestet mich mangen groschen.

 
1.
Auf Aventüre wollte ich ausziehen über Tal und Berg,
um mich zu Hause nicht zu verliegen.
Zum Rhein hinunter und nach Heidelberg,
nach England ging mein lebhaftes Verlangen,
nach Schottland, Irland übers Meer,
auf großen Schiffen bis nach Portugal zu segeln.
Nach einem Blümlein sehnte ich mich sehr,
ob ich vielleicht das Hofkleid dort ergattern könnte
von einer edlen Königin;
das wollte ich ganz sicher dann verwahren.

2.
Von Lissabon ins Berberland
nach *Ceuta, das ich früher mithalf zu erobern,
wo viele freie stolze Mauren
aus ihrem Erbe fliehen mußten durch die Hintertür;
auch in Granada hätte ich mich noch einmal umgetan,
wie mich der Rote König heute empfangen würde.
Zur Ritterfahrt war ich gespornt,
vor meinen Knappen wollte ich so einziehen —
statt dessen durfte ich bei Tisch
repräsentieren mit einem Stubenheizer.

3.
Obwohl ich doch aus harten Kriegs-und Fehdezügen
schon einige Erfahrung hatte, half es mir wenig,
weil ich mit meinen beiden Sporen
ganz akkurat an den Steigbügeln festgebunden wurde.
So kunstvolle Verknotung hatte ich noch nie gesehen,
nicht ohne Schaden lernte ich sie kennen.
Da klagte ich Gott dem Herrn mein Mißgeschick,
daß ich von Hauenstein mich wegbegeben hatte.
Angst machte mir der Weg nach Wasserburg,
als in der Nacht die Sterne kamen.

4.
In einer Ecke sah ich dort
auf Fellenberg zwei enge schwere Blöcke.
Ich schwieg und sagte da nicht viel,
doch malte ich mir schmerzhafte Geschichten aus:
Wenn ich als Ritter ausgestattet würde
mit solchen Sporen, wäre ich schön herausgeputzt.
Mein Übermut samt aller Lebenslust
sank jämmerlich herab zu einem Ächzen.
Was ich an Ablaß ihnen dafür gab,
das habe ich heimlich getan.

5.
So lag ich ein paar Tage. Auch der römische König
hätte für die Angst mich nicht entschädigen können,
daß ich nicht wußte wann man mir den Nacken
zerhacken würde, schuldlos, wie ich war.
Mich zu bewachen waren oben, unten,
hinten und vorne Leute aufgestellt.
>Du Peter Märkel, pass aufs Tor auf,
er ist gewitzt, daß er uns nicht entwischt!<
Von meiner Schlauheit hatte ihnen wohl der Fürst
die Ohren vollgetönt.

6.
Danach hat man mich an den Hof nach Innsbruck
so prächtig wie zu einer Preußenfahrt geleitet,
doch unten war ich unsichtbar
am Rücken meines Pferdes festgebunden.
Als armer Fremder ritt ich hinten ein
und hatte doch nicht des Kaisers Schatz gestohlen.
Vorm Sonnenlicht hat man mich dann versteckt.
Anstatt zu tanzen, lag ich zwanzig Tage verborgen.
Was ich da an den Knien zerriß,
das sparte ich an den Sohlen.

7.
Ein alter Schwabe namens Plank,
der wurde da oft neben mich gesetzt.
Oje, wie grauenhaft der stank!
Das macht er nie mehr gut an mir.
Er hatte ein Bein mit offener Wunde,
und aus den Mund ging ihm der Atem widerlich,
dazu verpestete er oft die Luft
ganz unanständig hinten unten.
Wenn er den Rhein zum Überlaufen brächte,
wie tät ich ihm das gönnen!

8.
Der Heizer Peter und sein Weib,
Plank und ein Schreiber, der war Tag für Tag betrunken,
die ekelten mich fürchterlich, wenn wir
das Brot zusammen in die Schüssel tunkten.
Brr, einer kotzte, und der andere spielte
den Baß dazu mit langen Noten,
wie wenn es einen überladenen Böller
von der Wucht des Pulvers auseinanderreißt.
Aufwartungen gab es da von ihnen
verschiedener Art aus vollen Rohren.

9.
Mein guter Mut verdüsterte sich,
als mich zum Schwitzen brachte die Erinnerung,
wie mich erst kürzlich der Pfalzgraf vom Rhein
einlud, mit ihm am Tisch zu sitzen obenan.
Läßt sich der Falke denn mit Kälbern vergleichen?
Der römische König hatte mich so ganz vergessen,
bei dem ich früher auch einmal am Tisch gesessen bin
und half das Kraut aus seiner Schüssel essen.
Dagegen war ich nun vom First
ganz unermeßlich tief gestürzt.

10.
Noch einen weiß ich, der in diesem Loch war,
sein Name Kopp, den konnte ich nie zum Schweigen bringen:
Er schnarchte wie ein Kesselflicker,
sobald der kräftige Traminer ihn einnicken ließ.
So einen Schlaf habe ich gewiß noch nie gehört,
da mußte ich mir beide Ohren oft verstopfen.
Zuweilen machte er mich so verrückt,
daß mir der Kopf zerbersten wollte.
Wäre ich eine Frau, da könnte er noch so reich sein,
er täte mir nicht gefallen.

11.
Der Kreiger, der von Greisenegg
und Truchsess Molle legten gute Worten ein,
der Salzverwalter und der Neidegger,
Freie und Grafen, Säldenhorn, Verwandte, Gäste,
sie baten inständig
den hochgeborenen, erlauchten, mächtigen Fürsten,
daß er mir gnädig sei
und nicht in seinem ersten Zorn was Übereiltes tue.
Er sagte: >In der Tat gibt es
nicht viele Menschen, die aus solchem Holz sind.<

12.
Der Ausspruch war wohl meine Rettung. Ich mußte
mich einigen mit dem Freund meiner Geliebten,
die mich vor Jahren auch gefesselt hatte
mit großen Eisenschellen an den Beinen unten.
Was ich von ihrer Liebe abbekommen habe,
das werden meine Kinder noch sehr spüren.
Wenn ich schon dort im Grabe liege,
dann werden sie noch ihre Hände ringen,
daß mir der Name dieser Hausmannin
jemals bekannt geworden ist.

13.
Da sagte der Herr, nach seinem Zorn
nun wieder guter Laune, zu den Räten:
>Wie lange soll ich ihn liegen lassen?
Könnt ihr den Fall denn nie abschließen?
Was hilft es mir, wenn er dort Trübsal bläst?
Ich wüßte hübschen Zeitvertreib mit ihm:
Wir sollten singen fa sol la
und höfisch dichten von den schönen Frauen.
Wenn die Urfehde noch nicht fertig ist,
dann laßt sie ganz schnell schreiben.<

14.
Dem Kanzler gab er da den Auftrag,
der half geschickt mir raus aus der Gefangenschaft,
mit Brief und Siegel alles wohlgeregelt.
Darum will ich bis ans Lebensende Herzog Friedrich danken.
Der Marschall sagte: >Nun komm her zu mir!
Der Herr hat kaum erwarten können, daß du singst.<
Ich trat vor ihm, da lachte er ganz munter,
und da brach ungelogen wildes Johlen aus.
So mancher sagte mir: >Du hättest
vor deinem Unglück nicht wegreiten sollen.<

15.
Da bat ich ihn – er war so freundlich -
für meinen Verwandten, einen Freiherrn,
der lag gefangen schon im neunten Jahr
im Kerker dieses edlen Fürsten.
Er sagte: >Führe ihn mit dir heim, hilf ihm,
daß er um Gnade nachsucht über seine Freunde!<
So kehrte ich zurück nach Hauenstein.
Ja, diesem Fürsten will ich nie mehr fluchen,
der mir zuletzt so viel Vertrauen schenkte.
Gott helfe mir, den Vorsatz durchzuhalten.

16.
Gott, der Erhabene, Geheimnisvolle,
der Wundersames wirkt an seinem Auserwählten,
hat mir noch nie den freien Willen dauerhaft
gelassen, darum habe ich oft ein Spiel verloren.
Bei Eitelkeit und leerem Ehrgeiz hat er mir
auch ohne Wasser oft das Feuer ausgelöscht.
Denn zieh ich hin, so will er her.
In solchem Widerstreit krieg ich die Prügel ab.
Verdiente Strafe, auferlegt von seiner Macht,
kostet mich manchen Groschen.

 

zu Lied 29

2/2-16] Erste Gefahr: Turnierunfall
2/17-24] Zweite Gefahr: Schiffbruch, vgl. dazu Lied 18/2/12-16
2/25-32] Dritte Gefahr: Vermutlich handelt es sich um einen Konflikt zwischen Oswald und seinem älteren Bruder Michael, der zwischen
1400 und 1406 stattfand. Der Grund? Die Brüder Oswald und Leonhard hatten den Schmuck von Michaels Frau gestohlen und diese dann
beschuldigt, sie habe sie mit Liebhabern durchgebracht. Dass im Lied vom Verlust eigenen Besitzes die Rede ist, dürfte somit Schönfärberei sein.
3/1-8] Vierte Gefahr: Ertrinken beim Schwimmenlernen.
3/9-16] Fünfte Gefahr: Gefangenschaft von 1421, wegen des Vermögensstreites um Burg Hauenstein.
3/17-32] Sechste Gefahr: Sturz auf der Ungarnreise um 1424
4] Siebente Gefahr: Gefangenschaft von 1427 vgl. dazu Lied 28

 

Lied 29

Typus: Anfang und Ende des Liedes bilden Todesmahnungen, gerichtet an das Ich, an die Fürsten und an alle Menschen,
 abgeschlossen durch eine Kritik der verblendeten Welt.
In diesem Rahmen werden sieben selbsterlebte Situationen als Beispiele der Todesnähe erzählt.

 
Wie vil ich sing und tichte
 
1.
Wie vil ich sing und tichte
den lauf der welde not,
das schätz ich als für nichte,
wenn ich bedenk den tod,
der mich nit wil begeben,
wo ich in der weld hin ker,
und stelt mir nach dem leben.
sein gieng mir nahent ser.
An widerpott in sätzen
zeucht er uns all hindan,
mit scharpfen cluegen lätzen
er jedem richten kan.
guet frid ist im zerunnen,
gar snell wart sein gevert.
wer ich im nit entrunnen,
er hett mich lang verzert.
In wasser und auf lande,
ze rosse, füessen dick
het er mich an dem pande
verknüpft mit snellem strick.
hett ich all schätze funden,
die Solden ie erkos,
die müest er haben verslunden,
hett er mich lassen los.
Mit fällen, wassers trenke
und grosser wunden tief
fert siben ich gedenke.
noch hab ich kainen brief,
das er mich sichren welle
zeit, weil, minut, noch quint,
und ist mein zergeselle.
got waiss, wie er mich vindt.

2.
Mit warhait wil ich sprechen
von erst mein not gezalt:
mit ainem pflag ich ze stechen
auf rossen gross und valt.
ein tür von klafters klimme
und dreier füesse weit
da fuer ich durch mit grimme;
dennocht was es nit zeit:
Wol vier und zwainzig staffel
in eines kellers grunt
die viel ich ab mit raffen,
mein ross zerbrach der slund.
mich daucht, ich wolt versinken
in ainem vass mit wein,
jedoch pot ich ze trinken
den gueten freunden mein.
Dar nach über etlich wochen
got leich mir seinen huet:
ein schiff ward mir zerbrochen
auf wilden meeres fluet;
ich lert ein vass begreifen
mit gutem malvisir,
das zoch mich zu dem reifen;
verzagt so hett ich schier.
Und nach der selben raise
so was mein erste gab:
gefangen und ein waise
ward ich all meiner hab.
mein haubt das het volsungen,
von slegen ward es krank.
auch ward in mich gedrungen
ein swert nach halbes lank.

3.
Auch swimmen wolt ich leren
auf einem tiefen se.
do schoss ich zu der erden,
das mich sach niemant me
vil über ein guete stunde.
do kom ich aus der hitz.
visch suecht ich an dem grunde
mit meiner nasenspitz.
Gefangen und gefüeret
ward ich ainst als ein diep,
mit sailen zu gesnüeret,
das schuef meins herzen lieb,
von der ich hab erworben
mein aigen leiden swär.
wär si noch ainst gestorben,
noch ist si mir gevär.
Des pin ich worden innen,
do ich gen Ungern rait,
noch von der selben minne
kom ich in grosses lait:
in wasser, wetter, wegen
husch lert ich maierol
und was auch nach belegen,
der taugkel ward ich vol,
Das ist ein wasser sumpern
von hochen klippen gross;
dar inn viel ich mir pumpern,
des gauckels mich verdross.
ich wett umb all die stainer,
poliert durch edel dach,
ob doch aus hundert ainer
plib, gaukelt er mir nach.

4.
Darnach bei dritthalb jaren
mir trauren ward bekant:
von haim so wolt ich faren
ain rais in fremde land,
in Portigal, Kranaten,
Ispania, Barbarei,
dar inn kom mir zestatten
vil krumber stampanei.
Ain herzog hochgeporen,
gehaissen Fridereich,
beweist mir seinen zoren,
des ward ich lützel reich.
durch in ward ich gefangen
an schuld auf meinen leip.
ich wand, es wer zergangen
auff diser erden pleib.
Got lat nicht ungestraffet
von seinem höchsten stuel,
des pin ich wild gezaffet.
dank hab mein alter puel,
die mir hat zue gepfiffen
vil meines leibes not,
wie wol si hat begriffen
vor lang der pitter tod.
Ir letz die slach der schauer
und kratz der wilde ber.
die ist mir worden sauer,
das ich ir nimmer ger.
het ich die lieb versüdert
pei ainer haissen gluet,
des wer ich pas gefüdert
an leib, sel, er und guet.

5.
Es wär noch vil ze sagen,
da wil ich lassen von,
was ich in jungen tagen
geaubenteuert han
mit Cristan, Reussen, Haiden,
in Kriechen guete zeit.
der schimpf wil mir erlaiden,
seit mich das alter reit
Und wais, wann er mich zucket,
davon ich hab gesait,
und stumpfleich nider bucket.
wie schon wär ich berait?
solt mich der richter hauen
mit seinem strengen sail,
awe des grossen grauen,
wem wurd ich dann zu teil?
Darumb, ir fürsten, herren,
so gebt euch selber rat.
ich darf euch nit ze leren,
ir secht wol, wie es gat.
all menig, arm und reiche,
macht euch der sünde keusch,
das eu nit übersleiche
der tod mit seim gereusch.
Welt, mich nimpt immer wunder,
wer dich neur hab geplent,
und sichst täglich besunder,
das uns der tod entrent.
heut frisch, stark, morgen krenklich
und übermorgen tot.
dein lob ist unverfenklich,
bedenkst du nit die not.

 
1.
Was ich auch sing und dichte
vom Lauf der Welt und ihrer Not,
das kommt mir alles nichtig vor,
wenn ich den Tod bedenke;
der will mich nicht loslassen,
in keinem Winkel der Welt,
er trachtet mir nach dem Leben.
Davon hat mich Leid bedrängt.
Ohne wohlgesetzte Fehdeansage
reißt er uns alle hinweg.
Mit tückisch feinen Schlingen
kann er jedem eine Falle stellen.
Guten Frieden zu halten hat er vergessen,
seine Raubzüge sind sehr schnell geworden.
Wäre ich ihm nicht entkommen,
er hätte mich längst vertilgt.
Zu Wasser und zu Lande,
beritten oder zu Fuß -
er hatte mit rascher Schlinge
mich schon in Fesseln geschlagen.
Hätte ich alle Schätze gewonnen,
die der Sultan jemals besaß,
hätte er die gerne verschlingen dürfen,
wenn er mich nur laufen ließe.
An Stürzen, Wasserschluckenmüssen
und großer tiefer Wunde
sind mir sieben Anschläge bewußt.
Und ich habe noch keinen Vertrag,
daß er eine Zeit oder Weile, Minute oder Sekunde
mich künftig sicher leben läßt.
Er ißt mit mir aus der Schüssel.
Gott weiß, wie er mich findet.

2.
Der Wahrheit gemäß will ich erzählen
all meine Nöte von der ersten an:
Ich wollte mit einem stechen
hoch zu Ross und verfehlte.
Eine Tür, einen Klafter hoch
und drei Fuß breit,
durch die fuhr ich wütend hindurch.
Damit war es nicht genug:
Wohl vierundzwanzig Stufen
bis in den untersten Keller
fiel ich hinab mit Poltern,
mein Ross brach sich den Hals.
Ich glaubte schon, ich sollte untergehen
in einem Faß voll Wein,
doch dann bot ich meinen guten Freunden
daraus zu trinken an.
Danach, ein paar Wochen später,
hat Gott mir Schutz verliehen:
Da wurde ein Schiff mir zerschmettert
auf der Flut des wilden Meeres.
Ich lernte, ein Faß zu umklammern
voll gutem Malvasier,
das trug mich bis zum Ufer,
sonst wäre ich bald verzweifelt.
Und nach dieser Seefahrt
war mein Willkommensgruß:
ich wurde gefangen genommen und verlor
alles, was ich besaß.
Mein Kopf hatte schon ausgesungen,
er war von Schlägen ganz krank,
auch wurde ein Schwert in mich gestochen
fast bis zur Hälfte seiner Länge.

3.
Auch wollte ich schwimmen lernen
in einem tiefen See.
Da schoß ich zum Grund hinunter,
daß niemand mich mehr sah,
wohl länger als eine Stunde.
Da habe ich mich schön abgekühlt.
Ich suchte Fische dort unten
mit meiner Nasenspitze.
Einst wurde ich gefangen
und wie ein Dieb weggeführt,
mit Seilen gefesselt.
Das brachte mein Liebchen zuwege,
durch sie habe ich mir geholt
das Leiden, das mich plagt.
Wäre sie doch vorher gestorben!
Noch immer haßt sie mich.
Das habe ich erfahren,
als ich nach Ungarn ritt,
da ist mir wegen dieser Liebschaft
etwas Schlimmes passiert:
Bei Wasserwetter unterwegs
lernte ich Magyarisch – hu, wie kalt!—
und wäre dabei fast liegen geblieben.
Ich wurde da voll von der "Tauggel",
das ist ein Wasserfall
von hohen Klippen herab,
in den fiel ich mit Rumpeln,
dies Schunkeln war mir zu viel.
Ich wette um alle Edelsteine,
die man poliert und schleift,
daß wohl kaum einer von hundert
überlebte, wenn er mir nachpurzeln wollte.

4.
Zweieinhalb Jahre später
erlebte ich Trauriges:
Ich wollte von zu Hause
in fremde Länder reisen,
nach Portugal, Granada,
nach Spanien, in die Berberei,
wo ich einst recht erfolgreich war
mit mancher tollen Unterhaltung.
Ein Herzog aus hohem Hause
mit Namen Friedrich,
der zeigte mir seinen Zorn,
das brachte mir wenig Gewinn.
Er ließ mich gefangennehmen,
schuldlos, auf Leben und Tod.
Ich glaubte, nun sei es vorbei
mit meinem Erdendasein.
Gott läßt nichts ungestraft
auf seinem höchsten Thron,
darum bin ich hart gezüchtigt.
Dank sei meiner alten Liebsten,
die mir an Leid und Schmerzen
viel zugepfiffen hat,
wenn sie auch jetzt schon lange
der bittere Tod geholt hat.
Ihre Schlingen soll der Hagel treffen,
der wilde Bär soll sie kratzen.
Sie ist mir jetzt so sauer geworden,
daß ich mich nicht mehr nach ihr sehne.
Hätte ich die Liebe verkocht
auf einer heißen Glut,
es hätte mir mehr genützt
an Leib, Seele, Ehre und Gut.

5.
Es wäre noch viel zu sagen,
doch will ich es bleiben lassen,
was ich in meiner Jugend
an Abenteuern erlebte
mit Christen, Russen, Heiden
und Griechen lange Zeit.
Solcher Spaß wird mir zuwider,
seit mich das Alter reitet
und ich nicht weiß, wann der mich holt,
von dem ich gesprochen habe,
wann er mich beugt und verstümmelt.
Wie gut wäre ich dann bereit?
Wenn mich der Richter schlüge
mit seiner strengen Peitsche,
was wäre das für ein Grauen!
Wem würde ich dann verfallen?
Darum, ihr Fürsten und Herren,
bedenkt euch, ratet euch selbst!
Ich brauche euch nicht zu belehren,
ihr seht ja, wie es geht.
Ihr alle, Arme und Reiche,
macht euch wieder rein von Sünde,
damit der lauernde Tod
nicht brüllend euch überrascht!
Ach, Welt, ich wundere mich immer,
wer dich so verblendet hat,
da du doch täglich genau siehst,
daß der Tod uns von allem trennt.
Heute frisch und morgen kränklich
und übermorgen tot.
Deine Ehre ist ganz haltlos,
wenn du diese Not nicht bedenkst.

 
Lied 30

Typus: Satire auf Überlingen am Bodensee.
Angeprangert werden überhöhte Preise für schlechtes Essen und Trinken, unfreundliche Behandlung der Gäste,
Langeweile und ein hässliches Mädchen.
Das Interesse an Stadtbeschreibungen und Städtelob-Kritik entfaltete sich im 15. Jahrhundert.
Datieren kann man das Lied um die Zeit des einzigen urkundlich nachweisbaren Aufenthaltes Oswalds in Überlingen im September 1430.
Da hatte sich König Sigmund eben in dieser Stadt einquartiert um das Ende der Konstanzer Zunftunruhen abzuwarten.
Oswald befand sich in der Gesandtschaft des Königs.

 
Wer machen well den peutel ring
 
1.
Wer machen well den peutel ring
und im des selben wol geling,
der frag den weg gen Überling:
da gelten vierzen pfifferling
fünfzen schilling
der Costnitzer geslagen
und sechzen haller umb ein ai,
der zwen und dreissig gelten zwai.
flaisch lützel, kraut ein gross geschrai.
aus klainer schüssel gat der rai
von mangem lai,
dem hungrig ist sein magen.
Ein wassermues in ainer pfann,
die braten kurz gemessen;
wildprät und visch die sein im bann,
der tar man da nit essen.
da mit wol umb. >hebt eu von dann!
ir seit zu lang gesessen.
zwen groschen so geb jederman,
des sond ir nit vergessen,
wol anhin hessen.
Nit lenger ich gebeiten mag.
nu ziecht die riem, gesellen!
nach dem so ist kain andre frag.
ich gib eu kurze ellen
und nim die langen nach dem tag.
das gelt lat von eu snellen!
zal, gilt, du muesst! das ist mein sag.
ich wolts nit anders wellen
mit ainer kellen.<

2.
Vast süesser wein als slehen getrank
der reuhet mir die kel so krank,
das sich verierrt mein hels gesank.
dick gen Traminn stat mein gedank.
sein herter twank
pringt scharpfen ungelimpfen.
Wann er geit freud und hohen muet,
recht als der sack dem esel tuet.
sein räss erschrecket mir das bluet,
da von so wird ich schwach, unfruet.
sein wilde fluet
schafft mir den triel verrimpfen.
Auch vindt man wunder kurzweil vil
da mitten auf dem blatze
mit tanzen, springen, saitenspil
von einer rauhen katze.
gen Überling ich nicht enwil
mer fragen nach dem schatze,
ich wolt dann ainen slegelstil
da koufen umb ein ratze
in zu tratze.
Mein wiert der was beschaiden zwar,
er schied das gold von leder,
das nam ich an der bettstat war:
zwelf pfenning die gulten ain feder.
und käm ein alter karren dar,
er liess im niena reder.
sein lob ich nicht gebreisen tar
als einem boum von zeder,
denselben fleder.

3.
Den besten schatz ich da verschreib:
zwar das was mist und alte weib
und faiste swein, gemescht von kleib,
vil flöch mit langer weil vertreib
der pauern leib
wolt mir nit lenger smecken.
Doch reut mich noch ein klainat kraus,
das was die dieren von dem haus:
zwai brüstlin als ein fledermaus
trueg si vor an irs herzen paus;
ir kratzen, zaus
vil mangen tet erschrecken.
Zwai smale füesslin als ain schilt
trueg si in braiten schuechen,
darob die bainlin wol gedillt
recht al ain dicke buechen.
ir ermlin, hendlin sind gevilt
weiss als ein swarze ruechen.
mit grossen slegen was si milt,
durch sweren und durch fluechen
kund si das tuechen.
Verborgen was der liechte glanz
von perlin und von spangen
zu Überlingen an dem tanz,
und da man inn solt brangen.
unlöblich was des maien kranz
bei röselochten wangen.
neur bi dem ofen stuend mein schanz,
mit kinds geschrai umbfangen.
das tet mich pangen.

 
1.
Wer seinen Beutel leicht machen will,
der braucht, damit ihm das gelingt,
sich nur nach Überlingen durchzufragen.
Da kosten vierzehn Pfifferlinge
fünfzehn Schilling
Konstanzer Prägung,
und sechzehn Heller zahlt man für ein Ei,
zwei kosten zweiunddreißig.
Fleisch wenig, doch viel Lärm ums Kraut.
Aus kleiner Schüssel geht es ringsum
für viele Leute
mit hungrigen Mägen.
In einer Pfanne Wassermus,
die Bratenstücke knapp bemessen.
Wildbret und Fische sind in Acht und Bann,
die wagt man nicht zu essen.
Und damit aus! >Schaut, daß ihr weiterkommt!
Ihr seid hier schon zu lang gesessen.
Ein jeder hat zwei Groschen zu bezahlen,
ja nicht vergessen,
und dann macht euch nur schnell davon!
Ich kann jetzt nicht mehr länger warten,
zückt eure Beutel, meine Herren!
Dies ist das letztemal, daß ich euch freundlich bitte.
Ich meß euch knappe Ware zu
und nehm am Abend dafür reichlich.
Laßt nur die Münzen springen!
Bezahl, gib her, sag ich, es hilft dir nichts.
Mit einer Suppenkelle könnte ich es
nicht besser herrollen lassen.<

2.
Der Wein, so süß wie Schlehensaft,
macht mir die Kehle rauh und schwach,
daß es daneben geht, wenn ich klar singen möchte
(da denk ich oft sehnsüchtig an Tramin);
mit aller Macht
schafft er ein böses Unwohlsein,
denn er macht ebenso vergnügt und munter
wie der Sack den Esel.
Seine Säure läßt mein Blut gerinnen,
da werde ich ganz schwach und grantig.
Dies ungepflegte Naß
läßt mich das Maul verziehen.
Auch findet man dort auf dem Marktplatz
unglaublich viel an Unterhaltung,
da wird getanzt, gesungen, musiziert
von einer struppigen Katze.
Nach Überlingen will ich nicht mehr hin,
um etwa reich zu werden,
ich wollte da höchstens einen Knüppel
mir kaufen um eine Ratte,
um sie zu ärgern.
Mein Wirt war wirklich gar nicht dumm,
er wußte, wie man Gold und Beutel trennt,
das merkte ich an meinem Bett:
für jede Feder zahlte ich zwölf Pfennig.
Wenn da zu ihm ein alter Karren käme,
er nähme ihm noch die Räder ab.
Sollte ich ihn etwa preisen
so hoch wie einen Zederbaum,
diesen Abstauber?

3.
Der größte Reichtum, den ich da notierte,
das waren Mist und alte Weiber,
mit Kleie wohlgemästete Schweine,
dazu zum Zeitvertreib noch viele Flöhe.
Das Bauernpack
wollt mir nicht länger schmecken.
Doch tut es mir noch leid um ein gelocktes Kleinod,
das war das Mädchen aus dem Hause:
Zwei Brüstlein wie eine Fledermaus
trug sie am Brustkorb vor sich her.
Ihr Kratzen, Zausen
hat schon manchen Mann erschreckt.
Zwei Füßlein zierlich wie eine Planke
die zeigte sie in ausgelatschten Schuhen,
darüber Beinchen, fest gezimmert
so wie ein dicker Buchenstamm.
Die Ärmchen, Händchen haben eine Haut
so weiß wie eine schwarze Krähe.
Freigebig war sie mit kräftigen Schlägen,
die wußte sie gut einzuwickeln
in Flüche und Verwünschungen.
Nichts war zu sehen von dem Glanz und Schimmer
von Perlen und von Broschen
in Überlingen da beim Tanz,
armselig war der Frühlingskranz,
in dem man doch mit rosigen Wangen
sich präsentieren sollte.
Ich konnte meine Zuflucht nur zum Ofen nehmen,
um den herum gab es nur Geschrei von Kindern,
das machte mir ganz angst und bang.

 
Lied 31

Typus und historischer Hintergrund:
Das Liedes spiegelt die Atmosphäre in der königlichen Kanzlei im Winter 1432 während eines wenig erfreulichen Aufenthalts in
Piacenza wieder. König Sigmund war im September 1431 zu einem lang geplanten Zug nach Italien aufgebrochen. In Piacenza hielt sich
Sigmund mit seinem Gefolge von Ende Dezember 1431 bis Ende März 1432 auf. Am 10. Januar 1432 schrieb er Oswald von Wolkenstein,
er brauche ihn für einige Sonderaufträge.
Die Strophe 2 ist ein einziger Spott auf Hermann Hecht, Protonotar und Sekretär König Sigmunds. Da die Leber auch als Sitz des Durstes galt,
ist wohl auf die Trinkfreudigkeit des Hermann Hecht angespielt.
 
Wer die ougen wil verschüren mit den brenden
 
1.
Wer die ougen wil verschüren mit den brenden,
sein leben enden, mit gueten zenden
übel essen, ligen in dem stro,
der füeg sich in die Lumpardeie,
da vil manger wirt unfro.
tief ist das kot, teuer das brot.
ungötlich reu mit falscher treu
sol man da vinden teglichen neu.
das ist ain speis, der ich nicht keu.

2.
Wer nach der wage ringe hechten koufen welle,
- für ungevelle so fail, geselle! -
ainen, der ain staine leber trag,
forsch in des kaisers canzeleie,
wo man solche fisch erjag.
Gülcher, mach kund, was galt ain pfund?
>pro zingk soldin et tre zesin,
also galt sich das leberlin vin
von disem sütten hechtigin.<

3.
Herman, Marquart: Costnitz, Ulmen, wer das leben,
uns freud zu geben von mündlin eben,
und mein öhem hinder dem ofen wär!
das wär ein besser stampaneie,
wan das uns der peutel lär
wirt zu Placenz. mein conscienz
wirt oft so swach, wie wol ich lach,
so das mein schreiber dick gefach
klagt seinen grossen ungemach.

4.
Sebastian, wärs dus ain ox zu Florenzola
oder ain caniola und zugst cum dola
teglich mist auf ainem wagen gross,
das näm ich für ain süessen breie.
fur was ich gäb dir auch ain stoss
zu deiner brust, als du mir tust
mit valscher gier, grob als ain stier,
zwar des geleichen videlt ich dir,
und wurd dir mer, das stüend zu mir.

 
1.
Wer beim Feuermachen seine Augen verheizen will,
seines Lebens müde ist, mit guten Zähnen
schlecht essen möchte und im Strohbett liegen,
der gehe in die Lumpardei,
denn da vergeht manch einem aller Spaß.
Tief der Dreck teuer das Brot.
Unfromme Reue, Hinterhältigkeit
kann man da täglich neu erleben.
Das ist ein Mahl, das mir nicht schmeckt.

3.
Wer leichtgewichtige Hechte kaufen möchte
- hüt dich vor Schaden, Freund, frage nach dem Preis! -
einen Hecht mit einer Leber von fünf Pfund,
der frage nach in der Kanzlei des Kaisers,
wo man solche Fische fängt.
Sag, Jülicher, was hat ein Pfund gekostet?
>Cinque soldi e tre zecchini,
so viel hat es gekostet, dieses feine Leberlein
von diesem söiten Hechteken.<

3.
Hermann, Marquart: in Konstanz, Ulm, das wäre ein Leben,
wo an hübschen Mündchen wir noch Freude fänden,
und mein alter Freund säße hinterm Ofen!
Das wäre doch ein schöneres Vergnügen,
als wenn uns der Beutel leer wird
in Piacenza. Oft schrumpft mein Konto so,
wiewohl ich gute Miene mache,
daß mir mein Sekretär beständig
seine großen Schwierigkeiten vorhält.

4.
Sebastiano, wärst du doch ein Ochs in Florenzola
oder ein Hundsvieh und zögst con doglia
täglich Mist auf einem großen Wagen!
Das wäre mir lieber als ein süßer Brei.
Ich gebe dir bestimmt auch einen Stoß
gegen die Brust, so wie du mir getan hast,
übelwollend und grob wie ein Stier,
ja, ganz genauso wollte ich dir aufspielen,
und wenn du mehr abkriegest, wäre mir es nur recht.

 

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